Stadtumbau & Stadtteilkämpfe

Die „Märchenprinzen“ und die „Verhandlervotzen“.

Ein Kommentar zu
Benny Härlins „Bewegungsstudien“ von Paul

08-2013

trend
onlinezeitung

Benny Härlin, Gerd Nowakowski (aktuell wieder im Tagesspiegel als Scharfmacher gegen den Berliner „Links-Terrorismus“ aktiv), Michael Sontheimer und die anderen Nutznießer der Hausbesetzer-Bewegung, müssten aus Dankbarkeit, dass die 81er-Bewegung dafür sorgte, dass sie doch noch dauerhaft „in Arbeit“ kamen, endlich aufhören, gegen die radikale Linke zu hetzen.

Wenn es die Bewegung nicht gegeben hätte, was hätten die Charaktermasken denn verkaufen (oder verraten) können außer ihre schlichte Arbeitskraft und hätte die auf dem Markt wirklich einer haben wollen?

Wer heute zügig etwas über die 81er-Hausbesetzer-Bewegung erfahren will, geht auf Wikidings, gibt „Schlacht am Fraenkelufer“ und „Berlin SO 36“ (Stichwort: Autobahn) ein und hat die ersten Grundinfos.

Aber nicht die Besinnungsaufsätze der Papageien des alternativen Spießbürgertums und ihre Denunziantenphantasien („Verhandlervotzen“) über die angeblich so frauenfeindlichen und primitiven Mackertypen der Nichtverhandler-Fraktion der 1981er Hausbesetzerbewegung.

Nicht umsonst stand in den 80ern die Parole: „TAZ lügt!“ über dem NKZ am Kottbusser Tor in Kreuzberg. Damit waren natürlich die Härlins, die Nowakowskis, die Sontheimers usw. gemeint.

Nicht umsonst forderte (nicht nur die Gruppe „Haue für Härlin!“) rituell vor jedem Besetzerrat: TAZ raus!

Und nicht umsonst wurde der Forderung ebenso rituell entsprochen.

Aus Benny Härlins „Bewegungsstudien“ über den Berliner Besetzerrat, Leseauszug aus der trend 7/13:

Theoretiker haben keine Chance hier, es kommt vor allem auf die Power an, mit der die Argumente vorgetragen werden.

»Ich wollt nochmal was sagen zu dem, was die Verhandlungs-Votze da grad abgelassen hat. Wir ham gesagt, bevor die Leute nicht raus sind, gibt's keine Verhandlungen und basta. Du mußt endlich mal checken, daß das einzige, wovor die Schweine echt Schiß haben, Putz ist. Wenn die erst mal was zu quatschen haben mit uns, dann ziehn sie uns doch immer über'n Tisch.«

Anmerkung:

Die hier angeführten Zitate stammen aus meiner persönlichen Erinnerung an Sitzungen des Besetzerrates im Februar und März 81. Sie sind tendenziös ausgewählt und zusammengezogen, um eine bestimmte Form der Auseinandersetzungdeutlich zu machen, insofern im strengen Sinne nicht authentisch.“

Soweit der Benny Härlin mit seinen persönlichen Erinnerungen und Anmerkungen über den Berliner Besetzerrrat 1981.

Egal, ob leise gestottert, ungelenk geschrieben oder mit wilder Wut herausgeschrien, es kommt n u r auf die Wahrheit an!

Mit der hat Benny Härlin offensichtlich Schwierigkeiten. Deswegen muss er Glaubwürdigkeit in seinem fantasierten Szene-Sprech durch „Power“ ersetzen.

Dachte Härlin bei dem Begriff „Power“ vielleicht schon an den nächsten Schritt seiner Diffamierungskonstruktion, nämlich dass er „Frauenpower“ gegen den Begriff „Verhandlervotze“ mobilisieren will, um die Militanten möglichst für immer als Frauenfeinde zu verleumden?

Nicht nur dumm und vulgär sollen sie gewesen sein, die militanten Nicht-Verhandler, sondern auch extrem frauenfeindlich, weil sie in einer Zuhältersprache stammelten und sie auch wie Zuhälter in ihren Lederjacken- und hosen für den Benny Härlin aussahen.

Wenn Härlin sich absichert, seine Erinnerungen seien „im strengen Sinne nicht authentisch“, scheint doch bereits klar durch, dass er den LeserInnen einen Bären aufbinden will, aber noch im Zweifel ist, wie weit er dabei gehen kann, ohne sich vielleicht doch noch in der Zukunft selbst zu schaden.

Ärgerlich, das schlechte Rest-Gewissen oder die Zukunftsängste eines Opportunisten. Manchmal steht dann doch manches im Weg, wenn man im „strengen Sinne“ lügt, nicht?

Wenn es Härlin nur um Niederschrein und Lautstärke („Power“) gegangen wäre, hätte er das als Streber im „ausgelagerten Volontariat der Bürgerpresse“ (Gremliza über die TAZ) gelernt und sich nicht sprachlich derartig „einen abbrechen“ müssen.

'Memories Are Made of This' 

Die Besetzerrats-Treffen im „Kuckuck“ fanden i. d. R. im gleichen Raum statt. Ich erinnere mich an eine große Parole über dem Eingang.

Hausbesetzungen waren eine korrekte Sache - bis die Langweiler-Hippies kamen!“

Einer der führenden Langweiler-Hippies war Benny Härlin, wenn nicht der ideelle Gesamtlangweiler.

Um meine „Langweilerstudien“ abzukürzen: 

Man hätte Benny Härlins Foto vorm „Dschungel“ (1981 auch bei Militanten, Transsexuellen und anderen Outsidern sehr beliebte In-Diskothek) aufhängen können: Wir müssen leider draußen bleiben!“ und es wäre sofort deutlich geworden, welche Seite des „Kulturkampfs“ innerhalb der Besetzer-Szene hier nicht durch die Einlasskontrolle kommt. Nämlich die spießigen Spaßbremsen, die Party- und Revolutionskiller, die Langweiler-Hippies und Verhandler.

Meine erste Besetzerratsversammlung im Kreuzberger Kunst- und Kulturzentrum (Kuckuck) warf mich in einen bizarren Gefühls- und Bilder-Cocktail aus „Mad Max“ und Wohlfahrtsausschuss der Französischen Revolution.

Kein Leder, keine Hausbesetzer!

Karl Marx schrieb: Die Jungen leihen sich die Kostüme der Alten.

Für die Punks im Rat gehörte „totes Tier“ selbstverständlich zum Dresscode.

Die langhaarigen RebellInnen bedienten sich anscheinend bei den späten 60er und den 70ern. Das Leder-Outfit der proletarischen Nicht-Studies (Studies = Schimpfwort) in der linksradikalen Szene.

Die Lederjackenfraktion der KPD/ML, die Heimkampagne und die, von der „bürgerlichen Schweinepresse“ gerne so denunzierten „Polit-Rocker“, Rote Arbeiter-Selbsthilfe mit eigener Umzugsfirma, Proletarische Kneipenkollektive usw.. All das schien nie weg und kam, um sich zum Berliner Besetzerrat 1981 wieder zu versammeln.

Die Wahrheit hat einen Zeitkern, schreibt Adorno.

Das Zeitfeeling (Gefühl und Härte) war 1981 nicht ansatzweise so beschränkt und verroht wie heute (obwohl Tierquälerei mehrheitlich unbeachtet blieb).

Die Bewegung regierte durchweg sehr sensibel auf jede Art von Grausamkeit (Stichworte: Bobby Sands/Sigurd Debus) und warf sich konsequent dagegen „in den Ring.“

Trotz der harten und oft auch überzeichneten und narzisstischen Bürgerschreck-Posen waren im Besetzerrat doch militante Frauen und zornige Softies versammelt, die zumindest in der außergewöhnlich langen radikalen Hochphase der Bewegung ihre bestmöglichen politischen und menschlichen Seiten an sich, für sich und im Umgang mit anderen entwickelten. Befreiung im Kampf um Befreiung!

Die Wahrheit hat einen Zeitkern.

Ich kam ursprünglich aus der ML-Bewegung der 70er und orientierte mich lange am Kommunistischen Bund, KB (Arbeiterkampf), weil ich mit den „Ultralinken“ der chinesischen Kulturrevolution sympathisierte (Stichwort: Lin Piao).

Ich hatte den „Tod des Märchenprinzen“ und die darauf folgenden „endlosen“ Kampf-Diskussionen zur Frauen-/Lesben- und Schwulenfrage „gefressen“, so dass ich schon die diversen feministischen Fraktionen von „Courage“ bis „Schwarze Botin“ relativ zügig an ihrer Sprache erkannte.

Wenn, wie von Härlin behauptet, „Verhandlervotze“ ein geläufiger Kampfbegriff gegen die Verhandler gewesen wäre, die seit den § 218-Kämpfen verinnerlichte anti-chauvinistische Alarmanlage wäre doch bei allen sofort angesprungen. Das wäre nicht widerspruchslos hingenommen worden. Oder habe ich das kritische Flüstern der Verhandler überhört?

Der von Härlin unterstellte radikale Jargon- und Ideologiewechsel von Parolen wie z.B. „Schnipp, Schnapp, Schwanz ab!“ und „Runter mit dem Männlichkeitswahn!“ u. ä. zur angeblichen „Verhandlerfotze“ als Kampbegriff gegen den „Feind in den eigenen Reihen“, die bürgerliche Abweichung innerhalb der Bewegung (Verhandler als die Revisionisten der 1981er) wäre mir garantiert im Gedächtnis geblieben.

Abgesehen davon, kann ich mich nicht daran erinnern, dass sich die Langweiler-Hippies/Verhandler für die feministische Sache gegenüber den „Ledermackern“ jemals stark gemacht oder einen anderen Beitrag für die Frauenbefreiung geliefert hätten.

Die bewussten Frauen und Lesben verstanden sich m. W. hingegen mehrheitlich als NichtverhandlerInnen.

Der „Tod des Märchenprinzen“

Love Story (= Make Love - Not Babies!) zwischen einem autonomen „Leder-Macker“ und einer KB-nahen Feministin in Hamburg am Ende der maoistischen Hochphase in der BRD und Westberlin.

Ohne es zu prüfen, mit Sicherheit der meistverkaufte KB-„Klassiker“ überhaupt.

Ein Buch aus einer Zeit, in der man sich als linksradikaler „Polit-Macker“ durchaus rechtfertigen musste, wenn man mit einer Frau zusammen war, die sich nicht radikal-feministisch engagierte.

Bevor das jetzt falsch rüberkommt. Es ist m. E. kein Fehler, wenn der linke Alltag auf vermeidbare bürgerliche Rechtsabweichungen geprüft und davon gesäubert wird.

Es war doch auch eine Qualität der 81er-Hausbesetzerbewegung die Revolutionierung des linken Alltags weiter zu verschärfen. Es gibt ein richtiges Leben in der richtigen Revolte und nur mit der proletarischen Frau kann der Kommunismus siegen!

Ich sprach damals mit vielen bürgerlichen und „unpolitischen“ LeserInnen über den „Tod des Märchenprinzen“, weil das ein Buch war, das weit über das eigene Ghetto wirkte und man so leicht etwas über die „Meinung der Massen“ erfahren konnte.

Die meisten nahmen allerdings kaum wahr, dass die linksradikale Szene in dem Buch eine Rolle spielte.

Die Rote Front, die Schwarze Front - und man/frau sah nur „Herzen in Flammen“ und identifizierte sich mit dem Gefühlsleben und Problemen einer linksradikalen Beziehung. Der „Märchenprinz“ des Kommunistischen Bundes - fast schon im Herzschmerz der Mitte der Gesellschaft!

Ich bestreite, dass der Begriff „Verhandlervotze“ jemals fester Bestandteil der Sprache des Besetzerrats Berlin 1981 gewesen ist. Der geläufige Begriff für die Verhandler lautete schlicht „Verhandlerschweine“.

Den Begriff „Verhandlerschweine“ und auch das „Schweinesystem“ (Holger Meins: Mensch oder Schwein!) haben heute als Kampfbegriffe jede Kraft verloren.

Ich esse keine Tiere mehr und ich fordere auch keine „Schweine ins Weltall!“, wenn ich dem Ausbeutersystem eine letzte gute Reise wünsche.

Das war sehr, sehr lange anders und muss vor dem zeitlichen Hintergrund richtig verstanden und bewertet werden.

Als Bundeskanzler Schmidt 1976 wiedergewählt wurde, klebte der KB ein Plakat: „Schmidt gehabt, Schwein bleibt Kanzler!“ um die Freude über die Wahl des „kleineren Übels“ innerhalb der bürgerlichen Linken anzugreifen. Nur, um noch ein Beispiel zu nennen, wofür die „armen Schweine“ über Jahre so alles herhalten mussten.

Selbstkritik:

Die alten „Schweine-Vergleiche“ haben in der Propanganda und Agitation der Linksradikalen nichts mehr zu suchen. Leder sollte nicht zum Dresscode der Linksradikalen gehören und sie sollten auch keine „Leichenfresser“ mehr sein.

Kritik:

Der Begriff „Verhandlervotze“ ist allerdings ein reaktionäres Gerücht, eine Erfindung der „Verhandlerschweine“ (ein letztes Mal darf ich ihn benutzen), um die Militanten im Nachhinein zu denunzieren. 

Glaubt den Überläufern kein Wort!

Editorische Hinweise:
Wir erhielten den Text vom Autor für diese Ausgabe.