Editorial
Gedanken reduziert

von Karl Mueller
03/05

trend

onlinezeitung
"Was sich Kommunismus nannte, ist Gott sei Dank verschwunden", schreibt Peter Trotzig in seinem Kommentar "Avantgardepädagogik". Dem ist jedoch nicht so.

Zum einen gibt es ja hier zu Lande diejenigen, die alle relevanten Demos und sozialen Foren bevölkern. Dort schwärmen sie vom "Echten Sozialismus" (MLPD) oder preisen Meister Trotzki (T-Gruppen). Diese und noch mehr - bitteschön die DKP nicht zu vergessen - stehen ungebrochen in einer von ihnen besetzten Traditionsnische der kommunistischen und revolutionären ArbeiterInnenbewegung und schreiben ihre Geschichte gegen das Vergessen fort. Im niedergehenden DGB garantieren diese GenossInnen durch ihren Fleiß das Funktionieren überholter gewerkschaftlichen Strukturen. Sogar eine dem proletarischen Klassenkampf sich verpflichtet fühlende Tageszeitung (Junge Welt) hält sich zäh am Leben. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Zentralorganen und den schönen Webseiten.

Zum andern existieren in der Welt mindestens zwei größere Staaten, die sich auf die Lehren von Marx und Engels berufen und ihren Staatskapitalismus für realen Sozialismus halten. Starke bzw. einflussreiche kommunistische und revolutionäre Parteien in anderen Ländern bitte auch nicht zu vergessen. Was heißt dann verschwunden?

Ganz im Gegenteil. Die autonome Bewegung meldet sich ab und entlässt ihre Kinder. Selbst dort ist es nun schick, sich kommunistisch zu labeln. Aus diesem Spektrum kommen in regelmäßigen Abständen neue Grüppchen und Sekten dazu. In der aktuellen Ausgabe spiegeln wir - gleichsam als Beleg für diese Tendenz - die "Plattform" der Gruppe MAD aus Köln.

Zeichnen sich die bewusst in einer Traditionslinie stehenden Organisationen noch durch ein gewisses Maß an theoretischer Seriosität aus, wenn es um die Analyse & Kritik des Kapitalismus mitsamt seines Staats- und Herrschaftsapparates und um die Aufhebung, Alternativen und um konkrete Utopien geht, so haben wir es im vorliegenden Fall - nämlich bei der MAD Köln - nur noch mit einer schlechten kabarettistischen Einlage zu tun, wenn es dort in Sachen Kommunismus heißt: "Diese "andere Welt" ist vom jetzigen Zustand aus aber nicht positiv bestimmbar, sondern nur als Gegenpunkt zu Lohnarbeit und kapitalistischer Verwertungslogik zu fassen." Dann geht es weiter im Text mit dem erbärmlichen Gewäsch, wie wir es seit Jahren von Bahamas & Co. kennen, gleichsam als Lightversion - Gedanken reduziert - von MAD serviert.

Der Name MAD hält, was er verspricht. Statt den Kommunismus als eine Wissenschaft zu betreiben, die nicht nur die Bedingungen der Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise analysiert, sondern eine revolutionäre Praxis begleitet, formt und dadurch wieder selber geformt wird, will die Gruppe MAD stattdessen "aktionistisch" und ganz "antirealistisch" ("Keep the dream alive: communism") sein. Wir waren daraufhin nicht überrascht zu lesen, dass der Inhalt des Traumes die Kritik am "Nationalstolz" ist.

Welches sind nun - ideengeschichtlich betrachtet - die Roots jenes die Gehirnwindungen der LeserInnen malträtierenden Unsinns? In der vorliegenden Ausgabe haben wir gleichsam als eine Antwort dazu die Kritik der Spezial-Redaktion an der Negativen Dialektik und der Staatskritik der Initiative Sozialistisches Forum (ISF) veröffentlicht. 1993 erschienen, ist die Kritik immer noch up to date. Denn es heißt dort nach wie vor zutreffend: "Und wenn im heutigen High-Tech-Kapitalismus, der international agiert, sich die historisch entwickelten Formen und Funktionen des Nationalstaates aufzulösen beginnen, muß sich auch die Analyse und Kritik staatlicher Herrschaft ändern und kann sich nicht mehr allein auf die Erkenntnisse des 19. Jahrhunderts berufen, auch nicht, indem diese einfach in "negative Dialektik" umgemünzt werden." Und im Gleichklang zu den ahistorischen ISF-Verkürzungen lesen wir bei MAD: "Deutschland ist, war und bleibt uncool!"

Dass es doch möglich ist - statt wertdeutsches Blahblah zu produzieren - mit dem Gesicht der Wirklichkeit zugewandt, sich Gedanken darüber zu machen, was es heißt die kapitalistischen Verhältnisse theoretisch zu negieren und praktisch aufzuheben, das liest mensch in dieser Ausgabe in Kjersti Ericsson Artikel "über ein ökonomisches Modell, das den Frauen dient".

Freilich bedeutet ein Eintreten für den Kommunismus nicht zwangsläufig, dass diejenigen dann zeit Lebens gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Ein gutes Beispiel dafür, dass der Kommunismus nur als Eskapade eine Rolle spielt, belegt die Geschichte der maoistischen KPD - 1970 gegründet und 1980 aufgelöst. Ein Blick in die Vita einiger Ex-KPDler zeigt mithin, dass Parteiarbeit ein wichtiger Qualifizierungsbaustein für eine bürgerliche Karriere sein kann.

Übrigens - gut 500 LeserInnen haben seitdem unsere redaktionelle Erklärung in der Nr. 2/05 gelesen, wo wir als Redaktion ein wenig unser Verhältnis zum Kommunismus skizzierten. LeserInnenbriefe sind bisher dazu nicht eingetrudelt. Dürfen wir das als breite Zustimmung werten?

Apropos Leserbrief. Auf ausdrücklichen Wunsch der Herausgeber veröffentlichen nach 1 1/2 einen Leserbrief ("Kein Kriminalroman"), der in umfassender Weise einen damals erschienenen Artikel kritisierte, weil dieser Querfront phobisch mit absurden Unterstellungen operierte. Für die Unterschlagung jenes Briefes zeichnen wir nicht verantwortlich.

Abschließend noch der Hinweis auf einen dringenden Aufruf zur Solidarität, den wir unterstützen.