Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Extreme Rechte in der Offensive – bei Wahlergebnissen und auf ideologischer Ebene

03/11

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Der Front National punktet bei den französischen Bezirksparlamentswahlen im ersten Durchgang; und liegt nur noch rund zwei Prozentpunkte hinter der konservativ-wirtschaftsliberalen Regierungspartei UMP. Letztere weigert sich, in Stichwahlen zwischen Sozialdemokratie und Rechtsdemokraten zu einer Wahlentscheidung aufzurufen. Unterdessen konnte die französische extreme Rechte in den letzten Wochen von ein paar neuen Tabubrüchen profitieren – und buhlt um Juden, um frühere Linke, um Gewerkschafter.

Der erste Durchgang der französischen Bezirksparlamentswahlen vom Sonntag, den 20. März 11 bestätigt eindrücklich das aktuelle politische „Hoch“ für die extreme Rechte des Landes.  

Die – aufgrund des Namens der zugrundeliegenden Wahlkreise - als „Kantonalwahlen“ bezeichneten Stimmgänge für die Bezirksparlamente in den insgesamt 100 französischen Départements sind ungefähr mit deutschen Kreistagswahlen zu vergleichen. Wichtige Unterschiede liegen jedoch darin, dass (erstens) die französischen Bezirksparlamente sehr viel bedeutendere politische Funktionen und Vollmachten haben als die deutschen Kreistage: Das Département ist, seit der Französischen Revolution – welche die historischen „Provinzen“, die an Feudalstrukturen geknüpft waren, zerschlug und die Verwaltungsbezirke an ihre Stelle setzte – fast zwei Jahrhunderte lang die einzige Verwaltungsebene zwischen Zentralstaat und Kommunen gewesen. Zwar existieren seit nunmehr über dreibig Jahren auch die insgesamt 22 „Regionen“, die im Aufbau oder in der Fläche sehr vergröbert mit den deutschen Bundesländern vergleichbar sind. Doch weisen die französischen Regionen, die z.Bsp. keinerlei Gesetzgebungsbefugnis besitzen, sehr viel geringere Vollmachten auf als die deutschen „Länder“; und der Verwaltungsbezirk bleibt ein wichtiges Glied in der Kette, die vom Zentralstaat bis zur Kommune reicht. Zum Zweiten finden die Bezirksparlamentswahlen in gröberen Teilen Frankreichs am selben Tag statt, was ihrer Wahl zusätzliche politische Bedeutung verleiht. 

Am 20. und 27. März werden insgesamt 2.026 Sitze in den französischen Bezirksparlamenten neu besetzt, d.h. insgesamt die Hälfte der Mandatsträger/innen wird neu gewählt. (Es handelt sich jeweils um eine Teil-Erneuerung, es wird oft nicht in allen „Kantonen“ eines Verwaltungsbezirks gleichzeitig gewählt.) Dabei handelt es sich ferner um die einzige stattfindende Wahl von Bedeutung im ganzen Jahr 2011, also um eine Art letzter „Generalprobe“ vor den Präsidentschafts- und kurz darauf folgenden Parlamentswahlen im Frühjahr 2012. Das „Superwahljahr“, das in nunmehr dreizehn Monaten anfängt, wirft also seine Schatten voraus.

Der rechtsextreme Front National tat natürlich Alles, um den „Marine-Effekt“ zu bestätigen, d.h. von dem gewaltigen Auftrieb zu profitieren, den seine neue Chefin und Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen derzeit in den Umfragen profitiert. In Befragungen, die zwischen dem 05. und dem 08. März dieses Jahres stattfanden, landete Marine Le Pen zwar respektive auf dem ersten und dem dritten Platz unter den „gewichtigen“ Präsidentschaftskandidat/inn/en für 2012 – doch ihr eigenes, prognostiziertes Ergebnis variierte dabei nicht sehr stark. Es schwankte dabei zwischen 21 und 24 Prozent der Stimmen. Was sich von Umfrag zu Umfrage verändert, waren die zu erwartenden Stimmenanteile ihrer Konkurrenten unter den Präsidentschaftsbewerber/inne/n, besonders auf der sozialdemokratischen Seite.

Rekordergebnis(se)

Bei den Bezirksparlamentswahlen trat der FN in insgesamt 1.440 „Kantonen“ (von 2.026, in denen am vorigen Sonntag gewählt wurde) mit eigenen Kandidaten an. Nicht überall hatte er Bewerber/innen finden können. Dort, wo er antrat, erhielt der Front National dabei im Durchschnitt 19,18 % aller abgegebenen Schnitten. Dies ist, auf überregionaler Ebene, ein Rekordergebnis für ihn. Zwei Drittel seiner Wahlkreisergebnisse liegen über 15 Prozent. 

Im nationalen Durchschnittsergebnis (bezogen auf alle 2.026 Kantone, wo am Sonntag gewählt wurde) schnitt der FN dabei – laut Berechnung der Pariser Abendzeitung ,Le Monde’ - mit 15,56 Prozent der Stimmen ab, und liegt damit nur noch zwei Prozentpunkte hinter der Regierungspartei UMP, denn die Partei von Nicolas Sarkozy – unter ihrem neuen Vorsitzenden Jean-François Copé – erhielt 17 Prozent. (Laut den Zählungen der allermeisten Medien und Presseorgane. Allerdings liegt die UMP in den Angaben von ,Le Monde’ bei 19,3 %. Diese Unterschiede erklären sich daraus, dass bei manchmal „unpolitisch“ auftretenden örtlichen Listen mitunter auf den ersten Blick fraglich ist, welchem Lager sie zuzurechnen sind.) 

In die Spitzenposition unter den einzelnen Parteien kam die französische Sozialdemokratie mit insgesamt 25 Prozent; die aus der französischen KP und einer Abspaltung von der Sozialdemokratie gebildete „Linksfront“ kam auf rund 8 Prozent.  

Allerdings spielt sich derzeit noch eine Polemik zwischen verschiedenen Oppositionsparteien – sowohl dem Parti Socialiste als auch dem Front National – einerseits und Innenminister Claude Guéant auf der anderen Seite statt. Dieser hatte das Ergebnis für die bürgerliche, konservativ-wirtschaftsliberale Rechte seinerseits offiziell mit über 30 Prozent beziffert. Dabei hatte er jedoch mächtig getrickst und diverse zwar bürgerliche, doch von der UMP unabhängige Listen wie die ,Divers droite’ (sehr ungefähr mit den bürgerlichen „Freien Wählerlisten“ in deutschen Kommunalwahlen vergleichbar) einfach mit in das Ergebnis für die Regierungspartei mit einbezogen. 

Marine Le Pen und ihr Vater & Vorgänger im Parteivorsitz, Jean-Marie Le Pen, triumphierten am Sonntag Abend und sprachen von einem „historischen Ergebnis“. Tatsächlich hat die rechtsextreme Partei noch nie bei einer Listenwahl – bei Präsidentschaftswahlen profitiert sie von einem gewissen Personenbonus – derart hoch abgeschnitten wie derzeit. Und zieht man ihr Durchschnittsergebnis nur in jenen 1.440 Kantonen, wo Kandidaten des FN antraten (und nicht in allen 2.026 Wahlkreisen vom letzten Sonntag, die also auch jene ohne FN-Kandidatur umfassen) heran, dann erhielt sie am vorigen Sonntag ihr höchstes überregionales Ergebnis überhaupt in ihrer Geschichte.  

Ferner gehören die Bezirksparlamentswahlen nicht zu den einfachsten für die rechtsextreme Partei, die sehr viel leichter bei Präsidentschaftswahlen (wo es hauptsächlich auf die Person des/r einzelnen Kandidaten/Kandidatin ankommt) absahnen kann. Denn aus diesem Anlass muss sie zahlreiche, oft relativ unbekannte örtliche Bewerber/innen auftreiben, die nicht dieselbe „Aura des Volkstribunen“ aufweisen wie etwa Le Pen (Vater oder Tochter). Ferner hat der FN oft mit der Tendenz zur schwachen Wahlbeteiligung zu kämpfen, denn seine Wählerschaft – die tendenziell „alle Politiker“ für irgendwie „korrupt“ hält, mit einer Ausnahme natürlich für die Le Pens – interessiert sich oft nicht sonderlich stark für die etablierte Parteipolitik.

In diesem Falle lag die Enthaltung frankreichweit (dort, wo am Sonntag gewählt wurde) bei 55,7 Prozent und damit sehr viel höher als bei den vorausgegangenen „Kantonalwahlen“ – diese fanden in denselben Bezirken wie jetzt im Jahr 2004 statt. Damals betrug die Stimmenthaltung noch 36,09 % und 33,51 % im zweiten Durchgang. Anscheinend konnte der FN, dessen Stimmenanteile an den meisten Orten stark im Steigen begriffen sind, aber dieses Mal von der Wahlenthaltung profitieren: Seine Wählerschaft ist im Augenblick stärker motiviert als die der anderen Parteien, wohl durch die Aussicht beflügelt, „es denen mal richtig zu zeigen“.

Vielerorts zieht die extreme Rechte nun in die Stichwahlen ein. Dafür sind (nach der jüngsten Wahlrechtsänderung) nunmehr 12,5 % der Stimmen der in die Wählerlisten eingetragenen Stimmberechtigten erforderlich – zuvor, ohne die letzte Änderung am Wahlrecht, waren es noch 12,5 % der abgegebenen Stimmen. Das derart erfolgte „Anheben der Hürde“ sollte, aus Sicht der regierenden Konservativen, dem FN den Einzug in die Stichwahl erschweren. Diese Taktik, durch Wahlrechtsmanipulation, ging nicht auf. Zwar lag die Hürde für die rechtsextreme Partei doch ziemlich hoch: Bei einer durchschnittlichen Stimmenthaltung von über der Hälfte der Wahlberechtigten musste ein/e Kandidat/in deswegen im Schnitt über 25 Prozent der abgegebenen Stimmen einfahren, um in die zweite Runde zu kommen.

Vielerorts ist dies dem FN jedoch gelungen. So konnte die rechtsextreme Partei in – je nach Zählung – 402 Kantonen (laut Pariser Abendzeitung ,Le Monde’) respektive 399 Kantonen (laut Wochenmagazin ,Nouvel Observateur’) in die Stichwahl einziehen. Allein in 394 davon befinden rechtsextreme Kandidaten sich nun in einer „Duell“situation, d.h. es treten überhaupt nur noch zwei Bewerber in der Stichwahl gegeneinander an. Dabei steht er in 206 Fällen der französischen Sozialdemokratie gegenüber. Und ferner gelangte der FN in 39 respektive (laut ,Le Monde’) 40 Kantonen im ersten Wahlgang in eine Führungsposition, d.h. sein/e Bewerber/in schnitt unter allen am höchsten ab.

Am Mittwoch gab der FN-Vizepräsident (und Lebensgefährte von Marine Le Pen), Louis Aliot, als Wahlziel seiner Partei „10 bis 50 Gewählte im zweiten Durchgang“ an.

Am höchste platziert sind Bewerber des Front National vor der zweiten Runde besonders in mehreren Départements in Südostfrankreich: dem Bezirk von Marseille (Bouches-du-Rhône) mit 25 Kandidaturen in der Stichwahl und 26,86 % in der ersten Runde, von Toulon (Var) mit 16 und 27,54 % für den FN am letzten Sonntag, und dem Bezirk von Nizza (Alpes-Maritimes) mit 14 aufrecht erhaltenen Bewerbern und 25,85 % in der ersten Runde. Ähnlich wie im südwestfranzösischen Bezirk von Montpellier (Hérault) mit noch 13 FN-Kandidaten im zweiten Wahlgang und 22,93 % in der ersten Runde. In diesen überwiegend mittelmeernahen Zonen sind es vor allem die früheren französischen Algeriensiedler oder Pieds Noirs - eine Art Äquivalent zum deutschen „Vertriebenen“milieu - , auf denen die hohen Wahlergebnisse des FN beruhen. Seit den 1980er Jahren hatte dieses Milieu oftmals massiv für die extreme Rechte gestimmt, mit Ausnahme der Präsidentschaftswahl 2007, bei denen es vorübergehend Jean-Marie Le Pen zugunsten von Nicolas Sarkozy den Rücken gekehrt hatte.

Auch vom Mittelmeer und der früheren Siedlungskolonie Algerien weit entfernte Zonen sind unterdessen vom neuen Durchbruch des FN betroffen. Dies gilt insbesondere für industrielle Krisenbezirke im Norden und Osten Frankreichs, wo die FN-Wählerschaft (anders als im Falle des Pieds Noirs-Milieus) zum Teil auch aus der früheren Anhängerschaft der Linken kommt. Viele Wähler/innen rekrutierte der FN bei den Bezirksparlamentswahlen so im Bezirk Pas-de-Calais, einem früheren Bergbaurevier (mit 20 Kandidaten in der Stichwahl und 22,86 % in der ersten Runde) - der neue Generalsekretär der Partei, Steeve Briois, erhielt in seinem Wahlkreis dort gar über 36 Prozent -, im Bezirk von Lille (Nord) mit 17 Kandidaturen in der Stichwahl und 23,09 % in der ersten Runde. Aber auch in Lothringen im Département Moselle, geprägt durch das Verschwinden der früheren Stahlindustrie, wo der FN in der ersten Runde 23,33 % erhielt und in 16 Kantonen in die Stichwahl einzieht.

Ferner gelangen dem FN auch im weiteren Einzugsraum rund um Paris einige bemerkenswerte Erfolge. Namentlich im Département Oise, und 50 Kilometer nördlich von Paris, was freilich nicht wirklich überraschend kommt, da die extreme Rechte hier (unter anderem aufgrund der starken örtlichen Präsenz von Militärs sowie früherer Algeriensiedler) seit langen Jahren über Hochburgen verfügt. Bei diesen diesjährigen Bezirksparlamentswahlen erhielt der FN dort 24,21 % der Stimmen. Aber insbesondere auch im Bezirks Seine-et-Marne (um Meaux und Mélun, östlich von Paris), einem vom Ausufern der Verstädterung und der Vorstadtproblematik beeinflussten Département, gelangen dem FN dieses Mal neue Durchbrüche. Dort erzielte die rechtsextreme Partei im ersten Wahlgang 21,64 % und zog dadurch in 12 Wahlkreisen (Kantonen) in die Stichwahlen ein. Im Hinblick auf die Stichwahl kann sich unterdessen die konservative Rechte Hoffnungen darauf machen, diesen bislang sozialdemokratisch geführten Bezirk aufzurollen. Ähnlich hoch liegt der Anteil der FN-Stimmen inzwischen in einem anderen Bezirk des Pariser Groβraums, Val-d’Oise (um Cergy-Pontoise), wo die Partei in der ersten Runde 20,18 % erhielt. Auch dieser bislang „sozialistisch“ geführte Bezirk könnte an die bürgerliche Rechte fallen.

Konservative: mit Sozialdemokratie gegen den FN, oder umgekehrt, oder offiziell „Weder - Noch“?

Eine wichtige politische Frage wird nun lauten, wie sich der konservativ-wirtschaftsliberale Bürgerblock bis zum kommenden Sonntag dort positionieren wird, wo FN- und sozialdemokratische Kandidat/inn/en einander gegenüberstehen. Der Parteivorsitzende der UMP, Jean-François Copé, erklärte am Sonntag Abend, seinen Wähler/inne/n „die Freiheit (der Entscheidung) zu überlassen“. Er erklärte, für die UMP komme dabei „weder eine Allianz mit dem FN noch eine ,republikanische Front’“ in Betracht, d.h. weder ein Stimmaufruf zugunsten rechtsextremer Kandidaten noch ein Bündnis mit den übrigen pro-demokratischen Parteien – und konkret vor allem ein Aufruf dazu, für die sozialdemokratischen Bewerber/innen zu stimmen -, um dem FN den Weg zu versperren.

Diese Positionierung rief schon seit Sonntag Abend und am Montag früh teilweise heftige Kritik hervor, zumal die konservativ-wirtschaftsliberale Rechte dadurch offenkundig keinen qualitativen Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Neofaschisten aufzumachen bereit ist. Am Montag Nachmittag bekräftigte Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Linie seines Nachfolgers im Parteivorsitz der UMP, Copé. Doch am Abend widersprach der (in seinen Regierungsfunktionen ihm untergebene) Premierminister François Fillon dann Sarkozy wie auch Copé: Er rief für den Fall von Stichwahlen zwischen Sozialdemokratie und FN hörbar zur Wahl der „linken“ Listen auf. Daraufhin sprach Staatspräsident Sarkozy jedoch am Mittwoch aus Anlass der Kabinettssitzung ein Machtwort, und klopfte dadurch die Linie fest. Er stauchte „die Minister“ zusammen, die aus der Reihe getanzt seien, und führte dazu aus: „Wenn Sie den FN bekämpfen wollen, dann tun Sie es in der Sache, aber ohne sich auf den Boden der Moral zu stellen.“ (Anm.: d.h. ohne die rechtsextreme Partei etwa als rassistisch zu brandmarken) Und weiter im Originalton: „Ein Minister ist nicht ein (beliebiger) Politiker wie jeder andere, sondern er hat sich einer kollektiven Solidarität zu fügen, vor allem in Wahlperioden“, im Deutschen nennt man so etwas Kabinettsdisziplin. „Eine Linie ist vorgegeben worden. Es ist zu einfach, sich dazu zu entscheiden, irgend etwas zu unterstützen, und sich vom Rest (Anm.: der Regierungs-Rechten) zu distanzieren.“ Dem Berichterstatter zufolge soll Sarkozy sich über François Fillon, seinen Untergegebenen und zugleich vielleicht gewichtigsten innerrechten Rivalen neben Parteichef Jean-François Copé, „heftig irritiert“ gezeigt haben. - Vgl. http://www.lefigaro.fr 

Sozialdemokratische Spitzenpolitiker wie ihr früherer Parteivorsitzender François Hollande erklärten ihrerseits, dort, wo UMP- und FN-Kandidaten einander gegenüber stünden, ohne zu zögern zur Wahl der bürgerlichen Rechten aufzurufen. Ähnlich äuberte sich u.a. auch Benoît Hamon, Sprecher der Parteilinken. Dies entspricht im übrigen dem Wahlverhalten, das die (etablierte und zum Teil auch die radikale) Linke Ende April und Anfang Mai 2002 ganz überwiegend propagierte und auch durchhielt, als der Bürgerliche Jacques Chirac und der Rechtsextreme Jean-Marie Le Pen gegeneinander in die Stichwahl um das französische Präsidentenamt eingezogen waren. 

Im bürgerlichen Lager kritisierte das zum Teil auβerhalb der Regierungspartei Sarkozys/Copés stehende Mitte-Rechts-Spektrum teilweise deutlich die Mehrheitsposition der UMP. So rief der „Zentrumspolitiker“ (und frühere Umweltminister) Jean-Louis Borloo dazu auf, gegen den FN „einen Damm zu bilden“. Die amtierende Hochschulministerin Valérie Pécresse - die selbst der UMP angehört - erklärte in ihrem eigenen Namen, sie persönlich würde im zweiten Wahlgang „für einen Kandidaten der Linken“ stimmen, falls sein Gegenüber dem FN angehöre. (Bei einer örtlichen Wahl in Hénin-Beaumont, der Hochburg von Marine Le Pen im Nord-Pas de Calais, hatte sie vor rund zwei Jahren noch eine gegenläufige Position bezogen.) Der frisch aus der UMP ausgetretene frühere Auβen- und Premierminister Dominique de Villepin, Sarkozys wohl prominentester persönlicher Widersacher - der seit Jahren auf Rache gegen Sarkozy schwört, dessen Karrierekutsche an ihm vorbei gezogen war - griff am Mittwoch ebenfalls zu scharfen Worten der Kritik. Er sprach, wie zu befürchten ist: nicht unrichtig, von einem „Dammbruch bei der UMP“ in ihrem Verhältnis zum Front National. Er wies auch daraufhin, dass laut Umfragen „40 % der UMP-Sympathisanten eine Nähe zum FN empfinden“; vgl. http://www.lefigaro.fr

Im Namen des regierenden Bürgerblocks erklärte Regierungssprecher François Baroin am Montag früh zunächst, die Position seiner Partei (der UMP) bedeute nicht, dass man qualitativ gar keinen Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Front National sehe. Aber „der FN ist keine durch die Republik verbotene Partei, (sondern) ein politischer Gegner“. Deshalb müsse man ihn „demokratisch, mit politischen Mitteln“ bekämpfen, ohne sich jedoch mit anderen Kräften „zusammenzuschlieben, zu fusionieren“. Die Grünen-Spitzenpolitikerin Cécile Duflot ihrerseits warf am Montag der UMP vor, in einer „totalen Konfusion gegenüber dem FN“ zu stecken. Allerdings führte dies noch zu einigen „familiären“ Irritationen; denn ihr eigener Lebensgefährte, der grüne Kandidat Xavier Cantat, wollte sich in seinem Wahlkreis nicht zwischen einem parteikommunistischen Kandidaten - der in der ersten Runde mit 47,7 % hoch abschnitt, doch durch ihn als Stalinist, „hasserfüllt“ und „gewalttätig“ bezeichnet wurde - und dem des Front National entscheiden. Cantat verweigerte deswegen zunächst jeglichen Wahlaufruf, woraufhin sich die grüne Parteisprecherin Cécile Duflot dann jedoch am Donnerstag gezwungermaβen von ihm distanzierte. (Vgl. http://actu.orange.fr/p

Am Mittwoch kam durch eine Umfrage heraus, dass (sofern ihre Ergebnisse die Situation korrekt widerspiegeln) 77 % der Sympathisanten der Regierungspartei UMP deren Position „Weder Parti Socialiste noch Front National“ bezüglich eines (Nicht-)Wahlaufrufs für die Stichwahlen vom Prinzip her „richtig finden“. Vgl. dazu http://actu.orange.fr/  oder http://www.lefigaro.fr 

Ihrerseits rief Marine Le Pen seit dem späten Sonntag Abend mehrfach dazu auf, sich in einer Stichwahl zwischen Sozialdemokratie und Bürgerlichen der UMP der Stimme zu enthalten. Beide führten „dieselbe globalistische Politik“ und teilten sich „seit 30 Jahren die Macht“, die „Wahl zwischen diesen beiden“ sei jene „zwischen Pest und Syphilis“. Im gleichen Atemzug beglückwünschte sie im Radiosender ‚Europe 1’ den UMP-Parteivorsitzenden Jean-François Copé dazu, seine „weise Entscheidung“ getroffen zu haben, nicht zur Wahl der Sozialdemokratie gegen jene des FN in den Stichwahlen aufzurufen. Seine Wählerschaft „hätte einen solchen Aufruf ohnehin nicht befolgt“, mokierte sie sich, und bezeichnete Copés Position ferner als „ziemlich demokratisch (korrekt)“. 

In ihrer Ausgabe vom Montag Abend zitiert die Pariser Abendzeitung Le Monde den stellvertretenden Leiter des Meinungsforschersinstituts IFOP, Jérôme Fourquet, mit folgenden Worten: „Es besteht bei vielen Themen eine ideologische Durchlässigkeit zwischen der Wählerschaft der UMP und des FN. (Parteivorsitzender) Jean-François Copé hat wohl verstanden, dass ein Aufruf dazu, im zweiten Wahlgang (systematisch) gegen den FN zu stimmen, keinen Erfolg gehabt hätte“,  gemeint ist: bei der eigenen Wählerschaft der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP. Einerseits hätte die Parteiführung insofern befürchten müssen, dass ein Aufruf von ihrer Seite, in den Stichwahlen zugunsten der Sozialdemokratie zu stimmen, nur teilweise befolgt worden wäre. Aufgrund ihrer ablehnenden Position oder ihre Nicht-Verhaltens erhofft die Partei sich nun wohl - umgekehrt -, dass dort, wo keine FN-Kandidaten antreten, deren verhinderte Wähler/innen teilweise für ihre Listen stimmen könnten.  

Hinzufügen müsste man, dass diese „Durchlässigkeit“ (im Original: porosité) in jüngster Zeit stark angewachsen ist; besonders seitdem das Regierungslager im November 2009 die staatsoffizielle „Debatte über die nationale Identität“ lancierte - die jedoch im Februar 2010 abgebrochen wurde -, und jüngster Zeit jetzt eine neue Pseudo-Debatte über „den Platz des Islam in Frankreich“ vom Zaun zu brechen versucht. Zu letzterem Thema wird am 05. April dieses Jahres ein Kolloquium der Regierungspartei UMP stattfinden, auch wenn dieser Vorstoβ sehr viel Kritik erntete. Als Antwort auf diese Kritiken ergriff die UMP nunmehr die Initiative dazu, parallel zu ihrem Kolloquium - bei dem es an zentraler Stelle darum gehen wird, von den in Frankreich lebenden Moslems/Muslimen die Anpassung an eine Art Leitkultur zu fordern - eine „Union des Français musulmans“ (Union muslimischer Franzosen) zu gründen. Der benutzte Begriff, „Français musulmans“, atmet freilich eine intensive Kolonialvergangenheit aus: So bezeichnete man im französisch kolonisierten Algerien von vor 1962 die „Eingeborenen“ (indigènes, oder eben auch Français musulmans d’Algérie), welche im konfessionellen Apartheidsystem des „französischen Algerien“ die geringsten Rechte besaβen. Hinter den Christen und Juden, deren beide Gruppen im Prinzip die vollen Bürgerrechte genossen, wiesen die Français musulmans d’Algérie einen Status als Rechtssubjekte dritter Klasse auf - bis zur algerischen Unabhängigkeit. 

Ferner hat der seit Ende Februar d.J. amtierende neue Innenminister, Claude Guéant, vier Tage vor den Bezirksparlamentswahlen - am 17. März 11 - öffentlich behauptet, viele Franzosen fühlten sich in ihrem Land „aufgrund der unkontrollierten Immigration nicht länger zu Hause“. Am Tag nach dem ersten Durchgang der Bezirksparlamentswahlen wiederholte er diese Äuβerung, die viel Kritik hervorgerufen hatte, indem er von einem „Zu viel an Zuwanderung“ (excès d’immigration) sprach, aus dem aktuelle gesellschaftliche Probleme erwüchsen. Als Reaktion auf diese Ausfälle hat Marine Le Pen dem amtierenden Innenminister übrigens in einem Fernsehstudio versprochen, ihm den „Ehrenmitglieds-Ausweis“ (la Carte prestige) des Front National zu überreichen, vgl. dazu in Bildern: http://www.lefigaro.fr/ 

Tabubrüche

In den letzten Wochen konnte die extreme Rechte in Frankreich unterdessen neue „Tabubrüche“ zu ihren Gunsten verzeichnen, neue Grenzüberschreitungen, die noch unter ihrem alten Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen in dieser Form kaum denkbar gewesen wäre. 

Am vorletzten Sonntag (13. März) sollte Marine Le Pen nunmehr erstmals beim jüdischen Radiosender ,Radio J’ im Studio zu Gast sein. Eine solche Einladung war ihrem Vater, Jean-Marie Le Pen, bisher stets verweigert worden. Manch kundige Beobachter sprachen deswegen sogar von einem „Tabubruch“. (Vgl. http://droites-extremes.blog.lemonde.fr/  und http://www.lefigaro.fr/ ) Doch dann kam die Kehrtwende: Am Mittwoch, den 09. März wurde Marine Le Pen dort wieder ausgeladen, nachdem nicht wenige französische Juden sich empört gezeigt hatten. (Vgl. http://www.lefigaro.fr und http://www.lepoint.fr/ sowie http://www.lemonde.fr/ 

Zuvor hatte ihre Partei angekündigt, gegen zwei jüdische Organisationen - den Verband jüdischer Studierender in Frankreich (UEJF) sowie das Büro für Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus (BNCVA), welche die Einladung an die rechtsextreme Politikerin kritisiert hatte - Strafanzeige zu erstatten. (Vgl. http://www.lefigaro.fr ) Ihnen sei „Verleumdung“ vorzuwerfen, da sie am demokratischen Charakter des FN respektive seiner Bekehrung zu „republikanischen Werten“ öffentlich Zweifel angemeldet hätten. Die Ankündigung der Strafanzeige dürfte zu der Ausladung erheblich beigetragen haben. Auch der französische Zentralrat der jüdische Einrichtungen CRIF, dessen Führung seit gut zehn Jahren deutlich rechts (im konservativen Bereich) und auf einer strikten Pro-israelische-Regierungs-Linie angesiedelt ist, hatte die Einladung kritisiert.  

Der für das „Forum“ von Radio J verantwortliche Redakteur Frédéric Haziza rechtfertigte die Annullierung der Einladung mit den Worten, es sei unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen, das Interview unter guten Bedingungen durchzuführen“. Dennoch erklärte Haziza am Vormittag des 10. März sein „Bedauern“ über die erfolgte Ausladung. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/)  

Unterdessen wird auf einer pro-israelischen Webseite gleichwohl über eine mögliche Israel-Reise der Politikerin Marine Le Pen in naher Zukunft spekuliert. (Vgl. http://lessakele.over-blog.fr/) Bereits im Dezember 2005 hatte Marine Le Pen nach Israel zu reisen versucht, war damals jedoch (infolge von nur kurz zurückliegenden Auslassungen ihres Vaters und damaligen Parteivorsitzenden, Jean-Marie Le Pen) als unerwünschte Person behandelt worden: Es war ihr klargemacht worden, dass sie nicht von Prominenten empfangen würde, sondern alle Politiker ihr dies verweigern würden. (Vgl. http://www.hagalil.com/) Der Front National reagierte im Übrigen auf die Ausladung von Marine Le Pen bei dem jüdischen Radiosender, indem er am Donnerstag, den 10. März 11 seinerseits bekannt gab, einen „Nationalen Zirkel der französische Juden“ als Satellitenstruktur der Partei (wieder) zu gründen, vgl. http://www.lefigaro.fr/ 

Eine Struktur unter diesem Namen hat früher bereits einmal existiert, seit 1986 und in den neunziger Jahren existiert, unter Anleitung des damaligen FN-Politikers Robert Hemmerdinger. Letzterer ist im Jahr 2004 verstorben. Hemmerdinger, Jahrgang 1918, war ein französischer (elsässischer) Jude, der zunächst Gaullist und gegen Nazideutschland kämpfender Militär im Zweiten Weltkrieg war, dann aber - wie so manche frühere Nazigegner aus den Jahren 1940-44 - während der Kolonialkriege und vor allem in der politischen Konstellation des Algerienkriegs auf die extreme Rechte überschwenkte. 1985 war er der Partei Jean-Marie Le Pens beigetreten, und hatte dies damals u.a. mit den Worten begründet: „Der Feind meines Feindes ist mein Feind! Und meine Feinde, das sind die Palästinenser“; Jean-Marie Le Pen, führte er damals im Wochenmagazin L’événement du jeudi aus, sei „der einzige Politiker, der die Schlieβung des Büros der PLO in Paris fordert.“ Nach dem Ableben Hemmerdingers, der zeitweilig (1992/98) auch im Regionalparlament des Pariser Raums gesessen hatte, war es um seine Struktur völlig still geworden. Jetzt aber möchte der FN, aus (u.a. auβen)politischen Gründen und um sich vom Vorwurf des Antisemitismus freizuschwimmen, den „Zirkel“ wiederbeleben. Angeblich soll er zu Hochzeiten 1.000 Mitglieder gehabt haben, doch parteieigene Angaben und Zahlen sind beim FN immer mit hoher Vorsicht zu genieβen.  

Die jüdische Gemeinde in Frankreich ist zum Teil gespalten. Einerseits gibt es zwar nicht wenig Protest aus ihren Reihen gegen die jüngste Charmeoffensive der rechten Politikerin, und Viele erinnern sich auch an die noch nicht gar zu lange zurückliegenden antisemitischen Tiraden ihres Vaters Jean-Marie Le Pen. Im Jahr 1988 gab er etwa das berüchtigte Wortspiel Durafour-crématoire von sich: Durafour war der Namen eines jüdischstämmigen sozialliberalen Minister, und four-crématoire bedeutet auf Französisch „Verbrennungsofen“.-  Von ihnen hat Marine Le Pen sich insofern nie distanziert, als sie bei der Übernahme des Parteivorsitzes - am 16. Januar 11 - deutlich unterstrich, sie stehe zu „dem gesamten Erbe des FN“ und verteidige es. Auch wenn sie andererseits sich selbst nie auf das Terrain des Antisemitismus vorgewagt hat, und sich vom Abspulen historischer Repertoires (offener Antisemitismus, Verklärung des geschichtlichen Faschismus oder Nazismus) strategisch überhaupt nichts verspricht, sondern vielmehr auf eine philosemitische Karte setzt. Ähnlich wie viele deutsche Alt-Nazis in der Nachkriegszeit, die das Anknüpfen von politischen Beziehungen zum Staat Israel als Beleg dafür benutzten, dass sie einen Persilschein verdienten, weil man nun kein Problem mit den Juden mehr habe. Hauptsache, man kann ANSONSTEN in Ruhe Rassist bleiben… 

Andererseits, und trotz massiven jüdischen Protests, gibt es auch in der jüdischen Bevölkerungsgruppe einige Anschlussmöglichkeiten für Marine Le Pen. So forderte der berüchtigte Rechtszionist und Anwalt Gilles-William Goldnadel, der u.a. in Frankreich als Strafverteidiger die rassistische Brandschrift „Die Wut und der Stolz“ von Oriana Fallaci im Jahr 2002 - gegen Klagen wegen Volksverhetzung - verteidigte, schon zu Anfang des vorigen Jahrzehnts eine gewisse Milde im Umgang mit „der nationalen Rechten“ (wie er sich ausdrückte). Seit einem verstärkten Rechtsruck in der Leitung des jüdischen Zentralrats CRIF vor nunmehr zwei Jahren gehört Goldnadel auch dessen Vorstand an, wo er eine Rechtsauβenposition einnimmt. Er beklagte die Ausladung von Marine Le Pen mit den Worten, es handele sich um „eine Zügelung des Denkens“ (also eine Gedankenpolizei), um den Ausdruck eines „Mangels an Meinungsäuβerungsfreiheit“ und um eine „Verleugnung der Demokratie“. (Vgl. http://www.lepoint.fr/) Der Anwalt wies auf das Interview von Marine Le Pen mit dem konservativen Wochenmagazin Le Point vom 03. Februar 11 hin, in welchem sie - pflichtschuldig - die Shoah als „Gipfel der Barbarei“ bezeichnete. Insgesamt, präzisierte Goldnadel, sei ihm der FN jedoch noch „zu pro-palästinensisch“ (sic); was zwar ein riesiger Unfug ist, aber seiner Position einen doch irgendwie „kritisch“ erscheinenden Sinn verleihen soll. 

Am Abend des 14. März fand jedoch eine gröbere Veranstaltung unter dem Motto „Keine jüdische Stimme für den Front National!“ statt, die durch die jüdische Studierenden-Union UEJF und den Dachverband CRIF gemeinsam organisiert worden war. An ihr nahmen rund 200 Personen in einem Saal des Rathauses des III. Pariser Bezirks teil. Redner sowohl aus den Reihen der UEJF – unter ihnen ihre Vorsitzende Arielle Schwab - als auch des Dachverbands CRIF, darunter Vorsitzender Richard Prasquier (aber ohne den innerverbandlichen Rechtsauben Gilles-William Goldnadel), kritisierten die rechtsextreme Partei in deutlichen Worten. Dabei gingen sie sowohl auf den historisch verankerten Antisemitismus des FN als auch auf die Aspekte von dessen Rassismus und Islamophobie ein. Vgl. auch http://www.la-croix.com und den Aufruf dazu: http://www.uejf.org 

Marine Le Pen auf Frontbesuch an der Südfront der Festung Europa

Unterdessen konzentrierte die extreme Rechte sich auf eine Kampagne gegen die angeblich drohende „Überschwemmung“ Frankreichs & Europas mit Einwanderer, besonders aus Nordafrika.

Um die Gefahren der behaupteten bedrohlichen „Invasion“ zu unterstreichen, hielt Marine Le Pen sich am Montag, den 14. März in Italien auf: Zunächst traf sie zu einem Besuch in Rom ein. Am Nachmittag desselben Tages ging es dann aber von dort aus auf die Insel Lampedusa weiter. Also dorthin, wo die Boote aus Nordafrika ankommen. (Vgl. http://www.lepoint.fr/ ) Sogar die italienische Regierung, eine Rechts-Rechts-Koalition, hatte zuvor verbal ihre Besorgnis über dieses Besuchsvorhaben ausgedrückt. Innenminister Roberto Maroni, der selbst der rassistischen Regionalpartei Lega Nord angehört – die man zwar als rechtsradikal einstufen kann, die aber einen stärker „salonfähigen“ Ruf hat (und nicht verlieren möchte) als bislang der französischen FN – erklärte, man werde „darüber wachen“, dass „dieser Beruf nicht zu Propagandazwecken ausgenutzt wird“. (Vgl. http://www.lemonde.fr/ oder http://www.lefigaro.fr/ Allerdings wurde dies zusätzlich dadurch pikant, dass Marine Le Pen durch einem Europarlamentarier eben jener Lega Nord begleitet worden ist. (Vgl. http://droites-extremes.blog.lemonde.fr/ 

Es handelt sich um Mario Borghezio, einen der gefährlichsten rassistischen Fanatiker und Moslemhasser in den Reihen dieser Rassisten- und Regionalpartei. Borghezio ist in Italien gerichtlich verurteilt worden, weil er in Turin eigenhändig ein Flüchtlingszelt angezündet hatte, vgl. ausführlicher "Italiens Rechte, nach Gründung der neuen Sammelpartei und vor der EP-Wahl". Am 20. September 2008 hatte er in Köln am, aufgrund des Dilettantismus der Veranstalter total gescheiterten und noch dazu mit massiven Gegenprotesten konfrontierten, Anti-Islam-Kongress der so genannten „Bürgerbewegung Pro Köln/Pro NRW“ unter freiem Himmel teilgenommen. (Vgl. http://www.labournet.de/ ) Auch sonst trifft man ihn in Europe des Öfteren dort an, wo Nazipack unter sich weilt (vgl. http://www.labournet.de/internationales/ ). 

Marine Le Pen lieb sich durch Kritik jedenfalls nicht abhalten, sondern hielt eisern an ihrem Besuchsprojekt fest – natürlich just in der Absicht, die Situation auf der Insel propagandistisch auszuschlachten. Erklärte Absicht der FN-Politikerin war es, lautstark die Schengen-Abkommen zu kritisieren, aufgrund derer seit den neunziger Jahren sukzessive die Grenzkontrollen innerhalb der EU wegfielen und durch Kontrollen an den Aubengrenzen der Union (plus anlassbezogene Kontrollen in einem 30-Kilometer-Streifen entlang ihren inneren Grenzen) ersetzt wurden. Letztere genügen laut Auffassung des FN nicht, und Marine Le Pen zufolge wurde die Europäische Union durch diese Abschaffung der Binnen-Grenzkontrollen „durchlässig wie ein Sieb“.  

Der Aufenthalt auf der Insel dauerte letztendlich jedoch nur zwei Stunden (auf die er von ursprünglich vorgesehenen vier Stunden abgekürzt wurde). Borghezio und Marine Le Pen wurden durch eine antirassistische Solidaritätsdemonstration „empfangen“. Beide rechtsextreme Politiker verschwanden nach ihrem Eintreffen schnell in einem Auto der örtlichen Polizei, das sie zu dem Auffangzentrum fuhr, wo die neu eintreffenden Flüchtlinge oder Auswanderer – besonders aus Tunesien – untergebracht werden. Laut eigenen Angaben traf Marine Le Pen auch mit Sprechern der Flüchtlingen zusammen, denen sie laut eigenen Worten „erklärt hat: Wir können Euch in Europa nicht aufnehmen“. Um hinzuzufügen: „Wenn es nach mir ginge, mein Herz ist weit, und ich würde Euch in mein Boot einladen. Aber mein Boot ist schwach, und es würde untergehen.“

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