trend TEACH-IN | 5. März 2011 - 19 Uhr |  SfE Mehringhof
Die Revolutionen in Nordafrika
Vollendete demokratische Revolution? Unvollendete? Revolution mit sozialen Aspekten? Und welche Zukunftsperspektiven eröffnen sich?
Referent: Bernard Schmid (Paris)

02/11

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Dass es so schnell gehen wird - wer hätte es geglaubt. Am 17. und 23. Dezember begingen in Sidi Bouzid, einer Stadt in Zentraltunesien, zwei junge Arbeitslose bzw. Prekäre (mit höheren Bildungsabschlüssen) Selbstmord, durch Selbstverbrennung sowie Sturz in einen Hochspannungsmasten vor den Augen einer Menschenmenge. Dies löste eine soziale Revolte der örtlichen Bevölkerung aus, die sich rasch über das Landesinnere Tunesiens ausbreitete. Ab dem 25./26. Dezember erreichte die Bewegung auch die Hauptstadt Tunis, wo es an jenem Wochenende zu ersten Demonstrationen kam. Zur selben Zeit kam es zu weiteren Selbstverbrennungsakten in Marokko, Mauretanien, Ägypten - dort direkt vor dem Parlament in Kairo - und in Saudi-Arabien.

Der Anlass, der den Stein ins Rollen brachte, war in einem mehrheitlich muslimisch geprägten Land denkbar « ketzerisch ». Die orthodox-islamistische Theologie ebenso wie die Denkweise der Islamisten verbieten den Freitod (außerhalb von Kampfhandlungen), der al seine der schwersten « Sünden » gilt, da man « das durch Gott geschenkte Leben » zerstöre und dadurch « sowohl das irdische Leben als auch das Paradies im Jenseits verliert ». Was immer man von einer derart extremen Protestform gegen ein Leben in Elend und Unterdrückung wie der Selbstverbrennung hält : Die Revolte war dadurch von vornherein « un-islamistisch » konnotiert. Ihre zentrale Botschaft lautete : « Unser Leben, das man uns zu führen zwingt, ist noch schlechter als der Tod. » Hauptanliegen derer, die sich erhoben, war der Wunsch nach einem besseren Leben. Der Slogan der Demonstrationen in Tunesien lautete entsprechend : « Schoghl, hurriya, karama » (Jobs, Freiheit, Würde) ; wenige Wochen später wurde er in Ägypten und Algerien oft abgewandelt in « Chobz, hurriya, karama » (Brot, Freiheit, Würde).

Und dann ging alles ziemlich schnell: Am 3. Januar, dem Ende der Schul- und Hochschulferien in Tunesien, ergriff die Revolte auch immer weitere Teile der Jugend und der Studierendenschaft. Nach einer Woche ordnete die Regierung die Schließung von Schulen und Universitäten an. Doch es war zu spät. Die tunesischen Gewerkschaften des Dachverbands UGTT - dessen Spitze unter Kontrolle des Regimes stand, aber nicht die Basis - riefen für den Freitag, 14. Januar einen Generalstreik aus. Am Nachmittag desselben Tages flog Präsident Ben ‘Ali ins Exil nach Saudi-Arabien. Frankreich, das sein Regime bis in die letzten Minuten hinein unterstützt hatte, verweigerte ihm an jenem Abend die Aufnahme. Bernard Schmid, Jurist & Journalist, lebt und arbeitet in Paris. Er beschäftigt sich intensiv mit den nordafrikanischen Staaten. Dazu veröffentlichte er u. a.  beim Unrastverlag: "Algerien - Frontstaat im globalen Krieg?" und "Das koloniale Algerien". Zur Zeit arbeitet er an dem Buch "Frankreich in Afrika".

Zur Lage in den nordafrikanischen Staaten wie z. Beispiel in Algerien und Tunesien veröffentlicht er seit 10 Jahren Artikel bei TREND.

Und dann ging alles ziemlich schnell: Am 3. Januar, dem Ende der Schul- und Hochschulferien in Tunesien, ergriff die Revolte auch immer weitere Teile der Jugend und der Studierendenschaft. Nach einer Woche ordnete die Regierung die Schließung von Schulen und Universitäten an. Doch es war zu spät. Die tunesischen Gewerkschaften des Dachverbands UGTT - dessen Spitze unter Kontrolle des Regimes stand, aber nicht die Basis - riefen für den Freitag, 14. Januar einen Generalstreik aus. Am Nachmittag desselben Tages flog Präsident Ben ‘Ali ins Exil nach Saudi-Arabien. Frankreich, das sein Regime bis in die letzten Minuten hinein unterstützt hatte, verweigerte ihm an jenem Abend die Aufnahme.

Am 25. Januar fand die ersten Demonstration in Ägypten statt, inspiriert vom tunesischen Vorfeld. Dort übernahm man zuerst den französischsprachigen Slogan aus Tunesien, an den jeweiligen Präsidenten gerichtet : Dégage ! (« Hau ab ! ») Bald wurde er von Millionen Menschen auch in der Landessprache Arabisch gerufen - Erhal ! (« Zieh’ Leine ») oder Barra ! (Raus !) -, und in Windeseile rückte eine neue Hauptforderung in den Mittelpunkt : As-Schaab jurid isqat al-nizham (« Das Volk will den Sturz des Regimes »). Bis zu acht Millionen Menschen demonstrierten an mehreren Tagen hintereinander gegen die Diktatur des seit knapp 30 Jahren regierenden Präsidenten Hosni Mubarak. Ab dem 8. Februar entwickelten sich, parallel zu den Demonstrationen in mehreren Städten, auch Streikbewegungen in mehreren Sektoren. Für den Freitag, 11. Februar riefen die unabhängigen Gewerkschaften (die außerhalb des total regimenahen, offiziellen Gewerkschaftsverbands existieren) zu einem Generalstreik auf. Doch schon am Vorabend deutete sich an, dass Mubarak abdanken werde. Am Nachmittag des 11. Februar verließ er Kairo in Richtung Scharm el-Scheikh, ein Badeort am Roten Meer. Am Abend erklärte er seine Abdankung.

Am 05. März ……. möchten wir folgende Fragen diskutieren:

Bedeutet die Flucht der jeweiligen Präsidenten die Vollendung einer demokratischen Revolution ? Oder bleibt noch Einiges zu tun, bis deren Ziele als erreicht gelten können ? Wie steht es um die soziale Revolte innerhalb dieser demokratischen Revolutionen ? Welche Gefahren eines eventuellen Rückschlags drohen ? Wie steht es um die Rolle des politischen Islam, auf den die europäische Berichterstattung in weiten Teilen hauptsächlich fokussiert bleibt ? Und welches Spiel betreiben die Großmächte ?

Neben der Lage in Tunesien, Algerien und Ägypten wird es an dem Abend angesichts der dortigen Entwicklungen auch um die linke Opposition im Iran gehen.

GenossInnen der iranischen Opposition sind eingeladen.

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Die Revolutionen in Nordafrika
Referent: Bernard Schmid (Paris)

Sonnabend, den 5. März 2011 um 19.00 Uhr
Schule für Erwachsenenbildung - SfE Berlin
Mehringhof
Gneisenaustrasse 2a
10961 Berlin

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