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H.DOGANAY@VLBERLIN.comlink.de   (Hakan Doganay)

Siemens, Metall und Öffentlicher Dienst:
Vollstreik! Zur Verteidigung des Lohns und der Arbeitsplätze

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Die enorme Beteiligung an der Warnstreikwelle in der ersten Februarwoche beweist: Wir können die Herren der Metallindustrie in die Knie zwingen. Sie bieten 2,3% und wollen mit der einmaligen Zahlung von 0,5% eines Jahreseinkommens einen zusätzlichen Angriff auf den Flächentarifvertrag starten. Mit ihrem provozierenden Angebot versuchen sie Stärke zu zeigen. Aber die hunderttausenden demonstrierenden KollegInnen haben unsere Wut und Kampfbereitschaft gezeigt. Und auch, welche Kraft in der Arbeiterbewegung steckt, wenn nur entschlossen mobilisiert wird. Jetzt müssen wir in den Vollstreik gehen!

Wir müssen einen faulen Kompromiß verhindern! 6,5% ist das Mindeste!

Nicht umsonst hieß es bereits in der VKL-Zeitung von Bosch-Siemens-Hausgerätewerk Berlin vom 15.1.99: "Die 99er Tarifrunde wird besonders wichtig. Denn nach dem Wechsel in Bonn wollen wir jetzt auch einen Wechsel in unserer Lohntüte: nicht weniger Geld wie in den letzten Jahren, sondern mehr. Das ist der wahre Kern des "Endes der Bescheidenheit". Die von der IG Metall geforderten 6,5 % sind wenig genug. Die von den Vertrauensleuten vorgebrachten Forderungen gingen weit darüber hinaus (meist über 10% und oft 500 DM Festgeld). Denn an der Basis ist auch  ohne Statistiken bekannt, wie sehr der Reallohn in den letzten Jahren gesunken ist, wie sehr die "Produktivität" und die Arbeitshetze gestiegen ist, wie sehr die Gewinne explodiert sind und wie wenig Rücksicht die Unternehmer auf die Arbeitslosen genommen haben. Die parallel mit den Gewinnen nach oben geschossenen Arbeitslosenzahlen bestätigen lediglich: Lohnverzicht lohnt sich nicht!"

Auch der Widerstand bei Siemens gegen die Ausgliederungen von 60.000 Arbeitsplätzen, Entlassungen und Lohnsenkungen zeigt: Wir sind nicht länger bereit, uns für die Gewinne einer Handvoll von Aktionären, Banken und Multinationalen Konzernen zu opfern. Diese Tarifrunde muß Ausgangspunkt für eine Gegenoffensive werden, um die Interessen und Forderungen der Beschäftigten, der Arbeitslosen, der Jugendlichen und aller sonstigen Opfer der Umverteilungspolitik der letzten Jahre auf die Tagesordnung zu setzen.

Die Abwahl der Kohl-Regierung war ein erster politischer Schritt. Doch zeigt die Schröder-Fischer-Regierung, daß sie in der Praxis nur einen kleinen Teil der Wahlversprechen umsetzen will, und möglichst nur dort, wo es den Reichen und Konzernen nichts kostet. Deshalb warnen sie uns bereits vor "überzogenen Forderungen".

So bestätigt sich die alte Regel: Eine Politik im Interesse der ArbeitnehmerInnen können wir nur selbst durchsetzen! Trotz riesiger Gewinne jammern die Unternehmer wieder über "Standortnachteile" und zu hohe Kosten. Hierbei werden sie von bürgerlichen Politikern, angeblichen Sachverständigen und einem Teil der Medien unterstützt, die jahrelang die katastrophale Kohl´sche Politik wohlwollend begleiteten - und dafür in einem Monat soviel Geld bekommen wie wir in einem ganzen Jahr. Plötzlich entdecken die, die in den letzten Jahren gnadenlos Entlassungen durchgeführt haben, ihr Herz für Arbeitslose. Unsere "übertriebenen" Lohnforderungen würden Arbeitsplätze gefährden! Doch nur Beschäftigte, die in der Lage sind, ihren Lohn zu verteidigen, können auch die Einstellung von Arbeitslosen und die Umwandlung befristeter in reguläre tarifvertraglich geschützte Arbeitsplätze durchsetzen!

Flächentarifvertrag verteidigen !

Vor allem in Ostdeutschland zeigt sich in aller Brutalität das Ziel der Unternehmer: mit immer weniger Leuten immer mehr produzieren, flexibel, mit weniger Lohn, ohne gewerkschaftliche Rechte, mit Betriebsräten (wenn überhaupt), die entweder zu schwach und isoliert sind oder sich gar direkt als Interessensvertreter "ihres Unternehmens" verstehen. Und dies wollen sie auf Westdeutschland ausdehnen.

Auch deshalb ist diese Tarifrunde besonders wichtig: Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung finden die Tarifverhandlungen in Ost- und Westdeutschland gemeinsam statt. Damit besteht endlich die Chance, die verhängnisvolle Spaltung in Ost und West zu überwinden. Nur gemeinsam kommen wir voran!

Geld ist genug da: unter anderem werden mit den von den ArbeitnehmerInnen erarbeiteten Milliarden die gigantischen Fusionen - wie DaimlerChrysler - finanziert, aber auch die weiteren Kursexplosionen an den internationalen Börsen, besonders nach Einführung des Euros. Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Asien, Brasilien und Rußland - auch Folge dieser Spekulationen - ist nun das neueste Argument gegen Lohnerhöhungen, da die Exporte zurückgehen würden. Doch schon vor dieser neuen Krisenrunde wurden die Löhne nicht freiwillig erhöht. Es kann nicht sein, daß wir ständig die Zeche für irgendwelche Fehlentscheidungen und das Chaos der "Marktwirtschaft" zahlen sollen! Hier nützt auch kein "Bündnis für Arbeit". Im Gegenteil, es ist gefährlich, weil es die trügerische Hoffnung weckt, durch Vereinbarungen mit den Unternehmern die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Doch die Arbeitslosigkeit ist von den Unternehmern nicht nur gemacht. Sie ist für sie auch nützlich, weil sie uns dadurch besser erpressen können. Lediglich aus Angst vor einer "sozialen Explosion" reden sie von der Notwendigkeit einer Senkung der Arbeitslosigkeit.

Für kämpferische Gewerkschaften!

Diesmal mobilisiert die IGM-Führung stärker als häufig zuvor. Dies ist einerseits eine Folge der wachsenden Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft an der Basis. Auf der anderen Seite ist es Eingeständnis des Scheiterns der bisherigen Politik der Zugeständnisse an die Unternehmer und des Hoffens auf den "Aufschwung". In den letzten Jahren haben die ArbeitnehmerInnen in vielen Ländern Ost- und Westeuropa mit machtvollen Streiks und Demonstrationen Unternehmer und  Regierungen zumindest zum teilweisem Nachgeben gezwungen. So in Frankreich, Italien, Dänemark, Rußland...

Aber auch hier endeten viele dieser Kämpfe in faulen Kompromissen, und häufig griffen die Unternehmer am nächsten Tag woanders an. Deshalb ist es notwendig, in die Gewerkschaft einzutreten und weitere Mitglieder zu gewinnen. Aber es ist auch notwendig, daß die ArbeitnehmerInnen die Politik der Gewerkschaften bestimmen und kontrollieren und dies nicht den Vorständen überlassen. Die über vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland und über 20 Millionen im Europa des Euros sind auch Ergebnis einer Politik von Gewerkschaftsführungen, die allzuoft zugunsten des "Sozialen Friedens" und "Wettbewerbsfähigkeit" unsere Interessen denen der Konzernherren opfern.

Statt in die Versprechungen der Unternehmer und Regierung zu vertrauen müssen wir auf unsere Kraft setzen. Die Kolleginnen und Kollegen, die die Interessen der Beschäftigten und Arbeitslosen ernst nehmen, müssen sich zusammenschließen und eine kämpferische Alternative aufbauen. In vielen Betrieben tut sich unterdessen etwas. Auch bei Siemens hat die Konzernspitze selbst das Vertrauen in die "Familie" zerstört In vielen Betrieben in Ostdeutschland, die aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sind, finden Streiks und Betriebsbesetzungen statt. Diese müssen wir unterstützten!

Aber auch in anderen Branchen stehen die Zeichen auf Sturm. So im Öffentlichen Dienst gegen Privatisierungen und Arbeitsplatzabbau, in Berlin besonders bei den Krankenhäusern. Schlimm für die KollegInnen dort ist allerdings, daß der ÖTV-Vorstand die Senatspläne unterstützt und den KollegInnen in den Rücken fällt.

Die Beschäftigten aller Branchen müssen ihre Kämpfe koordinieren. Wenn wir erreichen, daß IGM, ÖTV und anderer Gewerkschaften gemeinsam streiken, können wir die Unternehmer in die Knie zwingen. Und beweisen, daß wir nicht an einem "überflüssigen" "nicht zeitgemäßem Ritual" teilnehmen, sondern es verdammt ernst meinen. Das ist auch die beste Antwort gegen die rassistische CDU/CSU- Kampagne, die deutsche und ausländische Arbeiter spalten will, damit wir nicht gemeinsam gegen die Verursacher der Krise kämpfen.

Wir müssen für einen Notplan als Teil eines Programms kämpfen, das die Interessen aller Lohnabhängigen bündelt: Wirkliche Lohnerhöhungen - 6,5% und keinen Pfennig weniger! Verteidigung des Flächentarifvertrags und des freien Wochenendes! Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich, ohne Flexibilisierung und mit Einstellung von Personal! Verbot von Entlassungen und ungeschützter Beschäftigung! Ein öffentliches Investitionsprogramm für notwendige Arbeiten und die Schaffung neuer tarifvertraglich geschützter Arbeitsplätze, finanziert durch eine starke Besteuerung der Reichen und Spekulanten! Wir werden unsere gesamte Kraft dafür einsetzen, daß in dieser Tarifrunde das Unternehmerdiktat gebrochen und eine gewerkschaftliche und politische Alternative im Interesse der ArbeiterInnen aufgebaut wird.

Zahlen die für sich sprechen:  Zwischen 1993 und 1997 wäre in der Metallindustrie ein "neutraler Entgeltanstieg" (= Inflationsausgleich + Beteiligung an Produktivitätssteigerung) von 36,7% möglich gewesen. Tatsächlich stiegen die Löhne brutto jedoch nur um 13%, knapp ein Drittel! Real ist die Kaufkraft in den letzten 5 Jahren in der Metallverarbeitung um 14,8% netto gesunken.

Die Metallunternehmer erzielten 1997 mindestens 34 Milliarden DM Reingewinn. Die Gewinnentnahmen sind seit 1991 um 75% gestiegen In der ostdeutschen Metallindustrie stieg die Produktivität um 13%, in Sachsen gar um 21%, die Beschäftigtenzahl um 3% - doch die Reallöhne liegen immer noch um 20% niedriger - soweit überhaupt nach Tarif gezahlt wird.

Sozialistische Initiative und Sozialistische Liga 
PLK 022354 C, 13347 Berlin

(Dieses aktualisierte Flugblatt wurde u.a. während des Warnstreiks von Siemens und Bosch-Siemens-Hausgerätewerk am 10.2. in Berlin verteilt.)

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