Alkoholverbot im Hamburger ÖPNV (1. Teil)
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch Private: Aus Bahnen und Bussen in den öffentlichen Raum?


von
Ralf Hering

09/11

trend
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Im Hamburger ÖPNV herrscht ab 1. September ’11 striktes Alkoholverbot. Das private Sicherheitspersonal des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) soll künftig das Verbot kontrollieren und nach einer vierwöchigen Übergangsfrist als Ordnungswidrigkeit (Bußgelder bis zu 40 Euro!) verfolgen.

Rechtlich gesehen dürfen die privaten “ÖPNV-Alkoholkontrolleure“ noch nicht einmal die Vorlage des Personalausweises einfordern, da dieses bereits “hoheitliches Handeln“ darstellt – ihnen fehlen die Befugnisse um bei Ordnungswidrigkeiten in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Und: Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch private Sicherheitsdienste sehen Recht und Gesetz explizit nicht vor!
Im Gegensatz zur Straftat “Schwarzfahren“ (Leistungserschleichung § 265a StGB) handelt es sich beim Verstoß gegen das ÖPNV-Alkoholverbot um eine reine Ordnungswidrigkeit. Fahrgastkontrolleure die einen Schwarzfahrer erwischen dürfen diesen nach § 127 (1) StPO bis zum Eintreffen der Polizei festhalten; um sich und dem “Schwarzfahrer“ Zeit, Mühe und Unannehmlichkeiten zu ersparen, können sie ihm (alternativ) anbieten den Personalausweis vorzulegen – auf freiwilliger Basis versteht sich.

Dieses Procedere entfällt nun aber bei der Kontrolle des ÖPNV-Alkoholverbotes durch private Sicherheitsdienste, da es sich hier, wie beschrieben, um eine Ordnungswidrigkeit handelt und der § 127 (1) StPO deshalb keine Anwendung findet. Das heißt, die “vorläufige Festnahme durch jedermann“ (§ 127...), durch den Einsatz “einfacher körperlicher Gewalt“ und der “Drohkulisse Polizei“, um auf “freiwilliger Basis“ an den Personalausweis des “Alkoholsünders“ zu gelangen, dieses Druckmittel der Kontrolleure entfällt komplett!

Ein von privatem Sicherheitspersonal ertappter ÖPNV-Alkoholsünder kann - rechtlich gesehen – aufstehen und die Bahn bzw. den Bus verlassen; er darf daran von den Kontrolleuren nicht gehindert werden. Ein versperren des Weges oder gar Festhalten des Betroffenen durch das private Sicherheitspersonal erfüllt in dieser Situation den Tatbestand der Nötigung bzw. der Freiheitsberaubung!

Allerdings haben die Verkehrsbetriebe den privaten Sicherheitsdiensten eine Art “Hausrecht“ für Busse und Bahnen übertragen (ähnlich wie bei dem Sicherheitspersonal in Einkaufszentren). Das ÖPNV-Sicherheitspersonal darf seinerseits von diesem Hausrecht gebrauch machen und Fahrgäste aus den Verkehrsmitteln verweisen.

Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten durch Private

Bei diesem Thema geht es nicht darum für “Alkoholexzesse in Bahnen & Bussen“ zu kämpfen, sondern darum aufzuzeigen, wie hier “hoheitliche Aufgaben“ und die dazugehörigen Befugnisse – unzulässiger Weise - auf private Sicherheitsdienste übertragen werden.

Die Sicherheitswirtschaft nimmt die Übertragung dieser ”Machtbefugnisse“ dankend an, möchte sie doch in Zukunft an der Seite der Ordnungsbehörden und im Rahmen von “public private security“ (pps) auch Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Raum verfolgen.

Nicht nur der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz steht der Privatisierung von öffentlichen Ordnungsaufgaben im Wege. Im Herbst 2003 kam das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a.M. zu folgendem Urteil: “Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“ (Az.: 2Ss OWi 388/02).

In Hamburg ist man im Bezug auf das ÖPNV-Alkoholverbot gerade dabei Recht und Gesetz auszublenden. So bleibt nur zu hoffen, dass das “Hamburger Modell“ keine Schule macht und sich die privaten Kontrolleure nicht über die Haltestellen in den öffentlichen Raum “vorarbeiten“. Lukrative öffentliche Aufträge – um die Einhaltung von Verboten zu überwachen – ist genau das, was sich die Sicherheitswirtschaft für die Zukunft wünscht!

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.