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Deutschland im Krieg

Der Bundeswehrsoldat zwischen Befehl und Gesetz

von Elmar Schmähling

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Die Teilnahme an einem Krieg ist für Bundeswehrsoldaten eine neue Erfahrung.

Vorbei ist der gefahr- und folgenlose Übungseinsatz seiner tödlichen Waffen. Die Zielscheibe wird im Krieg selbst aktiv. Sie kann zurückschießen. Jetzt erscheint Flucht in erlernte Routine und geistige Ausrichtung auf die Führung das richtige Mittel, die ungewohnte Spannung zu ertragen. Dabei gerät der Soldat, fest in die Gruppe eingebunden, wie von je her in die Gefahr, seine persönliche Verantwortung für sein eigenes Tun und Unterlassen zu vernachlässigen. Was die Bundesregierung politisch vorgibt und die lange Reihe der Vorgesetzten in Befehle umsetzt, muß in dieser Lage, wo es um Bewährung geht, scheinbar nicht hinterfragt werden. Diese eher unbewußte Einstellung findet ihre Verstärkung in der traditionellen soldatischen Erziehung zum Gehorsam. Das Normale ist, zuerst Befehle auszuführen und sich später nach gründlichem Überlegen -vielleicht- zu beschweren.

Wenn es um Krieg, um Töten und Zerstören geht, gerät die eingeübte soldatische Tugend des Normalfalls "erst Befehl ausführen, dann beschweren" zur gefährlichen Falle. Das Damoklesschwert über dem Haupt des Soldaten heißt Soldatengesetz. Nach diesem ist es dem Soldaten nämlich verboten, einen Befehl auszuführen, wenn damit eine Straftat verbunden wäre. Der Gesetzgeber wollte den neuen deutschen Soldaten in die höchst persönliche Verantwortung für sein Handeln nehmen. Er soll sich nicht mehr auf "Befehlsnotstand" herausreden können. Er muß sich informieren, welche Handlungen dem Soldaten im Krieg erlaubt sind. Dafür erhält er während seiner Ausbildung Unterweisung in Völkerrecht, Kriegsvölkerrecht, Grund- und Soldatengesetz.

Für den Krieg in Jugoslawien, den die Bundesrepublik gegenwärtig gemeinsam mit der NATO führt, sind eine Reihe von internationalen und nationalen Rechts- und Gesetzesnormen einschlägig. Die Charta der Vereinten Nationen verbietet die Androhung oder Anwendung von Gewalt (Art. 2,Abs.4). Ausschließlich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann militärische Zwangsmaßnahmen beschließen und durchführen (Art. 42). Nur im Falle eines bewaffneten Angriffs haben die Mitgliedstaaten "das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung" (Art.51). Im Krieg stellt das Zusatzabkommen zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 die Zivilbevölkerung und einzelne Zivilpersonen unter den allgemeinen Schutz der von Kriegshandlungen ausgehenden Gefahren. (Art. 57) Mit dem vorsätzlichen und systematischen Angriff der NATO-Streitkräfte auf zivile Objekte in Belgrad wird auch das Kriegsvölkerrecht verletzt. Militärische Führer müssen Verletzungen des Abkommen verhindern oder Strafverfahren gegen Täter einleiten (Art. 87). Da es einen Beschluß des Sicherheitsrats zur Anwendung militärischer Maßnahmen gegen Jugoslawien nicht gibt und keiner der am Krieg beteiligten Staaten angegriffen wurde, muß eine völkerrechtliche Legitimation für diesen Krieg verneint werden. Im Nordatlantikvertrag verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Einhaltung der Satzung der VN (Art. 1). Sie vereinbaren, im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien Beistand zu leisten, die angegriffen werden (Art. 5).

Kein NATO-Staat ist angegriffen worden. Die NATO hat mit dem Angriff auf Jugoslawien die Vertragsbasis verlassen. Für das Mitgliedsland Deutschland bestand daher nicht nur keine "Beistandspflicht", sondern sogar die völkerrechtliche Verpflichtung, sich dem verbotenen Angriffskrieg zu verweigern.

Das Grundgesetz verbietet ausdrücklich und kategorisch jede Einsatzart deutscher Streitkräfte außer zur Verteidigung (Art. 87a). Was unter Verteidigung zu verstehen ist, erschließt sich aus der Definition von "Verteidigungsfall" (Art. 115a). Daraus folgt, daß zwar deutsche Soldaten im Rahmen der NATO und der Vereinten Nationen an Verteidigungsmaßnahmen, aber unter keinen Umständen an Angriffshandlungen teilnehmen dürfen. Das gewichtige Gegenstück zur Verpflichtung auf Verteidigung ist das Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges (Art. 26), dessen Übertretung im Strafgesetzbuch mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 80).

Im Soldatengesetz ist den Vorgesetzten in der Bundeswehr aufgegeben, Befehle "nur unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze und der Dienstvorschriften zu erteilen" (§10 Abs.4). Die generelle Gehorsamspflicht kehrt sich dann in die Verpflichtung zum Ungehorsam, wenn durch einen Befehl eine Straftat begangen würde (§11,Abs.2).

Fazit: Da jeder deutsche Soldat erkennen kann oder es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß mit dem Krieg in Jugoslawien und im Krieg Straftaten begangen werden, darf er weder an der Planung, noch an der Führung, noch an der Unterstützung dieses Krieges teilnehmen. Gegen den massivem Widerstand der USA hat die internationale Staatengemeinschaft beschlossen, einen internationalen Strafgerichtshof einzurichten, der künftig Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ohne Unterschied, also auch solche, die von den "Siegern" begangen wurden, zu ahnden.

Quelle: www.schmaehling.de

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