Gesellschaft
Ein informativer "Kurz-Text"

von Richard Albrecht

02/12

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Gesellschaft, so Marx 1857/58 in seinen Vorarbeiten zum wissenschaftlichen Hauptwerk „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie“, besteht nicht aus vereinzelten einzelnen und „nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen, Verhältnisse aus, worin diese Individuen zueinander stehn.“[1] Die Vorstellung von Gesellschaft als System reflexiv handelnder Menschen beruht auf dem historisch-materialistischen Grundsatz von Marx und Engels: „Nicht das Bewußtsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewußtsein“[2]. Dieser – marxistische – Ansatz ist zum einen allen eindimensional-verkürzenden ökonomistischen Sichten (etwa Webers: „Das Streben nach Einkommen [ist] die unvermeidlich letzte Triebfeder allen wirtschaftlichen Handelns“[3]) und zum anderen jeder individualistisch-obskurantistischen Sicht auf „Gesellschaft“, die sie schlicht negiert (etwa Thatchers: „There is no such thing as society, only men and women and their families“; deutsch etwa: „Gesellschaft ist ein Unding. Es gibt nur Männer, Frauen und deren Familien“[4]) deshalb um eine wissenschaftshistorische Epoche voraus, weil sie Gesellschaft als allgemeinen und übergreifenen Handlungszusammenhang vorstellt.

Die (auch von mir) als sozialkannibalische Ideologie und destruktive Politpraxis empfundene Entgesellschaftlichung von Gesellschaft, die in Ganzdeutschland inzwischen soweit ging, daß ein vor Jahren kurzfristig zum BuMi-Wirtschaft gekürter Politwicht wie Michel Glos (CSU) soziale „Schichten“ öffentlich und unwidersprochen zur „Erfindung von Soziologen“ erklärte, halte ich für einen Grundaspekt des gegenwärtig allumfassenden und typischerweise rechten Wertenihilismus, der, wenn noch weiter banksteristisch beschleunigt[5] und gesellschaftlich verallgemeinert, nächst die kulturellen Grundlagen auch des Kapitalismus als gesellschaftlichem System und damit von Gesellschaft zerstören könnte. In diesem Sinn präzisiert Banksterismus als globalökonomisch-scheingeldschöpfendes System heute jenen (vor zwei Jahrzehnten noch allgemeinsystemisch beschriebenen) „Kapitalismus ohne menschliches Gesicht“, dem „über kurz oder lang nichts anderes mehr übrigbliebe als der geschichtliche Abtritt, weil er, seiner ungebändigten Eigenlogik folgend, seine kulturellen Grundlagen zunehmend selbst zerstört.“[6]

Anmerkungen

[1] Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie [Rohentwurf 1857/58], Berlin: Dietz, 1974: 176

[2] Marx-Engels-Werke, Band 3. Berlin: Dietz, 1960: 27

[3] Max Weber, Wirtschaft & Gesellschaft [1920]. Studienausgabe; Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1964: 153

[4] Zitiert nach Richard Albrecht, Subjektmarxismus; in: soziologie heute, 15/2011: 20-23

[5] Richard Albrecht, Bankstertum und/als Schwindelökonomie: http://www.trend.infopartisan.net/trd1011/t501011.html ;

zum Konzept des gesellschaftlichen Schwindel ders., SUCH LINGE. Vom Kommunistenprozeß zu Köln zu google.de. Sozialwissenschaftliche

Recherchen zum langen, kurzen und neuen Jahrhundert. Aachen: Shaker, 2008: 5-18

[6] Richard Albrecht, Von den Selbstheilungskräften zu den Selbstabschaffungstendenzen des Marktes. Zur Kritik des realexistierenden Kapitalismus; Gewerkschaftliche Monatshefte, 8/1991: 508-515;

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom  Autor.

Richard Albrecht (Ph.D.; Dr.rer.pol.habil.) lebt als reflexionshistorisch arbeitender Sozialforscher & Freier Autor in Bad Münstereifel. Eigener Forschungsansatz The Utopian Paradigm; in: Communications, 16 [1991] 3: 283-318; gekürzt http://www.grin.com/en/e-book/109171/tertium-ernst-bloch-s-foundation-of-the-utopian-paradigm-as-a-key-concept  

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