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Die Verschleppung des Öcalan
Fakten & Meinungen
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  • Stellungnahme der Kurdistan-AG FU Berlin
    NATO muß notfalls die Türkei bombardieren

Wir verurteilen die völkerrechtswidrige Entführung des Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, aus Kenia in die Türkei und die dort aufgeführte Zurschaustellung aufs schärfste. Die europäischen Staaten, v.a. die BRD, haben, als sie Italien mit Öcalan allein ließen, die Chance der politischen Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts und der Einleitung eines Demokratisierungsprozesses in der Türkei verspielt. Der Vorschlag Öcalans, ihn und die Türkei vor ein internationales Gericht zu bringen, wurde bewußt ignoriert.

Die Bundesregierung setzt vielmehr den Kantherismus ihrer Vorgängerin fort: Statt die PKK als politische Verhandlungspartnerin ernstzunehmen, behandelt sie diese wie eine Terrororganisation und stellt sich hinter den türkischen Staat, von dem zuerst und vor allem der Terror ausgeht, und behandelt Kurdinnen wie Schwerverbrecherinnen, droht ihnen mit Abschiebung in ein Land, in dem Tod bzw. Folter warten. Wer derartige Abschiebungen unterstützt bzw. ausübt ist mitschuldig an schwersten Menschenrechtsverletzungen.

Wenn die Türkei nicht bereit ist, innerhalb der nächsten 14 Tage gemeinsam mit Vertreterinnen der PKK Gespräche über eine politische Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes zu beginnen und einer Stationierung von UNO-Friedenstruppen zuzustimmen, muß die NATO notfalls bereit sein, die Türkei auszuschließen und mit Waffengewalt an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Was im Falle des Kosovokonflikts eine legitime Handlungsoption zu sein scheint und konkret angedroht wird, liegt offenbar im türkisch-kurdischen Konflikt jenseits des Denkmöglichen. Dies liegt nicht an der grundsätzlichen Unvergleichbarkeit der Fälle, sondern an der Perspektive, aus der der türkisch-kurdische Konflikt betrachtet wird. Die UCK wird als Kriegspartei anerkannt, weil sie sich gegen einen Staat erhebt, dessen Repräsentant von der Europäischen Union als Kriegsverbrecher betrachtet wird. Die PKK hingegen kämpft gegen einen Staat, den die EU und die USA als wichtigen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Bündnispartner wahrnehmen. Dieser Logik folgend muß die PKK von diesen Staaten als Terrororganisationen definiert werden. Die Lösung des türkisch-kurdischen Konflikts ist deshalb nicht möglich, weil der politsche Wille der Regierungen, die dazu in der Lage sind, nicht vorhanden ist.

Die Mehrheit deutscher Medien spiegelt diese Sichtweise unkritisch wieder: Wenn Kurdinnen friedlich demonstrieren, wird das kaum kommentiert. Auseinandersetzungen mit der Polizei, Sachschaden und kurzzeitige Geiselnahmen, bei denen bislang niemand verletzt wurde, sind zwar zu recht zu kritisieren, werden jedoch zu unrecht "organisierter Kurdenterror" genannt. Wenn hingegen französische Bauern Autobahnen blockieren, mit Eisenstangen Polizisten verprügeln und das Umweltministerium verwüsten, spricht niemand von Terrorismus. Nicht einmal, wenn ein Deutscher einen französischen Polizisten lebensgefährlich zusammenschlägt oder Deutsche einen Algerier auf deutschen Straßen in den Tod hetzen, fällt der Begriff Terror. Nach jedem Anschlag deutscher Rechtsradikaler auf Ausländerinnen wird gefragt, was die sozialen und persönlichen Hintergründe der Tat sind und welche pädagogischen Maßnahmen zur Wiedereingliederung ergriffen werden können. Im Fall der Kurdinnen werden der politische Konflikt in der Türkei und die deutsche Mitverantwotung bewußt ausgeblendet und die persönliche Betroffenheit ignoriert. Die Therapie ist einfach: Abschiebung.

Von einigen konservativen Kräften werden zudem die Demonstrationen der Kurdinnen ausgenutzt, um die doppelte Staatsbürgerschaft zu kippen.

Wir wenden uns gegen die aggressiven, eskalationsprovozierenden Äußerungen deutscher Politikerinnen und der meisten deutschen Medien über völlig verzweifelte, zutiefst verletzte Menschen. Wer meint, die Austragung des Konfliktes hätte auf deutschen Straßen nichts zu suchen, möge bitte sofort etwas gegen deutsche Panzer auf kurdischen Straßen unternehmen!!!

Es scheint den Protestierenden "PKK-Mitglied" auf die Stirn geschrieben zu sein, und nur "fanatisierte PKKler" und "gemäßigte Kurden" zu geben. Diese Aufteilung ist wirklichkeitsfremd. Außerdem demonstrieren auch viele Kurdinnen, die die Organisationsstruktur der PKK und den Führungsstil Öcalans immer kritisiert haben. Andere, die selber zwar nicht an Konsulatsbesetzungen teilnehmen würden, zeigen jedoch Verständnis für diese Reaktion. Es ist normal, daß Menschen verschiedenster politischer Ansichten in einer Angelegenheit, die sie alle betrifft, gemeinsam agieren. Es geht um einfachste Menschenrechte aller Kurdinnen, die der türkische Staatsapparat, gebilligt und unterstützt von der Bundesregierung und anderen europäischen Staaten, mit Füßen tritt.

Die Medien sprachen von Schießereien mit Kurdinnen. Tatsächlich aber hat ein israelischer Sicherheitsbeamter in eine unbewaffnete Menge geschossen, dabei 3 Kurdinnen getötet und etliche verletzt - eine nicht zu rechtfertigende Reaktion: Von den bestausgebildetsten Sicherheitsbeamten der Welt kann mehr Besonnenheit erwartet werden.

Bei den Blutspuren im Schnee handelt es sich um das Blut kurdischer Menschen. Es war keine Schießerei mit, sondern auf Kurdinnen. Sie sind Opfer, nicht Täter.

Der Schauprozeß gegen Ocalan in der Türkei bedeutet die weltweite Legitimierung türkischen Terrors gegen Kurdinnen und andere ethnische bzw. oppositionelle Gruppen in der Türkei. Die Türkei führt aller Welt vor Augen, was sie unter Rechtsstaatlichkeit versteht: Ein völkerrechtswidrig entführter, augenverbundener, zwangsweise mit Drogen vollgepumpter und deshalb des klaren Denkens und Sprechens unfähiger Gefangener wird wie ein Tanzbär zur Schau gestellt. Das ist Folter an ihm und allen, die selber bzw. deren Angehörige oder Freundinnen gefoltert bzw. ermordet wurden. Damit will die Türkei sowohl Ocalan als auch alle Kurdinnen demütigen, doch macht sie sich in ihrer Siegestrunkenheit selber lächerlich.

Es reicht ganz und gar nicht und ist zudem überaus zynisch, den Konflikt von der Bundesrepublik Deutschland fernhalten zu wollen und auf einen fairen Prozeß in einem Land zu hoffen, in dem Folter und Mord tägliche Praxis staatlicher Behörden ist. Allein in der letzten Woche wurden in der Türkei unzählige Kurdinnen schikaniert, verhaftet und etliche umgebracht - die Medien sprechen von "Kurdenausschreitungen" in der Türkei statt von türkischem Staatsterror gegenüber Kurdinnen. Wie kann Cem Özdemir angesichts dessen ernsthaft eine "versöhnliche Hand" der Türkei gegenüber den Kurdinnen erwarten?

Solange Europa sich seiner Verantwortung für eine politische Lösung in der Türkei entzieht, wird dieser Konflikt aucli weiterhin auf deutschen Straßen ausgetragen werden.

Berlin, 22.2.1999 - als Flugblatt in Berlin während der Demo am 24.2. verteilt.

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