Leser*innenbriefe

Anton Holberg zu zwei Artikeln von Siegfried Buttenmüller in der Märzausgabe 2018

04/2018

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1)  Putin, Trump, Orbán, Seehofer & Co: Populisten im Aufwind?

Ich muss gestehen, dass ich keine wissenschaftliche Langzeitstudie über  RT, Sputnik etc. gemacht habe, aber von verhältnismäßig häufigem Schauen von International RT und Lesen der entsprechenden Homepages, erschließt sich mir nicht wirklich wie der Genosse Buttermüller zur Einschätzung kommt, es handele sich dabei um rechtspopulistische Medien. Da Buttermüller in dieser Frage einfach das wiederholt, was hierzulande die  MSM ohnehin dauernd behaupten und es sich angesichts der sich zuspitzenden Krise um eine relevante Frager handelt, möchte ich ihn gerne Bitten, für seine m.E. gewagte These einen Beleg vorzulegen. Das gilt im übrigen auch für die Behauptung, "Putin" habe den FN in  Frankreich oder die Migranten-feindliche Linie Orbans unterstützt. Wohlberkt: es geht nicht um die Frtage, ob "Putin" sich womöglich gefreut hat, dass mit Le Pen, AfD, Orban & Co bei denen, die seit dem Zusammenbruch der UdSSR versuchen, Russland zur Neokolonie zu machen, Kräfte aufgetaucht sind, die ein gewisses Maß von Sand im politischen  Getriebe darstellen. Mein Eindruck ist aber, dass er ebenso zufrieden wäre, wenn das von Seiten der Linkskräfte geschähe. Ich wundere mich immer wieder mal über den Ton auf RT, der bei mir Erinnerungen an Sowjetzeiten weckt. Nun mag man natürlich argumentieren, dass der  Stalinismus und der Rechtspopulismus Brüder im Geiste seien. Was die Zielrichtung der Propaganda betrifft, ist das aber beileibe nicht so.
 

2) Die Dolchstoßlegende der Bürokratie: Wer hat die Sowjetunion verraten ?

Siegried Buttermüller hat sicher recht, wenn er beklagt, dass manche "Linke" in Putin bzw. dem in der RF herrschenden sozioökonomischen System eine wie immer geartete Alternative zum Kapitalismus und den Zusammenbruch der UdSSR und von ihr in Folge des 2. Weltkriegs geschaffener und/oder verwandter Staaten als Ergebnis des Verrats, eines Dolchstoßes, sehen. Der "Verrat" und damit der schließliche Zusammenbruch war bereits in der Liquidierung der durch die Oktoberrevolution geschaffenen "Diktatur des Proletariats" durch eine Diktatur der Bürokratie zur Zeit Stalins angelegt. Diese wiederum war wesentlich das Ergebnis der Tatsache, dass die Oktoberrevolution und also die UdSSR, die sich ohnehin nur auf relativ unterentwickelte sozio-ökonomische Gegebenheiten stützen konnten,  isoliert blieben - nicht zuletzt auch Dank der Mitwirkung der westlichen sozialdemokratischen Parteien. Die von der Roten Armee nach dem 2. Weltkrieg geschaffenen "Volksdemokratien" konnten kein Mittel der Aufbrechung dieser Isolation sein. Zum einen war die UdSSR zu diesem Zeitpunkt schon zu fest in den Händen der stalinistischen Bürokratie, zum anderen sei an das Verdikt von Karl Marx erinnert, dass die Befreiung der Arbeiterklasse nur ihr eigenes Werkk sein könne. Keine dieser "Volksdemokratien" ist jedoch aus einer erfolgreichen Revolution der Arbeiterklasse hervorgegangen.

Desungeachtet muss ich S.Buttenmüller aber widersprechen, wenn er eine angeblich massive Unterstützung von Nazis in Europa, von Rechtspopulisten von Trump oder von Diktatoren wie Assad, die von "diesen Linken" zusammen mit der AfD unterstützt werden, umstandslos zum Teil seiner Argumentation macht.

Russland ist ein kapitalistischer autoritärer Staat. Die RF unter Putin als "Diktatur" zu bezeichnen, entwertet diesen Begriff, wenn man ihn bisher z.B. auf die Herrschaft Hitlers oder Stalins udgl. anwendet. Hier von "Diktatur" zu sprechen, falls damit mehr gemeint ist als eine allgemeine Qualifizierung der Herrschaft einer Minderheitsklasse, erinnert fatal san die ultra-"linke" Unart, alles was ihr nicht gefällt als "faschistisch" zu bezeichnen. Wie dem auch sei: Die Tatsache aber, dass Russland ein kapitalistisches Land ist und vergleichseweise autoritär regiert wird,  bedeutet nicht, dass nicht gegebenenfalls auch ein fortschrittliches, gar sozialistisches, Russland mehr oder weniger gezwungen wäre, nationalstaatliche Interessen gegen äußere Angriffe zu verteidigen. In diesem Fall gehört z.B. die Verteidigung Syriens gegen die westliche Politik des "regime change's" zur Verteidigung Russlands gegen die westlichen Versuche, Russland wie zu Zeiten Yelzins in eine Halbkolonie des westlichen Kapitals und seiner NATO zu verwandeln. Das gilt Syrien betreffs insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich dort keine relevante Kraft herausgebildet hat, die das Assad-Regime durch ein wie auch immer geartetes demokratischeres, fortschrittliches und damit notwendigerweise antiimperialistisches Regime ersetzen könnte. Stattdessen wird der relevante Widerstand mit westlicher finanzieller, politischer und militärischer Unterstützung durch ultrareaktionäre Halbabschneider von offenbar bedeutenden Teilen der FSA (s. ihr Wüten in Afrin) bis hin zu allen möglichen Jihadisten-Banden getragen. Und wenn es denn stimmen sollte, dass "Putin" hierzulande rechtsradikale Kräfte unterstützt, dann mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließlich, weil die regierenden Herolde der bürgerlichen Demokratie seit Jahren alles daranlegen, Russland in die Yelzin-Zeit zurück zu drängen. Wenn Russland darauf mit der Unterstützung auch rechtspopulistischen Kräfte à la AfD antwortet, dann um Kräfte, gleich welcher Ausrichtung, die auf dem Boden "unserer" neoliberalen Unordnung gewachsen sind, zu nutzen, um Druck von Russland zu nehmen.

Von Linken sollte man eine Äquidistanz zu den gesellschaftlichen Verhältnissen und den sie tragenden Regimen im Westen wie im Osten erwarten, weil beide kapitalistisch sind. Das heißt aber nicht, dass man, was die Außenpolitik anbelangt, übersehen darf, dass sich Russland - und das in seinen revolutionären, seines staatskaopitalistischen und seinen mehr oder weniger privatkapitalischen Zeiten - in der Verteidigung befindet.

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