Alkoholverbot im Hamburger ÖPNV (2.Teil)

von
Ralf Hering

09/11

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Das “Alkoholkonsumverbot“ des Hamburger Verkehrsverbundes HVV wird bundesweit diskutiert. Bereits jetzt ist klar, dass die “Verfolgung und Sanktionierung von ÖPNV-Alkoholsündern“ (nach dem 01.10.11), durch das private Sicherheitspersonal der hanseatischen Verkehrsbetriebe, rechtlich bedenklich ist.

Derweil haben lokale Zeitungen das private Sicherheitspersonal des HVV zu Beamten “befördert“; aus den Mitarbeitern des Sicherheitsunternehmens “DB-Sicherheit“ (Tochterunternehmen der Deutschen Bahn) machte beispielweise das Hamburger Abendblatt “Sicherheitsbeamte“ und auch “Security-Beamte“.

Offenbar setzt man dabei auf einen “Gewöhnungseffekt“ an “Sanktionsmaßnahmen“ durch private Sicherheitsdienste: Wie in der Schweiz (Stichwort: Securitas), sollen sich die Bürgerinnen und Bürger auch hierzulande - mehr und mehr - daran gewöhnen, in der Öffentlichkeit von Sicherheitsfirmen überwacht, kontrolliert und sanktioniert zu werden. Dabei ist längst nicht alles, was sich Verantwortliche im Bereich “Sicherheit und Ordnung“ ausdenken, auch automatisch rechtens!  

“Der Kampf gegen Kriminalität und andere Formen ‘abweichenden Verhaltens‘ ist dabei nur ein Aufgabengebiet.“ (Zitat: Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Sicherheitswirtschaft, BDSW)  

HVV-Alkoholkonsumverbot: Recht(lich) unausgegoren! 

Das Hamburger “ÖPNV-Alkoholkonsumverbot“ wird bundesweit diskutiert. Unbestritten dabei ist, dass die Verfolgung von Verstößen gegen dieses “Alk-Verbot“ - mittels Bußgeld/“Vertragsstrafe“ (bis zu 40 Euro) - durch das private Sicherheitspersonal (Sicherheitsfirmen) des hanseatischen Verkehrsverbundes HVV nicht über das sog. “Jedermannsrecht“ (§ 127 Abs. 1 StPO) abgedeckt ist. Stattdessen soll nun der § 229 BGB Selbsthilfe (Zivilrecht) die Rechts-/Einsatzgrundlage – zur Verfolgung von ÖPNV-Alkoholsündern - für die privaten “Alk-Kontro’s“ des HVV bilden. Gerade hierzu existieren jedoch Rechtsbedenken anderer Verkehrsunternehmen bzw. Verkehrverbünde des ÖPNV/ÖPV!

Denn: Die Verfolgung von Verstößen gegen das HVV-Alkoholkonsumverbot greift  unverhältnismäßig stark in die Grundrechte (Identitäts-/Personalienfeststellungen sind immer mit einem “Anhalten der Person“, also einer Beeinträchtigung der Freiheit/Freizügigkeit gem. Art. 2 GG verbunden) der Betroffenen ein; vor allem, weil es sich hierbei noch nicht einmal um eine Ordnungswidrigkeit handelt und – im Regelfall – hierbei auch keine Rechtsgüter beeinträchtigt werden. Weder dem HVV noch anderen Fahrgäste entstehen durch ertappte “Alkoholsünder“ Nachteile.

Ein einfacher Verweis dieser “Ordnungsstörer“ aus den Verkehrsmitteln ist daher rechtlich zulässig, verhältnismäßig und sinnvoll. Dabei wird auch nicht übermäßig stark in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen. 

“HVV-Alk-Verbot“ erfüllt mehrere Funktionen 

Die Androhung und Durchsetzung des “HVV-Alk-Verbots“, mittels Bußgeld/Vertragsstrafe, durch das private Sicherheitspersonal der Verkehrsbetriebe erfüllt gleich mehrere Funktionen: Die verhängten “Vertragsstrafen“ sollen abschreckend wirken und gleichzeitig dem HVV “Geld in die Kasse spülen“; dem privaten Sicherheitspersonal/den Alk-Kontro’s des HVV dienen diese “Bußgelder“  als “Leistungsnachweise“. Und genau das ist hierbei auch das Problem, dass aus Gründen der “Auftragserhaltung“ für die Sicherheitsfirmen und/oder “HVV-Quotenvorgaben“, i.V.m. sog. “Kopfprämien“ (siehe “Schwarzfahrer-Jagd-Skandal“ in Berlin 2003), jeder Alkoholsünder gleich notiert wird (ohne “Verlassensaufforderung“) und man dabei das eigentliche Ziel – die Beseitigung einer “Ordnungsstörung“ im ÖPNV – aus den Augen verliert.

Eine Art “leistungsbezogene Verfolgung“ von ÖPNV-Alkoholsündern könnte sich deshalb nach dem 01.10.11 in Hamburg etablieren. 

Rechtlich sehr bedenklich ist, dass hier “Private“ (Sicherheitsfirmen) für “öffentlich zugängliche“ bzw. “halb öffentliche“ Räume/Bereiche (ÖPNV, ÖPV, Haltestellen, Bahnhöfe etc.) quasi “Sanktionsbefugnisse durch die Hintertür“ erhalten - und sei es auch nur i.V.m zivilrechtlichen Ansprüchen, wie z.B. “ÖPNV-Vertragsstrafen“.

Denn: “Bußgeld bleibt Bußgeld“ und im Gegensatz zu “echten Ordnungswidrigkeiten“ ist hier kein Wiederspruch der Betroffenen möglich, da es sich hierbei nicht um öffentliche “Verwaltungsakte“ handelt, welche beispielsweise von Amts-/Hoheitsträgern (Polizei/Ordnungsamt) erlassen werden. Hier werden also privaten Sicherheitsdiensten “Sanktionsbefugnisse“ in die Hände gegeben, mit denen die Bürgerinnen und Bürger “abgestraft“ werden sollen! 

In Zukunft will die deutsche Sicherheitswirtschaft  – im Sicherheitsverbund mit den Ordnungsbehörden (Polizei, Ordnungsämtern), im Rahmen von police private partnership (ppp) und public private security (pps) – sogar Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Raum verfolgen; gegen Bezahlung aus Steuergeldern versteht sich. Dies ist das erklärte Branchenziel der Sicherheitswirtschaft für dieses Jahrzehnt, auch wenn der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz (“Übernahme hoheitlicher Aufgaben“) dieser Entwicklung entgegensteht! 

Offenbar setzt man dabei auf einen “Gewöhnungseffekt“ an “Sanktionsmaßnahmen“ durch private Sicherheitsdienste: Wie in der Schweiz (Stichwort: Securitas), sollen sich die Bürgerinnen und Bürger auch hierzulande - mehr und mehr - daran gewöhnen, in der Öffentlichkeit von Sicherheitsfirmen überwacht, kontrolliert und sanktioniert zu werden!    

“Sanktionsbefugnisse“ von “Security-Beamten“? 

Im Zusammenhang mit dem ÖPNV-Alkoholkonsumverbot hat die lokale Presse – allem voran das Hamburger Abendblatt - die Alk-Kontro’s des HVV Anfang des Monats “befördert“: In mehreren Zeitungsberichten über das private Sicherheitspersonal des hanseatischen Verkehrsverbundes war – fälschlicherweise – von “Beamten“, “Sicherheitsbeamten“ und sogar von “Security-Beamten“ die Rede. Ob dieser Fehler einfach nur schlechten journalistischen Recherchen zugerechnet werden muss oder die Zeitungen den privaten Sicherheitsdiensten des HVV einen “Autoritätsvorschuss“ angedeihen lassen wollten, ist unklar!

Gerade in Bezug auf das HVV-Alkoholkonsumverbot bleibt abschließend festzuhalten: Nicht alles, was sich Verantwortliche im Bereich “Sicherheit und Ordnung“ ausdenken, steht automatisch im Einklang mit Recht und Gesetz!

Noch eins in eigener Sache: Im Zusammenhang mit Recherchen zum ÖPNV-Alkoholkonsumverbot sprachen die Pressestelle der Hamburger Polizei sowie die Pressestelle des HVV von einer “Ordnungswidrigkeit“. Erst später stellte sich dann heraus, dass es sich hierbei “nur“ um eine Verletzung des § 4 Abs. (2) Ziff. 14 HVV-Beförderungsbedingungen handelt, welche aber mit Bußgeld/Vertragsstrafe geahndet werden soll. (siehe hierzu den Teil 1 von Alkoholverbot im Hamburger ÖPNV

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.