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Nicht Marxistin
und auch nicht Anarchistin

Frauen in der Ersten Internationale

von Antje Schrupp

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In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit vier Frauen beschäftigt, die in der Ersten Internationale (1864-1872) aktiv waren: Virginie Barbet (von ihr habe ich leider kein Foto gefunden), Elisabeth Dmitrieff, André Léo und Victoria Woodhull. Die Arbeit wird voraussichtlich Ende des Jahres als Buch vorliegen.

Zur Einführung in das Thema hier die Abschrift eines Vortrages, den ich dazu im Januar 1999 in Frankfurt gehalten habe:

Das Thema heute Abend heißt „Nicht Marxistin und auch nicht Anarchi-stin - Frauen in der Ersten Internationale". Die berühmte Erste Internationale (berühmt, weil ihr zu Ehren das bekannte Lied gedichtet wurde) bestand von 1864 bis 1872 und war so etwas wie der erste europäische Dachverband der Arbeiterbewegung. Für die Linke ist die Internationale Arbeiter-Assoziation - so der offizielle Titel - so etwas wie ein Mythos geworden. Für die Marxisten war sie ein Beispiel dafür, wie Karl Marx selbst (der damals dabei war) sich die Organisation der Arbeiterbewegung vorstellte, für die Anarchisten war sie eine Erinnerung an bessere Zeiten, in denen man unter Sozialismus noch nicht Marxismus-Leninismus verstand.

Wenn ich von meinem Dissertationsthema "Frauen in der Ersten Internationale" erzähle, kommt meist die Frage "Gab es denn da überhaupt Frauen?" Die Frage ist berechtigt. Schaut man sich an, was bisher dazu geschrieben wurde, dann scheint es dort in der Tat keine gegeben zu haben.

Andererseits kann die Entdeckung, daß es auch in der Ersten Interna-tionale Frauen gegeben hat, heute niemanden mehr wirklich überraschen. Hat es doch in den letzten dreißig Jahren massenweise Arbeiten mit dem Titel "Frauen in..." gegeben. Also, das große Gähnen macht sich breit, jetzt auch noch Frauen in der Ersten Internationale.

Die Frage, warum es mich interessiert, was Frauen dort machten, ist berechtigt und ich will sie beantworten: Die erste Internationale repräsentiert eine frühe Epoche der europäischen Arbeiterbewegung, in der noch ganz offen über verschiedene Vorstellungen debattiert wurde, wie man die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft abschaffen oder verbessern kann. Im Rückblick ist sie meistens so interpretiert worden, daß hier die erste große Auseinandersetzung zwischen marxistischem und anarchistischem Sozialismus geführt wurde. Die Themen, die nach tra-ditioneller Lesart hier wichtig waren, wären also zum Beispiel, ob Sozia-lismus „Diktatur des Proletariats" heißt, also die Übernahme des Staatsapparates durch die Arbeiter, oder ob die Abschaffung des Staates besser wäre. Ob das Privateigentum an Produktionsmitteln abge-schafft, also alles verstaatlicht werden soll, oder ob autonome Koopera-tiven und Kollektive die neuen Eigentümer sein sollen - also das, was üblicherweise beim Thema Marxismus versus Anarchismus diskutiert wird.

Diese Fragestellungen sind heute überholt und langweilig. Wäre es nur darum gegangen, dann wäre es völlig uninteressant oder bestenfalls von historischem Interesse, sich mit der Ersten Internationale zu be-schäftigen. Außerdem liegt diesen Positionen ein entscheidender Denkfehler zugrunde, nämlich der, daß sie Männer mit Menschen verwechseln. Man analysiert die Standpunkte von Männern und glaubt, man hätte damit etwas über die Gesellschaft allgemein gesagt. Das ist natürlich besonders absurd, wenn die Gesellschaft, die da kritisiert werden soll, nämlich die bürgerlich-kapitalistische, eine ist, die ganz funda-mental auf der Verschiedenheit der Geschlechter aufbaut, die nur des-halb funktioniert, weil Frauen und Männern ganz unterschiedliche Funktionen zugewiesen werden.

Deshalb erhoffe ich mir von einer Beschäftigung mit den Positionen, die Frauen damals vertreten haben, Hinweise auf andere Ideen, die diesen Fehler nicht begehen. Es ist doch kaum vorstellbar, daß den Menschen damals die fundamentale Bedeutung der Geschlechterdifferenz für die Gesellschaft, in der sie lebten, nicht aufgefallen sein soll. Und ganz besonders muß sie doch den Frauen aufgefallen sein, die darunter zu leiden hatten.

In der Tat spielte die Diskussion über das Verhältnis von Frauen und Männern in der Ersten auch eine ganz wichtige Rolle. Und zwar eine so wichtige, daß man sagen muß: Die erste Internationale war in ihren Anfängen vor allem eine antifeministische Organisation. Auf den ersten beiden Kongressen diskutierten die jeweils rund sechzig Delegierten - alles Männer - ausführlich über die Frage der Frauenerwerbsarbeit und über das Verhältnis von Frauen und Männern in der Gesellschaft.

Die Franzosen, vor allem aus der Pariser Sektion, waren mehrheitlich Anhänger de extrem frauenfeindlichen Sozialphilosophen Pierre- Joseph Proudhon. Sie vertraten die Auffassung, daß Frauen grundsätzlich heiraten sollten und daß verheiratete Frauen grundsätzlich nicht außer Haus erwerbstätig sein sollten, damit sie sich ganz um die Kindererziehung und die Versorgung ihres Ehemannes kümmern können. Die Engländer, wo die Industrialisierung schon weiter fortgeschritten war und es bereits große und starke Gewerkschaften gab, waren ebenfalls gegen Frauenerwerbsarbeit, aber nicht zum Schutz der Familie, sondern weil sie eine Senkung ihrer Löhne durch billige Arbeitskräfte fürchteten.

Die Gegnerschaft zur Frauenerwerbsarbeit war einer der wenigen Punkte, an dem sich die Delegierten bei diesen ersten Kongressen einig waren. Sie faßten also Beschlüsse, die ein Verbot oder zumindest eine Einschränkung der Frauenerwerbsarbeit forderten - und das zu einer Zeit, wo das Hauptthema der Frauenbewegung die Forderung nach mehr Erwerbsarbeitsmöglichkeiten war. Wenn die die Internationale an-tifeministisch nenne, dann also nicht, weil ich sie an heutigen Ideen und Ansprüchen messe, sondern weil sie gegen die Feministinnen ihrer Zeit Position bezog. Also anti-feministisch war.

Um also noch einmal zu der Frage: Gab es Frauen in der Ersten Internationale? zurückzukommen: Es ist wirklich überraschend, daß es dort Frauen gab, aber man muß die Frage andersrum stellen: Warum, um Himmels willen, haben Frauen sich der Internationale angeschlossen??

Es ist nun auch tatsächlich so, daß ich in diesen ersten Jahren kaum Spuren von Frauen in gefunden habe, die in der Internationale inhaltlich mitgearbeitet hätten. Aber in den folgenden Jahren sind gleich mehrere interessante Frauen dort eingetreten. Es ist also anzunehmen, daß diese antifeministische Position an einem bestimmten Punkt ins Wanken gekommen ist.

Eine von diesen Frauen ist Virginie Barbet in Lyon. Von ihr weiß man biografisch nicht viel, nur daß sie eine Gaststätte betrieben hat und Mitglied in einer Gruppe von Feministinnen war. Virginie Barbet kam über einen Umweg zur Internationale. Ende 1868 nahm sie an einem Friedenskongreß in Bern teil und hielt dort eine Rede für den Zugang von Frauen zu Bildung und Erwerbsarbeit. Der Kongreß war veranstaltet von der Friedens- und Freiheitsliga, einem internationalen Zusammenschluß von zum Teil sehr prominenten fortschrittlichen Liberalen, wie zum Beispiel Victor Hugo, Giuseppe Garibaldi oder John Stuart Mill. Sie trat ein für eine Abschaffung der stehenden Heere, für die Auflösung der Nationalstaaten und die Gründung einer Europaunion. Die Liga war nicht nur bedeutender als die Internationale, hier gab es auch zahlreiche Frauen, meistens dezidierte Feministinnen.

Auch der russische Revolutionär Michael Bakunin und einige seiner politischen Freunde und Freundinnen gehörten damals zur Friedensliga und nicht zur Internationale. Beim Kongreß in Bern kam es jedoch zu einem Streit über die Frage, ob die Liga auch wirtschaftspolitische, sozialistische Forderungen in ihr Programm aufnehmen sollte. Das hatte Bakunin in einer Rede gefordert, aber die Mehrheit der eher bürgerlichen Ligamitglieder lehnte das ab. Daraufhin traten 18 Männer und Frauen aus und schlossen sich zu einer „Allianz der sozialistischen Demokratie" zusammen.

Offenbar hat Virginie Barbet mit dieser Gruppe am Rande des Ligakongresses Kontakte geknüpft. Einige Monate später gründete sie nämlich in Lyon eine Allianz-Sektion. Sie war bald schon ein sehr aktives Mitglied, schrieb zahlreiche Artikel für die Zeitung „Egalité", die die Allianz in Genf herausgab, und stand in einem politischen Briefwechsel mit Bakunin über Inhalte und Strategien der Organisation.

Offensichtlich war Virginie Barbet also nicht nur Feministin, sondern auch Sozialistin. In der Frauenrechtsbewegung, die (wie die Feministinnen in der Friedensliga) die ungerechten Eigentumsverhältnisse unangetastet ließ, konnte sie daher keine richtige politische Heimat finden, und in der Internationale mit ihrem antifeministischen Programm auch nicht.

Die Allianz bot da einen Ausweg, denn sie gab sich ein Programm, das gleich im zweiten Punkt - so wörtlich - die „Gleichmachung der Menschen beiderlei Geschlechts" fordert. Und zwar sollte das durch die Abschaffung des Erbrechts und die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Ausbildung für alle Kinder gelingen. Man stellte sich vor, daß so ein gleicher Ausgangspunkt für alle Menschen geschaffen würde, von dem aus sie sich dann in ihrer individuellen Unterschiedlichkeit fortentwickeln könnten. Nur durch eine solche „Gleichmachung" wären die Unterschiede zwischen den Menschen wirklich auf ihre individuelle Verschiedenheit zurückzuführen und nicht mehr durch die Geburt vorherbestimmt - etwa das Geschlecht oder die Vermögensverhältnisse der Eltern. Dieses Programm verteidigte Virginie Barbet nicht nur in ihren Broschüren, Flugschriften und Zeitungsartikeln, sie war auch - wie man aus ihren Briefen an Bakunin entnehmen kann - maßgeblich an seiner Entstehung und Weiterentwicklung beteiligt.

Es entstand in der Allianz ein Streit darüber, ob man sich nun, nach dem Austritt aus der Friedensliga, der Internationale anschließen sollte. Vor allem die französischen Allianzmitglieder, zum Beispiel der später berühmte Geograf und Anarchist Elisée Reclus - waren dagegen. Sie wollten mit den französischen Internationale-Mitgliedern, den Anhängern Proudhons, nichts zu tun haben. In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, daß es nicht nur aus der Perspektive von Frauen, sondern auch aus zahlreichen anderen Gründen völliger Unsinn ist, Proudhon als Vater des Anarchismus zu bezeichnen. Die Begründer des anarchistischen Sozialismus um Bakunin grenzten sich von Proudhon viel mehr ab, als von Marx.

Daß die Allianz schließlich doch der Internationale beitrat, liegt daran, daß die Proudhonisten zu dieser Zeit bereits an Bedeutung verloren hatten. Andere hatten die Führung in der Pariser Internationale übernommen - zum Beispiel Eugène Varlin und Benoît Malon, zwei Männer, die bei den ersten Internationale-Kongressen gegen ihre antifeministischen Kollegen gesprochen hatten.

Auch in Paris begannen nun Frauen, sich für die Internationale zu interessieren. Eine der wichtigsten von ihnen ist die Schriftstellerin André Léo, die in fortschrittlichen Kreisen eine anerkannte politische Kommentatorin war, und deren Unterstützung der Internationale viel dazu beigetragen hat, daß die Organisation in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewann.

André Léo war ungefähr Mitte vierzig. Ihr Name ist ein Pseudonym, das sich von ihren Zwillingssöhnen André und Léo herleitet, die damals 14 Jahre alt waren, der Vater war bereits Ende der 50er Jahre gestorben. André Léos journalistische und schriftstellerische Tätigkeit diente also auch dem Lebensunterhalt der Familie. Sie hatte einige erfolgreiche Romane veröffentlicht und 1866 eine feministische Gruppe gegründet, zu der auch später berühmte Feministinnen und Sozialistinnen gehörten wie zum Beispiel die Anarchistin Louise Michel, die Frauenrechtlerin Marie Deraismes oder die Mitbegründerin der französischen Arbeiterpartei, Paule Minck.

Warum trat André Léo in die Internationale ein, wenn sie doch schon in der Frauenbewegung aktiv war? Auch hier ist, wie bei Virginie Barbet, wohl ausschlaggebend, daß ihr der liberale, republikanische Feminismus die ungerechten Eigentumsverhältnisse zu wenig berücksichtigte.

Dazu kam jedoch wohl die Motivation, die verschiedenen oppositionellen Kräfte in Frankreich zusammenzubringen: In Frankreich lag die Monarchie in den letzten Zügen. Allerdings war die Opposition reichlich zerfleddert, es gab Feministinnen, Sozialisten, Republikaner, die jeweils ihre eigenen Schwerpunkte setzen. André Léo versuchte, diese Gruppen davon abzubringen, sich gegenseitig zu bekämpfen und stattdessen gemeinsam auf die Abschaffung der Monarchie und die Etablierung einer echten Demokratie hinzuarbeiten. Demokratie war für sie nicht einfach eine parlamentarische Staatsform, sondern eine Gesellschaft, die in allen ihren Bereichen der Gleichheit der Menschen Rechnung trägt.

Léos Eintritt in die Internationale hatte vor allem den Zweck, die Sozialisten für die Anliegen der Feministinnen sensibel zu machen und so die Grundlage für eine Zusammenarbeit zu schaffen, während sie andererseits versuchte, die Feministinnen von der Notwendigkeit sozialistischer Forderungen zu überzeugen. Darüber kam es zum Konflikt zwischen ihr und Bakunin. Léo kritisierte vor allem Bakunins rigide Abgrenzung von der sogenannten „Bourgeoisie". Seine polemischen Beschimpfungen möglicher Bündnispartner aus dem republikanischen Lager und seine radikale Rhetorik schade der gemeinsamen Bewegung.

Bakunin seinerseits kritisierte Léo als schwächlich und zu emotional. Sie hoffe, so schrieb her - typisch Frau, liest man zwischen den Zeilen - auf Harmonie, wo konsequente Härte und Abgrenzung gefragt sei. Allerdings stand Bakunin mit dieser Meinung ziemlich alleine da. Die meisten wichtigen Allianzmitglieder, zum Beispiel Reclus und Malon, unterstützten André Léo. Bakunin hat sein Urteil über André Léo später übrigens teilweise wieder revidiert.

André Léos Versuch, sozialistische und feministische Anliegen zusammenzubringen, wurde allerdings in der Pariser Kommune 1871 auf eine schwere Probe gestellt. Nach der Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg und dem Ende der Monarchie, kam es im März 1871 zu einem Aufstand der Pariser Bevölkerung gegen die neue republikanische Regierung. Belagert von preußischen Truppen und angegriffen von französischem Militär konnte sich die Pariser Kommune nur zwei Monate halten, bevor sie blutig niedergeschlagen wurde, aber hier fand doch das erste „realsozialistische" Projekt der europäischen Geschichte statt.

André Léo gehörte zu den prominentesten Unterstützerinnen der Pariser Kommune. Allerdings erwies sich das Bündnis zwischen Sozialisten und Feministinnen als äußerst brüchig. Viele Feministinnen - teilweise auch Freundinnen von Léo - wandten sich gegen die Kommune und verließen Paris, während die rein männliche Kommuneregierung wiederum die Ansichten von Frauen nicht berücksichtigte. Daß Frauen wieder nicht wahlberechtigt waren, ist eine Sache. Schwerwiegender war jedoch, daß man einen erklärten Antifeministen, Jaroslav Dombrowski, zum Oberbefehlshaber der Kommunetruppen machte. Daß er sogar versuchte, Krankenschwestern und Marketenderinnen, die die Soldaten mit Essen versorgten, den Zugang zu den Schlachtfeldern zu verbieten, beschleunigte die militärische Niederlage der Kommune.

André Léo organisierte deshalb so etwas wie eine solidarische Opposition innerhalb der Kommune. In ihren Zeitungsartikeln kritisierte sie nicht nur antifeministische Beschlüsse der Kommuneregierung, sondern auch andere unterdrückerische Maßnahmen wie etwa die Einführung der Pressezensur oder die Absetzung kritischer Minister. Sie kritisierte vor allem die Haltung vieler Kommunarden, daß der Zweck die Mittel heilige. Für Léo stand aber fest, daß eine Bewegung, die ihre eigenen Ziele schon in ihren Anfängen verrät, zum Scheitern verurteilt sei. „Wenn wir uns verhalten, wie unsere Gegner", schrieb sie, „wie soll sich dann die Welt zwischen ihnen und uns entscheiden?".

Nicht alle teilten diese Meinung. So scheint zum Beispiel Louise Michel, die später für ihr Engagement in der Kommune berühmt wurde, mehr Verständnis für autoritäre Maßnahmen gehabt zu haben. Zur Anarchistin wurde sie erst später, nach ihrer Rückkehr aus der Deportation. Allerdings war sie damals auch noch sehr jung und spielte keine bedeutende Rolle. Man müßte einmal den Einfluß von André Léo auf Michels Denken untersuchen, ich glaube, daß er erheblich ist.

Es gab aber eine andere Gegnerin von André Léos kritischsolidarischer Haltung gegenüber der Kommune, die sehr einflußreich war, und zwar die Russin Elisabeth Dmitrieff. Auch sie war ein Mitglied der Internationale. Sie war noch sehr jung, gerade 21 Jahre alt, und außerdem recht wohlhabend. Sie stammte aus einer aristokratischen Familie und lebte eigentlich in Genf. Dort hatte sie ein Jahr zuvor eine russische Internationale-Sektion gegründet, die gegen die Allianz Opposition machte. Sie störte sich vor allem an der radikalen Rhetorik des Allianz-Programms, das ihr zu weltfremd und zu abgehoben erschien, um damit die Massen zu erreichen. Ende 1870 war sie nach London gereist, um Kontakt mit Karl Marx und mit dem Generalrat der Internationale aufzunehmen. Als die Nachricht vom Kommuneaufstand kam, setzte sie sich in den nächsten Zug nach Paris.

Elisabeth Dmitrieff war keine große Denkerin und Theoretikerin, aber eine begnadete Agitatorin. In nur zwei Wochen stampfte sie die größte Frauenorganisation der Kommune aus dem Boden, die „Union des Femmes". Vermutlich hatte sie Empfehlungsschreiben von Marx für die Kommuneregierung dabei, aber es ist trotzdem eine erstaunliche Leistung. Die „Frauenunion" etablierte sich rasch als Vertreterin von Fraueninteressen generell, Elisabeth Dmitrieff verhandelte mit der Kommuneregierung über die Organisation der Frauenarbeit, sie setzte feste Aufträge und Preise durch für die Frauenwerkstätten, die zum Beispiel die Uniformen für die Nationalgarde nähten. Die Union organisierte Krankenhelferinnen, verteilte Lebensmittel, und agitierte unter Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen für die Ziele der Kommune.

Elisabeth Dmitrieff hatte kein Verständnis für André Léos kritische Position gegenüber zentralistischen, diktatorischen Tendenzen in der Kommune. Wer intern Kritik äußerte, war für sie eine Verräterin, und sie griff André Léo öffentlich an. Die ging ihrerseits nicht öffentlich auf diese Angriffe ein, aber es ist auffällig, daß Louise Michel in ihren Memoiren, in denen sie ausführlich über die Pariser Kommune schreibt, Dmitrieff nur in einem Nebensatz erwähnt.

Dmitrieffs fehlende Konsequenz in der Einforderung feministischer Anliegen gegenüber den Männern die Kommune führe ich auf ihre Herkunft zurück. In Rußland waren die jungen Revolutionäre und Revolutionärinnen damals überzeugt, daß sie die Unterschiede zwischen den Geschlechtern einfach dadurch abgeschafft hätten, daß sie sie nicht mehr gelten lassen. Die Gleichheit von Frauen und Männern hängt ihrer Meinung nach also von einem reinen Willensakt ab. Diese sogenannten „Nihilistinnen" stammten meistens, wie Dmitrieff und Bakunin ja auch, aus aristokratischen Verhältnissen, so daß sie die typisch bürgerliche Geschlechterkonstruktion nicht selbst kennengelernt hatten. Paradoxerweise führte das dazu, daß sie den Kampf gegen diese Konstruktion des Geschlechterunterschiedes für nicht so wichtig hielten.

Die Französinnen dagegen wußten, daß man die Abschaffung Geschlechterrollen nicht einfach so beschließen kann. Sie wußten, daß es ein langer und mühsamer Prozeß ist, der an die Grundfesten der gegebenen Gesellschaft rührt. Deshalb legten sie auch besonders großen Wert auf eine Reform des Erziehungswesens.

Die Kommune bestand nicht lange genug, um diese Differenzen auszutragen. Nach ihrer Niederschlagung gelang beiden, Léo und Dmitrieff, die Flucht in die Schweiz. Und dort spielte Dmitrieff keine Rolle mehr, wohl aber André Léo, die nun eine Lebensaufgabe darin sah, die Verbrechen des französischen Militärs - in nur wenigen Tagen wurden mindestens 20.000 Männer und Frauen ohne Urteil hingerichtet - anzuprangern.

Nach der Kommune kam es zum Richtungsstreit in der Internationale. Die meisten Kommuneflüchtlinge, die in sozialistischen Kreisen nun als Helden und Heldinnen galten, orientierten sich eher zur anarchistischen Allianz. Karl Marx und Friedrich Engels fürchteten um ihren Einfluß. Deshalb gingen sie - im Namen des von ihnen kontrollierten Generalrats in London - zunehmend dazu über, unliebsame Sektionen aus der Internationale auszuschließen. Zu einem ihrer ersten Opfer wurde die Sektion 12 in New York - und dies führt uns zu einer weiteren interessanten Frau in der ersten Internationale.

In die USA war die Internationale zunächst durch Einwanderer aus Deutschland, Frankreich, Irland und Osteuropa gekommen. Meistens sprachen sie nicht einmal englisch, und daher wurden sie auch von den einheimischen Arbeitern und von der amerikanischen Öffentlichkeit kaum beachtet. Das änderte sich erst, als Victoria Woodhull mit einigen Freundinnen und Freunden die erste englischsprachige Sektion der Internationale gründete, die sogenannte Sektion 12 in New York.

Victoria Woodhull war damals eine berühmte Rednerin und Frauenrechtlerin, die soeben bekanntgegeben hatte, daß sie für die Präsidentschaft der USA kandidieren wolle. Sie stammte aus einer dubiosen, kleinkriminellen Unterschichtsfamilie, war aber mit Hilfe des Eisenbahnmillionärs Cornelius Vanderbilt zu Wohlstand gekommen. Der damals wohl reichste Mann Amerikas bezahlte Victoria Woodhull und ihrer Schwester üppige Honorare - für hellseherische und vermutlich auch sexuelle Dienstleistungen. Mit dem Geld hatten die Schwestern eine eigene Broker-Firma an der Wallstreet gegründet und waren durch geschickte Investitionen reich geworden. Sie gründeten eine Zeitung, das Woodhull and Claflin’s Weekly, in der sie frauenrechtlerische und sozialistische Artikel neben den neuesten Börsennachrichten brachten. Die Zeitung veröffentlichte als erste in den USA das kommunistische Manifest, auch Jenny Marx und andere europäische Internationale schrieben hier Artikel. Karl Marx war froh, das kann man seinen Briefen aus dieser Zeit entnehmen, endlich ein Sprachrohr zu haben, über das man die amerikanische Öffentlichkeit erreichen konnte.

Allerdings hatte Victoria Woodhull ihre eigenen Ansichten über den Sozialismus. Dessen wichtigste Aufgabe sei es, so meinte sie, für die „soziale Freiheit" zu kämpfen, ein Begriff, der in Europa meistens mit „freie Liebe" übersetzt wurde. Woodhull trat für die sexuelle Befreiung der Frauen ein, wozu auch das Recht auf Abtreibung oder eine Anerkennung von Prostituierten zählte, für die Unabhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern, gegen moralische und sittliche Schranken für den weiblichen Freiheitsdrang. Dieses Ziel, meinte sie, müsse sich auch der Sozialismus auf die Fahnen schreiben, was natürlich den konservativen Einwanderern, vor allem denen aus Deutschland und Irland, nur schwer zu vermitteln war.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Theorien von Victoria Woodhull im Detail darzustellen, denn dazu müßte ich zunächst über die Situation in den USA sprechen, die sich sehr von der in Europa unterschied. Ähnlich wie André Léo trat jedoch auch Woodhull für eine Zusammenarbeit zwischen proletarischen, feministischen und bürgerlichen Kräften ein. Interessant ist aber vor allem die Reaktion, die sie in Europa auslöste - es kam nämlich am Beispiel der Sektion 12 zur ersten expliziten Diskussion über das Thema Haupt- und Nebenwiderspruch. Auf Protest vor allem der deutschen Einwanderersektion schloß der Generalrat die Sektion 12 aus der Internationale aus mit der Begründung, daß in der Internationale nur die Arbeiterfrage zu behandeln sei, und nicht die Frauenfrage.

Zu dieser Zeit lag die Internationale aber ohnehin schon in den letzten Zügen. Marx und Engels schlossen nicht nur die Sektion 12, sondern auch viele andere, die nicht ihr begrenzes Verständnis von Sozialismus teilten, zum Beispiel auch eine Sektion, die Kommuneflüchtlinge in Genf gegründet hatten, und zu der André Léo und Virginie Barbet gehörten. Bakunin und einige seiner Anhänger wurden ebenfalls aus der Internationale ausgeschlossen. Die allermeisten Sektionen in Belgien, Italien, Frankreich, Spanien und der Schweiz, schließlich sogar viele in England wandten sich nun von der Internationale ab oder versuchten, Einfluß im Generalrat zu bekommen. Um das zu verhindern verlegten Marx und Engels schließlich den Sitz des Generalrats nach Amerika, was natürlich faktisch das Ende der Internationale bedeutete.

Soweit meine Schilderung. Zum Schluß noch fünf Thesen, die ich aus daraus ziehe, sozusagen die „Moral von der Geschicht":

1. Das Verhältnis von Frauen und Männern war ein wichtiger Diskussionspunkt in der Ersten Internationale, und er war verflochten mit den anderen Themen, die damals debattiert wurden. Wenn man sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung beschäftigt, ist es also nicht möglich, einfach - aus politischer Korrektheit - ein Kapitel „Frauen" anzuhängen, und im übrigen alles beim Alten zu belassen. Meine persönliche Faustregel heißt: Ein schlechtes Buch erkennt man daran, daß es ein Frauenkapitel hat. (Leider stimmt der Umkehrschluß nicht, daß man ein gutes Buch daran erkennt, daß ein solches Kapitel fehlt).

2. Verschiedene Frauen vertreten verschiedene Positionen. Und zwar ist dies nicht nur objektiv, also im Nachhinein, feststellbar, sondern es ist subjektiv von den Frauen gewollt: Frauen sind nicht nur einfach unterschiedlich, sondern sie unterscheiden sich aktiv voneinander. Banaler gesagt: Die Frauen in der Ersten Internationale stritten sich nicht in erster Linie mit den Männern, sondern untereinander.

3. Daß es keine eindeutige „Frauenposition" gibt, die irgendwie einer „Männerposition" gegenübersteht, ist keineswegs ein Ärgernis, sondern ein Glück. Warum? Nur weil die Frauen sich voneinander unterscheiden, ist der Spiegel der jeweiligen Position nicht wieder einmal Herr Marx oder Herr Bakunin oder sonst etwas Langweiliges. Was die dazu sagten, muß uns gar nicht interessieren, denn die Position von Elisabeth Dmitrieff zum Beispiel kann an der von André Léo hinterfragt werden, die von Virginie Barbet durch die Kritik von Dmitrieff und so weiter. Deshalb habe ich auch den Titel gewählt: „Nicht Marxistin und auch nicht Anarchistin". Das Denken von Frauen paßt nicht in die eingefahrenen Bahnen dessen, was Männer so besprechen.

4. Durch das aktive Sich-voneinander-Unterscheiden der Frauen ergibt sich ein neuer Deutungshorizont für das, was in der Ersten Internationale geschehen ist. Was meine ich damit? Ich meine damit, daß sich für eine Beschäftigung mit der Internationale ganz neue Fragestellungen ergeben, wenn man die Diskussionen und Streitpunkte, die sich aus den verschiedenen Positionen von Frauen ergeben, zugrunde legt. Zum Beispiel waren offenbar folgende Fragen bedeutsam, auch wenn sie in der bisherigen Internationale-Literatur kaum problematisiert werden:

- In welchem Verhältnis stehen verschiedene soziale Bewegungen zueinander? Wo, mit wem und zu welchen Bedingungen können Bündnisse geschlossen werden? (Dieser Punkt war vor allem André Léo und Victoria Woodhull wichtig, und sie hatten hier Marx und Bakunin gleichermaßen gegen sich)

- Welche Bedeutung hat die individuelle Freiheit in einer sozialistischen Gesellschaft? Kann um der „Sache" willen der Zweck die Mittel heiligen? (Darüber stritten André Léo und Elisabeth Dmitrieff während der Kommune)

- Was ist unter „Gleichheit" der Menschen, zum Beispiel der Gleichheit von Männern und Frauen, zu verstehen? Und wie kann man sie verwirklichen? (für Virginie Barbet durch die Schaffung eines vor allem materiell gleichen Ausgangspunktes, indem das Erbrecht abgeschafft wird, für André Léo ist Gleichheit das Ziel eines mühsamen Prozesses, der vor allem eine Erziehungs- und Bildungsreform nötig macht, für Elisabeth Dmitrieff eine einfache Willensentscheidung, die für Revolutionäre selbstverständlich ist, und bei Victoria Woodhull ist gar nicht so klar, ob sie die Gleichheit der Geschlechter überhaupt anstrebt, denn bei ihrem Konzept von Frauenbefreiung spielt das Verhältnis zu den Männern nur eine untergeordnete Rolle)

- Wie können offensichtliche Ungerechtigkeiten des bürgerlichen Kapitalismus behoben werden? Wie ermutigt man Frauen - oder auch andere sozial Benachteiligte - dazu, ihre Fähigkeiten und Energien in die sozialistische Bewegung einzubringen? Wie löst man den Widerspruch zwischen dem eigenen radikalen Anspruch und der Notwendigkeit, auch die ganz „normale" Bevölkerung zu erreichen? (Hier prallten zum Beispiel Dmitrieffs Wunsch nach einer „Massenorganisation" und Virginie Barbets Verteidigung der hehren Prinzipien des Allianzprogramms aufeinander, während André Léo einen Mittelweg suchte.

5. Wenn Frauen politisch denken, dann geht es nicht um Feminismus oder Emanzipation und auch nicht um ihr Verhältnis zu den Männern, sondern es geht um die Welt, um ihre Beschaffenheit und wie man sie gestalten soll. Das heißt, wenn wir die Positionen von Virginie Barbet, André Léo, Elisabeth Dmitrieff und Victoria Woodhull studieren, dann studieren wir kein Frauenzeugs, sondern schlicht und einfach den Sozialismus im 19. Jahrhundert. Und erstaunlicherweise wurden in der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung damals Fragen diskutiert wurden, die auch heute noch überaus aktuell sind. Jedenfalls viel aktueller als die Frage, ob nun Marx recht hatte, oder Bakunin.


Virginie Barbet (Lebensdaten unbekannt)

Virginie Barbet - von ihr gibt es leider kein Foto - war Anarchistin, Mitgründerin der Lyoner Sektion und Mitglied in der von Michael Bakunin initiierten "Allianz der Sozialistischen Demokratie". Biografisch ist von ihr nicht viel bekannt, sie stammte vermutlich aus Le Creuzot und betrieb in Lyon eine Gaststätte oder einen Weinhandel. Sie war 1868 bereits Mitglied in der Internationale und hatte auch eine feministische Gruppe gegründet. Berbet lernte Michael Bakunin und seine politischen Freunde und Freundinnen 1868 bei einem Friedenskongreß in Bern kennen. Von ihr stammen mehrere Flugschriften zur Internationale, Zeitungsberichte in sozialistischen Zeitungen. Sie entwickelte für die Arbeiterbewegung Strategien des passiven Widerstandes. In der Internationale war sie vor allem wichtig als Vorkämpferin für die Abschaffung des Erbrechts. Die Allianz - und, wie sich 1869 beim Basler Kongreß zeigte, auch die Mehrheit der Internationale - folgte ihr gegen den Willen von Marx und der englischen Gewerkschafter in der Forderung, die Abschaffung des Erbrechts zum Programm der Arbeiterbewegung zu machen. Nach der Niederschlagung der Pariser Kommune mußte auch Virginie Bar

Trotz ihrer Bedeutung gibt es über Virginie Barbet meines Wissens noch keine Biografie und auch keine Edition ihrer Werke, schon gar keine deutschsprachige. Falls jemand eine Möglichkeit sieht, das zu ändern, oder sonstwie Ideen dazu hat, bitte hier klicken und mail schicken.

Elisabeth Dmitrieff (1851-1918)

Elisabeth Dmitrieff (auch bekannt unter ihrem Ehenamen Elisabeth Tomanovskaia )stammte aus einer wohlhabenden russischen Familie - sie war die uneheliche Tochter einer deutschstämmigen Krankenschwester und eines russischen Großgrundbesitzers. Obwohl ihr Vater sie - genauso wie ihre vier Schwestern und Brüder - nicht als eheliche Kinder anerkannte, erklärte er sie doch für erbbereichtigt. Ende der sechziger Jahre orientierte sich Dmitrieff zunehmend an der revolutionären Bewegung und trennte sich von ihrem Elternhaus. 1869 ging sie eine Scheinehe ein,die ihr die Ausreise nach Westeuropa ermöglichte.

Als sie 1869 nach Genf kam ging Dmitrieff nicht, wie viele ihrer Landsleute, an die Universität, sondern schloß sich der Internationale an. In Opposition zu Bakunins sehr theoretischem Ansatz entwickelte sie eine Art pragmatischen Sozialismus, dem es mehr auf die Organisation der Massen ankam. Politisch geprägt war sie vor allem durch Tschernischewskis Roman "Was tun?" der damals unter jungen Russinnen und Russen sehr populär war. Sie reiste Ende 1870 nach London, wo sie Karl Marx kennenlernte und sich mit seiner Tochter, Jenny Marx, anfreundete. Als im März 1871 der Pariser Kommuneaufstand ausbrach, eilte sie in die französische Hauptstadt und gründete dort die größte Frauenorganisation, die "Union des Femmes". Nach der Niederschlagung der Kommune kehrte sie resigniert erst in die Schweiz, Ende 1871 nach Rußland zurück und gab ihr politisches Engagement auf.

André Léo (1824-1900)

André Léo ist ein Pseudonym, das sich aus den Vornamen ihrer Zwillingssöhne, André und Léo zusammensetzt. Der Mädchenname der Schriftstellerin und Journalistin ist Léodile Béra, ihr Ehename Champseix. André Léo wurde in Lusignan als Tochter eines Rechtsanwaltes geboren, sympathisierte mit frühsozialistischen Ideen und begann Ende der fünfziger Jahre ihre Karriere als feministische Schriftstellerin. Sie war eine der prominentesten Unterstützerinnen der Pariser Kommune und mußte daher 1871 ins Schweizer Exil gehen, erst Ende der achtziger Jahre kehrte sie nach Paris zurück.

 André Léo schloß sich 1868 der Internationale an. Ihr frauenpolitisches Hauptwerk "Les femmes et les moeurs" war soeben erschienen. Auch sie tendierte, wie Virginie Barbet, eher zum libertär-anarchistischen Flügel, blieb aber mehr auf Distanz. Mit Bakunin lag sie zeitweise im Streit, weil sie auch im liberal-republikanischen Milieu um Bündnispartner und -partnerinnen war, was für Bakunin eine Anbiederung an die "Bourgeoisie" war. Sie war eine der führenden Kommentatorinnen der Pariser Kommune und kritisierte die zentralistischen und autoritären Stukturen von Dmitrieffs"Union des Femmes", aber auch unfreiheitliche Maßnahmen der Kommune überhaupt.. Auch ihr gelang nach der Niederschlagung der Kommune die Flucht in die Schweiz, wo sie zu einer der entschiedensten Gegnerinnen der "autoritären" Tendenzen des von Marx dominierten Generalrats der Internationale wurde.

Victoria Woodhull (1838-1928)

Victoria Woodhull (geb. Claflin) war eine US-amerikanische Libertäre und eine berühmte Rednerin. Von der Frauenrechtsbewegung um Elizabeth Cady-Stanton und Susan Anthony wurde sie wegen ihrer Verteidigung der "freien Liebe" - sie selbst sprach lieber von "sozialer Freiheit" - angegriffen. Sie und ihre Schwester und enge Mitarbeiterin Tennessee Claflin, stammten aus einer "unrespektablen" Unterschichtsfamilie und hatten sich ihren Lebensunterhalt zeitweise durch Wahrsagerei und Wunderheilung verdient. Durch die Finanzhilfe ihres wohlhabenden Kunden Cornelius Vanderbilt konnten sie eine Broker-Firma an der Wallstreet eröffnen.

Ihre Theorien verbreitete Woodhull durch Bücher und durch eine eigene Zeitung, das "Woodhull and Claflin's Weekly". Dies war für die Internationale eine willkommene Hilfe, als die beiden 1870 eine New Yorker Sektion aufbauten. Diese Sektion 12 wurde aber bald schon von den eingewanderten deutschen Sektionen angegriffen und diffamiert, und letztlich beim letzten Kongreß der Internationale, im September 1872 in Den Haag, aus der Internationale ausgeschlossen. Außerdem kandidierte Victoria Woodhull als erste Frau für die Präsidentschaft der USA (1872). Mitte der siebziger Jahren heiratete sie einen reichen englischen Bankier und lebte fortan in Großbritannien. Frauenpolitisch war sie bis ins hohe Alter aktiv: In den zwanziger Jahren gründete sie den ersten weiblichen Automobilclub.

Zu Victoria Woodhull gibt es übrigens gerade in den letzten Jahren schon eine Reihe von Veröffentlichungen, allerdings fast nur in den USA, wo sie gerade wiederentdeckt wird. Diese Arbeiten beschäftigen sich aber kaum mit ihrer politischen Theorie, sondern eher mit dem Mysteriösen und den Skandalen, die sich um ihre Position ranken.

Eine regelrechte "Fan-Site" zu Victoria Woodhull mit vielen Informationen, darunter eine Literaturliste, Verweise auf weitere Fotos und sogar einige Vorträge von Woodhull im Originaltext zum Herunterladen hat Mary Shearer ins Netz gestellt. Sie ist die Ur-Ur-Enkelin von Woodhulls Ehemann James Blood aus seiner späteren Ehe mit Isabell Marrill Fogg.

Weitere Seiten mit biographischen Notizen hat ein Gruppe Student/innen in Maryland zusammengestellt, außerdem gibt es Informationen zu einem Dokumentarfilm über Victoria Woodhull. Und auf dieser Seite finden sich mehr links, die zum Teil aber schon faul sind. Falls auch bei meinen links welche nicht funktionieren, bitte kurzes Mail schicken, Danke!

Der Text stammt von der Website

http://www.frauennews.de

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