MaximJobs und Macjobs
Löhne sind Kosten. Kosten erhöhen die Preise "unserer" Produkte auf dem
Weltmarkt. Hohe Preise verringern "unsere" Konkurrenzfähigkeit. Können wir
nicht mehr konkurrieren, fallen wir aus dem Weltmarkt, auf den wir mit 40% unserer
Nahrungsmittel, 80% unserer Energie usw. angewiesen sind. Hohe Löhne chweiz wird Albanien
Mitteleuropas. Armut, Isolation, Auswanderung....
Die Löhne bzw. Lohnstückkosten müssen gesenkt werden - kein Problem. Falls zugleich die
Preise für die Lebenshaltung sinken (Miete, Nahrung, Gesundheit). Wenn diese Produkte
aber mit den gleichen hohen Lohnkosten hergestellt werden, können ihre Preise nicht
sinken. Die Mieten sind an den Kapital- und Immobilienmarkt gekettet. Also müssen zuerst
die Löhne in den "Haushaltsektoren" gesenkt werden. Hausfrauen müssen mehr
Gratisarbeit leisten, Bauern bekommen niedrigere Preise, Krankenschwestern weniger Lohn,
Bauarbeiter keinen GAV usw. Der Staat "spart". Der Arbeitsmarkt teilt sich in
zwei Märkte: einen für Weltmarktarbeiter (Magerarbeiter, Bankarbeiter, Chemiearbeiter);
und einen für Haushaltarbeiterinnen (Bäuerinnen, Gebärerinnen, Pflegerinnen,
Ausbilderinnen, Unterhalterinnen, Transporteurinnen, Reinigerinnen usw.). Es findet
sozusagen eine innere Rekolonisierung statt. Die Weltmarktarbeiter sorgen für die
Devisen, die Haushaltarbeiterinnen für die Arbeitsfähigkeit unserer
Devisenbringer-Champions. Es gibt also einige MaximJobs (hauptsächlich für Männer) und
viele MacJobs (mehrheitlich für Frauen).
Nur die Maximjobbers können für eine markante Steigerung der Produktivität
aufgepäppelt werden (Lean Production) und dies ist in der Tat in der Schweiz auch
geschehen: die Lohnstückkosten sind international durchaus konkurrenzfähig. Hohe
Arbeitsintensität erfordert aber eine ganze Palette sie umgebender Dienste, die nicht zu
teuer werden dürfen.
Der eigentliche Lohnangriff erfolgt darum bei den Macjobbers, deren Arbeiten weniger
leicht zu "leanisieren" sind (vgl. Lehrerinnen, Krankenpflegerinnen - es gibt
noch keine Arschputzmaschine). Zum Teil sind diese Macjobbers geographisch ausgelagert,
sorgen also Hungerlöhne der Bananenpflücker für billige Bananen für die Kinder der
Maxim- oder Macjobbers. Vgl. auch die tiefen Kaffeepreise und die wichtige Rolle der
Kaffeepausen für die "Gruppenqualitätsgespräche" der neuen japanoiden
Arbeitsformen.
Wie raus?
Die kritische Frage wird also das Überleben und die Arbeitsbefähigung der MacJobbers.
Sie können kein MaximNiveau beanspruchen, wenn ihre dafür nötigen Löhne (sten) nicht
wieder die Konkurrenzfähigkeit der Champions untergraben sollen. Sie müssen ihren
Lebensstandard senken, werden zu Working Poor, müssen auf einen Teil ihres Lebens
verzichten (früher sterben wegen reduzierter, "rationalisierter"
Gesundheitsversorgung), sich ausserhalb der Marktwirtschaft durchschlagen. "Wir"
können uns den "Luxus" eines ausgebauten Sozialstaats nicht mehr leisten,
geschweige denn einen weiteren Ausbau (Arbeitgeberpräsident Haslers berüchtigtes
Moratorium).
Das Sich-ausserhalb-durchschlagen ist allerdings sehr schwierig, weil uns keine Ressourcen
zur Verfügung stehen (Zeit, Land, Tiere, Know How, Werkzeuge, Connections), ja laufend
verschwinden. In den reicheren Ländern (Schweiz) besteht wegen des sehr hohen
(Weltmarktwährungs-)-Lohnniveaus (vorläufig) noch ein gewisser Spielraum:
Teilzeitemigration in billige Länder (Tourismus), einfaches Leben, Nischen. Die Armut
nimmt sogar neue kulturelle Formen an, wird zu einer Mode: Social Beat, Punkismus,
Generation X. In ärmeren Ländern kann die Lage nicht so philosophisch uminterpretiert
werden. Dort führt der Engpass heute überall zu Gewaltausbrüchen: Krieg,
"Fundamentalismus", Krawalle. Statt Social Beat und Overallmode haben wir
Jugoslawien, Ruanda, Kuba... De facto gibt es in unserem Land zwei Geldkreisläufe: einen
"internen" Girokreislauf, in dem Haushaltfranken verschoben werden; und einen
Weltmarktfranken, mit dem internationale Produkte verkauft und gekauft, bzw.
Devisenfangnetze ausgeworfen werden (Finanzgeschäfte, Kasinokapitalismus). Der
Weltmarktfranken ist gut 10 bis 100 mal mehr "wert" als der interne Girofranken,
was z.B. daraus ersichtlich ist, dass eine russische Arbeiterin 40 Franken pro Monat
verdient, wenn man ihren Rubellohn umrechnet. Sie lebt aber sicher nicht von 40 Franken,
sondern real von vielleicht 400 oder 800 (plus Garten). Es ist daher der "teure"
Weltmarktfranken, der die internen Kosten erhöht. Es gibt keinen vernünftigen Grund
(ausser den Vorschriften des IWF), den Girofranken vom Weltmarktfranken zu entkoppeln. Gut
50% unseres Lohnes "sehen" wir sowieso nie
(Miete+Steuern+Versicherungen+Lebensmittel). Es würde genügen, wenn ca. 20% unserer
Löhne in Franken ausbezahlt würden (für Auslandferien z.B.).
Die beiden Geldkreisläufe sind selbstverständlich bei uns so vielfältig verknüpft,
dass sie kaum mehr entflochten werden können. Denken wir nur daran, dass unsere Mieten an
Immobilieninvestitionen gekettet sind, die aus internationalen Kapital getätigt werden
und sozusagen das Grundpfand vieler Bankgeschäfte bilden. Welches Geld benützt wird,
wäre bei uns nur eine Formfrage. In den meisten Ländern sind jedoch die beiden
Kreisläufe so stark getrennt, dass die meisten Menschen auf diesem Planeten de facto
Gefangene ihrer Nationalhaushalte sind (vgl. China). Auch nach dem Fall der Mauer können
die meisten Osteuropäerinnen ihre Länder nicht verlassen. Für Menschen aus dem Süden
gibt es nur die Flucht.
Schutz vor dem Dollar
Das Unterlaufen gewisser Weltmarktzwänge durch nichtkonvertible interne Währungen stört
allerdings die Gesamteffizienz des Systems. Es lädt die Arbeiterinnen dazu ein, mit ihren
nationalen Regierungen/Kapitalisten Sonderdeals abzuschliessen und muss so den freien
Kreislauf des Weltkapitals behindern. Die Politik von Weltbank, IWF und WTO besteht daher
darin, alle Währungen konvertibel zu halten und somit über den "freien"
Kapital(ab)fluss den Druck auf die Arbeiterinnen international steuern zu können. Wenn
die Währungen nicht konvertibel sind, sind sie gegen die Macht des Dollars immun - und
das wäre ganz schlecht für die Neue Weltordnung. Da auch ganz harmlose Transaktionen in
diesen "luxuriösen" Weltmarktfranken vollzogen werden müssen, dieser jedoch
immer weniger zur Verfügung steht (Arbeitslosigkeit, Realohnverluste, weniger
Sozialbeiträge), kommen viele möglichen Tauschakte nicht mehr zustande. Es wäre ja nur
logisch, dass eine arbeitslose Coiffeuse einer arbeitslosen Malerin zehn Mal die Haare
schneiden und diese ihr das Wohnzimmer streichen würde. Dass die beiden sich jedoch genau
dann treffen, wenn diese Arbeiten fällig sind, ist eher unwahrscheinlich. Das umso mehr,
als die soziale Isolation in den letzten Jahren immer weiter getrieben wurde - die
Haushaltgrösse ist weiter gesunken und es gibt mehr Singles denn je. Gewisse Arbeiten
(MaximJobs) sind überdies so spezialisiert, dass sie einzeln nicht ausgetauscht werden
können. Wer braucht z.B. die freundlichen Dienste einer entlassenen
Billetschalter-beamtin? Warum also schaffen wir uns also nicht unsere eigenen Währungen
(Flecus, Talente) und mobilisieren so unseren Reichtum für uns selbst, Weltmarkt hin oder
her? Warum koppeln wir uns nicht vom System ab, wenn es uns so deutlich zu verstehen gibt,
dass es uns nicht mehr brauchen kann, ausser zu ruinösen Bedingungen?
Es gibt keine Wunder
Dieser Ausweg funktioniert allerdings nur in einem gewissen Rahmen und unter gewissen
Bedingungen. Ausgeschlossen von den grundlegenden Ressourcen (Flecus kaufen weder Boden
noch Erdöl) könnten wir höchstens die Macjobs unter uns selbst etwas umverteilen. Die
Wiederaneignung von Ressourcen kann nicht durch eigene Währungen geschehen, sondern nur
durch kollektive Anstrengungen (Besetzungen oder Rückkauf). Damit interne Währungen
attraktiv werden, müssen die durch sie vermittelten Dienste örtlich relativ kompakt und
sehr vielfältig auftreten, weil sonst zuviele Leute zu lange auf ihren Gutscheinen
sitzenbleiben oder zu weit reisen müssen. Das bedeutet, dass vor (oder gleichzeitg mit)
der Einführung der Währung eine Wiederherstellung organischer gesellschaftlicher
Einheiten erfolgen muss. Die Schaffung interner Gegenmärkte ist eine organisatorische
Aufgabe, die kulturelle und politische Aktivität erfordert. Wenn solche
Lebensorganisationen bestehen, ergeben sich aber für den Austausch einfachere
Möglichkeiten als künstliche Währungen: Gratisgemeinschaftsarbeit,
Girostundenverrechnungen, spontane direkte Hilfe. Die "Transaktionskosten"
sinken, wenn Menschen zusammen leben und arbeiten, wenn Leben und Tausch zusammenfallen.
Es ist einfacher und kostengünstiger, Synergien raum/zeitlich statt per Computer (und
S-Bahn) herzustellen.
Global gesehen führt ohnehin kein Weg an einer Lebensweise vorbei, die durch kollektive
Nutzungen unseren parasitären Verschleiss von Energie und Ressourcen überwindet. Wir
werden nicht ewig zu jenen 20% gehören können, die 80% der Ressourcen verbrauchen. Der
Kampf gegen dieses "Modell" hat sich weltweit verstärkt (z.B. Chiapas), und die
Alternative relativ grosser Gemeinschaften (Dorfgenossenschaften, Barrios usw.), die (in
der kapitalistischen Terminologie) interne Märkte bilden, zeichnet sich überall ab. Die
beste "Hilfe" für diese Kämpfe besteht darin, dass wir hier das selbe tun.
Dabei müssen wir keine Angst haben, keinen politischen Ärger zu bekommen (siehe
Chiapas).
Wir müssen "billiger" werden
Statt uns auf regulatorische Wundermittel einzulassen, sollten wir uns lieber auf die
sozialen Basics konzentrieren. Es stimmt, dass neue gemeinschaftsbezogene Arbeitsformen
(z.B. die Giroarbeit) im heutigen Zusammenhang dem Kapital helfen würden, die
Haushaltkosten zu senken und auch den Staat von Sozialaufgaben entlasten würden (wenn wir
unsere Kranken selbst pflegen). Wir würden damit sogar gewisse Lohnkosten-senkungen
ermöglichen und den Gewerkschaften in den Rücken fallen. Wir können uns auf solche
Arbeitsformen also nur einlassen, wenn wir dafür Zugang zu Ressourcen (Land) und sozialer
Organisation bekommen. Nur neue Gemeinschaften an eigenen Orten garantieren uns, dass
unsere Arbeit wirklich uns selbst zugute kommt und uns neue Freiheitsräume eröffnet.
Zugleich müssen wir darauf bestehen, dass alle Mitglieder solcher Gemeinschaften
weiterhin Zugang zu externen Jobs (seien es Maxims oder Macs) haben, dass also die
Gemeinschaften nicht MacGhettos werden, sondern Zitadellen auch für die
Auseinander-setzungen mit dem ansässigen MaximWeltmarktkapital. So kann der Gewinn von
sozietärer Autonomie mit der Stärkung in den klassischen Lohnkämpfen verbunden werden.
Die Einführung neuer Geld- und Arbeitsformen ohne Land und kommunitäre Organisation
würde lediglich zu einer Selbstentwertung und zum Unterlaufen der Lohnkämpfe führen.
Wir würden nicht für uns, sondern für das Weltmarktkapital rationalisieren und damit
das alte ruinöse "Modell" nochmals stützen. Wir müssen "billiger"
werden, aber für uns, nicht für die Profiteure. Dazu muss es "uns" aber erst
mal real geben.
P.M. 13.8.94 . Dieser und andere Texte zur Kritik der politischen Ökonomie gibt es bei:
http://www.magnet.at/krisis/ |