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ANTIFASCHISTISCHE NACHRICHTEN  8/99 15.4.1999
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Die Entdeckung des Volkes als Souverän
von Jean Cremet

05/99
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Nach der sogenannten "Frankfurter Initiative", einem faktischen Bündnis aus Bund Freier Bürger und einer örtlichen rechten Frankfurter Bürgerinitiative, und der CDU/CSU hat jetzt auch das Friedenskomitee 2000 des Bundeswehr-Obersten a.D. Alfred Mechtersheimer das Volk als Souverän entdeckt. Natürlich nur, weil Mechtersheimer & Co. davon ausgehen, bei der Befragung des Volkes in diesem Fall eine Mehrheit hinter sich zu haben. Natürlich kann es angesichts der gegenwärtigen Debatte nur um die doppelte Staatsbürgerschaft gehen. Seit Anfang 1999 wird deshalb eine eigenständige Unterschriftensammlung gegen die Erleichterung der Einbürgerung durchgeführt. Im Text heißt es: "Die Deutschen müssen über die geplante Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts mit den weitreichenden Folgen in einer Abstimmung entscheiden können. Verantwortliches Prinzip europäischer Politik muß es sein, die nationale Integrität der Völker in ihrem natürlichen Siedlungsgebiet zu fördern. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist abzulehnen, das Asylgesetz zu reformieren und die Leistungen für Asylbewerber auf Unterkunft und Verpflegung sind zu reduzieren."

Mechtersheimer nutzt also die Gunst der Stunde, genauer: die erfolgreiche Kampagne der Unionsparteien, um weitergehende Positionen (wieder) in die Debatte einzubringen. Mit "Reformierung" des Asylgesetzes ist hier selbstverständlich dessen noch weitergehende Aushöhlung gemeint. Mißverständliche Formulierungen scheinen bewußt einkalkuliert worden zu sein. Was heißt, daß "die Leistungen für Asylbewerber auf Unterkunft und Verpflegung... zu reduzieren" sind? Heißt es, daß die Leistungen sich auf diese beiden Ausgabenposten zu beschränken haben? Heißt es, daß die Aufwendungen für diese Leistungsarten weiter reduziert werden sollen? Beide Interpretationen sind möglich. Vollends mysteriös aber wird es, wenn Mechtersheimer vom "natürlichen Siedlungsgebiet" der Völker spricht. Was meint er? Die Zeit vor oder die nach der Völkerwanderung?

Franz Schönhuber dagegen nutzt den Erfolg der Union durch die Unterschriftenkampagne und in der Folge bei der hessischen Landtagswahl, um der Führung seiner ehemaligen Partei zum wiederholten Male die Leviten zu lesen. In seiner Logik nicht unberechtigt, wirft er der REP-Vorstandsriege vor, schon wieder einmal eine günstige Gelegenheit versäumt zu haben. Bereits als die ersten Gerüchte über eine mögliche Unterschriftenkampagne aufgetaucht seien, so Schönhuber, hätten sich die REPs an die Spitze der Bewegung setzen und eine eigenständige Initiative gegen die doppelte Staatsbürgerschaft starten müssen. Das jetzige Gegreine der REPs, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen sei, sei zwecklos. Es nütze gar nichts, der CDU vorzuwerfen, daß diese unberechtigt in rechten Gewässern gefischt habe. Die REPs selbst seien in diesem Fall lediglich die Kopie der Kopie gewesen. Ihre Rolle als Original hätten sie längst verloren.

Wie fast stets hat der "Alte vom Berge" Schönhuber in seinen Ausführungen mit seiner Gehässigkeit ein Körnchen Wahrheit. Tatsächlich schafft die extreme Rechte es gegenwärtig nicht, Themenfelder vorzugeben oder gar zu bestimmen. Der Rassismus wird auch ohne sie weiter vorangetrieben, der Nationalismus ebenfalls. Schönhubers Schlußfolgerung aus diesem Dilemma: "Auch bisher als unantastbar geltende Glaubenssätze der Rechten müssen auf den Prüfstand." Als Beispiel dafür nennt er die Notwendigkeit einer "Neubewertung des Soldatentums". Die "klassischen soldatischen Eigenschaften" seien im Zeitalter der umfassenden Technisierung ohnehin obsolet geworden. In der Aufgabe des Pazifismus durch dessen frühere Hauptträger in der Alternativ- und Ökologiebewegung - am sichtbarsten bei den Grünen - sieht er eine Chance zur Besetzung dieses Themenfeldes. Leider könnte er recht haben. Und wenn erst die ersten Zinksärge aus dem Kosovo zurückkehren und die Zahl der gefallenen Bundeswehrsoldaten steigt, dann könnte es durchaus sein, daß dann die extreme Rechte damit auch die für sie notwendigen Prozente erreicht. Dann wird man sich erneut auf das Volk als Souverän berufen.

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