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aus: CL/GRUPPEN/GEWERKSCHAFTEN

Kommentar zum ÖTV Tarifabschluss 1999

von Ulrich Unger
03/99
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Zu einem Eklat hinsichtlich des Tarifangebotes der öffentlichen Arbeitgeber kam es am 27. Februar 1999 im OTV-Haus am Engeldamm. "Das kann ich meinen Kollegen nicht verkaufen", empörte sich Michael Smolinski. Der BSR-Abteilungsvorsitzende der ÖTV zeigte sich aufgewühlt angesichts der vorliegenden Fakten. Er gehörte mit zu den Funktionären, die ihr Votum zu dem vorliegenden Verhandlungsergebnis abgegeben haben. Ernüchternd das Resultat: Von den 24 Anwesenden erteilten 19 dem "Minusgeschäft",
wie in der Runde genannt, eine entschiedene Abfuhr.

Drei Gewerkschafter enthielten sich der Stimme, zwei gaben der Sache ihren Segen.

Zuvor wurde heftig und kritisch diskutiert. Bis 12 Uhr mußte das Fazit auf dem Tisch der Großen Tarifkommission in Stuttgart liegen.

"Die haben uns mit 3,1 % geködert, um Zugeständnisse bei den Arbeitszeitregelungen zu kriegen", stellte Tarifsekretär Werner Schaberg enttäuscht fest. Frank Bäsler zeigte sich kämpferisch: "Dieses Angebot darf niemals den Status eines Tarifabschlusses erlangen". Er forderte die Große Tarifkommission auf, die "Politische Erklärung zu Arbeitszeitfragen" herauszustreichen. "Diese hat nichts im Tarifvertrag zu suchen", stellte Michel Smolinski klar. "Die ÖTV hat von Anfang an gesagt: keine Kompensationsgeschäfte" Frank Kirstan, Sprecher der ÖTV-Betriebsgruppe beim Arbeitsamt Südwest, warnte davor, das Angebot abzulehnen. "Bei über vier Millionen Arbeitslosen fallen wir damit auf den Bauch. Die Sache mit der Arbeitszeit sei ein Politikum, so Smolinski. "Hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt, helfen wir mit, durch noch mehr Überstunden weitere Arbeitsplätze zu vernichten." Man müsse das Gesamtpaket sehen. Wie sich herausstellte, sind vor allem in den Arbeiterbereichen enorme finanzielle Einbußen zu erwarten. Außerdem sei, so Frank Bäsler, der Flächentarifvertrag in Gefahr. "Bald machen alle Betriebe und Verwaltungen im öffentlichen Dienst was sie wollen", äußerte der BVG-Experte besorgt. Die Entkopplung zwischen Ost und West werde für weitere 15 Monate festgeschrieben. Unklar sei für viele, warum überhaupt gestreikt werden soll, gab ein Kollege zu bedenken. 3,1 % mehr Lohn bzw. Gehalt sei mehr, als jemals erwartet wurde. Für die Jugend sei fast nichts erreicht worden, stellten mehrere Redner betrübt fest. Dennoch hätte alles viel schlimmer kommen können. Der Horrorkatalog der
Arbeitgeberverbände sei vom Tisch, informierte Werner Schaberg. Dieser sah u.a. vor, den AZV-Tag im öffentlichen Dienst generell auf den Rosenmontag zu verlegen.

Insgesamt konnte als Bewertung der Berliner Kollegen folgendes festgehalten werden: Die Anhebung der Löhne und Gehälter ist akzeptabel. Es bestehen jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Laufzeit und ihrer Auswirkungen auf eine gemeinsame Tarifrunde 2000 für West und Ost. Das fehlende Angebot hinsichtlich einer verbindlichen Übernahmeregelung für Auszubildende ist nicht akzeptabel.

Mit 19 Nein-, 2 Ja-Stimmen und 3 Enthaltungen wurde das Gesamtergebnis in Berlin daher abgelehnt - damit standen die Berliner jedoch "mal wieder" allein auf weiter Flur.
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