Editorial
Teach in oder  "Die Wahrheit ist immer konkret" (Lenin)

von Karl Mueller

03/11

trend
onlinezeitung

Die Ereignisse begannen sich seit dem 17. und 23. Dezember 2010 zu überstürzen. Zwei junge Arbeitslose begingen in Tunesien Selbstmord durch Selbstverbrennung. Dieses Fanal führte zu einer Revolte, die ganz Tunesien erschütterte und in wenigen Wochen auf zahlreiche arabische Staaten in Nordafrika übergriff. In Berlin war es die Zeitschrift Jungle World, die dazu als erste am 18.2.2011 eine mit knapp 200 Leuten gut besuchte Veranstaltung durchführte. Doch Titel "Freiheit auf Arabisch" und Untertitel "Der Aufstand ist gekommen: Sind die Revolten in Ägypten und Tunesien der Anfang einer neuen Weltordnung?" ließen leider Schlimmes ahnen.

Dass historische Tatsachen sich nicht mit substanzlosen Worthülsen erfassen lassen, sondern das solche Wahrheiten immer konkret sind, das zu akzeptieren, dazu muss man kein Hegelianer oder Leninist sein. Und dennoch ließen die Anwesenden sich einfach durch Fabulieren und Schwadronieren über eine neue Weltordnung, über die zukünftige Rolle des "Westens" und über vermeidlich latenten und manifesten Antisemitismus in den arabischen Staaten zwei Stunden lang zutexten. Bekannte "anti"deutsche Topoi, wie z. B. Israel sei der einzige demokratische und säkulare Staat in Nahost, wurden als so genannte Wahrheiten ebenso gebilligt wie die Hetze gegen die eingepferchte Bevölkerung im Gazastreifen, wo es angeblich deshalb keinen Frieden gibt, weil die "Palästinenser vom Westen ausgehalten" werden.

Am 23.2.2011 gab es eine weitere "Nordafrika"-Veranstaltung, diesmal durchgeführt von der Marxistischen Initiative. Erfreulicherweise war hier im Gegensatz zur Jungle World-Veranstaltung wenig von einer Ethnisierung des Sozialen zu verspüren. Die Referenten Said und Elken gaben sich weidlich Mühe, eine materialistische Analyse der aktuellen Lage im arabischen Mittelmeerraum zu liefern. Doch leider kamen sie über den Versuch nicht hinaus. Der Imperialismus existierte in ihren Beschreibungen nur als amerikanisches militärisches Monster und nicht als gewöhnliche kapitalistische Geschäftemacherei der Metropolen mit Peripherie und Schwellenländern in Gestalt von Kapital- und Warenexport.

Diese und andere vergleichbare Veranstaltungen zu aktuellen Themen labeln sich grundsätzlich als "Informations"veranstaltungen. Doch was ist das für ein Informationsbegriff? Die ZuhörerInnen werden zwar über  Missstände aufgeklärt, eine Einordnung in einen größeren Zusammenhang, die im dialektisch-materialistischen Sinne auf dessen Ursachen eingeht, erfolgt wenn, nur in Ansätzen. Der Rest ist Glaubensfrage. Gleichzeitig zielen diese Veranstaltungen aber darauf ab, die TeilnehmerInnen anzuregen, sich politisch zu betätigen. So wird ein Fankreis für die Veranstalter geformt, der nur aus Milieu- bzw. Gefühlslinken besteht.

Als wir uns recht kurzfristig entschieden, am 5.3. 2011 auch eine Veranstaltung zur Lage in Nordafrika anzubieten, sollte von vornherein nicht nur durch die inhaltliche Qualität des Referenten Bernard Schmid ein klarer Grenzstrich zu diesen Glaubensveranstaltungen gezogen werden - nein, wir wollten auch in der Ankündigung durch Verwendung des alt-68er Begriffs "TEACH IN", deutlich machen, dass es uns nicht um moralisch-zivilgesellschaftliche Einstimmung, sondern um Aufklärung durch parteiliche und sachliche Unterrichtung geht, die je nach individueller Entscheidung  in eine praktische Solidarität münden kann.

Übrigens hat Bernard Schmid noch rechtzeitig für diese Ausgabe eine spannende Auseinandersetzung mit so genannten "anti"deutschen und "stalino" Positionen in Sachen Nordafrika vorgelegt.

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Nicht nur die Vorbereitung der "Nordafrika-Veranstaltung" beschäftigte im Februar die TREND-MacherInnen. Bereits zum Jahreswechsel hatte sich angedeutet, dass die gesundheitliche Verfassung des Mitherausgebers Rolf D. Missbach zu seinem Ausscheiden führen wird. Deshalb trafen sich die Berliner Mitglieder des Politischen Beirats mehrfach im Januar und Februar 2011 und berieten eine neue Organisationsstruktur.

Am 27.2.2011 gründeten sechs Personen, die sehr unterschiedlichen linken Strömungen angehören, den Arbeitskreis Kapitalismus aufheben (AKKA), der ab dieser Ausgabe - 3/2011 - als Herausgeber fungiert. AKKA versteht sich nicht nur als ein Gremium, um publizistischen Formen zu genügen, sondern wird auch stärker als bisher der Beirat in die inhaltliche Gestaltung der TREND Onlinezeitung eingreifen. Dies wird bereits in der vorliegenden Ausgabe sichtbar, indem die Rubrik "Repression & Widerstand unter Hartz IV" als ständige Rubrik unter Federführung von Anne Seeck startet. Desweiteren wurde Kritik an der bisherigen Textauswahl in der Rubrik "Philosophie" geäußert, wo seit Längerem Reprints aus dem DDR-Philosohie-Wörterbuch von Klaus & Buhr veröffentlicht wurden. Mit dieser Ausgabe werden diese Reprints ab- bzw. unterbrochen. Ende März wird sich AKKA mit der Rubrik Philosophie befassen und die Konzeption ggf. reformieren.

Kurzum: Es geht voran!

TREND(s) im Netz - hier die jüngsten Zahlen:

Die BesucherInnenzahlen vom Februar 2011, in Klammern 2010, 2009

  • Infopartisan gesamt:  121.615  (142.840, 120.713)
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  • 6.297 Seiten wurden im Rockarchiv abgerufen

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