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Dieter Läpple

Gesellschaftlicher Reproduktionsprozeß und Stadtstrukturen*

Quelle: www.bmgforum.partisan.net

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Der gesellschaftliche Entwicklungsprozeß der hochentwickelten kapitalistischen Länder führte in den letzten Jahrzehnten nicht nur zu einer Beschleunigung der für die kapitalistische Produktionsweise typischen Verstädterung, sondern mit dieser Entwicklung vollzog sich zugleich eine tiefgreifende Veränderung der tradierten städtischen Strukturen und - vor allem im Zusammenhang mit der krisenhaften ökonomischen Entwicklung der kapitalistischen Länder - eine krisenhafte Zuspitzung der in diesen Strukturen angelegten Widersprüche. So bedeutsam nun offensichtlich die Städte oder Stadtregionen als die räumlichen Zusammenballungen der entscheidenden gesellschaftlichen Entwicklungspotenz, der damit verbundenen ökonomischen und sozialen Widersprüche und der daraus resultierenden Klassenauseinandersetzungen und sozialen Bewegungen sind, so unklar ist in der gegenwärtigen marxistischen Diskussion das Problem einer theoretischen Erklärung des komplexen Phänomens der Verstädterung in einer systematischen materialistischen Gesellschaftsanalyse.' In den letzten Jahren sind zwar in der Bundesrepublik und in Westberlin z. T. sehr fundierte kritische Analysen über städtische Probleme entstanden2. Diese Analysen beschränkten sich jedoch in der Regel auf einzelne Problembereiche, wie z. B. Wohnungsversorgung, städtische Grundrente und Bodenordnung, Sanierungsprozesse oder auch Bürgerinitiativen. Trotz der zunehmenden Orientierung der Untersuchung städtischer Probleme an einem historisch-materialistischen Ansatz zieht sich durch diese Diskussion weiterhin die Schwierigkeit der ungeklärten oder mangelnden Integration dieses äußerst wichtigen Problembereiches in einen gesamtgesellschaftlich orientierten Analyseansatz. Dabei hängen diese theoretischen Schwierigkeiten eng zusammen mit dem noch wenig entwickelten Niveau materialistischer Gesellschaftsanalyse insgesamt. Die theoretische und die daraus folgende politische Unsicherheit bei der Beurteilung städtischer Probleme resultiert zu einem wesentlichen Teil aus der in der gegenwärtigen marxistischen Diskussion noch vorherrschenden Beschränkung der Analyse gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsprozesse auf die Untersuchung von Wertbewegungen und Klassenauseinandersetzungen als unmittelbare Resultate des Produktionsprozesses des Kapitals, mit der damit verbundenen Reduktion der komplexen gesellschaftlichen Klassenverhältnisse auf den Klassengegensatz von industriellem Kapital und Lohnarbeit. Durch eine derartige Reduktion von komplexen gesellschaftlichen Konfliktbereichen und differenzierten Formen der Klassenauseinandersetzungen auf das grundlegende Klassenverhältnis, also die Ausbeutung der Lohnarbeit durch das Kapital, wird die Möglichkeit einer systematischen Einordnung des Problembereichs der städtischen Entwicklung in die Totalität der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erschwert. Dies hat dann u. a. zur Konsequenz, daß die politisch-praktische Relevanz dieses Bereiches für eine sozialistische Bewegung von den einen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird, andere dagegen diesen Bereich in seiner Bedeutung für eine sozialistische Politik verabsolutieren und zum Zentrum von Mobilisierungsstrategien machen.3 Wie läßt sich nun aber das vielschichtige Phänomen der Stadt oder der Verstädterung im Rahmen einer materialistischen Gesellschaftsanalyse theoretisch erfassen, wie ist dieser Untersuchungsgegenstand abzugrenzen, und was sind die zentralen Fragestellungen, unter denen dieser Untersuchungsgegenstand zu analysieren ist? Bei dem Versuch, diese Fragen zu beantworten, stößt man auf erhebliche Schwierigkeiten, denn so selbstverständlich in der Alltagssprache der Begriff Stadt verwendet wird, so schwierig ist eine wissenschaftliche Eingrenzung dieses ideologiebeladenen Begriffs4 und seine Einordnung in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext. War es eventuell noch möglich, die mittelalterliche Stadt aufgrund ihrer relativ autonomen politischen Vergesellschaftung5 als mehr oder weniger selbständiges ,"politisch-administratives" Sozialsystem zu analysieren, so ist die Stadt in der kapitalistischen Produktionsweise - die über den ökonomischen Vergesellschaftungsmechanismus des Tauschwertprozesses in das Milieu weltwirtschaftlicher Arbeitsteilung integriert ist und als politisch-administratives System vom bürgerlichen Zentralstaat abhängig ist - sicher nicht als eigenständiges soziales System analysierbar.

Ausgangspunkt einer materialistischen Analyse des Phänomens Stadt kann demnach auf keinen Fall eine der unzähligen, meist an sozialkulturellen Erscheinungsformen oder an bloß quantitativen Indikatoren orientierten Definitionen des Begriffs Stadt sein, wie sie die lange Geschichte der soziologischen Stadtforschung hervorgebracht hat, noch kann eine derartige Analyse das ,,unhistorische", mehrere Gesellschaftsformationen übergreifende Phänomen Stadt zum Gegenstand haben. Das gesellschaftliche Phänomen der Stadt kann - aufgrund der unterschiedlichen sozialökonomischen Bedingungen der Städtebildung in den verschiedenen Gesellschaftsformationen — nur als eine formationsspezifische Erscheinung untersucht werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage des Vermittlungszusammenhanges zwischen den sozialökonomischen Gesetzmäßigkeiten der jeweiligen Gesellschaftsformation und den sozialökonomischen Bestimmungsmomenten des Verstädterungsprozesses.

1. Der Gegensatz zwischen Stadt und Land

Als möglicher theoretischer Zugang zur Lösung dieses Problems scheint sich der für die kapitalistische Produktionsweise typische Stadt-Land-Gegensatz anzubieten. So hat sich z. B. auch in der Soziologie - nicht zuletzt durch die Konfrontation mit der Verstädterungsproblematik der "Dritten Welt" — bei einigen Wissenschaftlern die Einsicht durchgesetzt, daß "die Situation in den Städten nur erklärbar ist, wenn man sie im Kontext der Beziehungen zum Hinterland sieht", "da diese Beziehungen einen wesentlichen Einfluß auf Struktur und Funktion der Stadt haben"6. Durch die Analyse der wechselseitigen Beziehungen von Stadt und Land soll somit die in der Stadtsoziologie vorherrschende isolierte Betrachtungsweise "der Stadt" überwunden werden. Einem derartigen Analyseansatz liegt in der Regel eine "dualistische Gesellschaftskonzeption" zugrunde, d. h. die Differenzierung der Gesamtgesellschaft in zwei sich zwar wechselseitig beeinflussende, aber trotzdem mehr oder weniger deutlich abgrenzbare Subsysteme.

Bei dem Versuch, diese beiden Subsysteme voneinander abzugrenzen, stellt sich aber wiederum die Frage: wie lassen sich die gesellschaftlichen Beziehungen in "städtische" und "ländliche" unterteilen? Wurde in älteren Theorien — vor allem von den konservativen Großstadt-Kritikern - eine romantisierte Vorstellung von der "ländlichen Dorfgemeinschaft" zur Norm erhoben und die ,,städtische" Lebens- und Vergesellschaftungsform gewissermaßen als negative Abweichung von diesem konservativen Idealbild gefaßt, so kehrt sich die gegenseitige Abgrenzung von ,,ländlich" und ,,städtisch" auf der Basis von vorgefaßten "Land"- oder "Stadt"-Definitionen in den neueren Theorien zur Stadt-Land-Beziehung einfach um. Bezugspunkt wird dabei meist eine sozialkulturelle Definition der Stadt, wie sie z. B. der von Louis Wirth formulierten These des "urbanism as a way of life"7 zugrunde liegt.

Die Analyse des Gegensatzes von Stadt und Land wird so auf die Frage nach der gesellschaftlichen Ausbreitung der "Stadtkultur" reduziert, wobei nur noch strittig ist, ob dieser Ausbreitungsprozeß in der Form eines "eindimensionalen Stadt-Land-Kontinuums"8 verläuft, oder ob der historische Vorgang der soziokulturellen Differenzierung von "Stadt" und "Land" eine komplexere Verlaufsform hat.

Damit löst sich aber letztlich dieser Ansatz zur Analyse der Stadt oder der Stadt-Land-Beziehung auf in die Frage nach der historisch ungleichzeitigen Durchsetzung der für die kapitalistische Produktionsweise typischen sozialen Verkehrsformen und des damit verbundenen kulturellen Systems, ohne dabei einen Beitrag zur Erklärung der sozioökonomischen Funktions- und Entwicklungsdynamik des gesellschaftlichen Phänomens der Stadt und der daraus folgenden gesellschaftlichen Entwicklungsperspektiven zu leisten. Von einigen marxistischen oder marxistisch orientierten Autoren wird dagegen versucht, den Stadt-Land-Gegensatz zur Grundlage für eine theoretische Begründung der ungleichmäßigen ökonomischen Entwicklung in ländlichen und städtischen Regionen zu verwenden, um so die Ungleichheit von ländlichen und städtischen Arbeits- und Lebensbedingungen und die daraus folgenden unterschiedlichen sozialen und politischen Tendenzen im Zusammenhang mit dem gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozeß beurteilen zu können. In Anlehnung an die Formulierung von Marx, daß die "Grundlage aller entwickelten durch den Warentausch vermittelten Teilung der Arbeit ... die Scheidung von Stadt und Land"10 ist, erscheint es zunächst auch naheliegend, den Gegensatz zwischen Stadt und Land für eine materialistische Erklärung des Verstädterungsprozesses und der damit verbundenen räumlichen Agglomerations- und Deglomerationsbewegungen im Entwicklungsprozeß der kapitalistischen Produktionsweise fruchtbar zu machen. Da jedoch Marx den systematischen Zusammenhang zwischen den ökonomischen Bewegungsgesetzen der kapitalistischen Produktionsweise und der Entfaltung und Wirkungsweise des Gegensatzes von Stadt und Land selbst nicht explizit dargestellt hat, gibt es in der marxistischen Diskussion erhebliche Differenzen über den methodischen Stellenwert dieses Gegensatzes im Rahmen einer Kapitalismusanalyse.

Unter Rückgriff auf theoretische Erklärungsansätze der ungleichmäßigen Entwicklung, wie sie bei der Analyse des peripheren Kapitalismus im Rahmen der Imperialismustheorien erarbeitet wurden, versuchen einige Autoren, die ungleichmäßigen räumlichen Entwicklungsprozesse in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern auf der Basis des Gegensatzes bzw. der "Polarität" von Stadt und Land zu erklären. Dabei übertragen sie die den Unterentwicklungstheorien des peripheren Kapitalismus zugrundeliegende "Polarität" von "Zentrum" und "Peripherie" auf die in den ungleichmäßigen räumlichen Entwicklungsprozessen der entwickelten kapitalistischen Ländern zu findende "Polarität" von städtischen Wachstumszentren und unterentwickelten ländlichen Regionen. Die kapitalistische Gesellschaft entwickelt sich nach diesen Theorien in der "Polarität" von "städtischen Zentren" und davon "dependenten" "ländlichen Peripherien"." Dieser polare sozialökonomische Entwicklungsprozeß wird nun entweder mit der sogenannten "Werttransfertheorie" erklärt, also durch die These des kontinuierlichen Wetttransfers von der "Peripherie" in die "Zentren", wie sie u. a. von Amin, Emmanuel, Palloix oder Mandel vertreten wird, oder er wird durch Erklärungsmuster begründet, wie sie in der lateinamerikanischen "dependencia"-Diskussion entstanden sind, in denen die Unterentwicklung der Peripherie vor allem mit der strukturellen Heterogenität der gesellschaftlichen Produktion und der dadurch bedingten Klassenverhältnisse erklärt wird.12 Die Übernahme derartiger Theorieansätze zur Analyse der ungleichmäßigen räumlichen Entwicklung in den Industrieländern erscheint jedoch äußerst problematisch.13 Ohne hier eine ausführliche Kritik an einem derartigen methodischen Vorgehen entwickeln zu können, sollen im folgenden kurz die wichtigsten Gegenargumente benannt werden.

Soweit in diesen Erklärungsansätzen die ungleiche Entwicklung zwischen "Zentren" und "Peripherien" und die daraus resultierende Abhängigkeit der ,,Peripherien" von den "Zentren" unmittelbar aus der Modifikation des Wertgesetzes auf dem Weltmarkt erklärt wird, also aus den Schranken und möglichen Modifikationen, die sich aus der nationalstaatlichen Organisation des Kapitals ergeben, ist diese Theorie der ungleichmäßigen Entwicklung bereits aufgrund ihrer Voraussetzungen nicht auf die sozioökonomischen Entwicklungsprozesse innerhalb der hochentwickelten kapitalistischen Länder übertragbar. Denn dieser - meiner Ansicht nach sowieso zu kurz greifende - Erklärungsansatz setzt ja voraus, daß das Verhältnis zwischen "Peripherie" und ,,Zentrum" durch das ,,Dazwischentreten" des Weltmarktes vermittelt wird.14

Wird dagegen versucht, die Polarität von ,,Zentren" und "Peripherien" bzw. von Stadt und Land durch einen direkten "Werttransfer" vom Land in die Stadt aufgrund ungleicher Austauschrelationen zwischen "ländlichen" und "städtischen" Waren zu erklären, so ist diese These theoretisch nur haltbar, wenn sie auf den Werttransfer zwischen Sektoren unterschiedlicher Produktionsverhältnisse, also zwischen kapitalistischen und nichtkapitalistischen Sektoren eingeschränkt wird.15 Der Gegensatz zwischen Stadt und Land wird damit zum Gegensatz zwischen kapitalistischer und vorkapitalistischer Produktion, und der ungleichmäßige räumliche Entwicklungsprozeß wird mit diesem Erklärungsmuster zurückgeführt auf einen ungleichzeitigen Entwicklungsprozeß, bzw. auf das gleichzeitige Nebeneinander von kapitalistischer "städtischer" und vorkapitalistischer "ländlicher" Produktion.16

Was hier für den Erklärungsansatz des "Werttransfers" ausgeführt ist, gilt in entsprechender Weise für den "dependencia"-Ansatz. Auch hier werden nicht die Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise und die daraus resultierenden Vergesellschaftungsformen zum methodischen Ausgangspunkt für die Erklärung der ungleichmäßigen räumlichen Verteilung gesellschaftlicher Produktivkräfte und der damit verbundenen Siedlungsstrukturen genommen. Diese ungleichmäßigen Entwicklungsprozesse werden vielmehr unmittelbar aus eventuell vorhandenen heterogenen Produktionsverhältnissen zu begründen versucht.

Mit dieser Kritik soll nun nicht etwa in Frage gestellt werden, daß in "ländlichen Regionen"17 teilweise noch halb- und vorkapitalistische Produktionsverhältnisse existieren, und daß vor allem die Landwirtschaft aufgrund der besonderen Naturbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion und ihrer spezifischen, historisch tradierten Eigentumsverhältnisse in sehr ungleichmäßiger Weise und über z.T. sehr widersprüchliche Vermittlungsformen18 in die kapitalistischen Produktionsverhältnisse integriert ist.

Derartige ,,historische Besonderungen", die - wenn auch in wechselnden Erscheinungsformen - immer die kapitalistische Produktionsweise begleiten, können zwar die ungleichmäßigen räumlichen Entwicklungsprozesse u. U. verstärken, auf keinen Fall jedoch begründen. Es müssen also zunächst die aus der kapitalistischen Produktionsweise resultierenden immanenten Entwicklungstendenzen geklärt werden; erst in diesem Kontext können dann die Auswirkungen dieser "historischen Besonderungen" auf die historische Durchsetzung derartiger Entwicklungstendenzen geklärt werden, was zugleich die Klärung der Perspektiven dieser halb- und vorkapitalistischen Produktionsformen einschließt.

Im Hinblick auf die "polarisationstheoretisch" orientierten Erklärungsansätze muß außerdem noch betont werden, daß sich das Problem der räumlichen Verteilung der gesellschaftlichen Produktionspotenzen und der damit verbundenen Siedlungsstrukturen nicht auf die einfache Polarität von "städtischen Zentren" und unterentwickelten "ländlichen Peripherien" reduzieren läßt. Denn der kapitalistische Entwicklungsprozeß führt nicht nur zu einer Verstärkung des mit der industriellen Revolution herausgebildeten Gegensatzes zwischen städtischen Agglomerationen und unterentwickelten ländlichen Regionen, sondern damit bilden sich zugleich auch wesentliche Entwicklungsunterschiede und räumliche Disparitäten zwischen und innerhalb der einzelnen städtischen Agglomerationen heraus. Der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß vollzieht sich also in immer komplexeren interdependenten Raumstrukturen, die durch eine zunehmende ungleichmäßige Entwicklung geprägt sind. Der Verstädterungsprozeß ist dabei als integraler Bestandteil dieser räumlichen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Reproduktion und der daraus resultierenden formationsspezifischen Territorialstruktur zu analysieren.

Der Gegensatz von Stadt und Land, der in seinen konkreten historischen Ausprägungen selbst auf die inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise zurückgeführt werden muß, kann zwar nicht Ausgangspunkt für die Erklärung dieser Territorialstruktursein. Die Trennung von Stadt und Land ist jedoch die historische Grundlage, auf der sich die Entwicklung dieser Territorialstruktur vollzieht; d. h., die der kapitalistischen Produktionsweise immanenten räumlichen Entwicklungstendenzen setzen in ihrer Wirkungsweise die historische Herausbildung dieses Gegensatzes voraus. Ausgangspunkt für die durch den Warentausch vermittelte Teilung der Arbeit und damit die Scheidung von Stadt und Land war zunächst die Loslösung der gewerblichen Produktionsfunktionen von der landwirtschaftlichen Produktion. Mit der dadurch entstandenen Arbeitsteilung zwischen Landwirtschaft und Handwerk beginnt die Herausbildung der ökonomisch begründeten Scheidung von Stadt und Land, die sich mit der Entwicklung der Produktivkräfte weiterentfaltet. Das wesentlichste Resultat dieses Prozesses ist die Zersetzung und Auflösung feudaler Produktionsverhältnisse auf dem Lande und so die Trennung der agrikolen Arbeiter von ihren Arbeits- und Lebensbedingungen, also die Schaffung des , freien" Lohnarbeiters als die klassenmäßige Voraussetzung für die Entfaltung kapitalistischer Produktion. Mit der sich entfaltenden industriellen Produktion wird die räumliche Organisation des gesellschaftlichen Lebens von den Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Akkumulationsprozesses erfaßt. Zugleich mit der industriellen Arbeitsteilung und der damit verbundenen Herausbildung von territorialen Standortstrukturen vollzieht sich eine formelle Verselbständigung und damit auch räumliche Segregierung von gesellschaftlichen Funktionen, wie z. B. Zirkulationsfunktionen, Transportfunktionen, Dienstleistungen, Verwaltungsfunktionen usw., wie sich auch bereits mit dem Freisetzungsprozeß der Lohnarbeiter eine formelle und damit auch räumliche Trennung von Produktions- und Konsumtionsbereich durchgesetzt hat. Die Territorialstruktur wird nun determiniert durch die räumlichen Bewegungs- und Wachstumsprozesse des Kapitals, in denen die individuellen Kapitale jeweils an die Anlageorte wandern, die ihnen aufgrund der dort verfügbaren natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen der Produktion für ihren spezifischen Produktionsprozeß die besten Verwertungsmöglichkeiten sichern. Dieser spontane und ohne gesellschaftlichen Plan verlaufende Prozeß wird reguliert durch das innere Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise, das Wertgesetz, das sich vor allem über die Form der zyklischen Krise gesellschaftlich durchsetzt. Dadurch erfolgt auch die räumliche Verteilung und Umstrukturierung der gesellschaftlichen Produktion über die Vermittlungsform der aus der Kapitalakkumulation resultierenden Krisenprozesse.

Die Analyse der räumlichen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Reproduktion und der damit verbundenen Herausbildungs- und Umstrukturierungsprozesse städtischer Strukturen darf jedoch nicht auf eine Analyse des kapitalistischen Verwertungsprozesses reduziert werden, in der die territoriale Struktur der gesellschaftlichen Reproduktion nur noch als materiell-räumliches Resultat des über die Konkurrenz vermittelten Verwertungstriebes der einzelnen Kapitale gefaßt wird. Derartige - im übrigen sehr verbreitete - Analyseansätze19, in denen die räumlichen Entwicklungsprozesse auf die Argumentationsfigur "der Jagd der einzelnen Kapitale nach Surplusprofiten" zurückgeführt werden, bleiben letztlich einer "einzelwirtschaftlichen" Orientierung verhaftet.20 Die räumlichen Strukturen der gesellschaftlichen Reproduktion einschließlich der städtischen Strukturen lassen sich nur dann adäquat in ihrem Funktions- und Entwicklungszusammenhang erklären, wenn es gelingt, die Raumdimension systematisch in die Gesellschaftsanalyse zu integrieren.11 Vor dem Hintergrund dieser kritischen Anmerkungen zu bestehenden Analyseansätzen läßt sich die zunächst aufgeworfene Frage nach dem methodischen Vorgehen zur Erklärung des vielschichtigen Phänomens des Verstädterungsprozesses im Rahmen einer materialistischen Gesellschaftsanalyse wie folgt beantworten:

Unter den Bedingungen der Verallgemeinerung kapitalistischer Warenproduktion vollzieht sich der Verstädterungsprozeß als integraler Bestandteil der räumlich-funktionalen Differenzierung der gesellschaftlichen Reproduktion im Zusammenhang mit der arbeitsteiligen Ausdifferenzierung des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters". Dieser Prozeß der räumlich-funktionalen Differenzierung mit der daraus resultierenden ungleichmäßigen Verteilung der gesellschaftlichen Produktionspotenzen und Siedlungsstrukturen muß als immanentes Resultat des sozial-ökonomischen Entwicklungsprozesses und der damit verbundenen Vergesellschaftungsformen analysiert werden. D. h., sowohl die territorialen bzw. räumlichen Strukturen als auch die ungleichmäßigen Entwicklungsprozesse müssen aus einem einheitlichen Erklärungsansatz heraus - nämlich aus den Funktions- und Entwicklungsgesetzen der kapitalistischen Reproduktion - erklärt werden. Bei der Klärung der Bestimmungsmomente der räumlichen Zuordnung der in dem Ausdifferenzierungsprozeß der Arbeitsteilung "freigesetzten" Teilfunktionen hat die Kategorie des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters"22 einen zentralen Stellenwert. Denn mit dieser Kategorie kann der Gesamt Zusammenhang der Vergesellschaftungsformen der Arbeit in seinem für die kapitalistische Produktionsweise spezifischen Doppelcharakter (als konkret-nützliche, naturbedingte Arbeit einerseits und abstrakt-gesellschaftliche, formbestimmte Arbeit andererseits) begrifflich erfaßt werden. Die gesellschaftliche Arbeit ist dabei sowohl als Stoffwechselprozeß zwischen Mensch und Natur (also dem Aspekt der Naturbedingtheit menschlicher Arbeit und menschlichen Lebens überhaupt) zu analysieren, als auch zugleich als Prozeß formationsspezifischer Vergesellschaftung (also unter dem Aspekt der Formbestimmtheit der gesellschaftlichen Arbeit durch die spezifischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse). Dabei ist noch anzumerken, daß die Kategorie des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters" nicht nur die Arbeitsfunktionen innerhalb der materiellen Produktion erfaßt, sondern alle produktiven, unproduktiven und reproduktiven bzw. konsumtiven Funktionen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, die sich in dem kapitalistischen Entwicklungsprozeß zu einem zusammenhängenden System gesellschaftlicher Arbeitsteilung herausgebildet haben.

Wie lassen sich nun aber innerhalb der territorialen Strukturen des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses die städtischen Strukturen bestimmen? In dem System gesellschaftlicher Arbeitsteilung und der daraus resultierenden Territorialstruktur bilden sich — als ein zunehmend wichtiger werdendes Moment der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte — räumliche Vergesellschaftungszusammenhänge von komplexen, interdependenten Produktions-, Zirkulations-, Dienstleistungs- und Konsumtionsfunktionen heraus. Diese komplementären räumlichen Vergesellschaftungszusammenhänge, die ihren augenfälligsten stofflichen Ausdruck in einer räumlich konzentriert gebauten Umwelt finden, sind das wesentlichste sozialökonomische Bestimmungsmoment städtischer Strukturen. Die Territorialstruktur der kapitalistischen Produktionsweise mit ihrer großräumigen Differenzierung in ,,städtische" und ,,ländliche" Strukturen läßt sich zunächst thesenhaft als das räumliche Resultat zweier, sich gegenseitig bedingender Vergesellschaftungstendenzen fassen: der Tendenz zur intensiven Vergesellschaftung und der Tendenz zur extensiven Vergesellschaftung der Arbeit bzw. des menschlichen Lebenszusammenhanges.23 Die ,,Abhängigkeit" des Landes von der Stadt24 erweist sich somit als die Abhängigkeit der aus der extensiven Vergesellschaftung der Arbeit resultierenden partiali-sierten räumlichen Produktions- und Reproduktionsstrukturen des Landes von dem Resultat der intensiven Vergesellschaftungstendenzen kapitalistischer Entwicklung, dem integrierten Ensemble städtischer Produktions- und Reproduktionszusammenhänge. Lassen sich so die Stadt bzw. die städtischen Strukturen als Produkt der spezifischen Formen kapitalistischer Vergesellschaftung und der daraus resultierenden ungleichmäßigen räumlichen Verteilung der Produktionspotenzen fassen, so muß noch betont werden, daß die dadurch bestimmte räumliche Struktur der gesellschaftlichen Reproduktion nicht nur "distributives" Resultat des kapitalistischen Entwicklungsprozesses ist, sondern zugleich auch als "formbestimmendes" Moment in diesen Entwicklungsprozeß eingeht.

2. Zum Problem der Integration der Raumdimension in die Analyse gesellschaftlicher Prozesse

Nachdem zunächst in Thesenform darauf hingewiesen wurde, daß die räumlichen Strukturen der gesellschaftlichen Reproduktion einschließlich der städtischen Strukturen sich nur dann adäquat in ihrem gesamtgesellschaftlichen Funktions- und Entwicklungszusammenhang erklären lassen, wenn es gelingt, die Raumdimension systematisch in die Gesellschaftsanalyse zu integrieren, soll dieses Problem im folgenden etwas genauer untersucht werden. Bei der Analyse gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse stellt sich das Problem der Raumdimension zunächst unter dem elementaren Aspekt, daß jede gesellschaftliche Arbeit als Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur sich örtlich auf der Erde fixiert, d. h. sich an einem bestimmten Standort ("locus standi") lokalisiert.25 Die Raumdimension erweist sich jedoch nicht nur unter diesem elementaren Aspekt der "naturgesetzlichen Ortsgebundenheit" menschlichen Lebens als konstitutives Moment menschlicher Vergesellschaftung, sondern vor allem auch unter dem Aspekt der Raumsphäre der gesellschaftlichen Arbeit ("field of employment"), die wesentlich bestimmt wird durch die formationsspezifische räumliche Kombination der subjektiven und objektiven Faktoren des Arbeitsprozesses.26 Innerhalb des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses macht sich demnach die Raumdimension in doppelter Weise als konstitutives Moment geltend: zum einen über die Naturbedingtheit menschlicher Arbeit, also über die Abhängigkeit jeglicher gesellschaftlicher Arbeit von dem vorhandenen ,,geographischen Milieu"27 und damit den naturbedingten Produktivkräften, zum anderen über die Raumsphäre bzw. den Wirkungsraum der gesellschaftlichen Arbeit, wie sie aus den je historisch spezifischen Kooperationsformen resultieren, wodurch sich die Raumdimension auch über die gesellschaftlichen Produktivkräfte geltend macht. Aus diesen, über die natürlichen und gesellschaftlichen Produktivkräfte vermittelten räumlichen Bestimmungen des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses ergeben sich auch mehr oder weniger starke und stabile räumliche Determinationen für die anderen, außerhalb des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses liegenden Funktionen, wie z. B. die Wohn- und Konsumfunktionen.

Die entscheidende Frage ist nun, wie sich diese in den natürlichen und gesellschaftlichen Produktivkräften angelegten allgemeinen räumlichen Determinationen über die formationsspezifische Entwicklung der Produktivkräfte in eine den jeweiligen Produktionsverhältnissen adäquate territoriale Produktions- und Siedlungsstruktur umsetzen. Wenn wir diese Frage anhand der historisch entwickelten Territorialstrukturen der kapitalistischen Länder untersuchen, so werden wir zunächst mit der Schwierigkeit konfrontiert, daß die räumliche Verteilung der Bevölkerung und der gesellschaftlichen Produktion - vor allem in ihrer großräumigen Ungleichmäßigkeit - stark geprägt ist durch die spezifischen historischen Prozesse der Auflösung der feudalen Produktionsweise und der Herausbildung kapitalistischer Produktionsverhältnisse. So werden beispielsweise die räumlichen Entwicklungs- und Umstrukturierungsprozesse immer noch in starkem Maße beeinflußt durch die territoriale "Grundstruktur", die sich in der Phase der industriellen Revolution herausgebildet hat, und die selbst wiederum wesentlich beeinflußt wurde durch die vorkapitalistischen territorialen Strukturen, insbesondere die Existenz vorkapitalistischer Stadt- und Siedlungsstrukturen. Es zeigt sich also, daß die territorialen Strukturen des kapitalistischen Reproduktionsprozesses in hohem Maße historisch determiniert und zugleich von einer strukturellen "Trägheit" sind.

Angesichts der starken historischen Determiniertheit kapitalistischer Territorialstrukturen darf man jedoch nicht in den Fehler verfallen, diese gewissermaßen aus ihrer historischen Kontinuität heraus begründen zu wollen, sondern es muß erklärt werden, warum und wie die historisch vorgefundenen Strukturen aufgrund der immanenten Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktion reproduziert oder verändert werden; ob sie durch die Entwicklungsdynamik der Kapitalakkumulation unterminiert und durch neue, andere Strukturen ersetzt werden, oder ob diese vorgefundenen Strukturen, wie z. B. die vorkapitalistischen Städte, in der Bewegung der Kapitalakkumulation aufgehoben und als Resultat der eigenen Entwicklungslogik auf höherem Niveau reproduziert werden.

Um also erklären zu können, wie sich die spezifisch kapitalistischen Entwicklungstendenzen mit der gleichzeitigen Auflösung vorangegangener Produktionsverhältnisse historisch durchsetzen und den gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß entsprechend ihrer immanenten Entwicklungslogik umwälzen, muß zuerst untersucht werden, welche formationsspezifischen räumlichen Entwicklungstendenzen sich aus der spezifischen Form kapitalistischer Produktivkraftentwicklung ergeben.

Bei dieser Untersuchung werden wir mit dem Faktum konfrontiert, daß die kapitalistische Produktionsweise nicht nur ein bestimmtes historisches Entwicklungsniveau der Produktivkräfte zur Voraussetzung hat, sondern damit zugleich bestimmte Voraussetzungen an die Raumsphäre des gesellschaftlichen Produktionsprozesses gebunden sind. Denn, wie Marx in seinen Ausführungen über die Kooperation, die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise, ausgeführt hat, bildet "das Wirken einer größeren Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum (oder, wenn man will, auf demselben Arbeitsfeld), zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, ... historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion".28 Die kapitalistische Produktionsweise setzt also bereits eine räumliche Konzentration der Produktionspotenzen voraus, und zwar nicht nur auf der Ebene der einzelnen Produktionsprozesse, sondern auch auf der Ebene der Gesellschaft. Wie nämlich die gleichzeitige Anwendung einer gewissen Anzahl Arbeiter auf dem gleichen Arbeitsfeld für die betriebliche Teilung und Kooperation der Arbeit die materielle Voraussetzung bildet, so ist dies "für die Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft die Größe der Bevölkerung und ihre Dichtigkeit, die hier an die Stelle der Agglomeration in derselben Werkstatt tritt".29 Die Raumdimension erweist sich also bereits auf diesem elementaren Niveau der Untersuchung als formbestimmendes Moment der kapitalistischen Produktionsweise, da sie ein konstitutives Moment für die Entwicklung des grundlegenden ökonomischen Verhältnisses dieser Produktionsweise ist. Die Raumstruktur der gesellschaftlichen Reproduktion wird jedoch, wie wir bereits gesehen haben, auch durch die naturbedingten Produktivkräfte geprägt. Für die arbeitsteilige Produktion der kapitalistischen Gesellschaft bedeutet dies zunächst, daß die in dem System der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit herausdifferenzierten Produktionszweige entsprechend ihren verschiedenen stofflichen Arbeitsprozessen in unterschiedlichem Maße von jeweils spezifischen, territorial fixierten Naturbedingungen abhängig sind, so daß sich mit der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit zugleich auch eine "territoriale Teilung der Arbeit "29a herausbildet. Die Abhängigkeit der verschiedenen stofflichen Arbeitsprozesse von den räumlich vorhandenen Naturbedingungen bzw. den naturbedingten Produktivkräften ist jedoch nicht unveränderlich, sondern diese Abhängigkeit wird in ihrem Charakter als "äußere" Schranke der Produktion durch die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte immer stärker zurückgedrängt, wodurch auch die territoriale Teilung der Arbeit immer weniger durch die unmittelbar vorhandenen Naturbedingungen determiniert und fixiert wird. In diesem Prozeß der Entwicklung der Produktivkräfte gewinnen die gesellschaftlichen Bedingungen, also die ökonomischen und sozialen (wie auch die über den Staat vermittelten) Produktions- und Reproduktionsbedingungen, einen immer stärkeren Einfluß auf die territoriale Struktur der gesellschaftlichen Reproduktion. Die kapitalistische Produktionsweise ist demnach durch eine Entwicklung der Produktivkräfte bestimmt, durch die die Produktion immer stärker von ihrer ursprünglichen Basis, der unmittelbaren Natur, losgelöst wird und die Bedingungen der Produktion verlagert werden in den allgemeinen, durch den Tauschwert vermittelten Zusammenhang der gesellschaftlichen Produktion.30 Die Entwicklung der Produktivkräfte macht so die kapitalistische Produktion immer unabhängiger von den lokalen Schranken ,,natürlicher" Standortbedingungen, gleichzeitig unterwirft jedoch die kapitalistische Form der Entwicklung der Produktivkräfte die räumliche Struktur des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses immer stärker den unmittelbaren Verwertungsbedingungen des Kapitals.

3. Zum Problem der ungleichmäßigen Entwicklung der kapitalistischen Produktion

Um diese Auswirkungen der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte auf die Territorialstruktur genauer fassen zu können, müssen wir noch kurz auf diesen Prozeß der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung eingehen.

Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit zur Überwindung von Schranken und Hemmnissen der Produktion erfolgt über die Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion. Auf der Grundlage privatkapitalistischer Eigentumsverhältnisse ist diese Ausdehnung jedoch abhängig von dem Ausmaß des Wachstums der individuellen Kapitale.

Die entscheidenden Formen des Wachstums der individuellen Kapitale als Voraussetzung der kapitalistischen Produktivkraftentwicklung sind die wertmäßige Konzentration und Zentralisation des Kapitals. In der Konzentrationsbewegung des Kapitals vollzieht sich der Wachstumsprozeß der Kapitale aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausgangsgrößen als ungleicher Wachstumsprozeß, aus dem die größeren Kapitale in der Regel mit einem Produktivitätsvorsprung hervorgehen, da sie aufgrund der größeren Kapitalmasse ihren Arbeitsprozeß auf höherer Stufenleiter organisieren und damit die allgemeinen Ursachen der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit wie Kooperation, Teilung der Arbeit usw. in höherem Grade ausnutzen können. In diesem ungleichmäßigen Wachstumsprozeß der einzelnen Kapitale ist die Tendenz angelegt zum Übergang zur Wachstumsform der Zentralisation. Denn bei der Zentralisation vollzieht sich das Größenwachstum der Kapitale nicht allein durch die Verwandlung von Mehrwert in Kapital, sondern die Wachstumsschranke, die sich aus der begrenzten Masse aneigenbaren Mehrwerts ergibt, wird hierbei überwunden durch die Einverleibung bisher selbständiger Kapitale, also durch Expropriation von Kapitalisten durch Kapitalisten. Diese Form des Kapitalwachstums, neben der sich gleichzeitig wiederum neue Kapitale herausbilden, fuhrt, trotz der ständig wirksamen Tendenz zum Ausgleich der Profitraten, zu einer "inneren Strukturdifferenzierung des Gesamtkapitals in große zentralisierte Kapitale auf der einen und andere, alte und neue, nicht zentralisierte Kapitale auf der anderen Seite".31 Diese aus der allgemeinen Tendenz der Kapitalakkumulation resultierende systematische Strukturdifferenzierung des Wachstumsprozesses des Gesamtkapitals ist die wesentliche Ursache für die ungleichmäßigen Entwicklungsprozesse der kapitalistischen Produktionsweise.

Bei dieser kurzen Betrachtung der Produktivkraftentwicklung haben wir uns bis jetzt auf die Wertebene beschränkt; d.h., wir haben uns konzentriert auf das wertmäßige Wachstum der individuellen Kapitale als Voraussetzung und Resultat kapitalistischer Produktivkraftentwicklung. Die Produktivkraftentwicklung selbst vollzieht sich jedoch über die konkret stoffliche Seite des Produktionsprozesses, über den Arbeitsprozeß. Daraus wird deutlich, daß der Vermittlungszusammenhang zwischen der Tendenz zur ungleichmäßigen (wertmäßigen) Entwicklung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und der Herausbildung ungleichmäßiger räumlicher Strukturen nur dann erklärt werden kann, wenn der gesellschaftliche Produktionsprozeß in seiner widersprüchlichen Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozeß analysiert wird.

Da es sich jedoch bei diesem Zusammenhang von wertmäßiger und räumlicher Entwicklung um ein sehr vielschichtiges Problem mit z. T. gegenläufigen Prozessen handelt, beschränke ich mich im folgenden auf die Skizzierung einiger wesentlicher Tendenzen. Die Steigerung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit hat - wie oben bereits dargestellt - die wertmäßige Konzentration und Zentralisation des Kapitals zur Voraussetzung. Die Produktivkraftentwicklung kann sich jedoch nur über den konkreten stofflichen Arbeitsprozeß realisieren, indem durch die systematische Organisation und Umwälzung der Produktion die aus der Kooperation und der Teilung der Arbeit resultierenden Potenzen32 weiterentwickelt und zugleich die ,,Gratispotenzen" der Naturkräfte33 dem Arbeitsprozeß aufhöherer Stufenleiter einverleibt werden. Da dies jedoch nur möglich ist durch die räumliche Konzentration von Arbeitskräften und Produktionsmitteln, führt die Produktivkraftentwicklung auch notwendig zur räumlichen Konzentration der Produktionspotenzen. Die Entwicklung der kooperativen Potenzen der Arbeit erlaubt dabei, "verhältnismäßig zur Stufenleiter der Produktion, (eine) räumliche Verengung des Produktionsgebiets. Diese Beschränkung der Raumsphäre der Arbeit bei gleichzeitiger Ausdehnung ihrer Wirkungssphäre, wodurch eine Masse falscher Kosten (faux frais) erspart werden, entspringt aus der Konglomeration der Arbeiter, dem Zusammenrücken verschiedner Arbeitsprozesse und der Konzentration der Produktionsmittel."34

Die räumliche Konzentration der Produktionspotenzen ist somit nicht nur Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise, sondern wird in potenzierter Weise als Resultat ihrer Produktivkraftentwicklung reproduziert. Dabei ist die Raumdimension im Zusammenhang mit der relativen ,,Verengung der Raumsphäre der Arbeit" selbst ein wesentliches Moment bei der Entfaltung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit.

Arbeitskräfte und Produktionsmittel sind jedoch nicht in gleicher Weise von diesem räumlichen Konzentrationsprozeß betroffen. Da die Produktivkraftentwicklung von einem bestimmten Entwicklungsniveau der kapitalistischen Produktionsweise an vor allem mit dem Ziel erfolgt, durch die Einsparung bezahlter menschlicher Arbeitskraft ("Ökonomie der lebendigen Arbeit") den Verwertungsgrad des Kapitals zu erhöhen, wächst der Größenumfang der Produktionsmittel im Vergleich zur Arbeitskraft wesentlich schneller; dieser Prozeß kann sogar, bei gleichzeitiger Ausdehnung der Stufenleiter der Produktion, zu einer ,,absoluten" Freisetzung und damit zu einem Rückgang der in der materiellen Produktion agglomerierten Arbeitskräfte führen.35

4. Territorialstruktur im Entwicklungsprozeß der kapitalistischen Produktionsweise

Mit den bisher dargestellten räumlichen Entwicklungstendenzen - also der allgemeinen Tendenz, daß sich die kapitalistische Produktion in ihrem Entwicklungsprozeß zunehmend von den unmittelbar vorhandenen "natürlichen" Standortbedingungen emanzipiert und dadurch ihre potentielle Standortmobilität erhöht, und der aus der kapitalistischen Entwicklung der Produktivkräfte resultierenden räumlichen Polarisationstendenzen, die geprägt sind durch die aus der Kapitalakkumulation resultierende "innere Strukturdifferenzierung" des Wachstumsprozesses des Gesamtkapitals - läßt sich noch nicht die spezifische Territorialstruktur der kapitalistischen Produktionsweise mit den darin eingelagerten städtischen Strukturen begründen. Die Territorialstruktur des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses kann nämlich nicht aus der Untersuchung der Produktivkraftentwicklung im unmittelbaren Produktionsprozeß des Kapitals erfaßt werden, sondern dazu muß der durch die gesellschaftliche Teilung der Arbeit zersplitterte und gegeneinander verselbständigte gesellschaftliche Produktions- und Reproduktionsorganismus in seinem Gesamtzusammenhang untersucht werden.

Den analytischen Zugang zu dieser Untersuchung ermöglicht uns - wie oben bereits angedeutet - die Kategorie des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters". Da mit dem Prozeß der Produktivkraftentwicklung immer die Weiterentwicklung der Arbeitsteilung verbunden ist, und zwar innerhalb des Betriebes wie innerhalb der Gesellschaft, führt diese Entwicklung zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters, die teils durch Aussonderung von Arbeitsfunktionen aus dem Zusammenhang vorhandener Produktionsprozesse, teils durch die Herausbildung neuer Arbeitsfunktionen erfolgt.

Die Eingliederung der in dem Ausdifferenzierungsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters formell verselbständigten Teilfunktionen in das räumliche System der territorialen Arbeitsteilung wird, wie wir bereits gesehen haben, bestimmt durch deren unterschiedliche Abhängigkeit von den räumlich vorhandenen naturbedingten Produktivkräften (wie z. B. Rohstoff vorkommen, naturbedingte Verkehrsvoraussetzungen wie Tiefseehäfen, »Belastbarkeit" der Natur usw.) und den mit den unterschiedlichen Standorten verbundenen gesellschaftlich entwickelten Produktivkräften (wie z. B. bereits vorhandener Vergesellschaftungsgrad der Produktion oder Qualifikationsniveau der regional verfügbaren Arbeitskräfte). Dabei ergeben sich jedoch die Standortbestimmungen dieser "Teilfunktionen" des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters nicht allein aus den spezifischen Erfordernissen ihrer isolierten Arbeitsprozesse, sondern aus dem Prozeß der Arbeitsteilung resultiert zugleich auch die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Arbeitsverbindung, d. h. der systematischen Einordnung dieser formal verselbständigten Teilfunktionen in den komplexen, sich gegenseitig bedingenden Gesamtzusammenhang. Die Entwicklung der Produktivkraft ist nämlich nicht nur abhängig von der weiteren Entfaltung der zweiglichen und funktionalen Arbeitsteilung, wie sie sich aus den planmäßigen Umstrukturierungen und Rationalisierungen der unmittelbaren Produktionsprozesse durch die Einzelkapitale ergibt, sondern mit zunehmendem Vergesellschaftungsgrad der Produktion ist die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit immer stärker abhängig von den Möglichkeiten der systematischen räumlichen Kombination der verschiedenen Stufenprozesse der arbeitsteiligen Produktion. Da jedoch durch den über den Weltmarkt vermittelten Konkurrenzdruck zwischen den Einzelkapitalen die gesellschaftliche Arbeitsteilung immer weiter vorangetrieben wird, andererseits aber die gesellschaftliche Arbeitsverbindung, also die systematische Kombination und Koordination der in dem arbeitsteiligen Ausdifferenzierungsprozeß formell verselbständigten Arbeitsfunktionen nur durch den über die Konkurrenz spontan und anarchisch wirkenden Preis- und Profitmechanismus vermittelt wird, verschärft sich der zwischen diesen beiden komplementären Prozessen angelegte Widerspruch mit dem zunehmenden Vergesellschaftungsgrad der Produktion. D.h., die durch den Selbstverwertungstrieb ohne Rücksicht auf die gesamtgesellschaftliche Organisation des Reproduktionsprozesses vorangetriebene zweigliche und funktionale Arbeitsteilung gerät in immer stärkeren Gegensatz zu den Erfordernissen territorialer Funktionszusammenhänge bzw. territorialer Vergesellschaftung36 Die Entwicklung der Territorialstruktur - und damit auch die Entfaltung und Ausprägung dieses Widerspruchs zwischen einzelkapitalistischem Verwertungstrieb und den Erfordernissen territorialer Vergesellschaftung - wird jedoch nicht nur durch die materiellen Produktionsfunktionen des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters bestimmt, auf die wir bisher unsere Untersuchung konzentriert haben. Diese materiellen Produktionsfunktionen bilden zwar die entscheidende Basis37 für die Entwicklung der territorialen Strukturen und dabei insbesondere auch der städtischen Strukturen, sie sind jedoch nur ein Moment im Gesamtkreislauf kapitalistischer Reproduktion. Der Gesamtprozeß, der — wie Marx formulierte — "aus der Totalität der Bewegungen seiner verselbständigten Bruchstücke" besteht, "umschließt ebensowohl die produktive Konsumtion (den unmittelbaren Produktionsprozeß) nebst den Formverwandlungen (stofflich betrachtet, Austauschen), die ihn vermitteln, wie die individuelle Konsumtion mit den sie vermittelnden Formverwandlungen und Austauschen"38. Je fortgeschrittener die Konzentration und Zentralisation des Kapitals und die aus der Entwicklung der Produktivkraft resultierende arbeitsteilige Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters ist, um so komplexer und differenzierter sind die Verschlingungen des Gesamtkreislaufes der kapitalistischen Reproduktion und um so abhängiger werden damit die durch die individuellen Kapitale organisierten unmittelbaren Produktionsfunktionen von der Möglichkeit der räumlichen Kombination und Kooperation mit den formell verselbständigten Zirkulations- und Austauschfunktionen sowie Verwaltungs-, Kommunikations-, Verkehrs- und sonstigen "tertiären" Funktionen. Dabei ist die Existenz z. B. der ,,tertiären" Funktionen an einem Standort wiederum wesentlich abhängig von dem bereits vorhandenen räumlichen Konzentrationsgrad der materiellen Produktion. Denn ein wesentlicher Teil der "tertiären" Funktionen, so vor allem die Funktionen, die sich aus der zunehmenden Verwissenschaftlichung der Produktion ergeben (wie Forschung und Entwicklung), ein großer Teil der Service- und Reparaturfunktionen, aber auch verschiedene kommerzielle, administrative oder juristische Funktionen, bilden sich erst ab einem bestimmten Entwicklungsniveau und räumlichen Konzentrationsgrad der materiellen Produktion als eigenständige Glieder des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters heraus. Wurden derartige Funktionen zunächst vor allem als Unterfunktionen der verschiedenen betrieblichen Gesamtarbeiter im Rahmen der industriellen Produktion organisiert, so bietet die zunehmende räumliche Konzentration der industriellen Produktion die Möglichkeit, diese in verschiedenen Betrieben zersplittert wahrgenommenen Funktionen in eigenständigen Unternehmungen zu zentralisieren und sie damit auf hoher Stufenleiter zu effektivieren und zu ökonomisieren. Haben sich derartige "tertiäre" Funktionen jedoch einmal als eigenständige Bereiche herausgebildet, so wird das unmittelbare Determinationsverhältnis mit der räumlich vorhandenen industriellen Produktion aufgelöst und in ein deutliches Wechselverhältnis transformiert. D. h. die räumliche Konzentration derartiger "tertiärer" Funktionen wird nun selbst zur Voraussetzung für die räumliche Existenz und für die Entwicklungsmöglichkeiten der industriellen Produktion.

Die arbeitsteilige Verbindung und räumliche Kooperation der verselbständigten Teilfunktionen des territorialen Produktions-, Zirkulations- und Dienstleistungszusammenhanges erfordert jedoch auch eine besondere materielle Basis der Zuordnung und Verbindung; d. h., die Herausbildung eines territorialen Funktions- und Vergesellschaftungszusammenhanges ist nur möglich auf der Basis eines komplexen Systems von allgemeinen materiellen Produktionsbedingungen39, das als übergreifende Struktur (bzw. als "verbindende Adern"40) die - aufgrund der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse - von einander isolierten "besonderen" Arbeits- und Verwertungsprozesse miteinander verbindet und somit deren Eingliederung in den "gesellschaftlichen Stoffwechsel" ermöglicht. So bedeutsam nun aber diese allgemeinen materiellen Produktionsbedingungen für den Prozeß der territorialen Vergesellschaftung sind, so darf die Erklärung dieses Prozesses jedoch auf keinen Fall auf diese allgemeinen Produktionsbedingungen (im Sinne von "räumlichen Rahmenbedingungen" des sozialökonomischen Prozesses) reduziert werden. Diese allgemeinen Produktionsbedingungen bilden neben den vielfältigen räumlichen Kooperationsformen der besonderen Kapitale nur ein - wenn auch sehr bedeutsames - Moment der territorialen Vergesellschaftung und damit der Entwicklung des Systems der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Entsprechend der komplementären Entwicklung von räumlicher Konzentration industrieller Produktion und sog. "tertiären" Funktionen zeigt sich auch bei den allgemeinen Produktionsbedingungen ein sich gegenseitig bedingendes und zugleich verstärkendes Wechselverhältnis von allgemeinen und besonderen Produktionsbedingungen im territorialen Vergesellschaftungsprozeß. So setzt einerseits die Erstellung einer allgemeinen Produktionsbedingung bzw. eines Systems derartiger Produktionsbedingungen wegen der damit verbundenen enormen Kapitalfixierung bereits die räumliche Konzentration der Produktion voraus. Denn der aus der hohen Kapitalfixierung und der spezifischen gesellschaftlichen Funktion dieser Produktionsbedingungen resultierende langsame Kapitalumschlag und niedrige Verwertungsgrad machen einen Mindestumfang ihrer Nutzung erforderlich, wie er nur durch einen bereits vorhandenen räumlich konzentrierten Produktionszusammenhang gewährleistet werden kann. Andererseits ist auch die Anwendung moderner Technologie in den besonderen Produktionsprozessen bzw. bei einzelnen Unternehmen - sowohl wegen des damit verbundenen Wachstums des fixen Kapitals als auch des sprunghaft steigenden Rohstoff- und Energieverbrauchs und des wachsenden Gebrauchswertumfangs der Produktion usw. — an das Vorhandensein adäquater allgemeiner Produktionsbedingungen gebunden. Dabei ist es insbesondere das aus der Produktivkraftentwicklung resultierende absolute und relative Wachstum des fixen Kapitals (bei den allgemeinen wie besonderen Produktionsbedingungen), das die räumliche Zusammenballung von Produktionsfunktionen zur Ökonomisierung des fixen Kapitals notwendig macht, wodurch die räumliche Konzentration der Produktion unmittelbar zu einer wesentlichen Bedingung der Kapitalverwertung wird. Die in den verschiedenen Sphären des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses engagierten individuellen Kapitale sind jedoch mit ihrer Verwertung nicht nur abhängig von der Möglichkeit ihrer Eingliederung in einen territorialen Vergesellschaftungszusammenhang, sondern deren Verwertungprozeß ist überhaupt nur möglich, wenn die dazu erforderlichen Arbeitskräfte den quantitativen und qualitativen Anforderungen entsprechend vorhanden sind und die Reproduktion des Arbeitsvermögens dieser Lohnabhängigen in dem territorialen Arbeits- und Lebenszusammenhang gewährleistet werden kann.41 Von besonderer Bedeutung für unsere Problemstellung — die Erklärung territorialer und städtischer Entwicklungsprozesse - sind dabei die "allgemeinen Reproduktionsbedingungen der Arbeitskraft"*2. Denn als Folge der Entwicklung der Produktivkräfte setzen sich im Zusammenhang mit der Vergesellschaftung der Produktion auch im Konsumtionsbereich bzw. im Bereich der Reproduktion der Arbeitskraft Vergesellschaftungstendenzen durch, wodurch die primär über den Lohn vermittelte Reproduktion der Arbeitskraft in immer stärkerem Maße von dem räumlichen Vorhandensein allgemeiner Reproduktionsbedingungen abhängig wird. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die für die territoriale Struktur der kapitalistischen Produktion kennzeichnenden ungleichmäßigen räumlichen Entwicklungstendenzen ihre wesentliche Ursache in der aus dem Akkumulationsprozeß des industriellen Kapitals resultierenden spezifischen Produktivkraftentwicklung haben. Und da ab einem bestimmten Entwicklungsniveau der kapitalistischen Produktionsweise die Verwertung des Kapitals und damit auch seine weiteren Expansionsmöglichkeiten gebunden sind an die weitere Entfaltung der Gesellschaftlichkeit der Produktion, vollzieht sich auch die Durchsetzung dieser Tendenzen vor allem über die Herausbildung räumlicher Vergesellschaftungszusammenhänge von komplexen, interdependenten Produktions-, Zirkulations-, Dienstleistungs- und Konsumtionsfunktionen einschließlich der dazu erforderlichen allgemeinen Produktions- und Reproduktionsbedingungen und Siedlungsstrukturen.43 Derartige komplementäre, räumlich konzentrierte Produktions- und Reproduktionszusammenhänge, die sich als Resultat intensiver Vergesellschaftungstendenzen herausbilden, sind, wie bereits benannt, das wesentliche Merkmal städtischer Strukturen.

5. Kapitalistische Stadtstrukturen

Städtische Strukturen bilden sich demnach in einem widersprüchlichen Prozeß fortschreitender funktionaler Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters und gleichzeitiger territorialer Konzentration und Kombination von zusammengehörigen, jedoch gegeneinander formell verselbständigten Teilfunktionen heraus. Im Gegensatz zu der sehr verbreiteten ideologischen Reduktion "städtischer Probleme" auf die verschiedenen Bereiche des Konsums (Wohnen, Freizeit, Unterhaltung usw.) und die sogenannten "tertiären" Funktionen bilden die städtischen Strukturen eine widersprüchliche Einheit sowohl von Produktions-, Handels- und Dienstleistungsfunktionen als dem Bereich der direkten Kapitalverwertung als auch von individuellen und kollektiven Konsumfunktionen, die den Bereich der Reproduktion der Arbeitskraft bilden. Der städtische Raum ist also Standort und Wirkungsraum ("field of employment") der räumlich kombinierten und kooperierenden Produktions-, Zirkulations- und Dienstleistungsfunktionen: dabei stellt er nicht nur das "geographische Milieu'144 dar, auf dessen naturbedingter Produktivkraftbasis die in diesem städtischen Raum engagierten Kapitale die gesellschaftlichen Produktivkräfte entwickeln, sondern als Wirkungsraum intensiver Vergesellschaftung bildet er selbst ein wesentliches Moment der gesellschaftlichen Produktivkräfte. Der städtische Raum ist aber zugleich auch der soziale Lebensraum der städtischen Bevölkerung und muß deshalb den komplexen und sich verändernden sozialen Bedürfnissen45 dieser Menschen gerecht werden, wobei diese Bedürfnisse ihre objektive Basis in den quantitativen und qualitativen Reproduktionserfordernissen der Arbeitskraft haben.

Durch die funktionalen Anforderungen der privatkapitalistischen Akkumulation an den städtischen Raum als gesellschaftlicher Produktionsbedingung und "Gratisproduktivkraft" einerseits und den Anforderungen der Lohnabhängigen an den städtischen Raum als Lebensraum und Bereich vergesellschafteter Reproduktion der Arbeitskraft andererseits ist der städtische Raum - entsprechend dem antagonistischen Verhältnis von Kapitalverwertung und Reproduktion der Arbeitskraft - sehr widersprüchlich bestimmt. Die aus dieser Doppelfunktion des städtischen Raumes resultierenden Widersprüche können letztlich nur über Klassenauseinandersetzungen und den daraus resultierenden Interventionen des Staates in die städtischen Strukturen ausgetragen werden. Dabei erfolgen derartige Eingriffe des Staates nicht nur in der Form der Stadtplanung, der Infrastruktur- und Wohnungsbaupolitik, sondern auch in der Form der allgemeinen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik. Die Herausbildung und ständige Umstrukturierung städtischer Strukturen vollzieht sich demnach mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte in dem Klassengegensatz von Kapital und Arbeit; allerdings über zum Teil äußerst komplexe Vermittlungszusammenhänge und unter Herausbildung von sehr differenzierten Klassenverhältnissen. Dieser Klassengegensatz äußert sich dabei in den verschiedensten Funktionsbereichen (am Arbeitsplatz, im Wohnbereich, im Gesundheits- und Erziehungsbereich, dem Verkehrswesen usw.) und den verschiedensten Konfliktebenen (auf der Ebene der Verteilung des gesellschaftlichen Wertproduktes, auf der Ebene der Nutzung des städtischen Raumes oder der konfligierenden Inanspruchnahme der sozialen und natürlichen Umwelt). Die für die städtischen Entwicklungsprozesse zentrale Zuspitzung erhält dieser Klassengegensatz jedoch in der privatkapitalistischen Aneignung des vergesellschafteten städtischen Raumes.

Aus diesem privatkapitalistischen Aneignungsprozeß resultieren die zentralen Widersprüche und Konflikte kapitalistischer Verstädterung. Préteceille spricht in diesem Zusammenhang auch von dem "grundlegenden Widerspruch der Verstädterung im Kapitalismus", dem "Widerspruch zwischen der Notwendigkeit einer wachsenden Vergesellschaftung bei der Nutzung von Raum zur erweiterten Reproduktion der Produktivkräfte und der privaten Nutzung dieses Raumes im Kapitalismus, die von den zahlreichen und miteinander konkurrierenden Forderungen nach Verwertung der verschiedenen Kapitalien beherrscht ist."46

Die wesentlichsten Konsequenzen, die sich aus der privatkapitalistischen Aneignung des städtischen Raumes ergeben, sind zum einen die spezifische Form kapitalistischer Segregation, d. h. die anarchische Zerstückelung des gesellschaftlichen Raumes durch die räumliche Trennung der den städtischen Raum konstituierenden ökonomischen und sozialen Funktionen, einschließlich der Arbeits- und Lebensbereiche der durch diese ökonomischen und sozialen Funktionen bestimmten Klassen und Klassenfraktionen; zum anderen die zunehmende Notwendigkeit staatlicher Interventionen in die Reproduktion und Weiterentwicklung städtischer Strukturen, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des gesellschaftlichen Charakters des städtischen Raumes als wesentlichem Moment der Produktivkraftentwicklung und zur Sicherung der vergesellschafteten Reproduktion der Arbeitskraft. Die funktionale und soziale Segregation des städtischen Raumes setzt sich dabei im wesentlichen über den Mechanismus von Grundrente und Bodenpreis als Ausdruck der jeweils rentabelsten privatkapitalistischen Nutzung des städtischen Raumes durch.47 Über diesen Preis- und Profitmechanismus setzt sich sowohl die Tendenz zur Herausbildung von mehr oder weniger monofunktionalen Sektoren (mit entsprechend steigenden Transport- und Kommunikationserfordernissen zwischen den räumlich getrennten Funktionsbereichen) durch, als auch die Tendenz zu einer - der kapitalistischen Klassenstruktur entsprechenden - disparitären Differenzierung des städtischen Lebensraumes. Die Lokalisierung des Lebensraumes der Lohnabhängigen ergibt sich dabei als negatives Resultat eines Verdrängungsprozesses, wie ihn bereits Engels in seiner Studie Zur Wohnungsfrage48 beschrieben hat.

Durch die private Aneignung des städtischen Raumes über kapitalistisches Grundeigentum monopolisieren die verschiedenen Kapitale jedoch nicht nur bestimmte Standorte für ihren Verwertungsprozeß, sondern damit eignen sie sich zugleich die gesellschaftlichen Produktivkräfte an, wie sie mit dem städtischen Raum als "Wirkungsraum intensiver Vergesellschaftung" verbunden sind. Und da diese aus der räumlichen Kooperation und Kombination der Teilfunktionen der städtischen Produktions- und Funktionskomplexe resultierenden gesellschaftlichen Produktivkräfte sich nicht allein über die Akkumulation der einzelnen Kapitale herstellen, sondern dazu immer auch Produktionsbedingungen erforderlich sind, die ganz oder teilweise durch den Staat finanziert werden müssen, wie z. B. ein großer Teil der allgemeinen materiellen Produktionsbedingungen, handelt es sich bei der privatkapitalistischen Aneignung des städtischen Raumes immer auch um eine indirekte Aneignung staatlicher Mittel durch die Kapitale bzw. um eine Privatisierung der Nutzeffekte staatlicher Aufwendungen. Mit der privaten Aneignung und Nutzung des städtischen Raumes ist demnach auch immer die Auseinandersetzung um die Verwendung und den konkreten (räumlichen) Einsatz staatlicher Mittel verbunden.

Das Problem staatlicher Eingriffe in die städtischen Strukturen und der damit verbundene Einsatz staatlicher Mittel stellt sich jedoch noch zugespitzter, wenn der städtische Raum unter dem Aspekt der Notwendigkeit seiner kontinuierlichen Reproduktion und der Anpassung seiner Strukturen an die sich verändernden Erfordernisse gesamtgesellschaftlicher Entwicklungsprozesse betrachtet wird. Denn in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern hat die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte zu einem Vergesellschaftungsgrad der Arbeit geführt, bei dem der wertmäßige und stoffliche Zusammenhang des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses immer weniger über den Preis- und Profitmechanismus vermittelt und weiterentwickelt werden kann. Der Staat kann sich deshalb nicht mehr darauf beschränken, allgemeine institutionelle und materielle Rahmenbedingungen im Sinne von allgemeinen Konkurrenzvoraussetzungen für den naturwüchsigen Vergesellschaftungsprozeß des Kapitals zu schaffen, sondern der Staat muß kontinuierlich und unmittelbar in den Verteilungsprozeß der gesellschaftlichen Arbeit eingreifen.49 In dem städtischen Entwicklungsprozeß stellt sich die Notwendigkeit der unmittelbaren Eingriffe des Staates in den Verteilungsprozeß gesellschaftlicher Arbeit - also z. B. in der Form staatlicher Bereitstellung oder Finanzierung von Produktionsbedingungen — vor allem als Resultat der widersprüchlichen Entwicklung kapitalistischer Arbeitsteilung und den Erfordernissen territorialer bzw. räumlicher Vergesellschaftung. Denn unter dem Druck der Konkurrenz treiben die einzelnen Kapitale die zweigliche und funktionale Arbeitsteilung als Mittel der Profitsteigerung ohne Rücksicht auf die gesamtgesellschaftliche Organisation des Reproduktionsprozesses voran. Durch diese nur am einzelkapitalistischen Verwertungsinteresse orientierte arbeitsteilige Ausdifferenzierung des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters verschärft sich aber nicht nur das Problem der notwendigen Arbeitsverbindung, also der systematischen Einordnung der Teilfunktionen in den komplexen, sich gegenseitig bedingenden Gesamtzusammenhang, sondern in diesem Ausdifferenzierungsprozeß stoßen die Kapitale zugleich all diejenigen Teilfunktionen aus ihrem Verwertungsprozeß ab, die ihnen nicht profitabel erscheinen. Da das einzelkapitalistische Profitkalkül dabei nicht nur über die Frage entscheidet, welche Teilfunktionen vom Kapital übernommen und welche auf den Staat abgewälzt werden, sondern über dieses Profitkalkül auch die Frage der jeweiligen Standortwahl, mit all seinen Folgen für den vergesellschafteten städtischen Raum, entschieden wird, ist der für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Reproduktion erforderliche wertmäßige und stoffliche Zusammenhang städtischer Strukturen nur noch über massive staatliche Eingriffe aufrecht zu halten.50 Wir haben gesehen, daß der städtische Raum sowohl Standort und Wirkungsraum der Kapitalverwertung ist, als auch sozialer Lebensraum der städtischen Bevölkerung und dabei insbesondere Bereich vergesellschafteter Reproduktion der Arbeitskraft. Entsprechend dieser widersprüchlichen Funktionsbestimmung des städtischen Raumes sind auch diese staatlichen Eingriffe in die städtischen Strukturen durch den dabei zugrundeliegenden Gegensatz von Kapital und Arbeit bestimmt. Denn - wie bereits angedeutet - resultieren aus den Widersprüchen der städtischen Umstrukturierungs- und Entwicklungsprozesse nicht nur funktionale Anforderungen der Kapitalverwertung und Kapitalreproduktion an den Staat, sondern auch die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in den Reproduktionsprozeß der Arbeitskraft, insbesondere die Notwendigkeit der Bereitstellung und Organisierung allgemeiner Reproduktionsbedingungen der Arbeitskraft und der Absicherung der Wohnungsversorgung. In welchem Ausmaß und in welcher Form der Staat diesen widersprüchlichen Anforderungen bei der Reproduktion städtischer Strukturen nachkommt bzw. nachkommen kann oder muß, hängt wesentlich ab von den ökonomischen und politischen Kräfteverhältnissen zwischen den Klassen, aber auch von Faktoren wie z. B. der Stellung des Kapitals auf dem Weltmarkt.

Bei den staatlichen Eingriffen in die Reproduktion und Weiterentwicklung städtischer Strukturen handelt es sich also immer um Eingriffe in komplexe Klassenverhältnisse, wobei diese Eingriffe aufgrund des spezifischen Bedingungsverhältnisses von Ökonomie und Politik der bürgerlichen Gesellschaft durch eine strukturelle Selektivität gekennzeichnet sind. D. h., derartige Staatseingriffe sind aufgrund der strukturellen Abhängigkeit staatlicher Politik von der Kontinuität der Kapitalreproduktion zunächst primär darauf ausgerichtet, dem Verwertungs- und Akkumulationsprozeß des Kapitals bzw. der dominanten Kapitalfraktion neuen Bewegungs- und Entwicklungsspielraum zu schaffen, was notwendigerweise auf Kosten anderer Klassen und Klassenfraktionen geht; daß dabei der Hauptdruck auf die Arbeiterklasse wirkt, ergibt sich unmittelbar aus ihrer antagonistischen Stellung zu den Verwertungserfordernissen des Kapitals. Diese strukturelle Selektivität und der ihr zugrundeliegende Klassencharakter staatlicher Interventionen in die städtischen Strukturen ist, wie auch die widersprüchliche Funktionsbestimmung des städtischen Raumes, in den täglichen Erscheinungsformen nicht unmittelbar erkennbar. Dies hat seine Ursache sowohl in den aus den ökonomischen und politischen Formen der kapitalistischen Produktionsweise resultierenden Mystifikationen des bürgerlichen Staates, wodurch staatliche Politik als klassenneutrale Wahrnehmung "gemeinschaftlicher" Interessen erscheint51, als auch in der formellen Verselbständigung und räumlichen Segregierung der städtischen Funktionen und der dadurch bedingten Auflösung der Einheit von Arbeits- und Lebensbedingungen der Lohnabhängigen. In dem ,,gewöhnlichen" Alltagsbewußtsein der Betroffenen - das von dieser segmentierten und atomisierten Erfahrungswelt geprägt ist - ist dadurch der innere Zusammenhang städtischer Entwicklung bzw. städtischer Politik und Planung mit den Klassenverhältnissen der kapitalistischen Gesellschaft zunächst zerrissen und durch vielfältige mystifizierende Erscheinungsformen und Bewegungen verdeckt. In dem widersprüchlichen Prozeß städtischer Entwicklung bildet sich jedoch mit dem zunehmenden Vergesellschaftungsgrad des städtischen Arbeits- und Lebenszusammenhanges zugleich auch die materielle Basis für die bewußtseinsmäßige Erfassung des inneren Zusammenhanges der städtischen Konflikte als Erscheinungen der kapitalistischen Klassengegensätze heraus.

Ein derartiges Bewußtsein entsteht jedoch nur aus den konkreten gesellschaftlichen Erfahrungen in den täglichen Auseinandersetzungen um die städtischen Arbeits- und Lebensbedingungen. Dabei gewinnen neben den zentralen Abwehrkämpfen der Lohnabhängigen in den Betrieben um Löhne und Arbeitsbedingungen die Auseinandersetzungen zur Verteidigung des städtischen Raumes als Bereich vergesellschafteter Reproduktion der Arbeitskraft gegen den zerstörerischen Einfluß des ungehemmten Verwertungstriebes des Kapitals, und dabei vor allem des monopolistischen Finanz- und Handelskapitals und der industriellen Monopole, zunehmend an Bedeutung. Und da der städtische Produktions- und Reproduktionszusammenhang — wie wir gesehen haben — zu einem wesentlichen Teil über staatliche Eingriffe vermittelt ist, schließen derartige Abwehrkämpfe notwendigerweise auch den Kampf um die Beeinflussung und demokratische Kontrolle von Planung und staatlichen Interventionen ein, wobei in diesen Auseinandersetzungen auch die Möglichkeit der Einsicht in den spezifischen Charakter dieser staatlichen Maßnahmen angelegt ist.

Mit dem zunehmenden Vergesellschaftungsgrad des Reproduktionszusammenhanges verstärkt sich jedoch nicht nur die Notwendigkeit von Planung und staatlichen Eingriffen in die städtischen Strukturen, sondern diese Entwicklung führt auch zu einer Ausdehnung monopolistischer Produktionsstrukturen als privatkapitalistische Organisationsformen vergesellschafteter Produktionszusammenhänge. Da in diesem Prozeß kapitalistischer Vergesellschaftung die Monopole ihre wachsende ökonomische Macht einsetzen, um Planungsprozesse und staatliche Politik direkt zu beeinflussen und zu ihren Gunsten zu bestimmen, erhöht sich die Notwendigkeit des Kampfes um die Demokratisierung der Planung.

Die Lohnabhängigen und ihre Organisationen sind deshalb nicht nur gezwungen, ihren Kampf gegen das Kapital zur Verteidigung ihrer Lebensinteressen auch auf außerbetriebliche Lebensbereiche auszudehnen, sondern sie müssen diese Kämpfe zugleich verbinden mit dem Kampf um die demokratische Transformation von Staats- und Planungsapparaten und die Schaffung neuer gesellschaftlicher Organisationsformen der Reproduktion der Arbeitskraft als Teil des umfassenden Kampfes um die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.

Anmerkungen

* Wichtige Anregungen zu den folgenden Ausführungen verdanke ich den Diskussionen in dem "Arbeitskreis arbeitsorientierte Regionalwissenschaft", Dortmund.

(1) Zur Formulierung dieses Problems und ersten Lösungsansätzen vgl. z. B. die Texte französischer Sozialwissenschaftler (insbesondere Castells und Lojkine) in dem von C. G. Pickvance herausgegebenen Reader: Urban Sociology: Critical Essays, London 1976; zum aktuellen Stand der Diskussion dieses Problems vgl. vor allem die laufenden Beiträge in der Zeitschrift International Journal of Urban and Regional Research, London (Edward Arnold).

(2) Siehe u. a. die Diskussionen zu diesem Problembereich in der Zeitschrift arch+ (zumindest bis zu deren "Tendenzwende", formuliert von einem Teil der Redaktion in dem Editorial von arch+ Nr. 27), die Arbeiten des Forschungsprojektes ..Ökonomische und politische Determinanten der Wohnungsversorgung" (veröffentlicht in der edition suhrkamp Nr. 745 und 868), die bis zur politisch begründeten Entlassung der Mitarbeiter dieses Projektes an dem Institut "Wohnen und Umwelt" in Darmstadt durchgeführt wurden, und die Veröffentlichungen des Arbeitskreises "Lokale Politikforschung" (hrsg. v. R.-R. Grauhan, Frankfurt a. M. 1975).

(3) Zur Frage der politischen Einschätzung von sogenannten "Stadtteilkämpfen" vgl. u. a.: M. Castells, Kampf in den Städten, Berlin (West) 1975 (VSA) und insbesondere die Einleitung zu diesem Buch von Helga Fassbinder.

(4) In dem Buch von M. Castells, Die kapitalistische Stadt: Ökonomie und Politik der Stadtentwicklung (Originaltitel: La question urbaine), Hamburg/ Berlin (West) 1977 (VSA), findet sich eine ausführliche Darstellung und Kritik der Ideologien der verschiedenen Stadttheorien (vgl. insb. Abschnitt II: Die Stadtideologie).

(5) In seiner "Typologie der Städte" führt Max Weber aus, daß die "originäre Entstehung" des "mittelalterlichen Stadtverbandes" "das Ergebnis einer politischen Vergesellschaftung der Bürger trotz und gegen die "legitimen (grundherrlichen, D. L.) Gewalten" war (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 749). Dabei wäre allerdings noch zu untersuchen, inwieweit man von der mittelalterlichen Stadt sprechen kann, und wie sie von anderen "Stadttypen" der feudalen Produktionsweise zu unterscheiden ist.

(6) H. Kötter, "Zur Soziologie der Stadt-Land-Beziehungen", in: Handbuch der empirischen Sozialforschung, Hrsg. R. König, Bd. 10, Stuttgart 21977, S. 2 und 24.

(7) L. Wüth, "Urbanism as a Way of Life", in: American Journal of Sociology, Bd.44,1938.

(8) R. Dewy, "Das Stadt-Land-Kontinuum", in: Materialien zur Siedlungssoziologie, Hrsg. P. Atteslander und B. Hamm, Köln 1974 (der Artikel erschien ursprünglich in: American Journal of Sociology, Bd. 66, 1966).

(9) Entfällt.

(10) K. Marx, Das Kapital. Bd. I, MEW 23, S. 373.

(11) So schreibt z. B. A. Evers: "Die Entwicklung der Zentren dominiert die Peripherien, deren deformierte Entwicklung der Unterentwicklung dependent von der der Zentren verläuft. Der Gegensatz von Stadt und Land stellt sich als Herrschaft der Stadt über das Land, der Zentren über die Peripherien dar." A. Evers, "Fragen an eine korrigierte Raumordnungspolitik", in: Stadtbauwelt. 47, Sept. 1975.

(12) Zur kritischen Auseinandersetzung mit der These des " Werttransfers" vgl. u. a. die Arbeiten von K. Busch, Die multinationalen Konzerne: Zur Analyse der Weltmarktbewegung des Kapitals, Frankfurt a. M. 1974, und M. Schoeller, Weltmarkt und Reproduktion des Kapitals, Frankfurt a. M./Köln 1976. Allerdings entwickeln diese Autoren selbst keinen befriedigenden Erklärungsansatz der ungleichmäßigen Entwicklung. Zur kritischen Würdigung der "dependencia"-Theorien vgl. u. a. T. Hurtienne, "Zur Ideologiekritik der lateinamerikanischen Theorien der Unterentwicklung und Abhängigkeit", in: Prokla, 14/15, 1974.

(13) Der Werttransferansatz ist z. B. zurückzufinden bei D. Bellmann, W. Hein u. a., "Provinz als politisches Problem", insbes. Kap. III: Ansätze zu einer Theorie der ,,Provinz": Ungleiche regionale Entwicklung im Kapitalismus, in: Kursbuch, 39, April 1975. Der "dependencia"-Ansatz ist u. a. mehr oder weniger explizit zu finden bei A. Evers, "Fragen an eine korrigierte Raumpolitik", a.a.O.

(14) Dies ist m. E. zugleich auch der zentrale Mangel dieses Erklärungsansatzes, bei dem der Prozeß der ungleichmäßigen Entwicklung nur zwischen verschiedenen nationalen Kapitalen diskutiert wird, wobei das Problem der ungleichmäßigen Entwicklung innerhalb der nationalen Kapitale entweder ausgeblendet oder nur als Rückwirkung der Modifikation des Wertgesetzes, nicht jedoch aus dessen immanenten Entwicklungsgesetzlichkeiten erklärt wird.

(15) Zur immanenten Kritik des Theorems des Werttransfers aufgrund ungleichen Tausches vgl. W. Schoeller, a.a.O. In dieser Kritik - bei der ein Ausgleich der Profitraten auf der Ebene des nationalen Kapitals unterstellt wird - zeigt Schoeller, daß die primären Ursachen der Unterentwicklung nicht in einem Werttransfer, sondern in den Bedingungen der Produktivkraftentwicklung selbst zu suchen sind. Im Mittelalter wurde das "platte Land" tatsächlich durch städtische Handels- und Produktionsmonopole vielfach gezwungen, seine Waren im Austausch mit der Stadt unter ihrem Wert abzugeben, wodurch sich die Städte - oder besser städtisches Geld- und Handelskapital - vor allem auf Kosten des Landes entwickelten. Vgl. K. Marx, Theorien über den Mehrwert, 1. Teil, MEW 26.2, S. 230. Zu den vielfältigen Formen der Herrschaft der mittelalterlichen Städte über das "platte Land" und den damit verbundenen ökonomischen Ausbeutungsformen siehe die Ausführungen von M. Dobb zum "städtischen Kolonialismus", in: Entwicklung des Kapitalismus vom Spätfeudalismus bis zur Gegenwart, Köln/Berlin 21972.

(16) Der "Stadt-Land-Gegensatz" führt demnach auch bei diesen marxistisch orientierten Autoren in dieselbe methodische Sackgasse wie bei den Theoretikern des "Stadt-Land-Kontinuums" der bürgerlichen Soziologie.

(17) Im Zusammenhang mit dem Begriff "ländliche Region" muß noch kurz auf ein weit verbreitetes Mißverständnis hingewiesen werden. Es wird vielfach von vornherein unterstellt, daß diese Regionen durch eine Dominanz landwirtschaftlicher Produktion bestimmt sind. Diese Charakterisierung läßt sich jedoch für hochentwickelte kapitalistische Länder kaum halten. So ergab z. B. eine empirische Untersuchung der regionalen Produktionsstrukturen der Niederlande, die ich mit P. v. Hoogstraten durchgeführt habe, daß der prozentuale Anteil der industriellen Produktion am Bruttoregionalprodukt 1970 bei den "ländlichen" Problemregionen (Groningen 43,85 %, Overijssel 43,02 %, Drente 36,53 %, Friesland 31,41 %) z. T. wesentlich höher, zumindest aber nicht wesentlich niedriger war als bei den am stärksten entwickelten städtischen Regionen (Süd-Holland mit der Agglomeration Rotterdam 38,11 %, Nord-Holland mit der Agglomeration Amsterdam 35,41 % und Utrecht 29,03 %). Außerdem war 1970 der Beitrag (BRP) der städtischen Regionen zur nationalen landwirtschaftlichen Produktion (Süd-Holland 16,85 % und Nordholland 11,58 %) wesentlich höher als der der "ländlichsten" Regionen (Friesland 8,21 % und Drente 5,67 %). (Vgl. D. Läpple/P. v. Hoogstraten, "Opmerkingen over de ruimtelijke structuur van de kapitalistiese ontwikkeling - het voorbeeld van de regionale ontwik-keling in Nederland", in: Zone - Tijdschrift voor ruimtelijke theorie en politiek, Nr. 5, 1977). Dieser empirische Verweis kann hier natürlich nur die Funktion haben, ein sehr verbreitetes Vorurteil zu erschüttern, um zu einer differenzierteren Betrachtungsweise zu kommen, in der vor allem Fragen wie Entwicklungsniveau und Vergesellschaftungsgrad räumlicher Reproduktionszusammenhänge zentral sind.

(18) Z. B. die Integration in Form von Vertragsproduktion für Nahrungsmittelkonzerne mit geliehenem Bankkapital, das das Eigenkapital oft um ein Vielfaches übersteigt, wodurch der Bauer bei formeller Selbständigkeit einer indirekten Proletarisierung unterworfen ist. (Vgl. dazu u. a. J. Kleinsorge und H. Schilling, "Veränderungen in der sozialökonomischen Struktur der Bauernschaft der BRD", in: Soziale Prozesse in der kapitalistischen Landwirtschaft, IPW-Forschungsheft, 1/1974.

(19) Vgl. z. B. den ansonsten sehr interessanten Artikel von A. Evers, "Städtische Strukturen und Staatsinterventionismus", in: arch+, Nr. 20, Dez. 1973.

(20) Die Frage, wie die mikroökonomische oder einzelwirtschaftliche Orientierung der Standorttheorien zu einer makroökonomischen oder gesamtwirtschaftlichen "Raumwirtschaftstheorie" erweitert werden kann, zieht sich durch die ganze wissenschaftliche Diskussion um eine Konzeption einer Theorie der "Wirtschaft im Raum". Denn eine Erklärung der räumlichen Wirtschaftsstrukturen kann nicht von der klassischen Frage der Standorttheorien nach der Standortwahl einzelner Betriebe ausgehen, sondern sie hat die Frage der Bestimmungsmomente der räumlichen Verteilung der Wirtschaft ausgehend von dem gesamtgesellschaftlichen Produktionskörper zu stellen.

Diese Versuche, die Raumdimension systematisch in eine allgemeine Wirtschaftstheorie zu integrieren, bleiben aber entweder dem einzelwirtschaftlichen Kalkül verhaftet (z. B. bei der Standorttheorie von A. Weber) oder die Raumdimension wird bei der Integration in gesamtgesellschaftliche Erklärungsmodelle (unter Vernachlässigung der stofflich-natürlichen Momente) in Preisgrößen aufgelöst (vgl. z. B. die räumliche Gleichgewichtstheorie von Weigmann). Die Raumdimension wird also entweder nur unter einem technisch-betriebswirtschaftlichen Aspekt betrachtet (z. B. dem der Kostenminimierung bei der "Vernichtung des Raumes"), oder sie wird innerhalb einer gesamtgesellschaftlichen Preistheorie auf ein "spezifisches Substitutionsproblem" von Produktionsfaktoren (Predöhl) reduziert.

(21) Ausgehend von einer Kritik der "herkömmlichen "Ein-Punkt-Konzeption gesellschaftlicher Wirklichkeit" in der theoretischen Tradition der Soziologie, betont auch K. H. Tjaden die Notwendigkeit eines theoretischen An satzes, der es ermöglicht, "die räumlichen Erscheinungsformen gesellschaftlicher Entwicklung in ihrem inneren Zusammenhang zu erfassen". (K. H. Tjaden, "Die räumliche Ungleichmäßigkeit gesellschaftlicher Entwicklung als theoretisches Problem"; Arbeitspapier, vorgelegt auf dem 18. Deutschen Soziologentag in Bielefeld 1976.)

(22) Marx entwickelt in seinen Ausführungen über die "Kooperation" und "Manufaktur", wie sich durch die kapitalistische Form der Produktivkraftentwicklung - zunächst auf der Ebene des Betriebes - der "kombinierte Gesamtarbeiter" herausbildet. Der "kombinierte Gesamtarbeiter" ist dabei das Resultat der systematischen Teilung und Spezialisierung der betrieblichen Arbeitsfunktionen zu immer einseitigeren Detailarbeiten, die dann unter dem Kommando des Kapitals zu einem betrieblichen Gesamtmechanismus kombiniert werden. Dieser Prozeß der systematischen Vergesellschaftung der Produktion bleibt jedoch nicht auf die Ebene des Betriebes beschränkt. Mit der Herausbildung der modernen Industrie entwickelt sich im Zusammenhang mit den Konzentrations- und Zentralisationsprozessen des Kapitals die bewußte technische Anwendung der Wissenschaft auf die Produktion, und dies führt zugleich zu einer umfassenden Reorganisation der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, zu einer fortschreitenden "Umwandlung vereinzelter gewohnheitsmäßig betriebener Produktionsprozesse in gesellschaftlich kombinierte und wissenschaftlich disponierte Produktionsprozesse". (Marx, Kapital, Bd. 1, a.a.O., S. 656). Der gesellschaftliche Gesamtarbeiter bekommt also auch zunehmend den Charakter eines "kombinierten Gesamtarbeiters" - allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: aufgrund der privatkapitalistischen Produktionsverhältnisse erfolgt diese Kombination nicht durch bewußte gesellschaftliche Planung, sondern diese Kombination stellt sich als unkontrollierbares Resultat spontaner Marktprozesse her.

(23) Diese Begriffe "extensive" und "intensive" Vergesellschaftung verwende ich in Anlehnung an G. Kohlmey. "Die Entfaltung des gesellschaftlichen Charakters von Arbeit und Produktion" vollzieht sich nach Kohlmey als "ein Prozeß mit zwei Tendenzen, einer extensiven und einer intensiven. Extensiv: Das Ensemble der gesellschaftlichen Produktivkräfte wird immer umfangreicher, immer mehr Menschen und Territorien werden in die gesellschaftliche Arbeit, in die maschinelle Großproduktion, in den (nationalen und internationalen) gesellschaftlichen Gesamtarbeiter einbezogen. Intensiv: Die Strukturen des Systems der Produktivkräfte werden immer komplexer, und die ökonomischen Beziehungen, also das System der Produktionsverhältnisse im gesamten (produktiven und unproduktiven) Reproduktionsprozeß, werden ebenfalls reicher an Strukturen, an Elementen und Verbindungen." (G. Kohlmey, Vergesellschaftung und Integration im Sozialismus, Berlin (DDR) 1973, S. 90)

(24) "Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. ... Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und halbbarbarischen Länder von den zivilisierten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern, den Orient vom Okzident abhängig gemacht." (K. Marx und F. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, S. 466)

(25) Schmidt-Renner faßt diesen Aspekt des notwendigen Raumbezuges jeder gesellschaftlichen Arbeit mit dem Begriff "Standort des Arbeitsprozesses". Dieser Begriff bezeichnet nach Schmidt-Renner "die abstrakt-elementare Form der naturgesetzlichen Ortsgebundenheit jeder Auseinandersetzung der Menschen mit der Natur als ihrem allgemeinsten Arbeitsgegenstand." (G. Schmidt-Renner, Elementare Theorie der Ökonomischen Geographie, Gotha/Leipzig 1966, S. 18)

(26) Marx deutet diese beiden Aspekte des Raumbezugs gesellschaftlicher Arbeit an im Zusammenhang mit seinen Ausführungen über die Erde als allgemeinem Arbeitsmittel: "Das allgemeine Arbeitsmittel dieser Art ist wieder die Erde selbst, denn sie gibt dem Arbeiter den locus standi und seinem Prozeß den Wirkungsraum (field of employmentf" (Marx, Kapital, Bd. I, a.a.O., S. 195; Hervorhebungen D. L.)

(27) "Den gesamten Komplex von Naturgegebenheiten, der die Gesellschaft als »äußere Natur' umgibt, nennt der historische Materialismus das »geographische Milieu'." (Schmidt-Renner, a.a.O., S. 55). Dabei setzt der "Milieu"-Begriff der Natur stets die Anwesenheit von Gesellschaft und die Veränderung der Natur durch den Menschen voraus. "Das geographische Milieu einer bestimmten Gesellschaft ist also je nach dem Entwicklungsstande der Naturaneignung durch jene Gesellschaft stets nur noch mehr oder minder urwüchsig-naturhaft." (Ebd.)

(28) Kapital, Bd. I, a.a.O., S. 341.

(29) Ebd., S. 373. 29aEbd.,S. 374.

(30) Dies bedeutet jedoch nicht, daß damit die Naturbedingtheit der gesellschaftlichen Arbeit tendenziell aufgehoben wird. Im Gegenteil: mit den wachsenden Potenzen der gesellschaftlichen Produktion wächst auch die Abhängigkeit von der Naturgrundlage der Produktion. Diese Abhängigkeit nimmt nur einen immer vermittelteren Charakter an, wie sich dies am Beispiel der Energiegrundlage der Produktion sehr gut aufzeigen läßt. Zur Bedeutung des Naturmoments in der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion siehe die interessanten Ausführungen von K. A. Wittfogel in seiner Artikelreihe: "Geopolitik, Geographischer Materialismus und Marxismus", in: Unter dem Banner des Marxismus, Heft l, S. 17 ff., Heft 4, S. 458 ff. , und Heft 5, S. 698 ff., Jg. III, 1929 (Reprint Erlangen 1970).

(31) J. Huffschmid, "Begründung und Bedeutung des Monopolbegriffs in der marxistischen politischen Ökonomie", in: Zur Theorie des Monopols, Das Argument AS 6, 1974, S. 25.

(32) Zur Steigerung der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit durch Kooperation und Teilung der Arbeit vgl. u. a. Marx, Kapital, Bd. I, a.a.O., S. 348 f. und 386.

(33) Zu den "Gratispotenzen" der Naturkräfte vgl. ebd., S. 407.

(34) Ebd., S. 348.

(35) Dies ist eine der wesentlichen Ursachen für den sich gegenwärtig verstärkt abzeichnenden Beschäftigungsrückgang in der industriellen Produktion, der nicht nur in den unterentwickelten ländlichen Regionen, sondern vor allem in den hochindustrialisierten städtischen Regionen zu einer gravierenden Arbeitslosigkeit führt.

(36) Auf die widersprüchliche Entwicklung zwischen zweiglicher Arbeitsteilung und territorialer Vergesellschaftung verweisen auch Lutz Schröter und Christoph Wurms in einem Arbeitspapier über "Konsequenzen der Infrastrukturentwicklung für die Stadt- und Regionalsoziologie" (Dortmund, Jan. 1975).

(37) Diese Dominanz der materiellen Produktionsfunktionen ergibt sich aus der zentralen Stellung der Produktionssphäre in der kapitalistischen Produktionsweise: "Die Produktion erzeugt nicht nur die Gebrauchsartikel, sondern auch ihren Wert; ihr treibendes Motiv aber ist Gewinnung von Mehrwert, dessen Geburtsstätte die Produktions-, nicht die Zirkulationssphäre." (Kapital, Bd. II, MEW 24, S. 360)

(38) Ebd., S. 352.

(39) Zum Begriff der "allgemeinen materiellen Produktionsbedingungen" sowie deren Bedeutung im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß und den damit verbundenen Staatsfunktionen siehe: D. Läpple, Staat und allgemeine Produktionsbedingungen: Grundlagen zur Kritik der Infrastrukturtheorien, Berlin (West) 1973, und B. Güther, Infrastruktur und Staat: Zur Entwicklung der allgemeinen Produktionsbedingungen in der BRD 1950 - 1975, Marburg 1977.

(40) In den Grundrissen schreibt Marx, daß eine allgemeine Produktionsbedingung, als Produktionsmittel betrachtet, nicht erscheint "als eingeschlossen innerhalb des besondren Produktionsprozesses, sondern als verbindende Ader einer Masse solcher Produktionsprozesse besonderer Kapitalien". (K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) Berlin (DDR) 1953, S. 623)

(41) "Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist... die Arbeiterklasse, auch außerhalb des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebensosehr Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument. Selbst ihre individuelle Konsumtion ist innerhalb gewisser Grenzen nur ein Moment des Reproduktionsprozesses des Kapitals." (Kapital, Bd. I, a.a.O., S. 598 f.)

(42) Der Begriff der "allgemeinen Reproduktionsbedingungen der Arbeitskraft" bzw. der "equipement collectifs" spielt vor allem in der französischen Stadtdiskussion eine zentrale Rolle. Vgl. dazu u. a.: E. Preteceille, Equipements collectifs, structures urbaines et consommation sociale, Paris 1975 (CSU).

(43) Es muß hier angemerkt werden, daß sich die räumlich ungleichmäßigen Entwicklungsprozesse nicht nur als räumliche Konzentration vollziehen, sondern aus der räumlichen Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Reproduktion resultieren auch Dezentralisierungstendenzen. Die räumliche Dezentralisierung von Produktionspotenzen ist aber in der Regel mehr oder weniger direktes Resultat von Konzentrationsprozessen. Sie vollziehen sich entweder als sog. Zweigbetriebsgründungen (wobei die funktionale Verbindung mit vor- und nachgelagerten Produktionsphasen und nichtmateriellen Arbeitsfunktionen innerhalb der Konzernstrukturen erfolgt) oder als sog. "filtering down", d. h. als selektive Verdrängung von ökonomisch schwachen Betrieben oder auch ganzen Betriebszweigen im Rahmen der Konkurrenz um räumlich begrenzte oder knappe Produktionsbedingungen wie "billige" Arbeitskräfte, gewerblich nutzbaren Boden, "belastbare" natürliche Ressourcen usw.

(44) Vgl. Fn. 27.

(45) Eine sehr interessante Diskussion zum Problem der "sozialen Bedürfnisse" und der Erarbeitung eines materialistischen Bedürfnisbegriffes wird in Frankreich geführt. Vgl. dazu u. a.: La Pensee: Revue du rationalisme moderne, Nr. 180, April 1975 ("Besoins et consommation" mit Beiträgen von P.-H. Chombart de Lauwe, F., Godard, P. Grevet, S. Magri, J.-L. Moynot, E. Prete-ceille und J.-P. Terrail),und M. Decaillot, E. Preteceille, J.-P. Terrail, Besoins et mode de production, Paris 1977 (Editions sociales).

(46) E. Préteceille, "Planification urbaine: les contradictions de l'urbanisation capitaliste", in: Economie et Politique, Nr. 236, Paris, März 1974, S. 106 (dt. Übersetzung dieses Artikels ist erschienen in: Marxismus Digest, Nr. 26 ("Städtebau und Städteplanung im Kapitalismus"), Frankfurt a. M. April/ Juni 1976).

(47) Als zusammenfassende Darstellung zum Problem der städtischen Grundrente und Bodenpreise vgl.: Brede/Dietrich/Kohaupt, Politische Ökonomie des Bö-dens und Wohnungsfrage, Frankfurt a. M. 1976.

(48) F. Engels, Zur Wohnungsfrage, in: MEW 18, S. 209-287, insbes. S. 215; als neuere empirische Studie zu diesem Problem vgl. u. a.: Freyssenet/Regazzo-la/Retel, Segregation spatiale et deplacement sociaux, Paris 1971 (CSU).

(49) Vgl. dazu: D. Läpple, "Kapitalistische Vergesellschaftungstendenzen und Staatsinterventionismus", in: Handbuch 5 - Staat, Hrsg. V. Brandes u. a., Frankfurt a. M./Köln 1977 (EVA), S. 215-236.

(50) Zum Verhältnis von städtischer Entwicklung und Staatsinterventionismus vgl. die sehr interessante Arbeit von J. Lojkine, Le marxisme, l'etat et la question urbaine, Paris 1977. Lojkine behandelt in dieser Arbeit auch das Verhältnis von zentraler und städtischer Politik, also das Problem der vertikalen Differenzierung staatlicher Politik, auf das ich im Rahmen dieses Artikels nicht eingehen kann. Vgl. zu dem letzteren Problem auch: A. Evers, "Staatlicher Zentralismus und Dezentralisierung", in: Handbuch 5 - Staat, a.a.O.

(51) Vgl. dazu u. a.: D. Läpple, "Zum Legitimationsproblem politischer Herrschaft in der kapitalistischen Gesellschaft", in: Bürgerlicher Staat und politische Legitimation, Hrsg. R. Ebbighausen, Frankfurt a. M. 1976 (Suhrkamp).

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