Ein großes
Polizeiaufgebot durchsuchte am
25. August 2017 in Freiburg die
Privatwohnungen von fünf Personen sowie
ein autonomes Kulturzentrum und
beschlagnahmte
technische Geräte, Speichermedien,
Bücher, private Notizen, Flyer und
andere Gegenstände.
Zuvor hatte das
Bundesinnenministerium
die
Veröffentlichungsplattform
"linksunten.indymedia.org"
verboten. Dazu
konstruierte das Ministerium einen
Verein, der angeblich für die Plattform
juristisch verantwortlich sei. Diesem
wurde nun der Verstoß gegen die
verfassungsmäßige Ordnung
der BRD durch die Internetplattform
vorgeworfen. Mithilfe dieses
winkeljuristischen Schachzugs wurde das
Medienrecht ausgehebelt.
Die von
der Polizeiaktion Betroffenen erhoben
unverzüglich Beschwerde beim Freiburger
Verwaltungsgericht und reichten Klage
beim Bundesverwaltungsgericht gegen das
Verbot der Veröffentlichungsplattform
ein. Am 29.1.2020 wurde nun die Klage
von dem Bundesverwaltungsgericht mit dem
formalistischen "Totschlagargument", die
Kläger*innen seien nicht
klageberechtigt, abgewiesen. Von daher
musste das Gericht auch gar nicht
prüfen, ob das Verbot zu Recht erging.
Danke Rechtsstaat!
Detlef
Georgia Schulze, der bei
"linksunten" bisweilen publiziert hatte,
startete nach dem Verbot zusammen mit
Achim Schill und
Peter Nowak verschiedene juristische
und publizistische Aktivitäten, um die
Wiederöffnung von "linksunten"
juristisch durchsetzen zu helfen. Die
nachfolgenden Texte entstanden in diesem
Zusammenhang und wurden uns zur
Veröffentlichung überlassen.
Wir veröffentlichen in
absteigender Reihenfolge.
red. trend / 1.2.2020
Die
juristische Auseinandersetzung um das
Verbot von
linksunten.indymedia
ist nicht zu Ende!
Berliner
linksunten-AutorIn
treibt eigene Klage gegen das Verbot weiter
voran
1.
Das Bundesverwaltungsgericht
hat gestern das Verbot von
linksunten.indymedia
nicht
inhaltlich bestätigt, sondern eine
inhaltliche Überprüfung des Verbotes
verweigert.
2.
Das BVerwG hat gestern
keine
Entscheidung zu der Frage getroffen, ob in
Bezug auf linksunten.indymedia bzw. den
HerausgeberInnen-Kreis die – vom
Bundesinnenministerium behaupteten –
Verbotsgründe des
Artikel 9 Absatz 2
Grundgesetz
(Strafgesetzwiderläufigkeit;
Gerichtetheit gegen die verfassungsgmäßige
Ordnung) vorlagen.
3.
Das BVerwG hat
ausschließlich
geprüft (und bejaht), ob in Bezug auf den
HerausgeberInnen-Kreis von
linksunten.indymedia die Vereinsmerkmale des
§ 2 Vereinsgesetz
vorlagen.
4.
Damit hat das BVerwG seine
langjährige Rechtsprechung bestätigt, daß
gegen Vereinsverbote – im Grundsatz und mit
Anspruch auf volle inhaltliche Überprüfung
des Verbots – ausschließlich die Vereine
selbst klagbefugt seien. Klagen dagegen
Mitglieder der verbotenen
Personenstruktur mit der Behauptung, die
Personenstruktur sei nicht vereinsförmig
organisiert,
dann beschränke sich die Überprüfung auf
genau diese Frage (Verein oder
Nicht-Verein?). Einen Anspruch auf
Überprüfung des Vorliegens der Verbotsgründe
hätten gegen nur die verbotenen Vereine,
aber nicht deren Mitglieder.
5.
Unabhängig davon, ob diese
Rechtsprechung in Bezug auf das Verhältnis
zwischen Vereinen und deren Mitgliedern
zutreffend ist,
bleiben damit im vorliegenden
Fall die Interessen und
Rechte der AutorInnen und LeserInnen von dem
linksunten-Verbot
in der gestrigen Entscheidung völlig
unberücksichtigt.
Deshalb wird Detlef Georgia Schulze, einE
frühereR
linksuntenLeserIn
und AutorIn, eine eigene Klage gegen das
Verbot weiterbetreiben.
6.
Schulze argumentiert: In
Bezug auf die LeserInnen und AutorInnen sei
nicht der – in dem
heutigen Urteil allein geprüfte Artikel 9
Grundgesetz (Vereinigungsfreiheit), sondern
Artikel 5
Absatz 1 und 2 Grundgesetz
(Meinungsäußerungs- sowie
Informationsfreiheit sowie Medienfreiheiten)
die einschlägige Norm. Die LeserInnen und
AutorInnen müßten das Recht haben,
die Verletzung ihrer Grundrechte
durch das sog. Vereinsverbot anzugreifen.
7.
Bemerkenswert ist allerdings,
daß Rechtsanwalt Prof. Wolfgang Roth, der
Prozeßvertreter
der beklagten Bundesrepublik Deutschland in
Bezug auf den Vorwurf, das Verbot verletzte
die
Meinungsäußerungsfreiheit, noch deutlicher
als in vorgehenden Schriftsätzen sagte:
„Niemand
– weder Ihre Mandanten noch andere – ist
gehindert wieder so eine Seite einzurichten,
wenn
es nicht gerade eine Fortsetzung der
verbotenen Vereinsaktivitäten ist.“
Daher ruft Schulze dazu auf,
eine politische Diskussion über die
Schaffung einer neuen
HerausgeberInnen-Struktur von
linksunten.indymedia zu beginnen.
Dabei wird zu diskutieren
sein,wie politischen Opportunismus vermieden
werden kann, als Ersatzorganisation
klassifiziert zu werden.
Siehe auch:
https://rdl.de/beitrag/reaktionen-auf-abweisung-der-klage-gegen-das-verbot-von-linksuntenindymedia
und
http://links-wieder-oben-auf.net/juristisches/
.
Zugestellt am
30.1.2020
linksunten.indymedia-Verbot
Eine Linkssammlung
I. Für die Praktischen:
II. Für die, die nichts verpassen wollen:
III. Für die Gründlichen:
IV. Für die Audiophilen:
V. Für HistorikerInnen und ArchivarInnen:
VI. Für die, die auch Juristisches nicht abschreckt
VII. Für diejenigen, die am 29. in Leipzig nicht vor Ort
sein können:
VIII. Für die Strategischen
- unser zweiteiliges Streitgespräch beim revolt:mag
IX. Huhu – an die „Sturmgeschütze der Demokratie“ (ein
Prädikat, das sich
Der Spiegel selbst verlieh):
Zugestellt am
28.1.2020
OFFENER BRIEF
wegen
Verbot der
„Internetplattform ‚linksunten.indymedia‘
auf
Grundlage des Vereinsgesetzes“ durch das
Bundesinnenministerium vom 14.08.2017
meine neue internet-Seite
links-wieder-oben-auf.net

Als PdF-Datei lesen
Zugestellt am
28.1.2020
Links wieder
oben auf
Berliner
linksunten-AutorIn spiegelt das Archiv
von linksunten.indymedia
und bekennt
sich namentlich dazu
Am
25.08.2017 verbot der damalige Innenminister
Thomas de Maizière – laut Bekunden seines
Ministeriums – die „Internetplattform
‚linksunten.indymedia‘ auf Grundlage des
Vereinsgesetzes“().
Wie es möglich sein soll, „auf der Grundlage
des Vereinsgesetzes“ etwas anderes
als Vereine – im vorliegenden Fall eine
internet-Plattform – zu verbieten, blieb bis
heute Geheimnis des Innenministeriums.
Am Donnerstag
vergangener Woche – zwei Wochen vor dem
Prozeß, der am 29.1. vor dem
Bundesverwaltungsgericht gegen das Verbot
stattfinden wird – haben kürzlich
Unbekannte ein – nach eigenen Angaben –
komplettes Archiv von linksunten.indymedia
online gestellt:
https://linksunten.archive.indymedia.org/
Die
VeröffentlicherInnen schreiben:
„Das
statische Archiv der Seite ist auch als
Download in Form von Zipdateien
verfügbar. Die Links zu den Dateien
findet ihr auf der Startseite des
Archivs […]. Ladet es herunter, teilt es
und erstellt Mirrors der Seite.“
Dieser Aufforderung ist jetzt eine
frühere AutorIn von linksunten
nachgekommen – und zwar mit namentlichem
Bekenntnis.
Um seine/ihre
juristische und politische Überzeugung,
daß solche
Medien wie linksunten oder auch wie
die gedruckte
Zeitschrift radikal erscheinen
dürfen (= juristischer Aspekt) und
erscheinen sollen (= politischer
Aspekt), auszudrücken,
hat sich
Detlef Georgia Schulze, der/die auch früher
namentlich bei linksunten
publizierte, entschlossen, das anonym
gepostete linksunten-Archiv zu
spiegeln, und ein
Impressum mit Namensnennung
hinzugefügt. Anders als die anonymen
Archiv-VeröffentlicherInnen hat Schulze
auch das Original-Logo (mit dem Schriftzug
„linksunten.indymedia.org“ [und nicht nur
schüchtern „linksunten Archiv“] – aber
ergänzt um die Dachzeile „Archiv einer
not-wendigen internet-Zeitung“), das das
Bundesinnenministerium und die Berliner
Staatsanwaltschaft als „Vereinskennzeichen“
zu kriminalisieren versuchen,
wiederhergestellt:
http://www.links-wieder-oben-auf.net
In einer
begleitenden Erklärung schreibt Schulze:
»Unnötig, zu betonen, daß ich nicht alles
für inhaltlich richtig halte, was ich – im
Interesse der Meinungsäußerungs-, Presse-
und Informationsfreiheit – für
veröffentlichungswürdig halte.()
Sich alles zu eigen zu machen, was
bei linksunten erschienen war, ist
schon deshalb unmöglich, weil es –
angesichts der Pluralität des
AutorInnen-Spektrums von linksunten –
heillos selbst-widersprüchlich wäre: Denn
bei linksunten spiegelte sich fast
die ganze Breite (Pluralität) – und
Zerstrittenheit – der außerparlamentarischen
Linken.
Meine
Äußerungen sind – auch strafrechtlich – nur
die Äußerungen, die ich selbst
getätigt habe. Sie sind daran zu erkennen,
daß ich sie mit meinem Klarnamen oder meinem
pen name
(TaP = Theorie als Praxis) gezeichnet
habe. Alles weitere ist bloß die Dokumention
einer historisch-diskursiven Tatsache (des
publizistischen Phänomens
linksunten.indymedia); vgl.
Helmut Ridder,
In Sachen
„Mescalero“. Plädoyer vor dem
Landgericht Bielefeld, in:
Demokratie und Recht 1978,
224 - 229 (225):
„Was die
Herausgeber getan haben, ist eines, und was
sie gewollt haben, ist ein anderes, soweit
es von dem, was sie getan haben, abweicht.
Was sie getan haben, ist dies: Sie haben
Texte verbreitet, die man unzweifelhaft
verbreiten darf, weil sie selbst
geschichtliche Tatsachen sind – die in
diesem Land wenig genug gekannte Geschichte
unterliegt nach der Rechtsordnung dieses
Landes vorerst noch nicht strafrechtlich
bewehrten Geheimhaltungspflichten –“.
Bleibt
trotzdem die Frage:
Mache
ich mich mit meinem Tun (erneut)
strafbar?
Ich bin
überzeugt, daß ich mich nicht
strafbar mache. Ich habe deshalb auch die
Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (mit
der Bitte zu prüfen, ob es sich um ein
„unzulässiges Angebot“()
handelt oder es ansonsten etwas zu
beanstanden gibt()
und die Berliner Staatsanwaltschaft, die
sich eh bereits mit meinen beiden Ko-Autoren
Peter Nowak und Achim Schill sowie mir
selbst befaßt, über mein Tun informiert.
1.
Was die historischen – bei linksunten
erschienen – Text anbelangt, so sind
jedenfalls meine eigenen Texte juristisch
nicht zu beanstanden. Was die Texte von
anderen AutorInnen anbelangt (von denen
vielleicht einige tatsächlich juristisch zu
beanstanden sind), so mache ich mir diese
nicht zu eigen, sodaß ich auch durch die
Wiederveröffentlichung für sie jedenfalls
nicht strafrechtlich verantwortlich bin.
So hat der BGH
hinsichtlich des Abspielens eines –
allerdings rechten – Liedes entschieden:
„Die
Feststellungen [des Vorinstanz] tragen
nicht den Schluss, dass der Angeklagte
seine Förderhandlungen vorsätzlich in
Bezug auf eine öffentliche Aufforderung
zu Straftaten (§ 111 StGB) erbracht
hat. § 111 StGB ist ein Äußerungsdelikt
(Fischer, StGB, 62. Aufl., § 111 Rn. 2;
LK/Rosenau, § 111 Rn. 14). Aufgrund
dessen ist – wie auch im Fall des § 130
Abs. 1 StGB – bei der Veröffentlichung
einer fremden Erklärung zu fordern, dass
der Veröffentlichende diese
unmissverständlich zu seiner eigenen
machen will (vgl. BGH, Beschluss vom 20.
Februar 1990 – 3 StR 278/89, NJW 1990,
2828, 2831; OLG Frankfurt, Urteil vom
17. Dezember 2002 – 3 Ss 317/02, NStZ-RR
2003, 327, 328; Fischer aaO, § 111 Rn.
2a). In dem bloßen Abspielen eines
Liedes ist ein derartiges zu Eigen
machen noch nicht zu sehen.“
(Beschluss
vom 14. April 2015 zum Az. 3 StR 602/14;
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2015-4&Seite=6&nr=71180&pos=192&anz=265,
S. 9 [Tz. 19])
Und
bereits zu der Zeit als es noch den weiten
Straftatbestand der Werbung für kriminelle
und terroristische Vereinigung gab, der zum
30. August 2002 auf Werbung „um
Mitglieder oder Unterstützer“ eingeengt
wurde (§§ 129 I,
129a Absatz 3
StGB), hatten
-
das
Oberlandesgericht Düsseldorf und der
Bundesgerichtshof bezüglich der im
GNN-Verlag erschienene Broschüre
„Ausgewählte Dokumente der
Zeitgeschichte: Bundesrepublik
Deutschland (BRD) – Rote Armee Fraktion
(RAF)“()
entschieden,
++
daß das Verbreiten der Broschüre keinen
hinreichenden Verdacht des ‚Werbens‘ (im
damaligen()
weiten Sinne) für die Rote Armee
Fraktion darstelle und daher die
Zulassung einer Anklage wegen
Verwirklichung des Tatbestandes des
§ 129a Absatz 3 StGB nicht begründe:
„Daß die Herausgeber der Schrift
sich in den einleitenden und
begleitenden Texten nicht von der
RAF distanzieren oder neutral
bleiben, vermag einen werbenden
Charakter zugunsten der RAF noch
nicht zu belegen. […]. Aus dem vom
Oberlandesgericht zitierten Vorwort
wird deutlich, daß die Dokumentation
nicht dem Werben für die RAF dient,
deren Gewalttaten von den
Herausgebern auch an keiner Stelle
gebilligt werden, sondern vielmehr
das Thema RAF für Zwecke
kommunistischer Propaganda genutzt
werden soll.“ (BGH)
und
++
beschlagnahmte Exemplare der Broschüre
vom Staat herauszugeben seien (OLG
Düsseldorf()
und
-
der
BGH den vorherigen Beschluß zur
Beschlagnahme des von Pieter Bakker
Schut herausgebenen Info-Buches(
mit Briefen von Gefangenen aus der RAF
aufgehoben.
Die –
1997 und 1993 im Verlag ID-Archiv
erschienenen – umfassenden Dokumentationen
der Texte der Rote Armee Fraktion sowie der
Revolutionären Zellen / Rote Zora konnten
unbehelligt erscheinen und verbreitet werden
und stehen heute im internet völlig legal
zum kostenlosen Download()
zur Verfügung.
Es gibt zwar
auch andere BGH-Entscheidungen –
Entscheidungen, in denen der
Bundesgerichtshof ziemlich leichthändig das
Zueigenmachen fremder Texte bejaht hat. Aber
ich berufe mich auf die
Entscheidungen, die ich für zutreffend
halten – und lasse mich von den
gegenteiligen nicht einschüchtern. Daher
habe ich die Spiegelung des linksunten-Archivs
mit einem namentlich gezeichneten Impressum
versehen.
Ein bißchen
öffentliches Vereinsrecht
2. Auch
speziell vereinsrechtlich mache ich mich
nicht strafbar. Diesbzgl. kommen zwar
die Nr. 3 (Unterstützung vollziehbar
verbotener Vereine) und 5 (Verwendung von
Kennzeichen solcher Vereine), wegen denen
Peter Nowak, Achim Schill und ich eh schon
angeklagt sind, sowie Nr. 1 von
§ 20 Absatz 1 Satz 1
Vereinsgesetz in Betracht. Nr. 1
betrifft die Aufrechterhaltung des
„organisatorischen Zusammenhalt[s]“ eines
solchen Vereins und die mitgliedschaftliche
Betätigung in einem solchen Verein.
a)
Das Bundesinnenministerium beansprucht, den
„Verein ‚linksunten.indymedia‘“ verboten zu
haben. Einen Verein diesen Namens gab es
aber nie und gibt es auch heute nicht. Eine
internet-Plattform ist kein Verein,
sondern ein Telemedium; und der
Personenkreis, der dieses Telemedium anbot,
hieß IMC linksunten()
– auch dieses (das
Independent Media Centre
linksunten) scheint es nicht mehr zu
geben (jedenfalls scheint es nicht mehr
aktiv zu sein); und ich gehörte nie dazu.
Es ist also
unmöglich, sich in einem „Verein
‚linksunten.indymedia‘“ mitgliedschaftlich
zu betätigen oder dessen „organisatorischen
Zusammenhalt“ aufrechtzuerhalten. Der
„Verein ‚linksunten.indymedia‘“ ist ein
Phantom; das Verbot des „Verein
‚linksunten.indymedia‘“ ein Phantom-Verbot!
b) Das
entsprechende gilt für den Straftatbestand
der Unterstützung: Unterstützt werden kann
nur ein existierender Verein. Ein „Verein
‚linksunten.indymedia‘“ existiert aber nicht
und existierte nie – also kann er auch nicht
unterstützt werden.
c)
Schließlich das gleiche in Bezug auf die
Kennzeichenverwendung: Etwas kann
jedenfalls nur dann Kennzeichen eines
Vereins sein, wenn dieser Verein
existiert oder existierte. Ein „Verein
‚linksunten.indymedia‘“ existierte aber nie
– und existiert auch heute nicht. Also kann
das in der linksunten-Verbotsverfügung
Abgebildete (es handelt sich in
Wirklichkeit um das Logo der
internet-Plattform) kein Vereinskennzeichen
sein.
Prof.
Wolfgang Roth, der Rechtsanwalt der
Bundesrepublik Deutschland in Sachen
linksunten.indymedia: ‚Es ist gar kein
Medium, sondern ein Verein verboten worden.‘
– Ich nehme ihn beim Wort!
Am 09.08.2019
– kurz vor dem zweiten Jahrestag des
linksunten-Verbotes – hatte ich beim
Bundesinnenministerium die
Rücknahme des Verbotes beantragt (s.
dazu
taz v. 11.08.2019;
junge Welt vom 21.08.2019;
Kontext : Wochenzeitung v. 21.08.2019;
trend 8/2019).
Nachdem das
Innenministerium nach drei Monaten immer
noch nicht geantwortet hatte, hatte ich am
13.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht
Prozeßkostenhilfe für eine Klage gegen die
Bundesrepublik Deutschland beantragt.
Mit der Klage
soll dann u.a. beantragt werden,
-
die
Bundesrepublik bzw. das Innenministerium
zu verpflichten, die Nichtigkeit des
Verbots festzustellen;
-
hilfsweise: daß das Gericht die
Rechtswidrigkeit des Verbotes feststellt
und die BRD bzw. das BMI zur Rücknahme
des Verbotes verpflichtet.
Zur Begründung
hatte ich in den Anträgen ans BMI und das
Bundesverwaltungsgericht u.a. wie folgt
argumentiert:
„Mag über
die Rechtmäßigkeit des Verbotes des
HerausgeberInnenkreises von
linksunten.indymedia auf der Grundlage
von Art. 9 II GG noch ernsthaft
diskutiert werden können, so ist die
Vorstellung, das BMI sei
-
auf
der Grundlage einer Norm, die das
Verbot von Vereinigungen
zuläßt,
-
auch
befugt, Medien sowie die
Logos und URL von Medien zu
verbieten,
dermaßen
abenteuerlich, daß in Bezug auf diese
Teile und Implikationen der Verfügung in
der Tat von keiner Person ‚erwartet
werden kann, den Verwaltungsakt als
verbindlich anzuerkennen‘.“
(s.
dort, S. 2)
Darauf
erwiderte am 7. Januar Rechtsanwalt Prof.
Wolfgang Roth, der Verfahrensvertreter der
Bundesregierung:
„Die
wiederholt vorgetragene Erwägung des
Antragstellers, es könnten nur
Vereinigungen verboten werden, nicht
hingegen Medien, geht schon am Inhalt
der Verbotsverfügung vorbei und damit
ins Leere, da hiernach ausdrücklich der
Verein ‚linksunten.indymedia‘ verboten
worden ist.“ (S.
2 oben)()
Mein Argument
würde aber nur dann „am Inhalt der
Verbotsverfügung vorbei[…]gehen“, wenn in
Wirklichkeit gar kein Medium, sondern
vielmehr ein Verein verboten wurde. Das
BMI hatte dagegen 2017 noch behauptet, es
sei die „Internetplattform
‚linksunten.indymedia‘“ – also ein Medium –
„auf Grundlage des Vereinsgesetzes“
verboten worden.
Der
Verfahrensvertreter der Bundesrepublik
scheint nun – in einem verzweifelten
Rückzugsmanöver – allen Ernstes zu
behaupten, die „Internetplattform
‚linksunten.indymedia‘“ sei gar nicht
verboten worden, sondern irgendein
Verein gleichen Namens. Auf einmal – nachdem
sie beim verfassungswidrigen Medienverbot
ertappt wurde – beruft sich die
Bundesrepublik auf den Unterschied zwischen
Medium und Mediums-HerausgeberInnen, den
das Innenministerium 2017 in seiner
Verbotsverfügung beständig konfundierte!
Daher
erlaube ich mir, Prof. Roth beim Wort und zu
bekennen:
Ich
biete (in der Terminologie des
Telemediengesetzes()
gesprochen) das Telemedium – die
internet-Plattform – linksunten.indymedia
(wenn auch nur das Archiv) an –
vorerst unter
der URL
www.links-wieder-oben-auf.net;
aber ich würde
mich sehr freuen, wenn mir die InhaberInnen
der Domain indymedia.org ihre Subdomain
https://linksunten.indymedia.org
zur Verfügung
stellen würden.
Dann würde ich
das Archiv-Telemedium auch unter seiner
alten URL, deren Verwendung das BMI 2017
unter rechtswidriger Berufung auf das
Vereinsgesetz verboten hatte, anbieten.
Ich sind
gespannt, ob Prof. Roth und die
Bundesrepublik Deutschland Wort halten!
Spätestens,
wenn wir die Antwort auf diese Frage kennen,
wird es Zeit für eine breite und
kollektive linke Diskussion über eine
Wiederinbetriebnahme der Plattform
auch mit neuen Artikel sein. Diese
Entscheidung und Arbeit kann
selbstverständlich nicht die einer einzelnen
Person sein; hier geht es zunächst nur um
eine Art ‚juristisches Experiment‘:
Herauszufinden, ob das
Bundesinnenministerium – unter Verletzung
von Pressefreiheit und Zensurverbot – (wie
zwei Jahre lang alle glaubten) eine
internet-Plattform verboten hatte –
oder bloß
einen Verein, der nie existierte.
Fußnoten
Zugestellt am
26.1.2020
+++++++++++++++++++++++
Texte zum Thema bei TREND
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