Nach der sogenannten "Frankfurter Initiative",
einem faktischen Bündnis aus Bund Freier Bürger und einer örtlichen rechten Frankfurter
Bürgerinitiative, und der CDU/CSU hat jetzt auch das Friedenskomitee 2000 des
Bundeswehr-Obersten a.D. Alfred Mechtersheimer das Volk als Souverän entdeckt. Natürlich
nur, weil Mechtersheimer & Co. davon ausgehen, bei der Befragung des Volkes in diesem
Fall eine Mehrheit hinter sich zu haben. Natürlich kann es angesichts der gegenwärtigen
Debatte nur um die doppelte Staatsbürgerschaft gehen. Seit Anfang 1999 wird deshalb eine
eigenständige Unterschriftensammlung gegen die Erleichterung der Einbürgerung
durchgeführt. Im Text heißt es: "Die Deutschen müssen über die geplante Änderung
des Staatsbürgerschaftsrechts mit den weitreichenden Folgen in einer Abstimmung
entscheiden können. Verantwortliches Prinzip europäischer Politik muß es sein, die
nationale Integrität der Völker in ihrem natürlichen Siedlungsgebiet zu fördern. Die
doppelte Staatsbürgerschaft ist abzulehnen, das Asylgesetz zu reformieren und die
Leistungen für Asylbewerber auf Unterkunft und Verpflegung sind zu reduzieren." Mechtersheimer nutzt also die Gunst der Stunde, genauer: die erfolgreiche
Kampagne der Unionsparteien, um weitergehende Positionen (wieder) in die Debatte
einzubringen. Mit "Reformierung" des Asylgesetzes ist hier selbstverständlich
dessen noch weitergehende Aushöhlung gemeint. Mißverständliche Formulierungen scheinen
bewußt einkalkuliert worden zu sein. Was heißt, daß "die Leistungen für
Asylbewerber auf Unterkunft und Verpflegung... zu reduzieren" sind? Heißt es, daß
die Leistungen sich auf diese beiden Ausgabenposten zu beschränken haben? Heißt es, daß
die Aufwendungen für diese Leistungsarten weiter reduziert werden sollen? Beide
Interpretationen sind möglich. Vollends mysteriös aber wird es, wenn Mechtersheimer vom
"natürlichen Siedlungsgebiet" der Völker spricht. Was meint er? Die Zeit vor
oder die nach der Völkerwanderung?
Franz Schönhuber dagegen nutzt den Erfolg der Union durch
die Unterschriftenkampagne und in der Folge bei der hessischen Landtagswahl, um der
Führung seiner ehemaligen Partei zum wiederholten Male die Leviten zu lesen. In seiner
Logik nicht unberechtigt, wirft er der REP-Vorstandsriege vor, schon wieder einmal eine
günstige Gelegenheit versäumt zu haben. Bereits als die ersten Gerüchte über eine
mögliche Unterschriftenkampagne aufgetaucht seien, so Schönhuber, hätten sich die REPs
an die Spitze der Bewegung setzen und eine eigenständige Initiative gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft starten müssen. Das jetzige Gegreine der REPs, nachdem das Kind in
den Brunnen gefallen sei, sei zwecklos. Es nütze gar nichts, der CDU vorzuwerfen, daß
diese unberechtigt in rechten Gewässern gefischt habe. Die REPs selbst seien in diesem
Fall lediglich die Kopie der Kopie gewesen. Ihre Rolle als Original hätten sie längst
verloren.
Wie fast stets hat der "Alte vom Berge" Schönhuber
in seinen Ausführungen mit seiner Gehässigkeit ein Körnchen Wahrheit. Tatsächlich
schafft die extreme Rechte es gegenwärtig nicht, Themenfelder vorzugeben oder gar zu
bestimmen. Der Rassismus wird auch ohne sie weiter vorangetrieben, der Nationalismus
ebenfalls. Schönhubers Schlußfolgerung aus diesem Dilemma: "Auch bisher als
unantastbar geltende Glaubenssätze der Rechten müssen auf den Prüfstand." Als
Beispiel dafür nennt er die Notwendigkeit einer "Neubewertung des
Soldatentums". Die "klassischen soldatischen Eigenschaften" seien im
Zeitalter der umfassenden Technisierung ohnehin obsolet geworden. In der Aufgabe des
Pazifismus durch dessen frühere Hauptträger in der Alternativ- und Ökologiebewegung -
am sichtbarsten bei den Grünen - sieht er eine Chance zur Besetzung dieses Themenfeldes.
Leider könnte er recht haben. Und wenn erst die ersten Zinksärge aus dem Kosovo
zurückkehren und die Zahl der gefallenen Bundeswehrsoldaten steigt, dann könnte es
durchaus sein, daß dann die extreme Rechte damit auch die für sie notwendigen Prozente
erreicht. Dann wird man sich erneut auf das Volk als Souverän berufen. |