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aus: Jungle World vom 10.3.1999

Links? Rechts? - Revolutionär!

Die nationalrevolutionäre und antisemitische Zeitschrift Sleipnir sucht das Bündnis mit der deutschen Linken. 
Von Hugin und Munin

03/99
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Die Anklagepunkte lauten "Volksverhetzung" und "Verunglimpfung des Staates". Seit Anfang März läuft vor einem Berliner Gericht ein Verfahren gegen den Herausgeber der rechtsextremistischen Zeitschrift Sleipnir, Andreas Röhler, und seinen Mitarbeiter Peter Töpfer. Wohl bei wenigen dürfte das Adjektiv "gerichtsbekannt" so zutreffend sein wie bei Andreas Röhler, dem Berliner Verleger und Vertreiber rechtsextremistischer und antisemitischer Schriften (1).

Seitdem er 1995 zusammen mit Peter Töpfer (2) die Zeitschrift Sleipnir - benannt nach dem achtbeinigen Roß des germanischen Heldengotts Odin - begründet hatte, verging kaum ein Jahr ohne Hausdurchsuchung, kein Jahr ohne Ermittlungsverfahren gegen seinen Verlag der Freunde (VdF). Anlaß für die Polizeiaktionen waren entweder in Sleipnir veröffentlichte Artikel, wie 1997 ein von Ingrid Weckert unter dem Pseudonym "Hugo Rauschke" verfaßter Text mit dem Titel "Zweimal Dachau", oder Bücher aus dem Eigenverlag wie ein Werk des französischen Holocaust-Leugners Serge Thion (3).

Im aktuellen Verfahren verhandelt das Amtsgericht Berlin-Tiergarten u.a. den Vorwurf, daß der VdF den antisemitischen Longseller "Die Protokolle der Weisen von Zion" vorrätig hielt, nach Angaben Röhlers ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken - versteht sich.

Solche und ähnliche Verschleierungsversuche begleiten das Projekt Sleipnir von Anfang an, will die Zeitschrift doch im Sinne einer Querfrontstrategie publizistisch zusammenfügen, was politisch anscheinend nicht zusammenpaßt. Dabei beschränken sich die Herausgeber nicht darauf, die "Nationale Frage" als Diskussion zwischen Links und Rechts zu inszenieren, wie es zum Beispiel die nationalrevolutionäre Zeitschrift wir selbst derzeit vormacht. Wesentliches Merkmal von Röhlers Publikation ist der Versuch, der Linken ein Bündnis schmackhaft zu machen, indem eine gemeinsame oppositionelle - und im Verständnis von Sleipnir systemüberwindende - Identität unter anderem aus der gemeinsamen Verteidigung der Rede- und Meinungsfreiheit abgeleitet wird.

Mit Hinweis auf den übergeordneten Wert der Meinungsfreiheit wird die Linke aufgefordert, wahlweise die Leugner des Holocaust selber oder deren Freiheit, die Leugnung des Holocaust zu publizieren, oder auch nur deren Verteidiger zu verteidigen. Der Verlag bezeichnet dies als "Kampf um die Gewährleistung der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung, des freien Zugangs zu Informationen, der Pressefreiheit - d.h. um die Würde des Menschen (Ö)". (4)

Seit der Erstausgabe druckt Sleipnir daher Texte von Linken nach, um eine gemeinsame Debatte zu inszenieren, die so nie stattfand. Seine schriftliche Absage, an einem Buchprojekt des Verlags teilzunehmen, katapultierte beispielsweise schon 1995 Ralph Giordano in das Blatt. Und noch mehr als zwei Jahre später wird er als Linker genannt, dem Raum in der Zeitschrift gegeben wurde.

Bei anderen Verschleierungsversuchen wird auf die Unbedarftheit gerade linker AutorInnen spekuliert, die der freundliche Verlagsname nicht mißtrauisch macht. Darauf fielen selbst im Thema versierte Kollegen wie Wolfgang Wippermann oder der Österreicher Michael Ley herein, und nur wenige, wie der Berliner Transit Verlag oder Hans Magnus Enzensberger, wehrten sich nachträglich gegen solcherart Freundesbeweise. In anderen Fällen druckte Sleipnir Erklärungen aus anderen Zeitungen nach, um den Eindruck zu erwecken, deren AutorInnen beteiligten sich an der Diskussion in Röhlers Blatt (siehe den obenstehenden Titel von Sleipnir mit dem "Autoren" Hans Modrow, der nie etwas mit der Zeitschrift zu tun hatte).

"Warum Sleipnir?" fragte Andreas Röhler 1997 in einem Offenen Brief. Die Antwort hatte Michael Koth jedoch schon 1995 formuliert: "Sleipnir reißt alte Schranken zwischen 'rechts' und 'links' nieder und entwickelt sich zum bedeutendsten Dialogorgan beider Lager. Was im Oktober 1993 auf den Barrikaden Moskaus mit Blut besiegelt wurde, nämlich das Kampfbündnis von Kommunisten und Nationalisten (Ö), was in der KDVR (Nordkorea) seit fünf Jahren Staatspolitik ist, sollte auf deutschem Boden doch wohl auch zu verwirklichen sein!" (5)

Koth war damals noch stellvertretender Vorsitzender der KPD/DDR und ist inzwischen Vorsitzender der Partei der Arbeit Deutschlands (PdAD) - "kleine Schwester" der nordkoreanischen PdAK. Seine Sammlungsversuche führten den Nationalkommunisten inzwischen in die Arme der NPD, die ihn, den Vertreter eines deutschen Sozialismus, auf dem NPD-Kongreß am 7. Februar 1998 in Passau mit einem eigenen Info-Stand belohnte. 

Ebenfalls eingeladen war Andreas Röhler, der sein Blatt den NPD-Parteigängern immer stärker geöffnet hatte, schon bevor sich die Nationalkommunisten, also jene, die Sleipnir der Nationalen Linken zurechnen, zum linken Flügel des Neofaschismus erklärt hatten. Berliner und Hamburger Neofaschisten wurden Autoren, das Mitglied des NPD-Bundesvorstandes Hans Günter Eisenecker Röhlers Anwalt. 

Diese Entwicklung hin zur NPD, verbunden mit der engen Bindung an Holocaust-leugnende Personen und Strukturen, dürfte es dem Blatt zukünftig schwerer machen, mit seinen lagerübergreifenden Strategien Raum zu gewinnen. Eine Strategie, die allenfalls noch verfängt, wenn Ex-Linke so verstört agieren - und denken - wie Horst Mahler, der sich inzwischen auch der Zustimmung des in Hamburg inhaftierten Kopfes der NSDAP-AO, Gary Lauck, sicher ist. Selbstverständlich, daß Töpfer und Röhler auch an Mahlers Montagsdemonstration am 15. Februar 1999 in Berlin-Kreuzberg teilnahmen. 

Weitere Aufklärung über die tatsächliche Struktur und die personellen Bündnisse, die der Verlag der Freunde anstrebt, können Unterlagen liefern, die dem Verlag zur Jahreswende aus den Geschäftsräumen in Berlin-Prenzlauer Berg abhanden kamen. Ein Teil dieser Papiere liegt der Jungle World vor. Die Unterlagen aus dem Büro von Andreas Röhler belegen viele bekannte Verbindungen und beweisen einige neue. 

(1) Der Betriebswirt Andreas Röhler war Mitglied der Ostberliner Literaturszene im Prenzlauer Berg und veröffentlichte Gedichte. 1985 reiste er nach Westberlin aus. Seit 1993 betreibt er den Verlag der Freunde, in dem seit 1995 die Zeitschrift Sleipnir erscheint. 

(2) Peter Töpfer kommt aus Ostberlin. 1990 ist er Herausgeber der antikommunistischen Zeitschrift Der Montag. Zwei Jahre später fällt er als Verteiler eines "Gründungsaufrufs der Nationalen Linken (NL)" auf, in der sich "junge Menschen zusammengefunden (haben), die linke Politik nicht am Volk vorbei betreiben wollen". Ab Mai 1995 ist Töpfer Mitinhaber des Verlags der Freunde, der als "Andreas Röhler und Peter Töpfer GbR" firmiert und damit Mitherausgeber von Sleipnir. Seit November 1996 erscheint er nicht mehr im Impressum, Ende 1998 aber im Inhaltsverzeichnis.

(3) Serge Thion ist Mitarbeiter des Pariser Verlags La Vieille Taupe. Anfangs eine marxistische Zeitschrift mit angeschlossener Buchhandlung, hat sich La Vieille Taupe mittlerweile zum führenden französischen Verleger der Holocaust-Leugner entwickelt, die sich selbst als "Revisionisten" bezeichnen. 1980 veröffentlichte Thion in Frankreich "Vérité historique ou vérité politique", das der Verlag der Freunde 1984 in einer erweiterten Fassung unter dem Titel "Historische Wahrheit oder Politische Wahrheit. Die Macht der Medien. Der Fall Faurisson" publizierte. Seit 1995 schreibt Thion für Sleipnir.

(4) Andreas Röhler und Peter Töpfer im November 1995.

(5) Werbeschreiben des VdF vom Mai 1995.

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