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Apartheidstaat Kroatien
Gestern Opfer - heute Täter

Eine Dokumentation der Gesellschaft für bedrohte Völker
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Die Republik Kroatien, Mitglied des Europarates und der Vereinten Nationen, ist heute ein autoritär geführter Staat: Präsident Franjo Tudjman hat die demokratischen Rechte eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Die Freiheit der Medien ist weitgehend abgeschafft. Die Arbeit der Opposition wird systematisch behindert. Politische Gegner werden im Berufsleben benachteiligt, bedroht und nicht selten mißhandelt. 1991/92 noch selbst Opfer der Aggression der serbisch geführten Jugoslawischen Volksarmee unterdrückt Kroatien heute seine serbischen Bürger. Über 60 Prozent von ihnen haben das Land verlassen, sind geflüchtet oder wurden vertrieben.

Vor der Vertreibung stellten die Serben in der kroatischen Krajina die Mehrheit der Bevölkerung. Diese an Bosnien-Herzegowina angrenzende Region war von 1991 bis 1995 von den Statthaltern des serbischen Milosevic-Regimes beherrscht. Dann eroberte die kroatische Armee die Krajina zurück. Die kroatische Regierung behauptet zwar, die Vertriebenen dürften zurückkehren. Doch dies behindern kroatische Behörden vor Ort mit allen Mitteln. Morddrohungen und -anschläge gegen die wenigen Rückkehrer sind an der Tagesordnung. Die kroatische Polizei schützt sie so gut wie nie. Zur Zeit verlassen noch immer mehr serbische Staatsbürger Kroatien als zurückkehren. Heute sind nur noch fünf Prozent der Einwohner Kroatiens Serben, 1990 waren es zwölf Prozent. Auch die Rechte der zweitgrößten Minderheit im Land, der Muslime, wurden eingeschränkt. Sie waren in der Verfassung ausdrücklich als Minderheit anerkannt. Dieser Passus wurde gestrichen. Die italienische Volksgruppe auf der Halbinsel Istrien wird diskriminiert, Übergriffe gegen Roma werden toleriert. Der serbische Präsident der heutigen Bundesrepublik Jugoslawien, Slobodan Milosevic, und Franjo Tudjman haben mehrfach darüber verhandelt, Bosnien-Herzegowina zu teilen. Die kroatische Armee hat Bosnien im Mai 1993 angegriffen. Politisch dominiert Kroatien den heute von seinen Truppen kontrollierten Teil des Nachbarlandes. Es wird nicht offen gesagt, aber dieses sogenannte "Herceg Bosna" soll aus Bosnien-Herzegowina herausgebrochen und Kroatien angeschlossen werden. Sowohl in der kroatischen Krajina als auch im bosnischen "Herceg-Bosna" hat das Tudjman-Regime eine Apartheidsituation geschaffen. Alle dort noch ansässigen Nicht-Kroaten wurden zu Menschen zweiter Klasse gemacht. Die Mehrheit der Vertriebenen aus beiden Regionen wird bis heute an der Rückkehr gehindert.

Die serbische Aggression gegen Kroatien

Im Juli 1991 wurde Kroatien von der serbisch dominierten Jugoslawischen Volksarmee (JNA) angegriffen. Ostslawonien mit der Barockstadt Vukovar wurde zu großen Teilen in Schutt und Asche gelegt. Auch Teile Westslawoniens und die Krajina wurden von der JNA okkupiert. Unterstützt wurden die Truppen von größeren Teilen der dort ansässigen serbischen Bevölkerung. Die meisten Kroaten und viele andere Nichtserben wurden vertrieben, ermordet und mißhandelt. Über 10.000 Kroaten wurden ermordet oder sind bis heute vermißt.

Durch pausenloses Bombardement ziviler Ziele wurden etwa 500 kroatische Dörfer und Städte, 370 katholische Kirchen und Kapellen, 440 Klöster, vier jüdische Synagogen und 470 registrierte Kulturdenkmale sowie zahlreiche Friedhöfe zerstört. Auch Dubrovnik lag monatelang unter Dauerbeschuß, konnte jedoch standhalten. Während dieser serbischen Aggression gegen sein eigenes Land verhandelte der kroatische Präsident Franjo Tudjman mit seinem "Kollegen", dem heutigen serbischen Präsidenten der neuen Bundesrepublik Jugoslawien, Slobodan Milosevic, über die Teilung Bosnien-Herzegowinas.

Kroatiens Krieg gegen Bosnien

In Bosnien trieb der Präsident Kroatiens Tudjman einen Keil zwischen die dort lebenden Kroaten und die muslimischen Bosnier. Im Oktober 1992 ließ er den demokratisch gewählten Vertreter der bosnischen Kroaten, Stjepan Kljuic, stürzen. Im Mai 1993 griff die Armee Kroatiens unterstützt von extremistischen bosnischen Kroaten Restbosnien an. In dem an Kroatien angrenzenden Teil Bosniens, in dem die Kroaten in vielen Gemeinden die Mehrheit bildeten, wurde mit der Vertreibung der Muslime begonnen. In diesem sogenannten "Herceg Bosna" wurden über 15.000 Muslime in Konzentrationslager gesperrt, gefoltert und Hunderte von ihnen ermordet. Auch in Dörfern und Städten gab es Massaker an unschuldigen Zivilisten. Moscheen wurden systematisch zerstört, tra-ditionelle osmanische Altstädte verwüstet.

Die kroatischen Behörden in der "Herceg Bosna" wollen diese Region Bosnien-Herzegowinas als "rein kroatisches" Gebiet regieren. Sie versuchen, die Rückkehr der geflüchteten und vertriebenen bosnisch-muslimischen und bosnisch-serbischen Bevölkerung zu verhindern. Nur internationalem Druck ist es zu verdanken, daß trotzdem Tausende zurückkehren konnten. Heute ist "Herceg Bosna" Teil der Kroatisch-Bosniakischen Föderation, die neben dem serbisch kontrollierten Gebiet, der sogenannten "Repulika Srpska", einen der beiden Teilstaaten Bosniens bildet.

Mostar - geteilt wie Berlin

Nachdem Truppen der kroatischen Armee, aber auch der bosnischen Kroaten in Mostar einmarschiert waren, wurden alle muslimischen Bosnier und Roma aus dem Westteil der Stadt über den Fluß Neretva in den Ostteil vertrieben. Während Cafes und Restaurants im Westen florierten, mußten die Menschen im Osten täglich stundenlang in ihren Kellern Schutz suchen. Sie lagen unter Dauerbeschuß. 1.200 Einwohner Ostmostars wurden getötet. Die weltbekannte "Hajrudin-Brücke", die beide Stadtteile miteinander verband, wurde mit 65 gezielt abgefeuerten Granaten aus kroatischen Panzern zerstört. Mostar war vor dem Krieg eine multikulturelle Stadt, in der alle Bevölkerungsgruppen friedlich miteinander lebten. Von den 126.067 Einwohnern waren 42.648 Kroaten (33,8 %), 43.931 Bosniaken (34,8 %), 29.909 Serben (19,0 %), 12.654 Jugoslawen (10,0 %) und 2.925 Andere (2,4 %). Vergeblich versuchte der EU-Administrator für Bosnien, der ehemalige Oberbürgermeister von Bremen Hans Koschnick, Mostar wieder zu vereinen. Er scheiterte. Der internationalen Öffentlichkeit vermittelte Koschnick jedoch nicht, daß seine Bemühungen von dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman chauvinistisch hintertrieben worden waren. So gab es auch in Deutschland wenig Widerstand, als der in Bosnien populäre EU-Administrator von dem damaligen Außenminister Klaus Kinkel abberufen wurde.

Offensive "Sturm": Kroatische Truppen vertreiben 200.000 Serben

Mit der Offensive "Sturm" eroberten kroatische Truppen zwischen dem 4. und 8. August 1995 die kroatische Krajina zurück. Sie schlugen die serbischen Einheiten in die Flucht, die dieses Gebiet seit 1991 okkupiert hatten. Innerhalb dieser vier Tage flüchtete die überwältigende Mehrheit der in der Krajina ansässigen serbischen Bevölkerung, insgesamt etwa 200.000 Menschen, in die benachbarten serbisch besetzten Regionen Westbosniens. Nur rund 9.000 Serben - überwiegend alte und kranke Menschen - blieben zurück. Einheiten der kroatischen Armee und Polizei begingen während und nach der Offensive zahlreiche Verbrechen an nicht geflüchteten serbischen Staatsbürgern Kroatiens. Bis zu 2.000 Menschen sollen ermordet und zum Teil in Massengräbern verscharrt worden sein.

Eine Delegation der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) stellte bereits am 14. August 1995 vor Ort fest, daß die kroatische Armee serbische Dörfer, Häuser und die persönliche Habe der Geflüchteten systematisch zerstört hatte. Schon damals forderte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch bei Gesprächen mit kroatischen Ministern eindringlich, die Politik der Zerstörung zu beenden und die serbischen Vertriebenen wieder aufzunehmen. Am 20. März 1999 berichtete die New York Times, daß das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gegen drei kroatische Generäle Anklage erheben wird.

Kroatiens Apartheidspolitik: Keine Rückkehr für Krajina-Serben

Nach ihrer panischen Flucht aus der Krajina wurden die rund 200.000 serbischen Staatsbürger Kroatiens im serbisch kontrollierten Teil Bosniens, in der Wojwodina, Altserbien und im Kosovo verteilt. Zehntausende von ihnen versuchten immer wieder, in ihre zerstörte Heimat zurückzukehren. Allein das unabhängige serbische Helsinki Komitee registrierte über 50.000 rückkehrwillige serbische Flüchtlinge aus Kroatien. Das Tudjman-Regime will die Bevölkerungsstruktur der Krajina durch die Ansiedlung geflüchteter bosnischer Kroaten, aber auch albanischer Katholiken aus dem Kosovo für immer verändern. Zwar wurden Gesetze und Verordnungen erlassen, nach denen die Vertriebenen zurückkehren dürfen. Doch vor Ort stoßen sie auf meist unüberwindbare Hindernisse. Kaum jemand erhält sein Haus oder seine Wohnung zurück. Serbische Rückkehrer werden bedroht, durch Bombenanschläge verletzt oder getötet. Die Polizei ermittelt nicht, Behörden verweigern Integrationshilfe. Mitten in Europa praktiziert Kroatiens Regime eine Politik der Apartheid nach südafrikanischem Vorbild.

Die Menschenrechtsarbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker 1991/92 war die Menschenrechtskampagne der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) für die Anerkennung Kroatiens in den Medien sehr erfolgreich. Mit zahlreichen Presseerklärungen und Menschenrechtsaktionen machten wir die Verbrechen serbischer Truppen in Ostslawonien und in der Krajina bekannt. Ende 1992 publizierten wir das weltweit erste Buch über die serbischen Kriegsverbrechen in Kroatien und Bosnien mit dem Titel "Ethnische Säuberung - Völkermord für "Großserbien". Unterstützt von der damaligen Präsidentin des Deutschen Bundestages Rita Süssmuth protestierte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch im April 1993 bei dem kroatischen Parlamentspräsidenten Stjepan Mesic und seinem Minister Mate Granic persönlich gegen den drohenden Krieg Kroatiens gegen Bosnien. Einen Monat später marschierte kroatische Truppen im Nachbarland ein. Im Sommer 1993, als Hunderte Muslime im kroatischen KZ Heliodrom ermordet wurden, besetzten Mitglieder der GfbV drei Tage lang die kroatische Botschaft in Bonn.

Die plakative GfbV-Demonstration "Kroatien: Gestern Opfer - heute Täter" gegen das Tudjman-Regime auf dem Hauptplatz von Zagreb kurz darauf wurde von der kroatischen Polizei gewaltsam beendet: Der GfbV-Vorsitzende und drei GfbV-Mitglieder wurden festgenommen. Seit der Vertreibung der 200.000 Serben aus der Krajina 1995 setzt sich die GfbV kontinuierlich dafür ein, daß sie zurückkehren dürfen.

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