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aus:  Searchlight 5/99  Die elektronische deutsche Ausgabe besorgte ANTIFA-WEST@BIONIC.zerberus.de  

Keine Freiheitsstatue mehr
Die Anti-Immigrationsbewegung in den USA

Von Robert Crawford und Terre Rybovich

06/99
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Eines der erfolgreichsten Angebote der weißen Rassisten läuft unter dem Euphemismus "Einwanderungsreform". Die kalifornische "Proposition 187" von 1994, ein Referendum, nach dem papierlose ImmigrantInnen von jeder Form staatlicher Hilfe außer medizinischer Notfallversorgung ausgeschlossen werden, war der Präzedenzfall: Das Referendum bekam breite Unterstützung und wurde schließlich als Gesetz verabschiedet. In der Folge wurden 1996 Angriffe auf die Rechte von ImmigrantInnen in die Programme sowohl der Demokratischen wie der Republikanischen Partei geschrieben.

Der weiß-nationalistische Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Pat Buchanan, gewann mit Attacken gegen die Rechte der ImmigrantInnen die Vorwahlen in Louisiana und New Hampshire. Und ein demokratischer Präsident unterwarf sich dem Druck der immigrationsfeindlichen Rechten der Republikaner, als er 1996 den "Immigration Act" unterschrieb, welcher drastische Maßnahmen gegen papierlose ImmigrantInnen vorsah. Eine Reihe von Abgeordneten setzte, noch lange nicht zufrieden gestellt, ihren Kreuzzug fort. Ebenfalls 1996 trat ein "Illegal Immigration Reform and Responsibility Act" in Kraft, nach dem unter anderem bis zum Jahr 2001 5.000 weitere Grenzwachen eingestellt werden sollen und ein ca. 20 km langer Zaun an der Grenze San Diego - Tijuana gebaut werden soll. Andere Gesetzesvorlagen sehen vor, daß Teile des 14. Verfassungszusatzes, der die Bürgerrechte garantiert, aufgehoben werden sollen, und daß US-Truppen an der Grenze zu Mexiko stationiert werden sollen.

Unter den vielen Kräften, die Hatz auf ImmigrantInnen in das Zentrum der amerikanischen Politik rücken, hat sich die organisierte Anti-Einwanderungsbewegung mit ihrer Unermüdlichkeit hervorgetan. Trotz ihres direkten Kollisionskurses auf Menschen- und Bürgerrechte hat diese Bewegung die Aufmerksamkeit der Gesetzgebung erlangt.

Lamar Smith, Republikanischer Abgeordneter des Repräsentantenhauses aus Texas und Autor der Vorlage für das Einwanderungsgesetz von 1996, nahm an einem US-weiten Treffen der Anti-Einwanderungsbewegung teil. Die "Immigration Reform and Awareness Week" (IRAW) bestand aus drei Tagen mit Schulung, Arbeitsessen und Lobbyarbeit in Washington DC, an denen 200 AktivistInnen aus 60 Organisationen teilnahmen. Diese Organisierungstechnik ist von Progressiven abgeschaut. Die verbesserten Fähigkeiten beim Lobbying, die die IRAW 1998 bewies, spielten mit Sicherheit eine Rolle beim Aufbau von Allianzen mit Abgeordneten. So nimmt die "Tri-State Immigration Moratorium"-Organsation für sich in Anspruch, während des IRAW- Treffens die Unterstützung von sechs Senatoren und 23 Mitgliedern des Repräsentantenhauses aus New York, New Jersey und Connecticut gewonnen zu haben.

Die ältesten der heute aktiven Denkfabriken der Anti- Einwanderungsbewegung entstanden in den 70er und 80er Jahren. Die "Federation for American Immigration Reform" wurde 1979 gegründet, die "American Immigration Control Foundation" 1983. Und bis in die 90er Jahre hat insbesondere das Wachstum von lokalen Organisationen die Bewegung nach Washington gebracht. Die Gründung der "National Grassroots Alliance" 1997 führte, ähnlich wie die Bildung von Koalitionen von Anti-Einwanderungs- und UmweltaktivistInnen, z.B. der "Alliance to Stabilize America's Population (ASAP)" [Allianz zur Stabilisierung der amerikanischen Bevölkerung; ASAP kann auch als Abkürzung von "as soon as possible" - so schnell wie möglich - gelesen werden. d.Ü.] zu einer deutlichen Vereinheitlichung in der Rhetorik und in der Strategie von Basisorganisationen der Anti- Einwanderungsbewegung.

Weiß-nationalistische Wurzeln

Mit Hilfe des Materials aus den Anti-Immigrations-Denkfabriken und der Gruppen, die sich mit Bevölkerungskontrolle beschäftigen, können sich die Basisaktivisten mit einem ganzen Arsenal von Argumenten gegen Einwanderung wappnen. In der Regel greifen sie auf ökonomische und ökologische Argumente zurück, um für eine Beschränkung der Einwanderung zu plädieren. Beispielsweise werden die Ausdehnung der Städte und die Verschlechterung der Umweltsituation den Einwanderern angelastet. Ein anderes beliebtes Thema besteht darin, daß die Einwanderung insbesondere Afro-AmerikanerInnen schadet, da die Zahl der BewerberInnen um schlecht bezahlte Jobs zunehme. Häufig versteckt sich hinter dieser Maske der Besorgnis um Afro- AmerikanerInnen, um Arme oder um die Umwelt eine bösartige Annahme weißer Überlegenheit. Diese Form des gegen ImmigrantInnen gerichteten Rassismus läßt sich am besten als weißer Nationalismus charakterisieren, der davon ausgeht, daß die weiße Bevölkerung den "ethnischen Kern" Amerikas bildet, und daß deren Interessen als "Volk" vorrangig die Ziele der Regierung bestimmen sollten. Selbst wenn dieser weiße Nationalismus nicht explizit benannt wird, läßt er sich in der Rhetorik der Führer der Anti-Immigrationsbewegung finden. In den Worten von Peter Brimelow, britischer Staatsbürger und Herausgeber des "Forbes Magazine":

"Die amerikanische Nation hat immer einen spezifischen ethnischen Kern gehabt... Bis in die 1950er sahen ungefähr neun von zehn Amerikanern wie ich aus. Das heißt, sie waren europäischer Abstammung... Und in diesen Tagen hatten sie einen anderen Namen für das, was so verächtlich als 'rassische Hegemonie weißer Amerikaner' abgetan wird. Sie nannten es Amerika." (Alien Nation, 1994)

Brimelow ist ein Liebling der Anti-Immigerationsgruppen, - Denkfabriken und sogar von Gruppen, die für Bevölkerungskontrolle eintreten. Er trat als Gast in einer TV- Show der "Federation for American Immigration Reform's Borderline" auf und erhielt Zustimmung unter anderem vom "Tri- State Immigration Moratorium" und der "Midwest Coalition to Reform Immigration".

Eine Mexikanische Invasion in die USA?

Weißer Nationalismus hat bei manchen Anti-Immigrationsgruppen zu Verschwörungstheorien über eine unmittelbar bevorstehende Übernahme der USA durch eine "fremde" ethnische Gruppe geführt: Mexikanische ImmigrantInnen. Nach diesen Theorien steht "Die Reconquista" bevor, für die die mexikanische Regierung papierlose und legale ImmigrantInnen ebenso wie US-BürgerInnen mexikanischer Abstammung einsetzt, um den Südwesten der USA zurückzufordern. Diese Verschwörungstheorie wurde von der "California Coalition for Immigration Reform" verbreitet. Diese Organisation, die bedeutendste Anti-Immigrationsgruppe in Kalifornien, behauptet in der Art der John Birch Society der 50er Jahre, daß die Verschwörung das Ziel habe, den Kommunismus in die USA zu bringen. Glenn Spencer, Vorsitzender der Voice of Citizens Together (VCT), erklärt "die Reconquista":

"Menschen spanischer Abstammung, größtenteils Mexikaner, werden gegenwärtig zur Mehrheit in wichtigen Orten entlang der Grenze vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko. Verbunden mit zunehmendem mexikanischen Nationalismus und mit Maßnahmen der mexikanischen Regierung, Mexikaner dazu zu bringen, sich an amerikanischer Politik zu beteiligen, scheint der Zeitpunkt kurz bevorzustehen, an dem Mexikaner beide Seiten der Grenze zwischen den USA und Mexiko kontrollieren werden. Das bedeutet, daß sie mexikanische Stadträte, Bürgermeister, Polizeichefs und Richter wählen werden. Manche Leute behaupten, daß, wenn dies passiert sein wird, die USA nicht mehr existieren werden." (VCT Newsletter, c.1997)

Spencers Worte implizieren ebenso wie das Zitat von Brimelow eine unausgesprochene Gleichung "weiß" = "amerikanisch" im Gegensatz zu den offenbar "unamerikanischen" AmerikanerInnen mexikanischer Abstammung, die möglicherweise öffentliche Ämter anstreben.

Der Einfluß des weißen Nationalismus läßt sich auch in den politischen Rezepten führender Vertreter der Anti- Immigrationsbewegung erkennen. Häufiges Ziel des Hasses auf ImmigrantInnen ist das Einwanderungsgesetz von 1965, das das aus den 20er Jahren stammende rassistische System von Quoten "nationaler Herkunft" ablöste, bei dem ImmigrantInnen aus Nord- und Westeuropa bevorzugt wurden. Brimelow suggeriert, daß das Gesetz von 1965 "die Einwanderung aus der historischen Heimat Amerikas abwürgte". Er hofft, daß eine Änderung des Gesetzes "die Luken auf der europäischen Seite wieder öffnen und so die ethnische Balance wiederherstellen" werde (Alien Nation, 1994). Ein populäres "Informationsblatt" der "Federation for American Immigration Reform" zitiert einen Kommentar des "Senate Judiciary Committee" zu dem Einwanderungsgesetz von 1952, welches Elemente der Quotenregelung aus den 20er Jahren beibehielt, als "rationale und logische Methode einer zahlenmäßigen Beschränkung der Einwanderung".

Warum ausschließlich gegen ImmigrantInnen hetzen?

Anti-Immigrationsgruppen haben breitere Angriffe auf farbige Menschen gestartet. Die "California Coalition for Immigration Reform" und das VCT haben das kalifornische Referendum gegen Gleichberechtigungsmaßnahmen (Proposition 209) vorangetrieben. Das VCT hat die Reconquista-Theorie auch zu Angriffen auf die Rechte der Urbevölkerung genutzt, indem sie ein angeblich "drohendes" Bündnis mit den Indianern behaupten: "Die Reconquistas schließen Bündnisse, wo immer sie können. Es ist an der Zeit, das Stammessystem in den Vereinigten Staaten zu beenden." (Kommentar zu einem Artikel aus "Indian Country Today"; VCT-Webseite vom 20. Mai 1998)

Mitten in den Angriffen auf die Rechte der ImmigrantInnen hat die Bewegung eine beharrliche Kampagne gegen das zentrale Fundament der Bürgerrechte in den USA begonnen: gegen den 14. Verfassungszusatz. Die Anti-Einwanderungskräfte haben Freunde im Kongreß gefunden: Vier Gesetzentwürfe wurden vorgelegt, mit denen Teile des 14. Verfassungszusatzes aufgehoben werden sollen.

Ein Platz bei der extremen Rechten

Bündnisse zwischen Anti-Immigrationsgruppen, organisierten weißen Rassisten und den Milizen sind von Sam Francis, dem bekannten stellvertretenden Vorsitzenden der knapp 5 Millionen DM schweren American Immigration Control Foundation (AICF), gefördert worden. In einer freundschaftlichen Kritik an Buchanans Kampagne bei den Vorwahlen der Republikaner für die Präsidentschaftskandidatur argumentierte Francis, daß "es keine ernsthafte nationale Kampagne der populistischen Rechten" geben könne "ohne ehemalige Unterstützer von [David] Duke, Miliz- Mitgliedern und anderen Personen vom Rand der nationalen Politik". (The Nationalist Times, Mai-Juni 1996)

Die Federation for American Immigration Reform ist dafür berüchtigt, Gelder vom Pioneer Fund zu nehmen. Der Pioneer Fund finanziert unter anderem Untersuchungen, die die genetische Unterlegenheit der Schwarzen belegen sollen. Zu den Empfängern von Mitteln des Pioneer Fund zählen die "American Immigration Control Foundation" ($200.000) und Garret Hardin, ein "Ehrenvorsitzender" der "Population-Environment Balance" (Gleichgewicht von Bevölkerung und Umwelt), der sagte, daß "die unerbittlich wachsende Geschwulst der Überbevölkerung den Tag immer näher kommen läßt, an dem bewußte eugenische Entscheidungen vernünftigerweise nicht mehr hinausgeschoben werden können".

Die an der Basis arbeitende Organisation "Stop Immigration Now" (SIN) wird von Ruth Coffey geführt. Sie war lange Zeit Korrespondentin des "Populist Observer", dem Massenblatt der heute nicht mehr bestehenden Populist Party.

1998 reisten Barbara Coe und Stan Hess, beide Führungsmitglider der CCIR, nach Alabama, um der noch nicht ganz flüggen "Alabama Christians for Immigration Reform" auf die Beine zu helfen. Einer der Führer dieser neuen Gruppe war William Burchfield, ehemaliger "Grand Dragon of the State of Alabama" der in Arkansas ansässigen "Knights of the Ku Klux Klan". Die CCIR sprach von Burchfield und seinem Mitaktivisten James Floyd als "Patrioten besten Kalibers" (9*1*1 Newsletters, Februar 1998). Chuck Kolesar, ehemals County-Vorsitzender der von den "Northwest Knights of the Ku Klux Klan" kontrollierten Washington State Populist Party, sitzt heute im Vorstand der Washington State Coalition for Immigration Reform. Letztere nahm 1998 auch am IRAW teil.

Der paramilitärische Flügel

"American Patrol", ein Projekt des VCT, wirft ein Licht auf die Art, wie die Anti-Immigrationsbewegung zu den Waffen ruft. Der Vorstoß in Richtung paramilitärischer Aktivität hängt eng mit der weit verbreiteten Forderung nach strengerer Kontrolle der Grenzen durch die Einwanderungsbehörde Immigration and Naturalization Service (INS). "American Patrol" kann als "durchsetzendes Organ" des VCT angesehen werden, das legale und illegale Einwanderung beobachtet und die Verhaftung illegaler ImmigrantInnen anstrebt. Auf seinen Web-Seiten sucht das VCT nach Personen, die "Erfahrungen mit legaler oder illegaler Einwanderung gemacht haben, die von Interesse für andere Amerikaner sein könnten". In einem Formular wird nach dem Ort, an dem verdächtige "Illegale" gesehen wurden, nach deren Anzahl, nach ihrer Fortbewegungsart und nach der Reaktion der Grenzwacht gefragt. Die Zeitschrift der Organisation, "American Patroller", enthält "hochwertige Karten, die die Problemgebiete, Einwanderungsrouten usw. zeigen" (VCT Webseite, 11. June 1998).

Wie es sich für eine Organisation geziemt, die nach stärkeren staatlichen Kontrollen ruft, und dort, wo diese staatlichen Maßnahmen nicht greifen, ihren eigenen Apparat aufbaut, sitzen im Vorstand von "American Patrol" sowohl ehemalige Beamte von Sicherheitsbehörden als auch Vertreter von Bürgerwehr-Gruppen. Zu den beratenden Vorstandsmitgliedern gehören der ehemaliger Agent der Grenzwacht Bill King und der ehemalige Staatsanwalt Peter Nunez.

Die vielleicht besorgniserregendste Tatsache besteht darin, daß diese Vigilantentätigkeit an den Grenzen die stillschweigende Zustimmung einiger lokaler Sicherheitsbehörden hat. In einem Interview mit dem "Housten Chronicle" betonte der Sheriff von Eagle Pass, Salvador Rios, daß die Bauern das Recht hätten auf ihren eigenen Grundstücken Verhaftungen vorzunehmen. "Sie können jeden festhalten, solange Sie ihn nicht verletzen. Natürlich nur, wenn jemand etwas Verbotenes getan hat", sagte Rios den Reportern.

In den 90er Jahren ist der Anti-Immigrantions-Aktivismus in das Zentrum der amerikanischen Politik gerückt. Mit ihm hat sich ein Flügel des weißen Rassismus ausgebreitet: Ein weißer Nationalismus, dessen Befürworter für eine drastische Beschränkung der Immigration und der Rechte von ImmigrantInnen eintreten, und allzu oft für eine Rückkehr zu der Einwanderungspolitik vor 1965. Mit der Verbreitung "ethnischer" Verschwörungstheorien, mit den teilweise geschlossenen Bündnissen mit weißen Hardcore-Rassisten und mit den Angriffen auf die in der Verfassung garantierten Bürgerrechte haben sich bekannte Anti-Einwanderungsgruppen vorgenommen, die USA von einer aus ImmigrantInnen bestehenden Nation zur einer weißen Nation von Immigrantenjägern zu machen.

Terre Rybovich ist Executive Director der Coaltion for Human Dignity. Robert Crawford ist deren Research Director. Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem demnächst veröffentlichten Bericht über die Anti-Einwanderungsbewegung

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