zurück

Hey Tschoos!
Ich habe euch einen Artikel über

Michal und Vazlav geschrieben.

Jrene Herms.
05/99
trdbook.gif (1270 Byte)
trend
online
zeitung
Briefe oder Artikel:
kamue@partisan.net
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Ich schreib' jetzt diese Zeilen,
Und wünscht, ich könnte länger weilen,
- In deinem Kopf.
Unerkannt. Und müsst nicht eilen,
Damit einen Tropf.
Ich dir reiche - aus meiner Sicht.
Wie Michal und S. C. ein Bier zerredet
In der düstren Bar weichem Licht,
bevor fünf Haarlose in den Club 'Campton' stürmen und die beiden angreifen. S. C. wird nach kurzer Zeit bewusstlos geschlagen. Michal kann sich länger wehren, bis ihn die kampfsportgeschulten Neo-Nazis verletzten. Er erkennt, dass sie ihn diesmal töten wollen. Deshalb zieht Michal seine "legal" registrierte Waffe und schiesst drei mal auf den aggressivsten der fünf. Dies gibt ihm die Gelegenheit zu entkommen. Die Polizei von Prag, die der Wirt inzwischen alarmiert hat, verhaftet Michal kurz danach. Das Politische Polizei-departement gegen Extremisten leitet eine Untersuchung gegen Michal ein - jedoch nicht gegen die Neo-Nazis. Zuerst wurde ihm 'ideologisch motivierter, versuchter Mord' vorgeworfen, da er als bekannter linker Extremist fünf "normale", junge Männer angegriffen habe. Mittlerweile hat Michal Patera 15 Jahre Zuchthaus anstatt 25 zu erwarten, da er im Oktober dieses Jahres "nur" wegen versuchten Mordes vor Gericht muss.

In einer anderen tschechischen Stadt, in Blansko, sitzt Vazlav Jez aufgrund eines nahezu identischen Vorfalls im Gefängnis. Zwei Neo-Nazis haben ihn beim entfernen rassistischer Schmierereien überrascht und angegriffen. Wahrscheinlich hat er einen der Haarlosen erschossen. Anschliessend wurde er verhaftet und des 'doppelten, versuchten Mordes' angeklagt. Vazlav drohten elf Jahre Zuchthaus. Nach über einem Jahr Untersuchungshaft war im Juli 98 sein erster Prozess vor dem Stadtgericht von Brno. Obwohl das Revisions-verfahren vor dem hohen Gericht von Olomouc am 15. Oktober erstaunlicherweise mit einem Freispruch endete, muss Vazlav für weitere 18 Monate ins Gefängnis für 'Aktionen gegen lokale Neo-Nazis', weswegen er zu Beginn des Prozesses nicht angeklagt war. Für einen Dreiundzwanzig-jährigen sind 1,5 Jahre Haft eine sehr lange Zeit. Trotzdem ist es ein Erfolg, da er auch elf Jahre eingesperrt sein könnte. Dieses unerwartete Urteil hat Vazlav zu einem Teil internationalem Protest zu verdanken. Wir hoffen, dass dasselbe auch für Michal erreicht werden kann. Ihr könnt ihm helfen, indem ihr Protest-briefe an die tschechische Regierung schickt...

Tschechische Botschaft
Muristr.53
Ch-3006 Bern
Tel.: 031/352'36'45' (wenn ihr Fragen habt, ruft doch an.)

Michal Patera und Vazlav Jez sind Mitglieder der 'Föderation sozialer Anarchisten(FSA)', welche 1992 unter dem Namen 'anarchosyndikalistische Initiative' entstand. Als Antwort auf die Trennung von Tschechien und der Slovakei haben sich 10 verschiedene Gruppen von beiden Seiten der Grenze zusammengeschlossen. Die Föderation hat sich 96 der 'Internationalen Arbeiter-Assoziation(IAA)' an ihrem Kongress in Madrid angeschlossen. Die FSA ist nach dem FORA-Modell aufgebaut. Das bedeutet ihre Mitglieder vertreten als Syndikalisten zwar klassenkämpferische Positionen, aber als reine Gewerkschaft kann mensch sie nicht verstehen, da sich in ihr auch Nichterwerbstreibende organisieren, also Studenten, ältere Menschen... Die FSA engagiert sich für die Überwindung aller geistigen und geographischen Grenzen, insbesondere der slovakisch-tschechischen. 'Svobodna Prace(Freie Arbeit)' ist eine ihrer beiden Zeit-schriften, die vierteljährlich erscheint. Sie setzt sich mit anarchistischen Philosophien und Grundlagen auseinander und informiert über die Welt aus libertärer Sicht. Michal Patera ist der Heraus-geber von 'Hlas Prime Akce (die Stimme der Direkten Aktion), einem Propaganda-blatt, das versucht, ArbeiterInnen mit anarchis-tischen Ideen vertraut zu machen. Michal ist auch einer der direkten Aktivisten innerhalb der Föderation, die sich dem Faschismus - und dessen tieferen Wurzeln in den Grundstrukturen jedes Nationalstaates - entgegen-stellen. In ihrem Kampf nimmt die interareale Verständigung viel Platz ein. Zusammenarbeit darf sich nicht auf Grenzen beschränken. An dem Wochen-ende, als Michal überfallen und verhaftet wurde, trafen sich in Prag verschiedene Organisationen und Einzelpersonen aus dem europäisch-russischen Raum und dem amerikanischen Kontinent. Es ist wichtig Ideen, Gedanken und Informationen auszutauschen, um sich kennenzulernen und gegebenenfalls unterstützen zu können Jetzt braucht die Föderation dringend unsere Hilfe. Zwei ihrer Kamernossen sind im Gefängnis. Wenn mensch einer Übermacht von, wie z.B. in Prag 3000, Neo-Nazis gegenübersteht, ist das nicht nur persönlich ein Verlust. Zudem werden sich die Anwalts- und Gerichtskosten für beide Prozesse auf 14'000 Fr. belaufen. Für Vazlav hat die FSA ca. 4'000 Fr. gesammelt. In Tschechien sind das zehn durchschnittliche Monatslöhne. Das verdient lange nicht jeder, und es reicht knapp für die Lebenserhaltungskosten. Die Föderation und wahrscheinlich auch andere Organisationen wie Solidarita, mit denen sie zusammenarbeitet, sind nahezu pleite. Sie haben nicht die Möglichkeit noch mehr Geld aufzutreiben.

Deutschland:
Nr. 4751200807
Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam
(BLZ 160 500 00)
Inhaber: Th. Beckmann

Schweiz:
PC 87-112365-3
Pan-IG 8042 Zürich
Vermerk Prag

1991 fanden in Tschechien Umfragen über die veränderte Situation nach der Wende statt. 70% der TschechInnen sind unzufrieden mit der sozialen Sicherheit, dem Lebens-standard und der Wirtschaft. ¼ hatte sogar Angst vor einem Bürgerkrieg. Die Hälfte der Bevölkerung hat eine starke Führer-persönlichkeit gefordert. Ebenfalls die Hälfte, aber nicht unbedingt dieselbe, befürchtet eine zu starke Abhängigkeit von Deutschland. 16% der TschechInnen bildet sich einen zu grossen Einfluss der Juden ein. Für faschistische Ideologien ist das der richtige Nährboden. Der Hass der tschechischen Neo-Nazis richtet sich, abgesehen von Menschen ganz allgemein, gegen Juden, gegen Linke und wahrscheinlich auch gegen die Deutschen, die nach dem zweiten Weltkrieg nicht vertrieben wurden. Die Situation der 500'000 - 800'000 Fahrenden, die in Tschechien leben, ist so unhaltbar, dass schon viele nach England ins Exil mussten. Seit der sogenannt 'samtenen Revolution' 1998 hat es bei faschistischen Übergriffen mehr als 35 Tote und zahlreiche Verletzte gegeben. Nach Schätzungen der Polizei gibt es in Tschechien 30'000 organisierte Neo-Nazis, davon sind ca. 800 Hammerskins. Die Patriotische Front zählt 500 Mitglieder. Im September 98 nahm sie als erste faschistische Partei seit den 30er Jahren an Gemeindewahlen teil. Sie erhielt 1% der Stimmen. 50'000 (Un)Menschen haben die PF gewählt. Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums sind 1/3 der Staatsangestellten im Polizei-dienst Mitglieder oder zumindest Sympathisanten rechtsextremer Gruppierungen. Direkte Mittäterschaft der 'Freunde und Helfer' ist keine Seltenheit. Einer der fünf Neo-Nazis, die Michal angegriffen haben, soll von Beruf Polizist sein. Doch das ist bis jetzt nur ein unbestätigtes Gerücht.  

Am 17. April 99 fand vor dem tschechischen Konsulat in Zürich eine Kundgebung für Vazlav und Michal statt. Um 14 Uhr versammelte sich eine Gruppe von ca. 50 Personen aus mindestens fünf verschiedenen Kantonen. Aus Zug waren erstaunlich viele Leute anwesend. Sogar der tschechische Konsul, ein Zürcher Rechtsanwalt, gesellte sich zu uns. Als die Polizei erschien, hat er ihnen mitgeteilt, er würde gerade mit uns verhandeln. Sie sind dann weitergefahren. Es wurden drei Reden gehalten - auch zu anderen politischen Gefangenen wie Mumia Abu Jamal, der in Amerika seit 1983 unschuldig in der Todeszelle sitzt. Nach anderthalb Stunden haben wir uns zu einer kleinen Demo formiert und sind am See entlang zur Jamaika-Wiese marschiert, wo wir unser Transparent aufgehängt und ein Nachdemofest veranstaltet haben. Der ganze Nachmittag verlief friedlich.

Liebe & Anarchie Jrene

Nachbemerkung der Redaktion: Am 13. Mai schickte uns Jrene die o.a. Addressen und Spendenkonten, sodaß wir entsprechend updaten konnten. Wer schickt uns die Addresse der Tschechischen Botschaft in der BRD?

 
nach oben