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Die 68er wollen sich versöhnen
Ein Gespräch von Anton Landgraf mit dem Soziologen Moshe Zuckermann
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Moshe Zuckermann wurde 1949 in Tel Aviv, Israel, geboren. Seine Eltern, beide polnische Holocaust-Überlebende, wanderten 1948 nach Israel ein. 1960 emigrierten sie nach Westdeutschland. Zuckermann lebte von 1960 bis 1970 in Frankfurt/Main und kehrte Anfang der siebziger Jahre wieder nach Israel zurück. Der Soziologe und Historiker arbeitet als Dozent an der Universität Tel Aviv. Zur Zeit ist er als Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin tätig.

AL: Sie haben die sechziger Jahre in Frankfurt am Main erlebt. Wie normal war es damals, als Jude in Deutschland zu leben?

MZ: In der gesamten BRD gab es damals rund 30 000 Juden. Alle erlebten ihr Dasein in Deutschland als ein Sitzen auf Koffern, als einen nur temporären Aufenthalt. Das hielt sich über eine ganze Generation und galt selbst für diejenigen, die schließlich Dutzende von Jahren hier verbrachten, wie z.B. meine Mutter, die in Deutschland starb und in Israel beerdigt wurde.

Für uns Kinder aus der nächsten Generation bedeutete dies, daß wir keine Zukunft in Deutschland hatten. Dies war ein Land, auf das man sich besser nicht einlassen sollte. Und auf keinen Fall durfte man sagen, was Ignatz Bubis Ende der achtziger Jahre postulierte und was ihn in meinen Augen zu einem Revolutionär machte - daß das jüdische Leben in Deutschland wieder auferstehen möge, daß Juden wieder in Deutschland leben und sich institutionell als Gemeinde einrichten dürfen. Das war in meiner Generation keine Selbstverständlichkeit. Heute hat sich die jüdische Gemeinde, vor allem durch die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion, fast verdreifacht.

AL:Die gesellschaftliche Atmosphäre der Nachkriegszeit muß alles andere als angenehm gewesen sein: NS-Funktionäre wie Globke konnten in der BRD steile Karriere machen. Selbst in höchsten Staatsämtern saßen Personen mit einer interessanten Nazi-Vergangenheit.

MZ: In der restaurativen Adenauer-Ära sollte Westdeutschland als sogenannte demokratische Bastion gegen den Kommunismus wieder in die Völkergemeinschaft integriert werden. Und dafür mußte man auf die alten NS-Eliten zurückgreifen, und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen. Wir hatten hier im Wissenschaftskolleg erst kürzlich die Debatte um Leute wie Theodor Schieder und Werner Conze, die ihre Ordinarien aus der Nazi-Zeit übergangslos in neuen Lehrstühlen fortführen konnten.

Aber die Tatsache, daß die Bundesrepublik aus dem NS-Staat entstand, wurde Mitte der sechziger Jahre plötzlich hinterfragt. Mittlerweile ist es ja hier fast ein Nationalsport, die 68er lächerlich zu machen. Das waren sie in vieler Hinsicht natürlich auch, aber man muß betonen, daß diese Generation genau dieses Selbstverständnis hinterfragt hat. Manchmal sehr selbstgerecht, manchmal mit einem sehr primitiven Faschismusbegriff. Aber sie setzten diese Frage sowohl in der Theorie wie auch praktisch auf die Tagesordnung. Ich habe dieses Jahrzehnt, in dem die studentische Revolte wenn auch nicht Auschwitz, so doch zumindest die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zum gesellschaftlichen Thema erklärte, in Frankfurt miterlebt. Für mich war dies biographisch ein sehr prägendes Erlebnis.

AL: Es gab innerhalb der Studentenbewegung allerdings einen deutlichen Bruch: Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 wendete sich fast die gesamte Neue Linke gegen Israel. Diese Entwicklung schlug teilweise in offenen Antisemitismus um, zum Beispiel, als bei der Entführung der Lufthansa-Maschine nach Entebbe die Revolutionären Zellen gemeinsam mit der PLO die jüdischen Passagiere selektierten.

MZ: Ich war damals Mitglied einer zionistischen Jugendorganisation, die sich die Auswanderung nach Israel zum Ziel gesetzt hatte. Wir betrachteten die okkupierten Gebiete als politisches Faustpfand, um irgendwie den Frieden zu erreichen. Und diese zionistische Einstellung vermengte sich mit meiner Sozialisation durch die Neue Linke. Heute kann man sich natürlich fragen, wie sich das vertrug. Als ich 1970 nach Israel zurückkehrte, dauerte es nicht lange, bis ich mich von einem Zionisten in einen Nicht-Zionisten verwandelte. Aber in den sechziger Jahren waren das zwei Welten, die gleichermaßen für mich relevant waren.

Nach 1967 wurde die anti-israelische Stimmung sehr prägnant. Ein Teil der Neuen Linken im Westen drehte die Sache damals in eine antizionistische und anti-israelische Richtung, die rückblickend betrachtet sehr suspekt ist, weil sie verkappten Antisemitismus enthielt. Daß Judentum und Israel überhaupt gleichgesetzt wurden, ist nicht begreiflich, gegen Juden und gegen Israel zu sein, sind für mich zwei verschiedene Sachen. Die Selektion in Entebbe war für die Juden, für Israel und für mich persönlich ein traumatisches Erlebnis und das hat auch den Leuten Auftrieb gegeben, die in den Deutschen nichts anderes sehen wollten als potentielle Judenvernichter.

AL: Und die Haltung des besseren Deutschlands, der antifaschistischen DDR?

MZ: Der Antizionismus der Linken hatte auch für den anderen Teil Deutschlands drastische Konsequenzen. Es ist kein Zufall, daß in Israel die DDR pauschal als antisemitisch und antizionistisch kritisiert wurde. In der DDR mag es Antisemitismus gegeben haben, doch dies war keine staatstragende Ideologie. Aber bis zum heutigen Tag wird die ehemalige DDR in Israel nicht etwa wegen des autoritären Systems, sondern wegen ihrer anti-israelischen Position kritisiert. Wie konnte es möglich sein, fragte man sich, daß sich Deutsche gegen Israel wendeten?

Das lag natürlich auch an der Position der Sowjetunion, die in den arabischen Staaten Verbündete suchte. Die DDR konnte damals sicherlich nicht unabhängig von dieser Strategie agieren. Aber insgesamt führte diese Entwicklung zu einer absurden Konstellation: Die alte Bundesrepublik mit ihrer integrierten Nazi-Elite wurde zum guten Bündnispartner Israels, während die DDR mit ihrem antifaschistischen Selbstverständnis zum großen Feind Israels avancierte.

AL: Ehemalige 68er, die heute an der Regierung sind, sehen sich jetzt bestätigt: Die Studentenrevolte habe die Bundesrepublik zivilisiert, sie sei dadurch erst zu einem normalen Staat geworden, wie es etwa die frühere Maoistin und spätere Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer einmal formulierte.

MZ: Die 68er-Bewegung hatte für mich eine neue Seite eröffnet, so daß ich mich nach meiner Rückkehr in Israel immer, teilweise sehr vehement, gegen die pauschalen Ressentiments aussprach: Nein, es gibt auch eine andere Entwicklung in Deutschland. Aber mit Normalisierung hatte dies nichts zu tun. Ich lebte ja selber in einem Land, das völlig anormal war. Auch 50 Jahre nach Auschwitz, was soll da normal sein?

Diese Diskussion hat für mich die Bedeutung, etwas entsorgen zu wollen, was mit 68 begonnen hat, die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, das ideologiekritische Hinterfragen der neueren Entwicklungen. Das wache Bewußtsein soll wieder eingeschläfert werden.

Den Normalisierungs-Diskurs gibt es auch in Israel. Wir haben die Diaspora überwunden, nun sind wir endlich ein normales Land. Und jetzt ist es dort so normal, daß wir das hysterischste Land auf der Welt sind. Ebenso idiotisch kam es mir vor, daß Deutschland nun plötzlich normal sein will. Denn was, verdammt nochmal, ist normal an diesem Land?

AL: Aber hat sich nicht eine Form von Normalität faktisch durchgesetzt: Daß Deutschland nach der Wiedervereinigung seine volle Souveränität erlangt hat und jetzt wieder als selbstbewußte Nation auftritt?

MZ: Man muß heute als Marxist die Tatsache anerkennen, daß Deutschland eine Weltmacht ist und als eine der stärksten ökonomischen Mächte der Welt gibt es auch politisch den Ton an. Deutschland kann im Grunde genommen darauf pfeifen, ob es als normal angesehen wird oder nicht. Es gibt kein Land auf der Welt, das es sich noch leisten könnte, Deutschland nicht zu hofieren.

Der politischen Klasse könnte es daher egal sein, ob die Welt nun Deutschland liebt oder nicht. Aber dennoch wollen die Deutschen geliebt werden und so angesehen sein wie beispielsweise die Franzosen oder die Italiener. Dieser neuralgische Punkt kommt bei jeder Fußball-WM zum Vorschein.

Aber man ist solange nicht normal, wie man behauptet, normal zu sein. In keinem Land der Welt wird so darauf gepocht wie eben in Israel und Deutschland. Beide Länder sind geschädigt durch die Vergangenheit: das eine Land ist aus einer Menschheitskatastrophe heraus entstanden, das andere Land hat diese Katastrophe verursacht. Allein schon der Anspruch, normal zu sein, scheint mir daher völlig absurd. Ein Land, das soviel unsägliches Unheil in diesem Jahrhundert angerichtet hat wie Deutschland, ist nach 50 Jahren wieder eine Weltmacht. Normal ist das nicht. Und wenigstens dieses Bewußtsein sollten sich die Deutschen bescheidenerweise bewahren.

AL: Warum beginnt nun ausgerechnet die Generation, die in den sechziger Jahren gegen die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit rebellierte, mit dem Diskurs über eine angebliche Normalisierung?

MZ: Die 68er-Generation hat, psychoanalytisch gesprochen, einen Vatermord begangen und trug deshalb große Schuldgefühle mit sich. Sie will die Versöhnung, um diese Schuldgefühle zu überwinden. Man kann sich jedoch nur versöhnen, wenn man "normal" geworden ist und wenn man sich mit dem, was als lebensgeschichtliche Neurose durchlebt wurde, abgefunden hat. Die Psychoanalyse verspricht ja nie das Glück, sondern nur die Reduzierung des Unglücks. Wenn man also die Realität akzeptieren kann, ist man "normal" geworden.

Diese Versöhnung ist mehr oder weniger das, was diese Generation vorhat. Die 68er sind heute alle gesetzte Damen und Herren. Und sie bilden die politische Klasse: Sie müssen die Versöhnung also auch ideologisch formulieren. Sie können sich dadurch ganz unbefangen gegenüber dem Ausland präsentieren, im Gegensatz zu den Politikern früherer Generationen, wie z.B. Brandt, der noch in Warschau niederkniete - gerade er, der nichts verbrochen hatte. Oder wie Kohl, der noch von der Gnade der späten Geburt redete. Der neue Außenminister Joseph Fischer könnte heute beispielsweise völlig unbefangen in Israel auftreten. Das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland wird sich daher in den nächsten Jahren noch sehr ändern.

AL: Diese neue politische Klasse hat sich gerade zur Walser-Rede nicht geäußert, sie hat ihn nicht einmal kritisiert, genau die Generation, die für sich in Anspruch nimmt, dieses Land zivilisiert zu haben. Statt dessen stand Bubis mit seiner Kritik lange Zeit alleine da.

MZ: Die ältere Generation hat hinter dem Rücken der Töchter und Söhne auf die junge Generation durchgegriffen, um festzuschreiben, wie der Diskurs in der nächsten Generation aussehen soll. Die Nicht-Reaktion der 68er hat damit zu tun und sie haben es nicht mehr nötig - keiner wird sie beschuldigen, etwas verschweigen zu wollen. Sie waren es ja, die damals gegen die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit rebelliert haben. Keiner wird sie beschuldigen, einen Schlußstrich ziehen zu wollen, weil sie damals gerade keinen ziehen wollten. Aber jetzt, wo sie an der Macht sind, haben sie zu der Walser-Debatte geschwiegen. Die einzigen, die nicht geschwiegen haben, sind die Juden aus dieser Generation, wie beispielsweise Andrei S. Markovits oder Salomon Korn. Und es ist kein Zufall, daß ausgerechnet die jüdischen Vertreter der 68er-Generation mit das Klügste gesagt haben, was es dazu zu sagen gab.

AL: Heute kann Spiegel-Herausgeber Augstein wieder über die große Macht der Juden schwadronieren, ohne daß ihm jemand ins Wort fällt. Die Walser-Rede gilt vielen schon als eine Art Gründungsmanifest der neuen Berliner Republik. Anders wäre es jedenfalls kaum zu erklären, daß die Rede mit stehenden Ovationen der anwesenden 1200 Gäste, die größtenteils die gesellschaftliche Elite dieses Landes repräsentierten, gefeiert wurde. Ist das nicht eine völlig irrwitzige Konstellation: Die 68er bringen symbolisch ihre Nazi-Eltern um, um anschließend deren Diskurs wieder aufzugreifen?

MZ: Die Generation von Walser und Augstein, die noch zur Tätergeneration gehören, hat ein letztes Mal etwas vorgegeben, gegen das sich die 68er, die heute an der Macht sind, vor 30 Jahren mit wildem Geschrei erhoben hätten. Daß diese heute dazu schweigen, liegt daran, daß ihnen dafür etwas geboten wird: Ihnen wird der rote Teppich ausgerollt. Da heißt es ganz einfach, sich politisch aus der Affäre zu ziehen und den Mund zu halten. Es ist frappant, daß Fischer, Schily usw. kein Wort darüber verloren haben. Sie halten sich heraus und affirmieren damit Walser, Augstein, H.M. Enzensberger, Botho Strauß usw. noch einmal. Das ist für mich ein Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde.

Die Relevanz dieser Rede, die übrigens in Israel kaum zur Kenntnis genommen und als innerdeutsche Angelegenheit behandelt wurde, erschließt sich auch durch den begeisterten Applaus, den Walser dafür bekommen hatte. Ich glaube ihm gerne, daß er über 1 500 zustimmende Briefe erhalten hat. Er drückte damit eben nicht nur seine eigene Befindlichkeit aus, sondern sprach für die Stimmung im Land.

Diese Art und Weise, wie man mit der Vergangenheit umgeht, wird sich früher oder später in politischen Praktiken äußern. Dieser Umgang wurde mit der Walser-Rede festgeschrieben, es ist in der Tat eine Art Gründungsmanifest geworden.

AL: Was hat Walser mit seiner Rede bewirkt?

MZ: Man muß festhalten: Walser konnte Bubis einfach ins Gesicht schleudern, daß er, Walser, "auf diesem Feld schon beschäftigt war", als Bubis sich noch mit ganz anderen Sachen beschäftigt habe. Man muß sich klar machen, was Walser damit ausdrückte: Das sagte er zu Bubis, der seine ganze Familie im Holocaust verloren hat. Bubis erwiderte, er hätte gar nicht weiterleben können, wenn er sich nicht zunächst von der Geschichte distanziert hätte. Und Walser erklärte daraufhin, daß er sich mit Auschwitz beschäftigen mußte, um weiterleben zu können. Die Erfahrungen des Holocaust von Bubis und Walser, von Opfer- und Tätergeneration, stehen damit auf gleicher Ebene und werden austauschbar.

Das hat nichts mehr damit zu tun, wie man mit der Vergangenheit umgeht. Das heißt einfach, der Holocaust-Überlebende hat in Deutschland nichts mehr zu sagen.

AL: Wenn diese Rede das Manifest der neuen deutschen Republik sein soll, welche Konsequenzen werden sich daraus für das politische Selbstverständnis dieser Republik ergeben?

MZ: Einen Schlußstrich zu ziehen. Wir sind wieder wer, ein neuer Nationalismus steht uns wieder gut. Davon redet Walser übrigens schon seit mehr als 15 Jahren. In seiner Rede ist dies alles enthalten, sie hört sich aber nicht an wie eine Rede von Schönhuber, sondern gilt als Teil des intellektuellen, literarischen Lebens in Deutschland. Und das macht auch die Ambivalenz der 68er, die heute an der Regierung sind, aus: Sie gelten als unbescholten, wie die Rede von Walser, die sich emanzipativ und aufgeklärt gegen die Instrumentalisierung von Auschwitz wendet. Und im gleichen Moment benützen sie die ganzen Codes über Normalisierung, Schlußstrich usw.

AL: Herr Bubis erklärte, ein Ende der Diskussion über die Vergangenheit sei frühestens ab dem Jahr 2030 möglich, wenn niemand mehr aus der Täter- und der Opfergeneration leben wird. Für Jugendliche, die schon heute keinen direkten Bezug mehr zu dieser Generation haben, stellt sich die Frage: Wie soll ein Gedenken dann aussehen?

MZ: Wenn sowohl die Täter- wie die Opfergeneration nicht mehr lebt, wird es zwei entgegengesetzte Entwicklungen geben: Eine Abstraktion des Holocaust als Geschichtsereignis, wie etwa die französische Revolution. Andererseits wird sich die homogene Holocaust-Erinnerung parzellieren und immer mehr in die Lebenswelten und das individuelle Bewußtsein getragen werden.

AL: Läßt sich das auch auf die Diskussion um das Mahnmal übertragen?

MZ: Das Mahnmal erhebt den Anspruch, etwas Überzeitliches zu repräsentieren. Aber die Form ist immer schon dem Historischen anheim gegeben, die ästhetischen Formen von vor 150 Jahren sind nicht mehr die Formen von heute. Die Erinnerung muß also dynamisiert werden. Wir müssen das historische Wissen vermitteln und auf der anderen Seite politische Praktiken und kulturelle Umgangsformen schaffen, die an die Opfer erinnern, und gleichzeitig vermitteln, daß wir keine weiteren Opfer mehr wollen.

Das ist meiner Ansicht nach die einzige Weise, wie man an den Holocaust erinnern kann: Man erinnert an die Tatsache, daß Menschen andere Menschen zu Opfern gemacht haben. Dies geschah in der Welt, dies war kein metaphysisches Phänomen, sondern hatte politische, ökonomische und kulturelle Ursachen. Dies zu begreifen und in eine andere gesellschaftliche Praxis umzusetzen, daß ist die große Lehre aus dem Holocaust.

Dies gilt solange, wie wir keine befreite Gesellschaft haben; für die nächsten hundert, zweihundert Jahre oder vielleicht bis in alle Ewigkeit: Hier ist etwas passiert, denkt daran, denkt an die Opfer und diese Erinnerung beinhaltet auch gleichzeitig die Mahnung, daß es Täter gibt in der Geschichte. Das gilt nicht nur für den Umgang mit dem Holocaust, das gilt für den menschlichen Umgang untereinander. Das gilt für das Leben in der entfremdeten Welt.

  • Anton Landgraf ist Redakteur der Wochenzeitung "Jungle World" und lebt in Berlin.
    Moshe Zuckermann ist Soziologe und Historiker. Er arbeitet als Dozent an der Universität Tel Aviv und zur Zeit am Wissenschaftskolleg in Berlin.

Quelle: http://homepages.teuto.net/cus/

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