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Günter Langer

Gegenöffentlichkeit zu Zeiten der APO
Thesen zum Referat, gehalten auf dem Flensburger Treffen "APO und Medien" am 25.4.1999

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1) Phase vor dem 2. Juni 1967

Die linke Bewegung war noch marginalisiert und weitgehend traditionalistisch in ihren Organisations- und Ausdrucksformen. Zarte Ansätze, den Arbeiterbewegungsmarxismus zu überwinden, gab es nur sehr vereinzelt. In München rumorte die Gruppe um Dieter Kunzelmann in Anlehnung an die französischen Situationisten. Sie trat unter wechselnden Konzepten und Namen auf: "Spur", "Anschläge" und schließlich "Subversive Aktion". Sie hatte bereits das Bewußtsein von der Konformität der bürgerlichen Öffentlichkeit, die es zu durchbrechen gelte. Ihre Aktionsformen waren angelehnt bzw. nachempfunden den Schwabinger Happenings Anfang der 60iger Jahre, begleitet von Flugblättern mit revolutionären Inhalten. Wichtiger als diese Flugis waren den Teilnehmern aber die zumeist negativen Folgen in den bürgerlichen Medien und Gerichten. Sie wußten, auch negative Berichterstattung ist nicht nur negativ, sie hilft entgegen den Intentionen der Berichterstatter die Dissidenten in der Öffentlichkeit als existent zu konstituieren. Der Erfolg in München für diese Strategie mit dieser Gruppe blieb jedoch begrenzt.

Erst durch die Fusion einiger ihrer Mitglieder mit dem eher traditionalistisch orientiertem SDS-Berlin in eben der besonderen Berliner Situation einer Frontstadt kam dieser Ansatz besser zur Geltung. Die Fraktion der "Antiautoritären" bildete sich, zunächst unter unscheinbaren Namen: "Viva Maria", "Colloquium". Es wurde eine Politik der Regelverletzung in Gang gesetzt: Auf der Tschombé-Demonstration 1965 wurde erstmalig eine Polizeikette einfach überrannt, im rassistischen Film "Africa Addio" wurde in den Kinosälen mit Buttersäure und Farbe operiert, auf dem FU-Campus gab's erste Sit-ins und Teach-ins. Die Außenwelt reagierte äußerst negativ, die Bevölkerung wurde durch Medien und Politik aufgehetzt, die Protestierer wurden zum Teufel, auf die andere Seite der Mauer gewünscht. Aber, und das war das entscheidende, sie wurden bekannt und damit auch diskutiert. Der äußere Feind, die kommunistische Umwelt, schien stabil und praktisch unangreifbar. Der innere Feind, die neue Dissidenz, war greifbar, auf sie entlud sich der Terror der frustrierten Kleinbürger und der verängstigten Arbeiter. In dieser Situation wurde es für die entstandene APO lebensnotwendig, sich selbst zu verständigen und die feindliche Umwelt so zu beeinflussen, daß wenigstens eine Koexistenz möglich wurde.

Der SDS hatte nur traditionelle Theorieorgane zur Verfügung, aber immerhin Einfluß auf den FU-Spiegel, der insbesondere zu den Vorfällen am 2. Juni 67 eine wichtige Rolle spielte. Rudi Dutschke und zwei, drei andere verteilten ein neues Organ, das "Oberbaumblatt", indem sie ihre Sicht der Dinge theoretisch darlegten. Traditionelle Sozialisten versuchten sich mit dem "Extra-Blatt" im Bild-Zeitungsformat. Nach wenigen Ausgaben gaben sie den populistischen Versuch auf und veränderten ihr Konzept zum "Extra-Dienst", ein zweimal wöchentlich erscheinendes linkes Nachrichtenblatt. Im Januar 1967 bildete sich aus der "Colloquiumsgruppe" die "Kommune 1". Nach anfänglich interner Verständigung in psychologisch-terroristischer Form und ihrer äußeren Initiation beim Humphrey-Puddingattentat, ging sie über zur Publikation einer Flugblattreihe. Höhepunkt: "Burn Warehouse Burn", ein "Fake-Text" zum Brüsseler Kaufhausbrand, bei dem viele Todesopfer zu beklagen waren. Es sollte dazu dienen, "den Bürgern das unmittelbare Vietnamgefühl" zu vermitteln. Ein öffentlicher Aufruhr war die Folge. Die Presse identifizierte die Flugi-Schreiber mit den Brandstiftern und forderte ihre sofortige Inhaftierung. Die Kommune 1 unterschrieb ihre Flugis zu diesem Zeitpunkt noch mit dem Signum SDS. Der SDS seinerseits fürchtete um seinen Ruf und die staatlich-universitäre finanzielle Förderung und schloß die K1 konsequenterweise aus. Der Erfolg für die K1, sie war deutschlandweit bekannt.

2) Die Phase nach der Ermordung Benno-Ohnesorgs

Der Rest-SDS diskutierte das Medien-Thema erst nach dem Mord an Benno-Ohnesorg im Juni 1967 und insbesondere nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am Gründonnerstag 1968. Es wurde ein Springer-Tribunal organisiert, die Kampagne "Enteignet Springer" gestartet und der Versuch unternommen, ein eigenes Organ zu gründen, um die Nachrichtenblockade der bürgerlichen Medien zu durchbrechen. Dies scheiterte mit dem Rückzug des potentiellen Geldgebers Rudolf Augstein aus dem Projekt. Damit scheiterte auch der organisierte Versuch, die angenommene Manipulation der Öffentlichkeit durch die bürgerlichen Medien auf dem Terrain der Medien selbst bekämpfen zu können. Mit diesem Scheitern war der endgültige Niedergang der noch traditionell sozialistisch geprägten Fraktion der Apo-Revolte besiegelt. Der SDS löste sich praktisch auf und an seine Stelle trat eine spontaneistisch orientierte Bewegung, in der nicht mehr nur die Studenten den Ton angaben, sondern in der auch Arbeiterjugendliche, Schüler, Gammler, Hippies und Drop-outs aller Art zu finden waren. Aus dieser Bewegung, insbesondere aus den neu entstandenen Kommunen heraus, entstanden kleine Blätter: "Linkeck", "Charly Kaputt", "Radikalisnki" und andere. Am einflußreichsten wurde ein Wochenblatt namens "883". Alle diese Blätter waren diffus links bis anarchistisch und richteten sich an ein breites linkes Publikum. Es waren sogenannte Kneipenblätter. Sie wurden hauptsächlich im linken Milieu, in den Kneipen, Unis und Buchhandlungen angeboten und abgesetzt. Die 883 hatte auch schon einen beträchtlichen Abostamm von ca. 1000 Lesern. Da es allgemein akzeptierte linke Organisationen nicht mehr gab, übernahm die 883 sogar zeitweilig die Rolle des Initiators wichtiger Aktionen. Höhepunkt und bestes Beispiel dafür war ihr Aufruf zur Kambodscha-Demo im Frühjahr 1970.

Klandestin wurde seit 68 auch mit illegalen Radiosendern experimentiert. In Berlin fuhren Kommunarden und SDSler durch die Stadt mit einem Sender im Auto und überlagerten wichtige lokale Radio- und Fernsehsender mit einem revolutionären Programm des "Radio Revolution". Die Idee dahinter war der Wille, den Menschen der Stadt zu zeigen, daß "wir" existierten und die Regeln der Mehrheitsgesellschaft ablehnten und uns trotzdem weiter entwickeln konnten. Die Genossen, die an der DFF-Akademie studierten, produzierten revolutionäre Filme, Filme, die sich in der Hauptsache an das linke Milieu richteten. Berühmt wurde bspw. der Film von Holger Meins "Wie baue ich einen Molotov-Coctail?" Linke Schauspieler produzierten linken Agit-Prop. In der Musikszene war das Bild differenzierter. Es ging darum, "Underground" zu definieren. Daran konnte sich jeder Musiker, aber auch jeder Konsument beteiligen. Dieses Modell erwies sich als wirksam, "Underground" wurde zur herrschenden Protest- und Jugendmusik, sie eroberte die Gesellschaft.

3. Zusammenfassung

Wir können festhalten, in der Summe gab es keine einheitliche Linie der Apo, wie Medien einzuschätzen sind und wie mit ihnen umzugehen ist:

  1. Die eine Position war sicherlich die, die postulierte, daß die bürgerliche Gesellschaft die Medien schon deshalb so fest im Griff haben muß, weil ohne ihre manipulative Wirkung die Zustimmung der arbeitenden Klassen zum Kapitalismus zusammenbrechen würde. Daraus folgte, daß die Revolutionäre durch Aufklärung versuchen mußten, diese "Verschwörung" zu brechen. Das hieß einerseits Springer enteignen und andererseits eigene Publikationen für die Massen entwickeln (Traditionssozialisten, Springer-Kampagne).
  2. Die andere Position war überzeugt davon, daß die eindimensionale Gesellschaft, das System der repressiven Toleranz genügend Drop-outs produzierte, die für sich eigene Kommunikationsmittel entwickeln würden und sich somit am Leben erhalten und so auch ihre Basis verbreitern könnten (Subkultur).
  3. Die dritte Position glaubte, sich der bürgerlichen Medien bedienen zu können, indem bestimmte "Knöpfe gedrückt" würden (Kommune 1).
  4. Selbstverständlich gab es auch jede Menge Mischformen.
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