In Perioden der Stagnation der Schülerbewegung gewann
bei den aktivierten Schülern der Gedanke an Kommune
immer größere Attraktivität. Bevor ich jedoch auf
den Einfluß der Kommune auf die Schülerbewegung
eingehe, möchte ich noch einiges zur Kommune (KI in
Berlin) selbst bemerken.
Die Kommune tritt mit
dem Anspruch auf, experimentell das vorwegzunehmen,
«was Menschsein in emanzipierter Gesellschaft
beinhalten könnte». Obwohl sie die «gegenseitige
Durchdringung von Kommune und Außenwelt, Außenwelt
und Kommune» voraussetzt, glaubt sie dennoch, die
Emanzipation der Individuen schon in der alten
Gesellschaft realisieren zu können, glaubt sie an die
Möglichkeit der Revolutionierung der Individuen,
bevor die objektiven Bedingungen dafür geschaffen
sind. Sie übersieht, daß gerade jene «gegenseitige
Durchdringung» auch die Reproduktion der Widersprüche
der Gesellschaft in der Kommune bedingt, die
Widersprüche erst im fortschreitenden Kampf gegen die
Gesellschaft tendenziell aufhebbar werden. Die
völlige Emanzipation der Individuen wird sich jedoch
erst verwirklichen in der neuen Gesellschaft. Was im
Grunde Ziel des Kampfes ist, wird für die Kommune zu
dessen Voraussetzung. Sie glaubt über die
Revolutionierung des Mikrokosmos, die Gesellschaft
revolutionieren zu können. Sie sagt: «Die Entfaltung
der menschlichen Wesenskräfte wird nur dann möglich,
wenn die ganze Welt aus
den Angeln gehoben wird...», entwickelt dann aber
eine Praxis, die durch ihren partiellen Charakter
(die individuellen Probleme «lösen») dem Gesagten
zuwiderläuft.
Um die Probleme der
einzelnen wenigstens im Ansatz lösen zu können,
stellte es sich als notwendig heraus, die
Geschlossenheit der Kommune zu erreichen.
Gleichzeitig degenerierte ihre Praxis der
Provokationen, die anfänglich initiierende Funktionen
übernommen hatten, zu simplen Praktiken, die nicht
mehr im Zusammenhang mit der Bewegung reflektiert
wurden. Die Geschlossenheit der Kommune und ihre
permanenten Provokationen, die zum Selbstzweck
wurden, sich verselbständigten, führten zur totalen
Isolation der Kommune in der Bewegung, da sie sich
nurmehr Verständnislosigkeit gegenübersah. Auf diese
Erscheinung reagierte die Kommune mit einer
verhängnisvollen Polarisierung: wir (die Kommune) und
die anderen. So wurden Genossen und Establishment zu
einer konstruierten Feindkoalition der
Nichtkommunarden.
Vielen bereits
aktivierten Schülern erschien dieses Verhalten als
das Antiautoritäre par excellence. Für sie wurde die
Kommune endgültig zu der Trauminsel, welche die
Erfüllung jener Bedürfnisse versprach, die man
bislang unterdrücken mußte. Das Maß der Unterdrückung
dieser revoltierenden Schüler schien auch das Maß für
die Verklärung zu sein, die der Kommune bei ihnen
widerfuhr. Da es ihnen aber gerade auf Grund der
Aktualität der Repression, die sich ihnen in Form von
Elternhaus, Schule und Jugendamt darstellte,
verweigert war, selbst Kommune zu machen, blieb ihnen
nur noch die Übernahme ihrer verselbständigten
Praktiken. So wurden auch sie in die Isolation
getrieben, da es ihnen nicht gelang, die Vermittlung
zwischen sich und den anderen zu finden,
Kommunikation herzustellen. Bei den Wenigen, die sich
ihnen anschlossen, reichten
sich meist Systemfeindlichkeit und unversöhnlicher
Antikommunismus die Hand.
Bei solchen Gruppen
macht sich zumeist die Ideologie des «alles ist gut,
was Spaß macht» breit. Dort, wo der Spaß für sie
aufhört, findet auch das Engagement für sie ein
Ende.
Dieser Versuch einer
Kritik des Kommunegedankens und dessen Auswirkungen
auf die Praxis der Schülerbewegung behält - zugegeben
- ein hohes Maß an Unverbindlichkeit. Die Anhäufung
von Abstraktionen verhindert, daß sich z. B. Schüler
in dieser Darstellung wiedererkennen, es fehlt ihr
das Beschreibende. An Hand der kritischen
Beschreibung einer Schüler- und Lehrlingsgruppe
(«Terror-Gruppe Neuruppin») möchte ich deshalb
versuchen, die Momente der Verselbständigung und die
sich daraus ergebenden Gefahren aufzuzeichnen.
Die «Terror-Gruppe
Neuruppin» zeichnete sich aus durch ihren Mangel an
Strukturiertheit. Sie setzte sich zusammen aus
Oberschülern, kaufmännischen Lehrlingen und
Lehrlingen aus Kleinbetrieben. Die Gruppe bildete
eine Verschmelzung zweier Gruppen. Die eine
konzentrierte sich um zwei Studenten, die auf einer
Demonstration zu einigen Lehrlingen Kontakt
aufgenommen hatten. Man hatte sich vorgenommen,
Freizeitkommune zu machen. Die andere Gruppe scharte
sich um ein paar Schüler, die sich zum Ziel gesetzt
hatten, verschiedene isoliert agierende Gruppen zu
vereinigen. (Dabei trat eine typische Erscheinung
auf: Die Autoritäten der jeweiligen Gruppen wollten
stets die andere Gruppe an die eigene Gruppe
anschließen, die sie als ihre eigene begriffen.
Natürlich sahen sie in der Vereinigung mit einer
anderen Gruppe ihren alten Herrschaftsanspruch in
Gefahr.) Diese Schülergruppe sah ihre Hauptaufgabe
in der Organisierung theoretischer Arbeit, wobei die
Methode des Lernprozesses mit reflektiert werden
sollte. Die Gruppe hatte etwas äußerst Elitäres, da
Diskussionen über geplante Aktionen aus den
Arbeitskreisen in den exklusiven Zirkel der
Autoritäten verlegt wurde, wodurch die anderen zu
deren Exekutive degradiert wurden. Das übliche
Autoritätsproblem vermochte man in den Arbeitskreisen
nicht zu lösen, man blieb in der Artikulation der
aufgetretenen Probleme stecken, fand aber keinen
Ansatz, diese aufzuheben.
Beide Gruppen kamen
über eine Osteraktion zusammen, die
Zeugnisverbrennung. Man wollte damit versuchen,
direkt an die Probleme der Schüler zu appellieren.
Dafür war der Tag der Zeugnisausgabe tatsächlich der
markanteste Termin, denn die Szenen in Schule und
Elternhaus, die sich um die Zeugnisse abspielen,
lassen etwas von der wahren Brutalität dieses Systems
des Leistungszwanges ahnen, der sich hinter der
Maske der Freiheit versteckt hält. Der Ansatzpunkt
war also richtig. Jedoch bildeten bei der
Vorbereitung der Aktion hektische Aktivität und
Desorganisation eine Einheit. Die Redner versuchten
sich während der Aktion in der Rolle des
SDS-Agitators und schafften nicht den Sprung zu einer
ihnen adäquaten Aktionsform. So hatte das Ganze etwas
sehr Aufgesetztes an sich. Während der gemeinsamen
Vorbereitung der Aktion hoben sich die Grenzen der
beiden Gruppen auf, und es kam zur Bildung von
ingroups. Dadurch wurden einige, die nicht den neuen
Kriterien entsprachen, zu Randfiguren gemacht. Die
blieben schließlich weg. Diese Tatsache registrierte
man mit Achselzucken, ohne daß sie Anstoß für eine
kritische Überprüfung der Gruppenstruktur gegeben
hätte. Man bemerkte nicht, daß die politischen
Kriterien hinter den persönlichen zurückgetreten
waren. Was anfangs eine positive Funktion hatte
(zusammen wegzugehen etc.), da es die Fremdheit, mit
der man sich gegenüberstand, überwand, wurde nun zur
Hauptfunktion des gemeinsamen Treffens. Das Interesse
verlagerte sich vom Politischen ins Private, und es
ergab sich eine Pop-Clique im politischen Rahmen.
Linkeck
Nr. 4/1968
Wichtig für die weitere
gemeinsame Entwicklung war ein gemeinsam verbrachtes
Wochenendseminar. «Gruppen aller politischen Färbung»
waren vertreten, und ein geschniegelter
Diskussionsleiter verband mit seinem ewigen
Geplapper die einzelnen Diskussionsbeiträge und
faßte gelegentlich zusammen, wobei er «jedem
Standpunkt gerecht wurde». Man kann sich vorstellen,
was dabei herauskam. Nach anfänglicher Beteiligung
begann die Gruppe, das Ganze in ein permanentes
Happening aufzulösen. Man redete die ganze Nacht, und
die Erfahrung der Gemeinsamkeit ließ in den
Gesprächen den Gedanken an Kommune wiederkehren.
In der Folgezeit wurde
für die Gruppe Happening, das auf dem
Wochenendseminar noch Ausdruck spontanen Protestes
war, zum Prinzip. Man fühlte sich zwar noch
verpflichtet, zum I. Mai etwas Aktivität an den Tag
zu legen, wobei das beste Flugblatt entstand, das die
Gruppe jemals produzierte (Lehr-lingsflugblatt). Man
organisierte am I. Mai gemeinsam mit anderen auch
noch einen Schüler- und Lehrlingsblock (s.
Buchumschlag), danach sah man aber keinen Termin
mehr, der Aktivität erforderlich gemacht hätte. Man
setzte sich auch keinen neuen. Man wollte sich
endlich der Gruppenarbeit zuwenden, zusammen
theoretisch arbeiten, was für die Gruppe wichtig war,
wollte sie die absolute Dominanz einiger Leute
aufheben. Die Lehrlinge sollten ihre
Ausbildungssituation analysieren, die Schüler sich
mit diversen Schulmodellen befassen, um schließlich
Möglichkeiten für eine antiautoritäre Schule zu
entwerfen. Man wollte sich also aufteilen. Für die
Planung weiterer gemeinsamer Aktivität und die
Diskussion auftretender Gruppenprobleme wurde ein
wöchentliches Plenum eingerichtet.
Inzwischen hatte sich jedoch ein merkwürdiges
Phänomen eingeschlichen.
Es breitete sich eine
allgemeine Zärtlichkeit in der Gruppe aus. Da der
große Teil der Gruppe aus Jungen bestand, wurden die
Zärtlichkeiten vorwiegend unter Jungen ausgetauscht.
Doch machten sie dabei vor dem Bett halt. Der Wunsch,
mit einem Mädchen zu schlafen, war allen Jungen
gemeinsam. Der allgemeine Austausch von
Zärtlichkeiten und die gemeinsam erlebten
Frustrationen in den Beat-Kneipen verstärkten die
Geschlossenheit der Gruppe und schufen eine ungeheure
Solidarität. Diese Entwicklung bedingte das Scheitern
der gemeinsamen politischen Arbeit. Das Plenum wurde
zur allgemeinen Beratungsstelle, wohin man gehen
wolle. Auch die Arbeitskreise erlitten dasselbe
Schicksal. Auch sie wurden zum allgemeinen
Treffpunkt. Die Gruppe war nicht mehr aufzuteilen,
nicht mehr zu trennen. Die Beschäftigung mit der
eigenen Problematik, Ausbildung und Schulmodelle,
langweilte eher und löste sich deshalb auf im
Austausch von Zärtlichkeiten, Unterhaltung etc. In
diesem Stadium tauchte der Name «Terror-Gruppe
Neuruppin» auf.(1)
In der
folgenden Zeit zeigten sich in der anfänglichen
Selbstironie Spuren von Wahrheit. Das drückte sich
erstmals auf einer Fete aus: Nachdem man -sich selbst
überlassen - eine Weile sich unterhalten, ein wenig
geliebt und schließlich ferngesehen hatte, stöberte
zufällig einer ein Bücherregal durch. Dabei nahm er
ein Buch aus dem Regal, machte eine abfällige
Bemerkung, lachte schließlich und warf das Buch auf
den Boden in die Mitte des Zimmers. Als er bei seiner
weiteren Suche auf noch mehr solcher Bücher stieß,
begann sich auf dem Boden ein kleiner Stapel
anzuhäufen. Darauf begannen die anderen, ihm bei der
Auslese, die nach politischen Kriterien verlief, zu
helfen. Das Ganze endet in einem allgemeinen
Gelächter.
Als der
Gastgeber aus dem Nebenzimmer, in dem sich die
anderen Party-Gäste befanden, hereinkam, wurde er
wütend und forderte die Gruppe auf, die Wohnung zu
verlassen, da inzwischen auch seine Freunde gegangen
seien. Die Neuruppiner wollten jedoch erst über die
Bücher diskutieren und hielten so lange das Zimmer
besetzt. Was sich daran anschloß, war eher eine
Zänkerei als eine Diskussion. Schließlich ging man.
Zwar versuchte diese Aktion sich noch politisch zu
legitimieren, die spätere Wiederholung solcher
Vorgänge entlarvte jedoch diesen Versuch als eine
Farce.
Aus dem früher antiautoritären Verhalten war ein
autoritärer Akt geworden. (Später stellte sich
heraus, daß die Frau des Gastgebers, angeregt durch
die Terror-Gruppe, zwei Tage nach dem Vorfall die
aussortierten Bücher in den Keller verfrachtete.(2)
Die
letzte Entwicklungsphase der Terror-Gruppe zeichnete
sich durch absolute Inaktivität aus. Man sah seine
Aufgabe im Happening, gefiel sich in der Rolle des
ewigen Akteurs. Indem man auf diese Weise alle in die
Rolle außenstehender Betrachter gedrängt hatte,
vertiefte man den Widerspruch zwischen erklärter
Offenheit und faktischer Geschlossenheit der Gruppe.
Sie begann genau dahin zu tendieren, was sie als
ihren eigenen Tod definierte, die Isolation der
Kommune. Manchmal wurden die Probleme durchaus
diskutiert, und man sah dann sehr wohl, daß das
Prellen von Zechen, das Auffliegenlassen von Festen
etc. anscheinend doch am falschen Punkt einsetzte.
Jedoch die allgemeine Zärtlichkeit, die anfangs die
Aufgabe der Verdrängung der Konflikte übernommen
hatte, erhielt nun eine neue Funktion: Die
Konsequenzen zu verhindern, die die Diskussionen
eigentlich hätten nach sich ziehen müssen. Die
Praxis der ewigen Provokationen setzte sich fort,
ging Hand in Hand mit der Unfähigkeit, dabei
Kommunikation zu anderen herzustellen. Auch das
erkannte man, und einige Male klang die Frage nach
der Funktion der Gruppe an. Nichts anderes erfuhr
aber eine größere Verdrängung als gerade diese Frage.
Um die politische Existenzberechtigung der Gruppe
wiederherzustellen, flüchtete man sich zurück in den
Ruf nach theoretischer Arbeit. Zahlreiche Versuche
wurden unternommen, um diese wiederaufzunehmen, sie
scheiterten jedoch an der allzu großen Beliebigkeit,
die in der Gruppe herrschte. Erstes Postulat war eben
die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse geworden.
Die Gruppe selbst war lediglich noch eine kuriose Art
der Konsumgenossenschaft mit der Gratisware
Zärtlichkeit.
In
dieser verfahrenen Situation zog ein einzelner
(allerdings aus der Kerngruppe der Neuruppiner) die
Konsequenz aus dem, was in der Gruppe selbst schon
als Selbstkritik geleistet worden war. Die Kritik an
der Unfähigkeit der Gruppe, den politischen Anspruch,
mit dem sie aufgetreten war, in der Realität
einzulösen, die ganze alte Kritik, die als reines
Lippenbekenntnis ohne jedwede Konsequenz über die
Bühne gelaufen war, wurde von ihm zusammengefaßt, in
den richtigen Kontext gestellt und führte für ihn zu
der letzten Endes einzig möglichen Konsequenz: zu
gehen, um Neues zu versuchen, sich von dem Alten zu
lösen, um nach kritischer Überprüfung der
Vergangenheit ohne den Hemmschuh des Alten das Neue
beginnen zu können. Nicht das Wegbleiben eines
einzelnen war die Bedrohung, sondern das Neue, das
geschaffen werden sollte, um das Alte aufzuheben,
seine Funktionslosigkeit durch die Praxis zu
dokumentieren. Auf eine derartige Bedrohung der
libidinös in sich geschlossenen Gruppe - so
widersprüchlich diese libidinösen Beziehungen auch
gewesen sein mögen - konnte diese nur aggressiv
gegen den reagieren, der die Gruppenexistenz derart
massiv anzugreifen drohte. Der Schwall an Kritik, der
nun ausbrach, bezog sich weniger gegen die Gruppe
selbst, ging nicht inhaltlich auf das Geschehene ein,
sondern wurde vielmehr Kampfinstrument zur
Verteidigung der gefährdeten Gruppenexistenz. Was
dabei an Selbstkritik abfiel, kann man nur als
Nebenprodukt des geführten Streites verstehen, diente
wohl auch mehr der Neutralisierung der Gruppenkritik.
Nach einiger Zeit heftig geführter gemeinsamer
Diskussionen sah man allgemein ein, daß man die alte
Gruppenexistenz aufgeben mußte, wenn man wieder
zusammen politisch arbeiten wollte. Indem man die
Gruppe in einen neuen organisatorischen Rahmen setzt,
in dem die Identität von formaler und faktischer
Offenheit gewährleistet ist, heben sich ihre Grenzen
von selbst auf. Die gemeinsame Vergangenheit tritt
nur noch als positiver Faktor in Erscheinung, als
praktische Solidarität auf Demonstrationen und in der
gemeinsamen Arbeit.
Allzuleicht wird man die Beschreibung der
«Terror-Gruppe Neuruppin» als die Beschreibung eines
Sonderfalles abtun wollen. Ich glaube jedoch, daß
unter den Bedingungen einer längeren Stagnation der
Bewegung, besonders in mittelgroßen und Großstädten,
Gruppen eine ähnliche Entwicklung durchlaufen können
und werden, wenn die aufgezeigten Gefahren der
Verselbständigungen nicht ständig reflektiert werden.
Die gemeinsam erlebten Frustrationen und die daraus
entstehenden Aggressionen können diesen Gruppen
terroristischen Anstrich verleihen. Was sich positiv
auf Aktionen auswirken kann, wo manche ihre Angst
hinter zur Phraseologie erstarrten Zitaten aus dem
"Linksradikalismus ..." Lenins verstecken zu
müssen glauben, erfährt Momente der Verselbständigung
im allgemeinen Auftreten der Gruppe. Wenn diese
Schüler an Hand ihrer eigenen Bedürfnisse aktiviert
worden sind und ihnen nur auf hoher
Abstraktionsebene die gesellschaftliche Bedingtheit
der Unterdrückung ihrer Bedürfnisse klargemacht
worden ist, was ja wiederum auf den objektiven
Tatbestand der immer größer werdenden Anonymität der
Unterdrückungsinstanzen zurückgeführt werden muß,
dann richtet sich ihr Aufstand gegen alles und jeden,
wird der im Emanzipationskampf berechtigte Terror für
die Schaffung einer freien Gesellschaft zum
prinzipiellen Terror gegen alles, was sich nicht
direkt mit den sich Auflehnenden in Verbindung
bringen läßt, verzichtet man in seinem Widerstand auf
die Differenzierung zwischen Unterdrückern und
Unterdrückten. Indem dieser Terror sich seiner
politischen Intention beraubt, seine Funktion nicht
mehr reflektiert wird, läßt er sich leicht abschieben
auf das Gleis des rein Kriminellen, was die
Gewaltanwendung der Herrschenden wieder legitim
erscheinen läßt. Die politische Gruppierung wird zur
Bande und der geleistete Widerstand neutralisiert
sich selbst, verliert seinen subversiven Charakter,
seine Gefährlichkeit für das System.
Anmerkungen
1) In der Autorendiskussion haben wir
uns lange darüber gestritten, ob der Gebrauch des
Wortes «Terror» in diesem Beitrag nicht
mißverständlich sei und der Intention des Aufsatzes
zuwiderlaufe. Wir haben uns schließlich entschieden,
den Terminus beizubehalten. Verständlich wird diese
Entscheidung aber nur, wenn man etwas über die
Ursache der Namensgebung weiß. Neuruppin ist eine
kleine Stadt in der DDR, in der sich ein Irrenhaus
befindet. Die Bezeichnung Terror-Gruppe ist als
Reaktion auf den in der Öffentlichkeit gegen die
antiautoritäre Bewegung erhobenen Terrorvorwurf zu
verstehen. Die selbstironische Namensgebung verlor
aber, wie dieser Beitrag zeigt, ihre spielerische
Bedeutung, weil die Gruppe, wenn zwar nicht Terror,
so doch terroristische Momente entwickelte. Dabei
richtet sich dieser Terror nicht, was unter
bestimmten historischen Bedingungen richtig wäre,
gegen die «feindliche Gesellschaft», sondern gegen
die diese Gesellschaft bekämpfende antiautoritäre
Bewegung selbst, aus der die Gruppe hervorging. Das
gilt auch für die Kommune in Berlin (K I).
2)
Tatsächlich hatte schon dieser Vorfall - und nicht
erst spätere - keinerlei politischen Anstoß, wenn
nicht Langeweile und Aggressivität politisch sind.
Die Auswahlkriterien für solche «symbolische
Bücherverbrennungen waren nicht ganz eindeutig,
betrachtet man die sortierten Bücher. Sie schienen in
einigen Fällen von Unkenntnis oder durch negative
Schulerfahrung motiviert, wobei übersehen wurde, daß
das, was die Schule aus einem Buch machen kann, nicht
identisch sein muß mit dem, was das Buch ist. Anstatt
dem Lehrer in der Schule die Interpretation um die
Ohren zu hauen, schmiß man die Bücher auf den Boden.
Insofern war das Verhalten nicht nur autoritär,
sondern - gemessen an den eigenen Ansprüchen - auch
feige.
Quelle: aus: Ezra Gerhardt, Über die Praxis der
Schülerbewegung, in: Kinderkreuzzug, hrg.v.
Günter Amendt, Reinbek November 1968, S.81-89 |