Ausstand gegen McKinsey
Auf den Geschmack gekommen.
Sechs Monate Streik bei Gate Gourmet
von Peter Nowak

02/07

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Im Oktober 2005 begannen ca. 70 Beschäftigte der Catering-Firma Gate Gourmet am Düsseldorfer Flughafen mit einem Arbeitskampf, der erst   im April 2006 beendet wurde.  Der Streik hatte schon einige Wochen begonnen, als Linke aus der Region mit mehr oder weniger großer Distanz zu sozialen Kämpfen, Interesse an den Streikenden entwickelten. Daraus entstand eine enge Zusammenarbeit, die zumindest teilweise das Streikende überdauerte. Flying Pickets, herumschweifende Streikposten, nannten sich die UnterstützerInnen. Unter diesem  Namen haben sie jetzt ein Buch herausgegeben, das als eine Art Anatomie des Arbeitskampfes gesehen werden kann. Redaktionelle Anmerkung

In der letzten Ausgabe gab es bereits eine Besprechung dieses Buches von Axel Köhler-Schnura, die doch etwas überschwänglich ausfiel.

Peter Nowaks Rezension setzt dagegen Kontrapunkte

Die Vorgeschichte wird knapp skizziert. Eine Cateringfirma, die  mit McKinsey-Methoden  aus ihren MitarbeiterInnen das Letzte herausholt. Ein Betriebsrat, der alles absegnet, was von der Geschäftsleitung kommt und Mitarbeiter, die sich schon mal gegenseitig umrennen, um die betrieblichen Vorgaben einzuhalten. So weit, ist es eine normale Situation eines oderegulierten Betriebsalltags.

Doch dann gab es die „U-Boote“, das waren MitarbeiterInnen, die der Arbeitshetze und dem  sich verschlechternden  Betriebsklima  mit betrieblicher Gegenwehr entgegentreten wollten. Die Abwahl des alten Betriebsrates war ein Zeichen für die wachsende Unzufriedenheit.  Hier wurde die Grundlage für den langen Streik gelegt, der den Arbeitenden auch ihre Ohnmacht deutlich machte. Während sie im Streikzelt am Rande des Flughafens ausharrten, mussten sie mit ansehen, wie herangekarrte LeiharbeiterInnen ihre Arbeit machten.

Die Unterstützung der Flying Pickets im zweiten Streikmonat hat die Stimmung dann enorm gehoben. In manchmal etwas zu langen Interviews und Streiktagebüchern kommen die unterschiedlichen ArbeiterInnen zu Wort. Die vielen Widersprüche, die dabei auftauchten, werden nicht zugekleistert. Während einige ArbeiterInnen und vor allem die UnterstützerInnen  die zuständige Gewerkschaft NGG eher als Bremser ansahen, gab es andere Stimmen, die der Gewerkschaft vorwarfen, die Bedingungen nicht genau genug erkundet zu haben, bevor sie den Streik begannen. Sie betrachteten  die Gewerkschaft als Profis, die wissen, wie ein Streik geführt wird und  stellten bald fest, dass  die Gewerkschaft  auch nicht mehr weiter wusste.

Ratlose Gewerkschaft

So musste auch NGG-Sekretär Axel Peters im Interview einräumen, dass die Haltung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Gate-Gourmet-Beschäftigte an anderen Flughäfen organisiert und sich aus dem Konflikt raushielt, wenig solidarisch war.  Die Gewerkschaftsfahne war nicht zerfetzt, so Peters zum Streikergebnis, das diplomatisch als     „kein Erfolg und keine Niederlage“ bezeichnet wurde.

Doch in einem eigenen Kapitel wird ein anderes Bild gezeichnet. Einige AktivistInnen haben nach dem Ende des Streiks  die Firma verlassen.   Auch der aktive Betriebsrat gab nach wenigen Monaten auf. An der Kampagne gegen ihn hatten sich nicht nur die Betriebsleitung und ein Teil der LeiharbeiterInnen beteiligt, die  als StreikbrecherInnen eingestellt wurden und sich nachher als Retter der Arbeitsplätze sahen. Auch manche  Streikaktivisten sind in ihre alten Verhaltensweisen zurückgefallen  und versuchten ihre Wochen des Ungehorsams mit Überanpassung wettzumachen.

Keine Geschichte von erfolgreichen Kämpfen wird uns in dem Buch geboten. Dafür eine Streikanalyse, die bei der Benennung von Fehlern und Widersprüchen die Momente des Aufbegehrens und des Widerstands gegen die Zumutungen der  Bosse nicht ausspart. 

Theorie und Praxis 

Sehr interessant wird in dem Buch die Arbeitsbeziehung zwischen dem Kölner Theoretiker Detlef Hartmann und den Streikenden geschildert. Hartmann konnte so seine Forschungsarbeiten zu McKinsey mit den praktischen Erfahrungen der Gate Gourmet-Beschäftigten    abgleichen. Er zeigt auf, wie die McKinsey-Methoden dazu beitragen, dass die Ausbeutung der Arbeitenden  immer weiter verschärft wird. In Gruppengesprächen  sollen die Arbeitenden  möglichst selbst dazu gebracht werden, noch profitabler  für das Unternehmen zu arbeiten. Doch wer die scheinbare Logik und Vernunft nicht einsieht, gilt als Feind, der entfernt werden muss: „Die erfolgreichen Unternehmen haben Mittel und  Wege, den Sand aus ihrem Getriebe zu säubern,“ wird aus einer internen Anleitung zitiert.

So kann der Streik  von Gate Gourmet auch als Ausstand gegen McKinsey interpretiert werden. Das Buch macht aber einmal mehr deutlich, wie einfach er in der Theorie und wie  schwierig es in der Praxis ist. Der Einstieg des Buches ist sehr optimistisch. Im August 2005 legte streikendes Flughafenpersonal in London-Heathrow den internationalen Flugverkehr mitten in der Urlaubszeit lahm. Es war eine Solidaritätsaktion mit streikenden Beschäftigten einer Londoner Cateringfirma. Hier war sie, die   übergreifende Solidarität, die in Düsseldorf größtenteils gefehlt hat. Und der Streik in London unterstützte die These der HerausgeberInnen. Die Beschäftigten im Flughafenbereich haben eine Macht, wie sie wenige Lohnabhängige hatten. Sie können mit kurzen Streiks die ganze große Fabrik Flughafen lahm legen und genau der Sand im Getriebe sein, den McKinsey und seine Auftraggeber so fürchten.

Im Buch werden einige Gründe gezeigt, die dazu führen, warum es in Deutschland bisher dazu nicht kam. Gut ist es, dass die eher dem Wildcat-Bereich entstammenden AutorInnen bei aller Kritik an der NGG auf ein plattes Gewerkschaftsbashing verzichten haben  Vielmehr wird aufgezeigt, dass die Gewerkschaften selber eher ratlos den Veränderungen im kapitalistischen Regulationsregime gegenüberstehen. Wenigstens in diesem Punkt sind sie sich mit den Flying Pickets einig. Die überspielen ihre Ratlosigkeit gar nicht erst.  

Ratlose UnterstützerInnen

So sympathisch   es ist, dass sie ihre Ratlosigkeit nicht hinter oberschlau daherkommenden Flugblatttexten verbergen, wie es das Markenzeichen mancher ML-Kleingruppe ist, so  falsch wäre es, die Not zur Tugend zu verklären. Denn gerade die Stimmen der ArbeiterInnen in dem Buch bestätigen Lenins  Einschätzung, dass die ArbeiterInnen in der Regel ein tradeunionistisches Bewusstsein entwickeln. Für weitergehende Strategien, für Perspektiven auch über einen Streik hinaus, braucht es aber Gruppen, die nicht nur von den Streikenden lernen sondern auch Inhalte in die Auseinandersetzung hinein tragen. 

Schließlich kommen im Buch  auch die UnterstützerInnen und ihre Motivationen zu Wort. Auch hier findet sich ein ehrliches aber erschreckendes Bild. Da gibt es langjährige Autonome, die zwar in der Gewerkschaft sind, aber betonen, wie fremd ihnen diese Arbeitskämpfe immer waren. Eine Frau erklärte ihre Ablehnung, sich an sozialen Kämpfen zu beteiligen, mit der Furcht, hier ginge es nur wieder um die Herausbildung eines Hauptwiderspruchs. Sie merkt gar nicht, dass sie mit ihrer Steinzeit-Autonomen-Ansicht meilenweit hinter antifeministischen und  antirassistischen Debatten hinterher hinkt und nur einen Hauptwiderspruch gegen einen neuen ersetzt.

Mehrere UnterstützerInnen betonten, dass sie den Streik nicht unterstützt hätten, wenn es sich um einen reinen Lohnkampf gehandelt hätte. Es blieb einen Gewerkschaftler unter den UnterstützerInnen vorbehalten, diese Ansichten als reinen Mittelstandsideologie zu entlarven, die nur von Menschen kommen kann, die materiell ausgesorgt haben oder zumindest denken,  der Kampf um jeden Cent und jeden Euro mehr ginge sie  nichts an.  Ob die Streikunterstützung auch bei ihnen ein Umdenken gewirkt hat? Wir erfahren es im Buch nicht. Aber vielleicht können wir es bei den sicher zahlreichen Veranstaltungen erfragen, die das HerausgeberInnenkollektiv vielleicht auch mit den einen oder der anderen Ex-StreikerIn demnächst veranstalten werden. Kontakte gibt es über www.gg-streik.net oder per Email über info@gg-streik.net

 

Streik

Flying Pickets (Hg.)
„Sechs Monate Streik bei Gate Gourmet“

 Paperback 164 Seiten, 12 Euro, zahlreiche vierfarbige Fotos, Berlin/Hamburg 2007, Verlag Assoziation A
Erhältlich bei: bestellung@j5A.net  (www.j5A.net)

 

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Text vom Autor zur Veröffentlichung.