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ak - analyse & kritik, Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 426 / 14.05.1999

Friedensengel im Braunhemd

Die extreme Rechte und der Krieg gegen Jugoslawien

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Die überwiegende Mehrheit der extremen Rechten in Deutschland lehnt die Beteiligung der Bundeswehr am Angriff auf Jugoslawien ab. Dies allerdings aus vielfältigen und zum Teil sogar gegensätzlichen Motiven. Sympathie für Milosevic oder Serbien ist dabei eine zu vernachlässigende Erscheinung.

"Auf die Bild-Zeitung wäre auch ein Joseph Goebbels stolz gewesen", so ein Kommentar von Peter Lattas in der braun-schwarzen Wochenzeitung Junge Freiheit (16/99). "Selten wurden in Deutschland schamloser die Herumgestoßenen der Weltpolitik zu Propagandazwecken mißbraucht. Ob 'Kleine Albenite', die von den Springer-Agitatoren herausgepickte blonde Kriegswaise, oder die namenlosen Flüchtlingskolonnen, die aus dem Kosovo allabendlich durch die Fernsehnachrichten ziehen: Sie alle dienen der moralischen Aufrüstung der Heimatfront." Nur: Die immer wieder gezeigten "namenlosen Flüchtlingskolonnen" bewirken allmählich eine gewisse Abstumpfung; zur "moralischen Aufrüstung der Heimatfront" bedarf es inzwischen zusätzlicher Mittel.

Der "Extremismusexperte" Rainer Fromm, Intimus etlicher Neonazis und der Verfassungsschutzämter, hat sich daher für das ZDF-Magazin Frontal etwas Besonderes einfallen lassen. Er nutzte die Verurteilung des NATO-Krieges gegen Jugoslawien durch die extreme Rechte, um eine spezielle Spielart der Totalitarismustheorie zu konstruieren. Gestützt auf wenige Aussagen von Randfiguren der Neonazi-Szene wurde Milosevic zum "neuen Helden" der extremen Rechten aufgebaut. Gregor Gysi wiederum sei der einzige Politiker, der "Sympathie" für Milosevic gezeigt habe. Umgehend machte Fromm daraus ein "rot-braunes Bündnis". Mission completed: Die Kriegsgegner sind Extremisten und Verfassungsfeinde.

Richtig an Fromms Reportage war nur eines: Die Mehrheit der Rechtsextremen und der Politiker aus jener Grauzone bis hin zum Konservativismus lehnt den Einsatz deutscher Truppen gegen Jugoslawien ab. Sympathie für Milosevic oder Serbien ist dabei aber eine zu vernachlässigende Komponente.

Deutliche Worte kamen von der NPD, die immer stärker versucht, sich als revolutionäre, systemoppositionelle Partei zu profilieren. In einer Presseerklärung, in der Parolen und Aktionsformen der früheren Friedensbewegung aufgegriffen werden, heißt es: "Kein deutsches Blut für fremde Interessen - Schluß mit der imperialistischen NATO-Intervention auf dem Balkan! Aus aktuellem Anlaß fordert die NPD alle Soldaten und Beamten auf, ihrem Amtseid auf das Grundgesetz treu zu bleiben und den Dienst für den Angriffskrieg in Jugoslawien zu verweigern!" Zur angekündigten Verbrennung einer Fahne der USA bei der letztlich verbotenen Demonstration in Bremen am 1. Mai erklärte der Parteivorsitzende Udo Voigt, selbst ehemaliger Hauptmann der Bundeswehr: "Ich werde es mir nicht nehmen lassen, höchstpersönlich die Flagge der kriegsverbrecherischen One-World-Strategen in Flammen zu setzen, die Europa zusammen mit ihren europäischen Erfüllungsgehilfen in einen blutigen Bürgerkrieg treiben wollen und auch nicht vor dem Unglück eines mit atomarer Gewalt geführten Dritten Weltkrieges zurückschrecken."

Für das Nationale Info-Telefon (NIT) Hamburg unter Leitung des ehemaligen FAP-Kaders André Goertz, das "im Namen zahlreicher nationaler Gruppen" gegen den Krieg protestiert, ist die albanische UCK "eine bewaffnete Separatistenorganisation, die versucht, Staatsgebiete Jugoslawiens abzutrennen und unter eigene Verwaltung zu stellen. Die dabei verwendeten Waffen stammen aus dem Westen." Beim Kampf der UCK handele es sich um "praktizierten Hochverrat", gegen den die serbische Führung "mit den notwendigen Mitteln" vorgehe. Bei dieser Fraktion der extremen Rechten steht das Recht auf staatliche Integrität im Vordergrund der Agitation, wobei der Hinweis nicht fehlen darf, "daß multikulturelle Gesellschaften nicht funktionieren".

Vor allem aber sorgt man sich beim NIT um die Konsequenzen des Vorgehens auf dem Balkan. Ein aus der multikulturellen Gesellschaft resultierendes Schreckensszenario wird entworfen: "Erinnern wir uns an das deutsche Schicksal: Auch unser Land wurde besetzt, politisch entmündigt, das Volk umerzogen, die Kultur zerstört. Heute preist man die Besatzer als angebliche Befreier. Was ist, wenn morgen die eingewanderten Türken in Berlin-Kreuzberg ein autonomes Gebiet ausrufen und mit Waffengewalt vollendete Tatsachen schaffen wollen? Sollen wir dann auch UN-Truppen und andere fremde Heere als ,friedenssichernde Maßnahme` zulassen?" Die lapidare Schlußfolgerung des NIT: "Bewaffnete Albaner raus aus dem Kosovo!" (alle Zitate aus NIT Hamburg, 23.3.1999)

Einig ist man sich in diesen Kreisen über die Verurteilung des US-Imperialismus, strittig dagegen ist die Frage, ob die UCK als "nationale Befreiungsbewegung" angesehen werden müsse und deshalb als antiimperialistische Kraft ebenfalls Unterstützung verdiene. Die Vertreter des "Rechtes auf staatliche Integrität" und die des "Rechtes auf Sezession" halten sich dabei bisher noch die Waage.

Schatten der Vergangenheit

Ein Grundmuster bei der Ablehnung des Krieges durch die extreme Rechte sind historische Erwägungen. So stellte die Vertreterversammlung der REPs zur Aufstellung der Liste für die Europawahlen fest, daß die deutsche Beteiligung am "Angriffskrieg gegen Serbien" sowohl dem Völkerrecht als auch dem Grundgesetz widerspreche. Anschließend wurde aber auch betont, daß "die von der serbischen Führung zu verantwortenden Verbrechen" nicht entschuldbar seien. Allerdings stelle man sich mit dem Angriff "auf dasselbe moralische Niveau" und produziere nur "neue Flüchtlingsströme".

Diese Argumentation könnte aus der Friedensbewegung stammen. Der entscheidende Unterschied offenbart sich jedoch im letzten Absatz, in dem betont wird, daß die REPs Auslandseinsätze deutscher Soldaten verurteilen, "solange die Generation der Wehrmachtsangehörigen pauschal als Kriegsverbrecher und die Deutsche Wehrmacht als Verbrecherorganisation im In- und Ausland diffamiert werden." Wenn "Soldaten in Deutschland als potentielle Mörder denunziert werden können, dürfen sich deutsche Soldaten nicht an Kriegshandlungen im Ausland beteiligen." (DESG-inform 2-4/99)

Martin Schmidt, ehemaliger Redakteur der Jungen Freiheit und jetzt beim Ostpreußenblatt, hält es zwar für schwer, ein Urteil "über Sinn und Unsinn der Militärintervention" im bisherigen "Kunststaat aller Südslawen" zu fällen, nutzt aber die Gelegenheit, um an den "Massenmord an zehntausenden Donauschwaben" nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu erinnern. (Ostpreußenblatt 14/99) Das Organ der Landsmannschaft Ostpreußen betont immer wieder die historische Kontinuität der heutigen serbischen Politik. So gibt Hans-Joachim von Leesen den Angriff Hitlers auf Jugoslawien sogar als Befreiung aus: "Die Serben betrachteten sich von Anfang an als das beherrschende Element und hielten notfalls mit Gewalt Kroaten, Bosnier, Slowenen, Albaner nieder. Erst der Zweite Weltkrieg führte nach der jugoslawischen Niederlage zur Auflösung des Zwangsstaates." (Ostpreußenblatt 13/99)

Eine ähnliche Argumentationslinie vertritt die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, die auch Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist. Zwar befürwortet sie, wie die Mehrheit ihres Verbandes, den NATO-Angriff und demonstriert damit, daß die Revanchistenverbände inzwischen weitgehend auf die Linie der Unionsparteien gebracht worden sind. Doch dann kommt sie schnell auf den Punkt: "Was jetzt an der albanischen Zivilbevölkerung praktiziert werde, stehe in schrecklicher Kontinuität zur brutalen Vernichtung der Deutschen in diesem Raum. Die Donauschwaben seien nach dem Weltkrieg ebenfalls von den Serben in Todeslager verschleppt worden", wird sie im Ostpreußenblatt zitiert.

Drastischer als die Unionspolitikerin äußert sich die Nationalzeitung von Gerhard Frey. Bei aller Ablehnung "des heutigen menschenverachtetenden mörderischen Angriffskrieges" unterbleibt auch dort nicht der Hinweis: "Die Greueltaten der Tito-Banden an Hunderttausenden Deutschen, Kroaten, Slowenen, Ungarn, antikommunistischen Serben und Angehörigen vieler weiterer Völker wurden ignoriert oder gar verherrlicht und der deutschen Seite selbst die primitivsten Fälschungen an Kriegsverbrechen unterstellt." (Nationalzeitung 15/99)

Brücken zur etablierten Rechten

Wilfried Böhm, früher ebenfalls CDU-MdB und führend in der Deutschlandstiftung, versucht den Dissens in der Frage der Kriegsbefürwortung ideologisch zu kitten. Für ihn stellt das Vorgehen der NATO eine Widerstandshandlung dar, die allerdings "zu spät" erfolgt sei. Wurden bereits in der Vergangenheit die Versailler Verträge durch weite Teile der Rechten für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verantwortlich gemacht, so sieht Böhm in ihnen sogar die Ursache für das aktuelle Kriegsgeschehen: "Das Unheil der Pariser Vorortverträge am Ende des Ersten Weltkrieges markierte mit seiner arroganten Mißachtung der realen ethnischen Strukturen bei der Neuordnung weiter Teile des Kontinents und insbesondere des Balkans die Blutspur in die Zukunft Europas." Die "Europa gemäßen Ordnungsprinzipien", so Böhm, seien "überschaubare Nationalstaaten", der "zwanghafte Zug zur multikulturellen Gesellschaft" schaffe das Chaos.

Stärker von Zweifeln geplagt ist der stellvertretende Vorsitzende der Deutschlandstiftung, Heinz Klaus Mertes, der sich für die deutschen Soldaten wünscht, "bei weniger zweifelhafter Gelegenheit die Bündnistreue auch im militärischen Einsatz beweisen zu können". Denn er kommt - weit entfernt von pazifistischen Anwandlungen - zu der Diagnose: "Deutschland hat im Kosovo-Krieg nichts zu gewinnen, aber viel zu verlieren." Doch da müsse man nun durch. Jahrzehntelang habe man ein "teilstaatliches Nischendasein" geführt, doch seit der Wiedervereinigung schöben sich "unabwendbar die Themen der Außenpolitik in den Vordergrund". (Deutschlandmagazin 4/99) So sieht es auch Elimar Schubbe, Chefredakteur des Ostpreußenblatts: Die Bundesrepublik Deutschland sei nun einmal inzwischen "eine souveräne europäische Großmacht, ob sie es will oder nicht", und könne sich nicht mehr der "gesamteuropäischen Verantwortung" entziehen.

Der offiziellen Propaganda, es gehe ausschließlich um die Wahrung und Erhaltung der Menschenrechte, mag auf der extremen Rechten niemand glauben. "Müßten nicht ansonsten die verbündeten NATO-Staaten auch an vielen anderen Schauplätzen von Menschenrechtsverletzungen ungeheuren Ausmaßes zu den Fliegerbomben greifen und diese zum Schutze der Menschen einsetzen?", fragt die österreichische Aula (4/99) und ergänzt: "Wir denken etwa an Tibet oder - noch naheliegender - an Kurdistan. Verliert die NATO nicht gerade durch ihre jetzige Kriegspolitik am Balkan ihre Glaubwürdigkeit?"

Folgt man der extremen Rechten, so ist Deutschland quasi aus Vasallentreue in den Krieg hineingeschlittert, und folglich muß es dazu verführt sein. Wie so oft bieten sich die USA als Allzweckschuldige an. Washington habe, so die Nationalzeitung (15/99), "aus imperialen Absichten kaum je einen Hehl gemacht". Sein globaler Machtanspruch sei aber stets "von einer massiven Propaganda begleitet (worden), die die militärischen Unternehmungen als edelmütig, ja sogar uneigennützig erscheinen ließ".

Hinter diesem scheinbaren Edelmut entdecken die Rechten jedoch handfeste Interessen: "Die USA sind vorrangig daran interessiert", sekundiert die Junge Freiheit (14/99), "auf dem Balkan eine spannungsgeladene und damit eine von außen manipulierbare Bruchzone zu erhalten." Der Krieg gegen Jugoslawien, so die Schlußfolgerung, sei letztendlich ein Krieg gegen ganz Europa. Geostrategisches Hauptziel der USA sei "der Zugriff auf die Energievorräte nicht nur im Nahen Osten", sondern auch auf die vermuteten Vorkommen im Kaspischen Becken und in den neuen Staaten Zentralasiens. Der "neu"rechte Alt-Achtundsechziger Günter Maschke geht noch weiter. Er kommt zu dem Schluß, es gehe "einfach um die Beherrschung und Kontrolle Europas durch die Vereinigten Staaten von Amerika".

"Wenn schon Krieg, dann Sieg"

Die extreme Rechte ist sich weitgehend einig, wenn sie diesen Krieg insgesamt ebenso ablehnt wie die deutsche Beteiligung daran und die angebliche Vormachtstellung der USA bei der Planung und Durchführung des Angriffs. Trotzdem werden kaum strategische Überlegungen angestellt, wie der Krieg beendet werden könnte. Einzelne Strafanzeigen gegen die Bundesregierung wegen Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges - sie wurden ausnahmslos durch den Generalbundesanwalt abwiesen - müssen wohl unter der Rubrik "Propagandamaßnahmen" abgeheftet werden.

Eine Minderheit vertritt allerdings das Prinzip "Augen zu und durch". Der hemmungslose Opportunist Dieter Stein kommt nur wenige Wochen nach seiner Verurteilung des Krieges zu der Ansicht: "Nun ist es das Pragmatischste und realpolitisch Sinnvollste, den begonnenen Krieg gegen Serbien zügig zu Ende zu bringen. (...) Ein sang- und klangloser Rückzug ohne Beseitigung der Folgen ist nicht mehr drin." Gegenüber den Ländern des Balkans dürfe man nicht wie eine Kolonialmacht auftreten, ein weiterer Gesichtsverlust Serbiens sei zu vermeiden. Damit ist Steins frühere Zielsetzung "Ein militärisch gesichertes Protektorat Kosovo - ohne Beteiligung deutscher Soldaten!" obsolet geworden.

Auf einsamem Posten steht Manfred Rouhs, Herausgeber der Zeitschrift Signal, wenn er die Ansicht vertritt, es sei "zu spät für einen Rückzieher". Auf der Homepage seines Blattes resümiert er: "Man kann nicht ein bißchen Krieg führen. Wenn denn schon Krieg sein muß, dann bitte mit kampfstarken deutschen Verbänden, die als Sieger heimkehren." Dieser "Sieg" ist zwar Zukunftsmusik, der Krieg hat für Rouhs aber bereits jetzt einen positiven Effekt: "Er beschleunigt die Abkehr Rußlands von der westlichen Wertegemeinschaft. (...) Das wird die russische Nation den Amerikanern nicht so schnell vergessen. Und der Krieg stärkt das Selbstbewußtsein der Deutschen." (NIT Hamburg, 27.3.99)

Hier trifft sich Rouhs allerdings mit der NPD, die nicht nur den Austritt aus der NATO, sondern vor allem die Schaffung einer "Achse Paris-Berlin-Moskau" fordert. (PHI, 23.3.99) Hier trifft er sich auch mit den Ideologen der "Neuen" Rechten, die ebenfalls - getreu Carl Schmitt - ein Interventionsverbot für "raumfremde Mächte" (sprich USA) fordern. Sie befürworten eine Regelung durch die Staaten der Region selbst, die dabei von Rußland und Deutschland unterstützt werden sollen. Was dessen Rolle anbelangt, ist man allerdings skeptisch: "Wenn Deutschland versagt und mit seiner dekadenten Politik fortfährt, sollte Österreich als ein kleines weitsichtiges Land es ersetzen." (DESG-inform 2-4/99)

Die USA und Großbritannien werden in der zitierten Erklärung der "neu"-rechten Synergies Européennes schlicht zu "Schurkenländern". Um die Bedeutung der USA zu verringern, sei es nötig, dessen regionalen Hauptverbündeten, die Türkei, mit allen Mitteln zurückzudrängen. Die Eliminierung der USA aus der europäischen Politik bedinge ein "Denken in Kontinenten": "Die eurasische Option ist aktueller denn je." Bei dieser Friedenspropaganda geht es um Weltmachtpolitik. Der Friedensengel hat ein Braunhemd an.

Jean Cremet

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