ZUR AKTUELLEN ISLAM-, RASSISMUS- USW. DEBATTE IM PARTISAN.NET

von
 Bernhard Schmid

02/04   trend onlinezeitung

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Ich war ein bisschen an dieser Debatte beteiligt und hatte dabei auch einen Beitrag auf trend.partisan.net ´(Zur aktuellen Islam(ophobie)- Diskussion) verfasst.  

Aber ich sehe mit Missvergnügen, in welcher Form diese Debatte jetzt (im partisan-Netz) eskaliert, weil die Art des Hochkochens das Affirmieren durchgeknallter Positionen erleichtert. (Das bedeutet absolut NICHT, dass ALLE vertretenen Positionen durchgeknallt seien.) Manche der Kontrahenten beißen sich gegeneinander an Positionen fest, wobei vieles Problematische aus dem Blickfeld gerät.  

Ich war und bin strikt gegen die Aktion, welche die "Becklash"-Initiative vorschlägt, da m.E. die Verknüpfung der Frage der Frauenrechte (ein Anliegen, das ich teile) mit der Frage des Aufenthaltsrechts (dessen "Versagung" m.E. illegitim sind, zumal Linke sich dabei an den Staat anhängen) hoch problematisch ist. Das bedeutet nicht, dass ich gegen das erklärte Grundanliegen wäre - jedenfalls sofern es nicht nur als Aufhänger dient, um Linken ein gutes Gewissen geben, wenn sie die schöne zivilisierte BRD von barbarischen Ausländern rein halten wollen.  

Diese Gegnerschaft zur "Becklash"-Initiative (auf der Ebene der vorgeschlagenen Handlungen) bedeutet nicht, dass man m.E. als Linke/r für ein Bündnis mit dem Islamismus sein könnte. Vielmehr ist letzterer als eine politisch-religiöse Ideologie (reaktionär-totalitärer Prägung) zu bekämpfen. Aber erstens sollte man nicht alles durcheinander werfen und Islamismus (als politische Bewegung), Islam (als "Alltagsreligion") und reine Traditionen aus der Herkunftsgesellschaft von Immigranten als ein und dieselbe Sache behandeln. Es handelt sich um ganz unterschiedliche Dinge, wobei die Übergänge zwischen ihnen fließend sein können. Und zweitens sollte man nicht den Islamismus auf eine Weise bekämpfen wollen, die ihn noch stärker macht. Ausgrenzungs-, Arbeitsverbots- und Schulverweis-Maßnahmen ändern nichts an problematischen (weil anti-emanzipatorischen) Ideen, welche Leute im Kopp haben. Aber sie können diese Ideen in den Rang einer Widerstandsideologe erheben. Und nur soziale Integration und nicht Desintegration, Prekarisierung und Ausgrenzung von Leuten können das Anliegen der Emanzipation befördern. Soweit meine Divergenzen zu den Leuten, die sich jetzt im "members.partisan.net" äußern.  

Zum Anderen finde aber auch manche Positionen, die jetzt im "trend.partisan.net" ausgedrückt werden, problematisch. Beispielsweise den Begriff des "Antiislamismus". Ich halte ihn als Kritikinstrument für untauglich, da er zwei unterschiedliche Sachen potenziell (vielleicht vom Urheber unbeabsichtigt) miteinander vermengt. Nämlich die Bekämpfung der ideologischen Strömung des Islamismus einerseits - das ist richtig und notwendig! - und den Kampf gegen den Rassismus, der unter dem Mäntelchen der Islamkritik daher kommt, andererseits.  

Auch denke ich, dass die Kritik der Antifa-Initiative aus dem Prenzlauer Berg teilweise ungeschickt ist ('"fight SDS", obwohl der SDS seit 1970 nicht mehr existiert und seiner "Ehemaligen" in ganz unterschiedliche Richtungen auseinander gegangen sind, so dass der damalige SDS nun wirklich nix dafür kann) und teilweise über das Ziel hinaus schießt.  

Angesichts der Eskalation der Debatte und ihrer konkreten Form, sitze ich jetzt ein bisschen mit dem Arsch zwischen den Stühlen. Aber das ist ja manchmal der beste Ort, wo man sich befinden kann.  

Kritikwürdig bei denen, die im partisan.net (ohne zu unterzeichnen) auf die Prenzlberg-Antifa geantwortet haben, finde ich namentlich, dass sie sich jetzt auch explizit für die "französische Lösung" stark machen. Das ist in meinen Augen als linke Position, zumal in der BRD, grundfalsch, weil:  

1) diese "Lösung" der konservativen Regierung in Frankreich selbst höchst umstritten ist und von fast der gesamten Linken, auch der strikt gegen den Islamismus opponierenden!, wegen der gewählten Mittel (Ausschluss nicht von Lehrerinnen, sondern von Schülerinnen!) strikt abgelehnt wird;  

2) die Voraussetzungen in der BRD absolut nicht dieselben sind: Frankreich ist ein - unvollständig - laizistischer Staat (was im Grundsatz absolut verteidigenswert ist, auch aus Sicht der linken Gesetzes-KritikerInnen), die BRD ist nun wirklich kein laizistischer Staat.  

3) Wie andere, übersehen auch diese Leute den feinen Unterschied, über den die konservative Regierung sich mal locker hinweg gesetzt hat: Historisch ist der laizistische Anspruch in Frankreich ein Anspruch AN DIE INSTITUTION. Die Institution Schule hat neutral zu sein und die Kinder nicht religiös zu indoktrinieren, sondern völlig unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft zu empfangen, damit sie mit unterschiedlichen Einflüssen konfrontiert werden und sich ihre "Weltanschauung" (religiöser, philosophischer Art) selber aussuchen können - jedenfalls im Idealbild. Mit dem jetzigen Gesetz, republkanisch-autoritärer Provenienz, tritt aber eine grundlegende Änderung ein: Das Gesetz wird zum Anspruch, den DIE INSTUTION an die Kinder stellt, und verwandelt sich im Konfliktfall zum Ausschlussinstrument. Das hat aber mit den Intentionen der Gesetzgeber von 1905 (als in Frankreich Staat und Kirche getrennt wurden) nichts mehr zu tun! Deswegen stimmten auch absolut eingefleischte Laizisten wie die Mehrheit der KP-Fraktion, die allerdings in dieser Frage gespalten war, gegen das jetzige Gesetz!  

Pikant finde ich (dies aber nur am Rande), dass die "Becklash"-Mitstreiterin und Vielschreiberin Gudrun Eussner noch vor Jahresfrist in schrillen Texten den französischen, etatistischen "republikanischen Nationalismus" unumwunden als angeblichen "Faschismus" geißelte - jetzt aber ein Gesetz, das eine Umsetzung des autoritären Republikanismus reinsten Wassers bedeutet, völlig kritiklos und ohne es zu problematisieren bejubelt. Die Kritik von Linken am autoritären republikanischen Nationalismus hatte sich ja historisch u.a. und gerade an der Frage des Ausschlusses durch die Institution Schule festgemacht. Die Intellektuellen, die den (grob gesagt) sozialdemokratischen und linkspatriotischen Ex-Innenminister Jean-Pierre Chevènement (vor einem Jahr war er für Gudrun Eussner noch ein angeblicher "Faschist") zur politischen Figur aufbauten, waren ja jene, die 1989 den historisch ersten Schulausschluss rechtfertigten. Etwa Régis Debray, Pierre-André Taguieff usw. Das wurde damals schon von Linken heftig kritisiert. Der damalige Schulausschluss-Fall, jener von 1989 in Creil, war übrigens offen rassistisch motiviert: Der betreffende Schuldirektor in Creil war später konservativer Abgeordneter und verhandelte 1997 in seinem Wahlkreis mit Jean-Marie Le Pen. Die "republikanischen" Intellektuellen waren damals für diesen Ausschluss, aber aus anderen Gründen und mit anderer Legitimation.  

Ich möchte wirklich niemandem vorschreiben, bestimmte Positionen einzunehmen, und niemandem bestimmte Positionen verbieten. Aber BITTE, BITTE, ein bisschen Kohärenz (= Stimmigkeit, innere Logik) sollte schon sein! Also entweder handelt es sich um Faschismus (was ich nicht glaube), oder aber es handelt sich um die staatliche Sicherung der Emanzipation (was ich auch nicht glaube). Vielleicht auch keins von beidem. Aber beides auf einmal - da klemmt's!        

Editorische Anmerkung

Der Autor schickte uns seine Stellungnahme am 19.2.2004 mit der Bitte um Veröffentlichung.

Bernard Schmid veröffentlichte im trend u.a. folgende Artikel: