Wie der Maoismus nach Westberlin kam
Materialien zum Referat

Bommi Baumanns Erinnerungen an die Kommune I

Leseauszug aus:
 

06/2016

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onlinezeitung

.... Ich hab mir gedacht, meine geistigen Potenzen sind ja nie angerührt wor­en, nie benutzt worden und das wollte ich dann einfach noch machen und bin dann zu einer Abendschule „Gabbe" gegangen. Da waren denn so Leute bei, die auch bei so Politgeschichten schon länger dabei waren, also mehr auf dem Drive waren. Ich persönlich war mehr auf so Musikgeschichten drauf, mehr so andere Sachen, was man heute so Hippie nennt, also Subkultur. Nicht direkt politisch, mich hat die kulturelle Seite daran mehr interessiert, weil es ja der Lebensbereich war, der mich gestört hat.

Über die Sachen bin ich dann 66, Anfang 67 zum SDS gekommen. Die Leute, die mir da gefallen haben, waren dann klar die Leute aus der KI (Kommune I). Das war irgendwie am nächsten. Dieses reine Studententum, diese reinen Bücherwürmer, die habe ich sowieso nie voll überzogen. War echt nicht meine Welt.


BZ 16.April 1968

Die KI-Typen waren schon anders, zu denen hast du auch anders Kontakt gekriegt. Es waren auch die Einzigen, die so 'ne Musik gehört haben, die auch lange Haare hatten, im Gegensatz zu denen vom SDS, die sahen ja alle noch suspekt aus. Die KI war da genau die richtige Sache, die hatte 'ne klare Alternative vorzuweisen im Gegensatz zu allen anderen. Daß da mal irgendwann 'ne Revolution kommt, nützt dir im Augenblick nichts, ändert nichts an deiner Situation. Auch wenn du die Revolution jetzt anfängst, ändert sich nichts an deinen Lebensverhältnissen, aus denen willst du ja erst mal rauskommen.

Das war am Stutti (Stuttgarter Platz), Sommer 67. Für mich war die KI schon die richtige Verbindung von Politik und Subkultur, das war irgendwie'ne gute Zusammenfassung. Auf der einen Seite war es politisch, die Leute hatten 'ne politische Utopie oder Idee oder Wissen. Auf der anderen Seite hatten sie eine Lebensform, eine konkrete Alternative, eben dieses Zusammenleben

Gleichzeitig waren für mich diese psychologischen Begriffe völlig neu, die Veränderlichkeit von dir selber, deine Verhaltensweisen, daß du die auch gleichzeitig mit änderst. Das ist in diesen Gammlerkreisen nicht gewesen, da hat jeder seinen Narzißmus, seine Kiste oder seinen Törn voll abgespielt, aber irgendwann mal war die Platte denn zu Ende und ist dann nur noch in der letzten Rille leergelaufen. Da sind natürlich viele auf der Strecke geblieben, die haben denn immer weiter Wermut in sich ringekippt. Da gibt's heute noch welche, die erzählen dieselben Sprüche wie vor zehn Jahren, die sehen noch genauso aus und sitzen noch genauso vor der Gedächtniskirche, da gibt's immer noch so 'ne Väter.

Es geht ja aber darum, daß du in einen anderen Lebensprozeß rinkommst, daß du diese Entwicklungsfähigkeit gleichzeitig entdeckst. Das war eben in der KI ein wichtiger Punkt gewesen, daß über dieses Zusammenleben sich auch dein Verhältnis zu Menschen ändert. Ich habe da einfach unheimlich viel Sachen neu abgescheckt und entdeckt, obwohl ich am Anfang echt nicht begriffen habe, was die im einzelnen so erzählt haben. Reich-Theorien, Zweierbeziehungen und hin und her. Denn bei uns war das sowieso sehr einfach. Da haste mal mit der Braut gepennt, denn mal mit der, du warst sowieso immer hinter Bräuten her, und zu der Zeit sind dir soviel Bräute hinterhergerannt, daß du so ein Ding nie druff hattest. Wenn du lange Haare hattest und bist irgendwo hingekommen, da haben unheim­lich viel Bräute auf dir gestanden, gerade die ganzen Fabrikmiezen. Das fanden sie natürlich gut, so einen Typen, der irgendwie einen Auftritt hatte. Die angepaßten Typen waren ja damals echt nicht gefragt, das war ja eine sehr günstige Zeit, war echt besser wie heute. Die Kisten haben mich dabei nicht interessiert, das waren ja bürgerliche Probleme, das Problem gab es für mich nicht so. Diese ganzen Psychodramen, die sich in den Krei­sen abgespielt haben, zu denen hat man natürlich immer ein anderes Ver­hältnis gehabt, hast du immer 'nen anderen Einstieg gehabt. Liebesgeschichten sind da immer heavy gelaufen, da hast du's natürlich leichter gehabt. Reich, sexuelle Revolution und diese ganzen Sachen haben mich klar irgendwie interessiert. Zu der Zeit habe ich auch viel von Rainer (Rainer Langhans) gelernt, der war auf dem Gebiet zu der Zeit der Psychospezialist. Ich fand das schon ganz gut, weil es eine sehr komplexe Geschichte war, die KI.

Die KI war ja neben ihren festen Mitgliedern so ein Zentrum; da sind eben alle möglichen Typen hingekommen. Dann fing die KI auch schon wieder an, einen institutionellen Charakter zu kriegen. Die Euphorie war sehr schnell weg, die Typen haben angefangen und haben gedacht, Lebensge­meinschaft junger Maoisten und daß immer mehr die Sache machen wer­den. Aber es hat über ein Jahr gedauert, ehe mehr solcher Wohnungen ent­standen sind. Sie waren eine ganze Zeit isoliert. Es war eigentlich dieselbe Situation, wie sie die Bolschewiki in Rußland hatten. Auch damals ist es nicht übergeschlagen zu einer Weltrevolution, dadurch mußten sie einfach zurückstecken, weil der Druck von außen immer größer geworden ist. Für die KI kam der eben durch ihre Aktionen, Justiz usw. und weil sich das Experiment nur in der einen Wohnung abgespielt hat. Auch weil immer so viele gekommen sind, und die Mitglieder immer gewechselt haben. Da konnte sich dieses Modell nicht richtig entfalten, weil sich sowas nur entfalten kann, wenn mehrere solcher Modelle entstehen und eine Kommunikation unter den einzelnen Zellen entsteht. So war ja auch das Modell der KI gedacht, daß diese Lebensform sich ausbreitet, daß der Prozeß eben komplexer wird, daß es nicht nur ein Entdecken ist von revolutionären Buch-Ideen, sondern daß es sofort in allen Punkten in die Tat umgesetzt wird, eben auch in dem Bereich, der bei uns Europäern echt am kaputtesten ist, der Sexualität, dem Verhältnis der Menschen untereinander. Aber weil sie zu lange als einziger Trupp die Sache gemacht haben, sind sie natürlich daran zerbrochen. Die KII gab es, aber die war ja eine reine Politkommune.

Quelle: Bommi Baumann, Wie alles anfing, Ffm 1976, S.17-20