Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Französische Rechtsextreme
Fortgang des Ringens um Chefposten und Ausrichtung des Front National - Bruno Gollnisch lässt seinen internen Wahlkampf von einem Fan der „Protokolle der Weisen von Zion“ anführen

Fortsetzung von Front National - Das Rennen um den Parteivorsitz ist angepfiffen

09/10

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Bruno Gollnisch, 60 Jahre alt und Anwärter auf den Parteivorsitz des rechtsextremen Front National (FN), möchte den noch amtierenden „alten Chef“ - den 82jährigen Jean-Marie Le Pen - nicht vorzeitig zu Grabe tragen. Deswegen dachte er auch nicht an eine Beerdigung des alternden Parteichefs, der den FN seit seiner Gründung im Oktober 1972 ohne Unterbrechung und wie ein Monarch führte, als er seinen parteiinternen „Wahlkampf“ in der so genannten Königsgruft (Nécropole des rois)  eröffnen wollte. 

Dort, unter der Basilika im Pariser Vorort Saint-Denis - wo Jahrhundert lang die französischen Könige gekrönt wurden - reihen sich die Sarkophage der gekrönten Staatsoberhäupter früherer Zeiten aneinander. Aus seinem Auftritt dort, der für den 16. September geplant war, wurde jedoch nichts: Der Priester und Leiter der Örtlichkeiten, Eugène Doussal, verwehrte dem rechtsextremen Politiker den Zutritt zur unterirdischen Begräbnisstätte. Bruno Gollnisch musste seinen Auftritt an der Eingangstür zur Kirche absolvieren, wo ihm der Lärm einer antifaschistischen Gegendemonstration entgegenhallte. 

Gollnisch wollte nicht den Sargdeckel über Jean-Marie Le Pen schließen. Es ging ihm vielmehr darum, einen symbolischen Ort aus der Geschichte Frankreichs auszuwählen, „der zum Opfer des revolutionären Vandalismus geworden ist“, wie er erklärte - die Revolutionäre von 1789 ff. hatten einige der Königsgräber beschädigt. Aber auch darum, eine Aussage zur aktuellen Situation Frankreichs zu treffen: Der Bezirk von Saint-Denis - in den nördlich an Paris angrenzenden Trabantenstädten - drohe „zum Kosovo Frankreichs zu werden“, erklärte Gollnisch. Die Einwanderer, die seiner Auffassung nach wie die Kosovo-Albaner überwiegend Muslime seien, so Bruno Gollnisch, drohten demnächst „die Unabhängigkeit des Territoriums von Frankreich zu fordern“. Konfrontiert mit einem Hausverbot in der Basilika, einer Verurteilung seines Auftritts durch das Rathaus von Saint-Denis und Gegendemonstranten, kam Gollnisch jedoch in der Öffentlichkeit nicht sehr weit mit seiner Botschaft. 

Seine Herausfordererin - die als chancenreicher als er selbst gilt - ist die 40jährige Marine Le Pen. Zu ihren Trümpfen zählen ihr Familienname und ihre Eigenschaft, Tochter des Parteigründers und langjährigen -vorsitzenden zu sein. Marine Le Pen war früher Anwältin, bevor sie als hauptberuflich Tätige in den Parteiapparat aufgenommen wurde. Bruno Gollnisch war Juraprofessor und Spezialist für japanisches Recht sowie japanische Kultur - er hatte zu seiner Zeit als Marineoffizier asiatische Sprachen erlernt, weil er für den Nachrichtendienst arbeiten wollte, und ist mit einer Japanerin verheiratet -; er wurde jedoch nach seinen Äußerungen bei einer Pressekonferenz im Oktober 2004 bis zum Ruhestand vom Dienst ausgeschlossen. Damals hatte er den Holocaust relativiert und teilweise in Frage gestellt. Beide Bewerber sitzen als Abgeordnete im Europaparlament und bekleiden jeweils einen Posten als Vizepräsident oder Vizepräsidentin des FN. 

Marine Le Pen ist nicht nur jünger und attraktiver im Auftreten, sondern hat aufgrund der Unterstützung ihres Vaters auch besseren Rückhalt im Apparat. Ihren „Wahlkampf“ eröffnete sie am 17. September in Nanterre bei Paris, und zwei Tage später (am Sonntag, den 19. September) in Cluses in der Nähe des Genfer Sees, wo der FN 2008 eines seiner höchsten Kommunalwahl-Ergebnisse einfuhr. Bei ihrem Auftritt in Nanterre rief sie aus: „Mein Vater hat den FN gegründet und den Weg geebnet (Anm.: im französischen Original: ,débroussailler’, sinngemäß: Strauchwerk entfernen). Ich, ich will die Partei an die Macht führen.“ Auf der Ebene der Inhalte unterscheide sie „nichts“ von Bruno Gollnisch, fügte sie hinzu; aber dieser gebe vom FN ein altbackenes Image, während sie selbst sich attestierte, für ein freundlicheres Erscheinungsbild zu stehen. Und er hauche der Partei keine Dynamik ein, sei „kein General“ an der Spitze seiner Truppen, sondern er wolle nur als „moralische Autorität“ wirken.  

Doch falls sie im Rennen um den Vorsitz gewinne, erklärte Marine Le Pen gleichzeitig, „dann werde ich Bruno Gollnisch zu meinem Vizepräsidenten machen“. Gollnisch selbst ging allerdings nicht auf dieses freundliche „Angebot“ ein, sondern erklärt, er strebe weiterhin eine Übernahme des Vorsitzes der Partei an.

Unterdessen beschuldigt Marine Le Pen jetzt seit dem 23./24. September ihren Rivalen, er oder seine Anhänger betrieben eine „Unterwanderung“ der Partei mit Anhängern kleinerer rechtsextremer Splitterparteien, die bislang (größerenteils) auberhalb des FN standen und/oder sich in jüngerer Zeit von ihm abgespalten hatten. Ein Beschluss des „Politisches Büros“ – der zweithöchsten Führungsinstanz der rechtsextremen Partei – hatte im Frühjahr 2010 beschlossen, all diejenigen nicht zur Parteimitgliedschaft oder zum (Wieder-)Beitritt zuzulassen, die zuvor auf konkurrierenden Listen gegen den FN kandidiert hatten. Solche Elemente betrieben aber nun „Entrismus“ beim Front National, um die Kandidatur Bruno Gollnischs zu befördern. Konkret im Visier sind dabei Aktivisten des ,Parti de la France’ (PdF, „Partei Frankreichs“) unter Carl Lang – eine Kleinpartei, die vor gut zweieinhalb Jahren aus einer Abspaltung vom FN hervorging – sowie der faschistisch-antisemitischen Grupppierung ,Oeuvre française’, einer Kleinstgruppe unter Führung von Pierre Sidos, die tatsächlich Gollnisch gegen Marine Le Pen unterstützt. Der „Kampagnen“leiter“ (,coordinateur de campagne’, beim parteiinternen Wahlkampf) Bruno Gollnischs ist ein junger Mann namens Yvan Benedetti, der L’Oeuvre française mindestens ausgesprochen nahe steht und eine Struktur unter dem Namen ,Jeune Nation’ (so hieb ursprünglich eine faschistische Aktivistentruppe in den 1950er Jahren unter einem der Brüder Sidos, die dann verboten wurde) anleitet. Derselbe Vogel, Yves Beneditti, rief im Juni dieses Jahres einiges Aufsehen hervor, indem er die << Protokolle der Weisen von Zion >> - jene berüchtigte antisemitische Fälschung der zaristischen Geheimpolizei in Russland, im frühen 20. Jahrhundert – als „vorausschauendes Dokument“ bezeichnete. (Sic) Solcherlei „Geschichtspolitik“ würde Marine Le Pen, die derartiges Treiben als taktisch und strategisch schädlich betrachter, denn doch bleiben lassen.[1]

Am o1. September dieses Jahres fiel der Startschuss für den „offiziellen Wahlkampf“ zwischen den beiden Anwärtern auf den Parteivorsitz. Der oder die künftige Vorsitzende der rechtsextremen Partei wird bei ihrem nächsten Kongress, am 15. und 16. Januar 2011 im westfranzösischen Tours, gewählt werden. Der „Wahlkampf“ dazu hat nun begonnen. In den kommenden Tagen und Wochen werden die beiden Kandidaten in die französischen Départements (Verwaltungsbezirke) reisen. Vom 14. Dezember d.J. bis 08. Januar 2011 werden die Parteimitglieder dann per Briefwahl abstimmen, und das Ergebnis wird auf dem Parteitag verkündet werden. 

Unterdessen muss der Front National sich allerdings darauf gefasst machen, dass die Plätze auf der (äußerten) Rechten allmählich eng werden. Denn dort wird die Konkurrenz allmählich härter. Jedenfalls ergab eine Umfrage, deren Ergebnisse am Donnerstag, den 23. September 2010 publik wurden dass 66 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen heute die Auffassung teilen, wonach sich die Positionen der Rechtsregierung „denen des Front National annähern“. Der Befragung durch das Institut BVA zufolge vertreten 34 % der Wähler/innen der Konservativen, aber 58 % unter denen der Neofaschisten und 88 % der Wählerinnen und Wähler von Linksparteien diese Auffassung. Unter dem Eindruck der diagnostizierten Annäherung zwischen rechts und rechtsextrem sind ferner inzwischen 42 Prozent der Ansicht, der Front National sei „eine politische Partei wie die anderen auch“ – eine Zahl, die gegenüber früheren Jahren stark anwuchs -, auch wenn 57 % nach wie vor diese „Normalisierungs“these ablehnen. (81 % treten zugleich gegen einen Regierungseintritt des Front National ein. In dieser massiven Ablehnung dürfte auch der Hauptgrund dafür liegen, warum Nicolas Sarkozy ein offenes Bündnis bislang ablehnt. Anders als sein politischer Freund Silvio Berlusconi, der u.a. das ungeschminkte Rassistenpack von der Lega Nord in seinen Regierungshaufen hineinholte. Noch? Wird Nicolas Sarkozy diese Position auf Dauer aufrecht erhalten?) – Vgl.[2] 

Fortsetzung folgt garantiert, an dieser Stelle... 

Editorische Anmerkungen

Der Autor stellte uns seinen Artikel für diese Ausgabe zur Verfügung.