zurück

Aus der Reihe: mörderische Geschichten des Sozialamts:

Nur ein Toter ist wirklich krank
Kanthers willige Vollstrecker
02/99
trdbook.gif (1270 Byte)
trend
online
zeitung
Briefe oder Artikel:
kamue@partisan.net
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Am 18.6.97, erlitt Herr Ziberov einen schweren Herzinfarkt mit   Herzstillstand. Dank der geistesgegenwärtigen Hilfe von Freunden, PfIegerInnen und Ärztinnen konnte sein Leben gerettet werden. Das Sozialamt Bochum-Wattenscheid lehnt jede Verantwortung ab.

Herr Ziberov ist ein Rom aus Makedonien, er ist 67 Jahre alt. Im Oktober 1990 kam er mit seiner Frau nach Deutschland und hoffte auf Zuflucht vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Die nationalistische Aufteilung von Ex-Jugoslawien ließ den Rome, die keiner der vorherrschenden
Nationalitäten angehören, keinen Platz zum Leben. Dies gilt heute - nach   ,erfolgreicher' Aufteilung - um so mehr. Roma sind ständiger  Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt; einen eigenen Staat haben sie  nicht und fordern sie nicht

Seit das Ehepaar in Bochum angekommen ist' wurde von der Bochumer Verwaltung ein ordentlicher Teil der Maßnahmen, die in den letzten Jahren zur Flüchtlingsabwehr und -Vertreibung in Deutschland entwickelt wurden, an ihnen vollstreckt

Im November 90 gehörten sie zu den Flüchtlingen, die in einem großen Zelt an der Hiltroper Straße verwahrt wurden. Die Bochumer Stadtverwaltung machte damals bei der staatlichen Propaganda "das Boot ist voll" mit. Diese  Propaganda war übrigens recht erfolgreich: das Grundrecht auf Asyl wurde abgeschafft und Flüchtlingsheime brennen  seit Jahren täglich.

Ende 92 legte das Sozialamt den Plan "Sozialhilfe entziehen und mal sehn, wer geht auf. Hunderten von Flüchtlingen wurde völlig rechtswidrig die Sozialhilfe entzogen. Wenige Tage vor Weihnachten wurden auch Frau Sulejman und Herr Ziberov vom Sozialamt aufgefordert, ihr Zimmer in der damaligen Unterkunft am Bahnhof Wattenscheid zu räumen und nach Jugoslawien in den Krieg zu reisen.

Immer wieder werden Flüchtlinge, die die Stadt Bochum loswerden will, frühmorgens ,abgeholt'. Falls sie noch Geld haben, wird es ihnen weggenommen - die "Fahrtkosten". Am 1.2.95 wurde das Ehepaar Ziberov/Sulejman von der Asylstelle des Ausländeramtes trotz amtlicher Duldung zum Flughafen Düsseldorf gebracht, um nach Makedonien abgeschoben zu werden. Eher zufällig erfuhren ihre Freunde davon und reklamierten beim Ausländeramt die Rechtswidrigkeit; die beiden erhielten eine Galgenfrist von drei Monaten.

Die Bochumer Stadtverwaltung vollstreckt die Gesetze selbst dann, wenn sie weiß, daß ihre Maßnahme Hunger, Folter, Vergewaltigung oder Tod zur Folge haben kann. Für das Ehepaar Ziberov/Sulejman z.B. gibt es in Makedonien keine soziale, medizinische oder psychatrische Versorgung, sie haben nicht einmal eine Hütte zum unterkriechen. Herr Ziberov ist u.a. herzkrank - jede Aufregung (insbesondere die einer Abschiebung) ist für ihn gefährlich. Zum Überleben braucht er ärztliche Hilfe und Medikamente, die er in Makedonien nicht hat Trotzdem sollten beide abgeschoben werden. Erst nach einer amtlichen Begutachtung durch den psychosozialen Dienst der Stadt Bochum wurde ihnen im November 95 eine sogenannte Aufenthaltsbefugnis für zwei Jahre ausgestellt.   

Die Vertreibung von Flüchtlingen geht das Sozialamt Bochum systematisch an: "Prüfung§ 120 BSHG". Das Sozialamt geht davon aus, daß jede und jeder deshalb nach Deutschland kommt, um Sozialhilfe zu zocken.

Der§ 120 BSHG besagt, daß Nicht-Deutschen Sozialhilfe gewährt wird. Im Nebensatz heißt es "wer sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben hat, um Sozialhilfe zu erlangen hat keinen Anspruch". Das bedeutet zum einen, daß das Sozialamt zahlen darf, aber nicht muß und zum anderen, daß der Vorsatz bei der Einreise ("begeben hat, um . . zu") entscheidend ist Das Sozialamt Bochum benutzt den§ 120 BSHG als General-Klausel. Bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die eine Aufenthaltsgenehmigung haben, aber nicht genug Geld haben oder verdienen können - weil sie keine Arbeit kriegen, krank oder alt sind... -wird "120 geprüft". Für Kranke oder Alte bedeutet das, daß sie vom Sozialamt aufgefordert werden, ihre ,Reisefähigkeit vom Gesundheitsamt feststellen zu lassen. Ob sie woanders überleben können, ,prüfen' weder Sozialamt noch Gesundheitsamt Einziges Kriterium ist, ob sie die Reise überleben. In diesem Fall wird die Sozialhilfe gestrichen.

Im September 96 wurde Herr Ziberov zum Gesundheitsamt geschickt, damit seine Reisefähigkeit festgestellt wird. Drei Monate später wurde er zur nächsten Untersuchung bei der nächsten Dienststelle (der dritten) des Gesundheitsamtes aufgefordert Mit gleichem Ziel: Irgendwer wird ihn doch gesund schreiben. Das ist menschenverachtende Vollstreckung.

Im Sozialamt Bochum-Wattenscheid wußten alle - vom Sachbearbeiter bis zur Chefin Frau Röckinghausen -, daß Herr Ziberov ungeheure Angst vor den Gesundheitsamt-Untersuchungen, die über die Abschiebung entscheiden, hat und daß der Gang zur Untersuchung eine Gefahr für seine Gesundheit ist Darauf sind sie auch von seinen Freunden hingewiesen worden.

Anfang Mai 97 strich das Sozialamt alle Bezüge, verweigerte den Krankenschein und unterbrach die medizinische Versorgung. Am 5.6.97 wurde vom Gesundheitsamt festgestellt, daß das Ehepaar Ziberov/Sulejman reisen könne, aber dringend eine ärztliche Versorgung und Medikamente benötige. Am 18.6.97 hatte H. Ziberov den Herzinfarkt. Die Leiterin des Sozialamts - Frau Röckinghausen - lehnt jede Verantwortung ab und konnte sich auch nicht dazu durchringen, Herrn Ziberov gute Besserung zu wünschen. Der Leiter der Bezirksstelle Wattenscheid - Herr Thömmes - erklärte, daß man nach einem Herzinfarkt üblicherweise in Kur gehe und dazu einige hundert Kilometer reisen müsse. Also könne Herr Ziberov auch reisen. Nach Makedonien. Herr Ziberov müsse, sobald er aus dem Krankenhaus käme, zum Gesundheitsamt, damit seine Reisefähigkeit festgestellt werde und er ausreisen könne. Auf die Frage, was denn wäre, wenn Herr Ziberov wegen der Aufregung beim nächsten Gang zum Gesundheitsamt sterben würde, antwortete er "Die Rechtslage ist eindeutig."

Pure Menschenverachtung ist die Grundlage, auf der der deutsche Flüchtlingsverwaltungsapparat seine gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen aufbaut.

Seit der Wiedervereinigung sind mehr Menschen (beim Versuch nach Deutschland zu gelangen) an der deutschen Ostgrenze gestorben als während der Zeit der DDR an der ,innerdeutschen' Grenze. Der bundesdeutsche Rechtsstaat erschießt Flüchtlinge nur selten, er läßt sie in den Grenzflüssen
ertrinken, er läßt sie sich selbstmorden in den Abschiebeknästen und Polizeiwachen, er läßt sie aus Angst vor der Ungewißheit krank und depressiv werden, er schikaniert sie und schüchtert sie ein. Selbstverständlich auf rechtlicher Grundlage und juristisch selten anfechtbar. Der Tod wird billigend in Kauf genommen.

Akte auf Akte,
Paragraph auf Paragraph,
die Verantwortung auf viele verteilt,
- zum Schluß ist es keiner gewesen.
(Kurt Tucholsky)

Weg mit den rassistischen Sondergesetzen!
Keine Abschiebungen, Grenzen auf!


Roma-Unterstützerlnnen-Gruppe

c/o Bahnhof Langendreer,
Wallbaumweg 108,
44894 Bochum

nach oben