Frankreich vor den Regional-, Bezirks- und Europawahlen
DIE RADIKALE LINKE


von
Bernhard Schmid

02/04
 

trend onlinezeitung

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Folgte man den bürgerlichen Medien und den etablierten Parteien, dann schien im Spätsommer und Herbst 2003 die radikale Linke zum politischen Mittelpunkt geworden zu sein. Ein bedeutender Teil der Inlands-Berichterstattung, insbesondere sofern es um die kommenden Wahlen des kommenden Jahres (zu den Regional- und Bezirksparlamenten im März 2004, sowie zum Europäischen Parlament im Juni d.J.) ging, drehte sich um die Parteien der radikalen Linken. Die renommierte Pariser Abendzeitung "Le Monde" etwa bot im Dezember 03 zeitweise drei thematische Dossiers auf ihrer Homepage, deren Themenangebote alle paar Tage wechseln, an: "Tschetschenien", "die Gefahren des Tabaks" und "die französische radikale Linke seit 2002".  

Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Dennoch bleiben die Umfragewerte für die radikale Linke im Vorfeld der frankreichweiten Regionalparlamentswahlen vom 21. und 28. März dieses Jahres derzeit konstant in einer Höhe von 6 bis 7 Prozent. Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob diese Vorwahl-Umfragewerte dann auch der tatsächlichen Höhe des Abschneidens im März entsprechen. Einige Unbekannte sind dabei noch im Spiel, vor allem auch die Frage der Wahlenthaltung.  

Die verschiedenen Kräfte der radikalen Linken  

Sofern hier von der radikalen Linken die Rede ist, dann geht es zunächst vor allem um die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) und um Lutte Ouvrière (LO) (FUSSNOTE 1). Denn es gibt zwar noch andere Kräfte links von den ehemaligen Regierungsparteien zwischen 1997 und 2002 (Sozialdemokratie, Grüne und Kommunistische Partei); doch kommt diesen nicht der gleiche gesamtgellschaftliche Einfluss zu, vor allem ist er auch nicht an der Präsenz bei Wahlen ablesbar.  

Die anarcho-syndikalistische Bewegung, vertreten namentlich durch die CNT, und die libertär-kommunistische Linke (ihre wichtigste Organisation ist derzeit Alternative liberataire, A.L.) lehnt ein eigenes Antreten bei Wahlen ohnehin ab. Freilich sind sie oftmals in sozialen Bewegung aktiv vertreten. Über sie muss deswegen gesondert berichtet werden, da sie nicht (immer) auf denselben Ebene agieren wie die marxistischen Parteien oder Kleinparteien der radikalen Linken.  

Im marxistischen Bereich gibt es noch einige kleinere Organisationen, die sich zumeist ebenfalls auf den Trotzkismus beziehen (aber Unterschiedliches darunter verstehen). Oftmals handelt es sich aber um Sekten. Die zahlenmäßig bedeutendste unter ihnen ist der Parti des travailleurs (PT, "Partei der Arbeiter"). Dieselbe Organisation, die ehemalige OCI (Organisation communiste internationaliste), die ihren Parteinamen mehrmals gewechselt hat, ist auch unter dem Namen "die Lambertisten" bekannt. Das liegt daran, dass ihr seit 1935 (sic!) dieselbe Person vorsteht, nämlich Pierre Boussel, dessen langjähriger Deckname "Lambert" lautete. Es handelt sich bei der OCI/beim PT um eine strikt autoritär aufgebaute Politsekte, die seit den frühen Neunziger Jahren fast alle Kräfte auf den Kampf gegen "Maastricht" ausrichtet und konzentriert, als angebliches Komplott, das darauf abzielt, die französische Republik und alle, aber auch sämtliche sozialstaatlichen Errungenschaft zu zerstören. Dabei werden auch nationalistische Töne angeschlagen und ebensolche Bündnispartner nicht verabscheut. Da die "Lambertisten" aus historisch-taktischen Gründen vor allem in der rechtesten der drei großen Gewerkschaften, nämlich der populistischen Force Ouvrière (FO, ungefähr: Kraft der Arbeiter), um Positionen in der Gewerkschafsbürokratie ringt, betreiben sie auch eine äußerst undurchsichtige Bündnispolitik mit rechten bis rechtsextremen Kräften. Der Anführer einer PT-internen Strömung und alte FO-Gewerkschaftssekretär in Nantes, Alain Hébert, etwa hat 1999 einer Zeitschrift des Front National (namens "Français d¹abord") bereitwillig ein Interview gegeben. Die Sympathisanten der extremen Rechten im Arbeitsleben sind oftmals auch Sympathisanten von FO.  

Obwohl der "lambertistische" Parti des travailleurs über mindestens ebenso viele Mitglieder verfügt wie LO und LCR (jeweils circa 3.000), verfügt er nicht über einen Bruchteil ihres öffentlichen Einflusses. Die relativ hohe Mitgliederzahl resultiert daraus, dass der PT (im Gegensatz zu den beiden anderen Organisationen) keine politischen Mindestkriterien für einen Beitritt als aktives Mitglied erhebt - sondern im Gegenteil hemmungslos Leute als seine Mitglieder registriert, die lediglich einmal eine Unterschrift geleistet haben. Die autoritären Strukturen des PT machen es dem Kader dennoch möglich, die Kontrolle über die Organisation zu behalten. Den mangelnden öffentlichen Einfluss macht der PT dadurch wett, dass er (anders als die LCR und LO) über eine Reihe von okkulten Positionen innerhalb der Gewerkschaftsbürokratie des rechten Gewerkschaftsverband FO verfügt. D.h. über Funktionärsposten, deren Inhaber in den meisten Fällen nicht offen als PT-Mitglieder oder ­Anhänger auftreten. Der jüngst, auf dem FO-Kongress vom 2. bis 6. Februar in Villepinte, erfolgte Führungswechsel bei dem Gewerkschaftsbund erfolgte unter Zutun des PT-Netzwerks: Dieses hatte dem vom scheidenden Generalsekretär Marc Blondel selbst ausgewählten Nachfolger Jean-Claude Mailly (ein lupenreiner Bürokrat, der in 30 Jahren Erwerbsarbeit 28 Jahre lang FO-Apparatschik gewesen ist) seinen "Segen" erteilt.  

Im folgenden also wird es vor allem um die LCR und LO gehen. Beide (Klein-)Parteien zusammen erhielten bei den Präsidentschaftswahlen im April 2002, zu denen sie getrennt antraten, zusammen fast genau 10 Prozent der Stimmen. (FUSSNOTE 2)  

LO und LCR, zwei sehr unterschiedliche Organisationen  

Zu den Regionalparlamentswahlen am 21. und 28. März und den Europaparlamentswahlen im Juni dieses Jahres treten beide Parteien jetzt mit Einheitslisten an.  

Beide Organisationen sind sehr unterschiedlich strukturiert und haben seit den Siebziger Jahren oftmals versucht, sich als Gegenbild zur jeweils anderen aufzubauen. Grob skizziert, hat die LCR von Anfang an auf die aktive Mitarbeit bei sozialen Bewegungen unterschiedlicher Natur (Feminismus, Ökologie und Anti-Atomkraft-Bewegung, Antirassismus; in den Siebziger Jahren auch in hohem Maße Antimilitarismus und Teilnahme an den subversiven "Soldatenkomitees" in der Armee) gesetzt. Die Organisation selbst war unmittelbar im Zuge des Mai 1968 gegründet worden, nachdem ein kleiner Kern von Aktivisten bereits seit 1936 aktiv gewesen war. Die Strategie der LCR bestand dabei jeweils darin, die aktivsten und am stärksten politisierten Teile dieser Bewegungen zu gewinnen und zu einer möglichst weit gehenden Konvergenz dieser unterschiedlichen Teilbereichskämpfe zu kommen. Allerdings hat "die Ligue" dabei in gewissen Phasen, vor allem in den von allgemeiner politischer Regression geprägten 80er Jahren, oftmals ihr inhaltliches Profil verwischt gesehen. Seit dem Wiederansteigen sozialer Kämpfe ab Mitte der Neunziger Jahre ist es unterdessen wieder klarer geworden.  

Lutte Ouvrière, LO, hingegen ist als Organisation älter. Sie hieß vor 1968 Voix ouvrière (Arbeiterstimme). Doch sie war, wie andere radikal linke Organisationen, im Juni 1968 infolge der Mai-Unruhen verboten worden, obwohl sie selbst damals keine bedeutende Rolle bei den Ereignissen spielten. Im Gegenteil ist der Mai ¹68 an dem Organisationskern, der damals rund 200 Mitglieder hatte, weitgehend vorbeigegangen. Dennoch vom gaullistischen Innenminister aufgelöst, gründete sie sich kurz darauf unter ihrem neuen Namen (eben Lutte Ouvrière) neu.  

Lutte Ouvrière warf der LCR lange Jahre hindurch vor, den "Weg der Einfachkeit" zu gehen, indem sie ihre Organisation in Milieus aufbaue, wo dies nach dem Politisierungsschub des Mai 1968 relativ einfach sei. Nämlich "in der Schüler- und Studentenjugend, bei Intellektuellen und in kleinbürgerlichen Schichten", die aufgrund ihres Bildungsgrads und der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit (in jener Periode) einfach zu politischer Aktivität zu bewegen seien. Tatsächlich war die LCR, die Mitte der Siebziger Jahre über 4.000 Mitglieder hatte, damals eine Organisation mit stark studentischer Zusammensetzung - weitaus mehr als heute, wo eine stärkere soziale Diversifizierung herrscht. Dagegen, so LO, komme es darauf an, eine Organisation im Arbeitermilieu aufzubauen - da dort die eigentlich entscheidenden Kämpfe um die Macht in der Gesellschaft stattfänden. Die rivalisierende LCR, so lautete die Kritik zusammengefasst, könne bei der Mitgliederrekrutierung quasi aus dem Vollen schöpfen, vernachlässige aber die wichtige Strategie der Verankerung in der Arbeitswelt.  

Hinzu kommt, dass LO in den späten 50er Jahren aus einem sehr kleinen Kreis von Aktivisten (vielleicht ein Dutzend Kader) entstanden ist, der verzweifelt um das Überleben eines eigenständigen Organisationskerns mit marxistisch-revolutionärer, trotzkistischer Orientierung bemüht war. Das war damals nicht einfach, da der "stalinisme à la française" (also die damals strikt pro-realsozialistisch orientierte und autoritär strukturierte Kommunistische Partei) zu jener Zeit seine trotzkistischen Kritiker mit sehr handfesten Methoden auszuschalten suchte. Das ging bis hin zum Zusammenschlagen von Flugblattverteilern vor den Fabriktoren. Doch es gab ein Schlüsselereignis in der Geschichte der Kleingruppe, das die Aktivisten zusammenhalten konnte. Denn 1947 hatte ihre Vorläufergruppe es geschafft, einen Streik beim Automobilriesen Renault auszulösen, den die riesige CGT (der KP-dominierte Gewerkschaftsverband) zuerst ablehnte und bekämpfte, und dem die CGT sich wenig später anschloss. Dabei konnten die Initiatoren des Streiks sich eine rabiate Kehrtwende der CGT-Politik zunutze machen: Der Kalte Krieg hatte 1947 begonnen, die KP war aus der Nachkriegsregierung gedrängt worden und schwenkte von einem Pro-Regierungs- plötzlich auf einen extrem scharfen Oppositionskurs um. Die trotzkistische Kleingruppe erschien daher als erfolgreiche Auslöserin eines Streiks in "der" CGT-Hochburg, bei Renault, dem die mächtige CGT sich hatte anschließen müssen.  

Die Erinnerung daran, zuzüglich der harten Erfordernisse des Überlebens in schwieriger Umgebung (es herrschte Kalter Krieg, die KP war auf der Linken absolut hegemonial), führten zu einer extrem starken Orientierung auf "die unbedingte Verankerung in der Arbeiterklasse". Jedenfalls in der Theorie. Dnen in der Praxis ist LO sehr viel pragmatischer als in ihrem Diskurs. Letzterer hebt stark auf die Rolle der (industriellen) Produktionsarbeiter ab, und entspricht weitgehend einer bereits seit 30 Jahren vergehenden Zusammensetzung der Arbeitsgesellschaft. Doch real ist LO sehr viel pragmatischer, und ihre eigene Mitgliedschaft entspricht nicht dem Bild, das die Organisation von sich geben möchte. So besteht ein hoher Anteil (manche Beobachter meinen: in manchen Départements bis zur Hälfte) ihrer Mitgliedschaft aus LehrerInnen; in Frankreich gab und gibt es keine Berufsverbote. Daneben ist auch die reale Verankerung von LO im Arbeitsleben eher auf der Höhe der Entwicklungen der Arbeitsgesellchaft, als ihr theoretischer Diskurs: Da gibt es Dienstleistungsbeschäftigte, Mitarbeiter in Informatikunternehmen...  

Zugleich begründete die Praxis jener frühen Jahre eine sehr rigide Organisationskultur, die bis heute nicht überwunden ist. Die Handvoll von Kadern jener Jahre verfügte über nur eine Leitungspersönlichkeit, die ihnen das Überleben einer eigenständigen Organisation zu gewährleisten schien, nämlich Robert Barcia alias "Hardy". Daher wurde der Kern der noch sehr kleinen Organisation weitgehend auf ihn ausgerichtet und eingeschworen.  

Das hat Spuren bis heute hinterlassen. Zwar herrscht bei LO ein kollektives Leitungsprinzip, und alle politischen Entscheidungen werden in den Führungsgremien ausdiskutiert; es herrscht tatsächlich kein Ein-Mann-Führungsprinzip. Dennoch haben der mittlerweile betagte "Hardy", und mit ihm die Altkader aus dem allerersten "harten Kern", ein absolutes Übergewicht innerhalb der Organisation. Die Mitglieder sind einer rigiden Organisationsdisziplin ausgesetzt, die bei der LCR so gut wie unbekannt ist, bei der hingegen eher manchmal ein wenig Dilettantismus in organisatorischen Dingen zum Vorschein kommt. Und während bei der "Ligue" ein echter innerorganisatorischer Pluralismus herrscht, mit Debatten zwischen unterschiedlichen Strömungen, die auch nach außen hin öffentlich gemacht werden, so ist der Organisationspluralismus bei LO faktisch sehr viel eingegrenzter. (FUSSNOTE 3)  

Als weiteres Element kommt hinzu, dass LO tatsächlich über eine reale Verankerung in jenen, für ihre "harte" Unternehmenskultur bekannten Betrieben verfügt, wo eine politische oder selbst "nur" gewerkschaftliche Betätigung ein dickes Fell verlangt. Oftmals müssen LO-Anhänger oder ­Mitglieder jahrelang als prekäre Mitarbeiter, als Beschäftigte in Zeitverträgen oder als Arbeitskräfte von Zeitarbeitsfirmen in einem Betrieb arbeiten, bevor sie in ein Festanstellungsverhältnis übernommen werden. Daher ist es für LO oftmals erforderlich, die Organisation und ihre Mitgliedsstrukturen nach außen hin abzuschotten, da in manchen Betrieben eine ungeheure Repression herrscht und vor allem das "Rausfliegen", in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, extrem einfach ist. Auch das hat freilich auf ihre Organisationskultur abgefärbt, und man kann durchaus der Auffassung sein, dass LO mehr Abschottung betreibt als nötig wäre. Das kann auch zur Eigendynamik werden...  

Die bürgerliche Presse hat sich deswegen seit Jahren immer wieder mit Vorliebe auf Lutte Ouvrière gestürzt und sie als angebliche "Sekte" z.T. bösartig attackiert. (Tatsächlich hat die rigide Organisationsform von LO kritikwürdige Aspekte; allerdings ist sie absolut nicht vergleichbar mit den Verrücktheiten, die das ML-Sektenwesen der 70er Jahre prägten. Ansonsten hätte LO auch nicht seit 30 Jahren eine wachsende Zahl von Mitgliedern integrieren und auf längere Sicht "halten" können.) Die LCR dagegen wird zugleich durch die Medien weitgehend in Ruhe gelassen, und allenfalls als die "liebenswerten Utopisten" abgetan; die Breitseiten der bürgerlichen Propaganda bleiben LO vorbehalten. Die Zahl derjenigen JournalistInnen (und auch Intellektuellen und AkademikerInnen), die irgendwann mal, und sei es in den "wilden Siebzigern", bei der Ligue gewesen waren, ist im Übrigen nicht unbedeutend. Auch jetzt noch behält diese eine gewisse intellektuelle Ausstrahlung bis hinein in (mittlerweile Rand-)Bereiche der Universitätswelt.  

Das mag einer der Gründe dafür sein, warum man sich bei Lutte Ouvrière in einigen Fällen (1999, und jetzt wieder 2004) für ein Wahlbündnis mit der LCR entschieden hat. Um nämlich jetzt die inquisitorischen Fragen der bürgerlichen JournalistInnen zur Abwechslung mal an "die Ligue" gerichtet zu sehen, die sich jetzt vor den Medien dafür rechtfertigen muss, dass sie sich "mit denen da" verbündet... Im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2002 hatte die LO noch, auf sehr sektierische Weise, Vorschläge der innerlinken "Konkurrenz" zu einem gemeinsamen Antreten ausgeschlagen; die LCR war aus grundsätzlichen Erwägungen heraus stets für Einigungen auf gemeinsame Wahlkandidaturen, bei fortbestehenden und (auch offen zu benennenden) inhaltlichen Unterschieden. Derzeit stimmen die Interessen beider an einem Wahlbündnis überein. LO hat dafür allerdings die, von der LCR nur ungern angenommene, Bedingung aufgestellt, dass die Listen nicht für dritte Kräfte (etwa nur lokal verankerte linke Bündnisse oder alternative Gruppierungen) geöffnet werden sollen.  

Wahlbündnis für 2004  

Zum letzten Mal hatten die LCR und LO eine gemeinsame Liste zu den vorigen Europaparlamentswahlen im Juni 1999 gebildet, die die bei diesem Wahlgang geltende Fünf-Prozent-Hürde knapp übersprang (mit 5,2 Prozent). Seitdem sind drei VertreterInnen von LO und zwei Abgeordnete der LCR im Europäischen Parlament vertreten, wo sie sich der gemeinsamen Fraktion der "Vereinigten Europäischen Linken" (in der ansonsten etwa die französische KP, die deutsche PDS und die italienische Rifondazione Comunista sitzen) angeschlossen haben.  

Bei den kommenden Wahlen wird es allerdings voraussichtlich schwieriger sein, einen erneuten Einzug in¹s Europäische Parlament zu schaffen, da mittlerweile in Frankreich das Wahlrecht abgeändert wurde. Bisher bildete bei den EP-Wahlen das französische Staatsgebiet einen einheitlichen Wahlkreis, innerhalb dessen die Sitze nach dem Verhältniswahlrecht (mit Fünf-Prozent-Klausel) aufgeteilt wurden. Nunmehr hat die neokonservative Raffarin-Regierung aber Frankreich in neun riesige "Superregionen" als Wahlkreise zerlegt, die extra zu diesem Zweck geschaffen wurden; diese Einteilung hat nichts mit der politischen oder administrativen Landkarte Frankreichs zu tun, die aus 22 "normalen" Regionen besteht.  

Zwar gilt auch in diesen Mega-Wahlkreisen das Verhältnisrecht. Doch da jede "Superregion" nur eine relativ kleine Zahl von Sitzen zu belegen hat, entspricht die für ein Mandat erforderliche Stimmenzahl oft 10 oder 12 Prozent der Stimmen ­ die "kleineren" Anteile fallen somit in jeder Region jeweils unter den Tisch. Und für die Regionalparlamentswahlen hat die Rechtsregierung ebenfalls neue Spielregeln eingeführt, die u.a. die u.a. eine Zehn-Prozent-Hürde zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang vorsehen.  

Deswegen steht im Moment noch nicht fest, ob die gemeinsamen Listen der radikalen Linken künftig noch in den Parlamenten vertreten sein werden. (Die Frage stellt sich für das europäische und die regionalen Parlamente; für die französische Nationalversammmlung, die erst 2007 wieder gewählt wird, gilt ohnehin das Mehrheitswahlrecht, das alle kleineren und mittleren Parteien ausschließt.) Bei den Regionalparlamentswahlen gilt ein Einzug in zwei Regionen als möglich, doch dürfte bei den Prognosen Vorsicht angeraten sein.  

Mindestens ebenso wichtig wie das Erringen parlamentarischer Mandate, das vor allem wegen der finanziellen Auswirkungen für die Parteien interessant ist, allerdings wäre die politische Bedeutung von halbwegs ansehnlichen Wahlergebnissen. Dafür ist es zunächst einmal egal, ob sie (unter den neuen Wahlrechtsbestimmungen) zu einer parlamentarischen Vertretung führen oder nicht. Viel bedeutender wäre das politische Signal, das von einem beachtlichen Stimmenanteil für die radikale Linke ausginge, den man mit dem Ansteigen sozialer Kämpfe während des Frühjahrs und Sommers 2003 in Verbindung bringen könnte. Eine Stimmabgabe für die Listen der radikalen Linken wäre in diesem gesellschaftlichen Kontext zugleich eine Widerspiegelung der bisherigen, und eine Ermutigung zu neuen sozialen Mobilisierungsprozessen. Dass es dazu kommt, dazu wären derzeit allerdings einige politische Hürden zu überwinden.  

Die radikale Linke und die Welle des "kleineren Übels"  

Vielleicht die wichtigste Hurde hat mit den etablierten Linksparteien, die von 1997 bis 2002 gemeinsam die Regierung bildeten, zu tun: Parti socialiste, Les Verts (Die Grünen), Parti communiste français und zwei kleinere Formationen. Einerseits haben diese Parteien seit dem Sommer eine Kampagne gegen die radikale Linke losgetreten. Freilich ist noch völlig unklar, ob oder wie stark sie verfängt, da die Sozialdemokratie und die KP in ihrem derzeitigen Zustand wenig attraktiv wirken; insofern können die Gründe ihres Vorgehens gegen die radikale Linke als engstirnig parteipolitisch-egoistische Motive erscheinen.  

Andererseits aber kommt ein weiterer Aspekt hinzu, der eher von der gesellschaftlichen Basis der Linken als von den Parteiapparaten ausgeht. Denn da war die katastrophale Wahlniederlage der Sozialdemokratie und der KP bei der Präsidentschaftswahl im April 2002 (FUSSNOTE 4). Diese stellte eine logische Folge aus ihrer bis dahin verfolgten Regierungspolitik dar; aber sie führte als "Kollateralschaden" zu einer Stichwahl zwischen dem Konservativen Jacques Chirac und dem Neo- bzw. Altfaschisten Jean-Marie Le Pen. Daraufhin hat eine, grundsätzlich verständliche, massive Panikstimmung in Teilen der Linkswählerschaft eingesetzt. Zwar ist die besondere Konstellation des zweiten Wahlgangs im Frühjahr 2002 eindeutig stärker auf die Verluste der damaligen Regierungsparteien nach links (und in die Wahlenthaltung), denn auf die ­ begrenzten ­ Zugewinne der extremen Rechten zurückzuführen. Chirac, der seinerseits ebenfalls gegenüber der Wahl 1995 mehrere Millionen Stimmen verlor, oder Le Pen haben die Präsidentschaftswahl nicht durch eigenen Zuwachs gewonnen; Lionel Jospin hat sie verloren, und das war das Hauptereignis.  

Dennoch hat dies zu einem massiven Angsteffekt geführt, dessen Grundlage ein völlig legitimer und im Kern begrüßenswerter "spontaner Antifaschismus" darstellt, der aber in der Folgezeit politisch instrumentalisiert wurde. Die bürgerlichen Medien und die etablierten Linksparteien haben alles dafür getan, dass man nicht mehr vom Ausgangsereignis sprach (davon, dass und warum Jospin die Wahl verlor), sondern allein von den Folgewirkungen. Durch ihre Isolierung vom gesamten Kontext (weder die konservative noch die extreme Rechte waren in absoluten Zahlen angewachsen, aber das sozialdemokratische Regierungslager war "implodiert") wurden diese überdimensioniert dargestellt. Das Votum für die radikale Linke ebenso wie die Wahlenthaltung wurden damit tabuisiert, für "unverantwortlich" und, angesichts des vorgeblich drohenden Abgrunds, abenteuerlich erklärt.  

Diese Kampagne verfing vor allem im intellektuellen Teil des Publikums der Linken sowie bei den materiell besser gestellten Linkswählern. Aber auch bei einem erheblichen Teil der Jugend, die in jenen Wochen des Frühjahrs 2002 in spontanem Elan auf die Straßen ging, um gegen eine faschistische Gefahr zu protestieren. Die unmittelbare Folgewirkung war, dass die LCR und LO zusammen bereits bei den Parlamentswahlen im Juni 2002, nur anderthalb Monate nach der Präsidentschaftswahl, zusammen auf nur noch drei Prozent der Stimmen fielen. (Drei Prozent als Durchschnittsergebnis in jenen Wahlkreisen, in denen die radikale Linke präsent war, was auf circa 80 Prozent der Wahlkreis zutrifft.)  

Lutte Ouvrière, die wesentlich weniger auf die Bedürfnisse eines spezifischen antifaschistischen Kampfes einging als die LCR und die Frontstellung gegen Le Pen eher in ökonomischen denn politisch-antifaschistischen Kategorien ausdrückte (FUSSNOTE 5) wurde dabei noch stärker gebeutelt als die LCR.  

Unterschiedliche Strategien und Profil für LO und LCR  

Damals erhielt LO landesweit 1,2 Prozent der Stimmen gegenüber 1,3 Prozent für die Ligue, obwohl die Erstgenannte in einem Fünftel mehr Wahlkreisen antrat als die Zweitere. In jenen Wahlkreisen, wo die beiden Parteien präsent waren (in 75 bis 80 Prozent der Wahlkreise) entsprechen diese Zahlen Ergebnissen von durchschnittlich gut 3 Prozent für die radikale Linke.  

Das hätte man nicht unbedingt erwartet, da LO über eine, im Querschnitt ihres Publikums, sozial homogenere und "proletarischere" Wählerschaft verfügt als die LCR. Lutte Ouvrière erhält vor allem dort Zuspruch bei Wahlen, wo noch ein mehr oder weniger geschlossenes, traditionelles Arbeitermilieu existiert, das der Kommunistischen Partei den Rücken zu kehren begann. So liegen ihre höchsten Wahlergebnissen in kleineren und mittleren Industriestädten der "Provinz" - also außerhalb des Großraums Paris, wie etwa in der Picardie oder in der industriellen Krisenregion Nord-Pas de Calais. Die LCR dagegen weist ein in sozialer Hinsicht heterogeneres Publikum auf, das sich ebenso aus der politisch engagierten Jugend rekrutiert wie aus intellektuellen Berufen, Zwischenschichten (besonders stark in Gesundheitsberufen, beim Krankenhauspersonal, sowie bei öffentlich Bediensteten wie etwa Post- und Bahnbediensteten) wie aus einem Teil der Arbeiterschaft im engeren Sinne. Letztere dürfte dabei eindeutig einen Minderheit der Wählerschaft bilden.  

Diese Unterschiede erklären sich aus anderen Politiktraditionen, was insbesondere die Präsenz bei Wahlen betrifft: Lutte Ouvrière ist seit den frühen Siebziger Jahren bei so gut wie allen Wahlen präsent, ja, die Organisation steckte in dieses Aktivitätsfeld zeitweise einen Großteil ihrer Energien. Dadurch hat sie sich in gewissem Maße eine "Stammwählerschaft" aufbauen können. Zudem "klebte" LO seit einigen Jahren, durch ihre öffentlich erhobenen bzw. hervorgehobenen Forderungen und die Ausrichtung ihrer Kampagnen, besonders eng an dem traditionellen KP-Milieu an. Das bedeutet, Lutte Ouvrière richtete ihre Forderungen größtenteils an einem im engeren Sinne ökonomisch verstandenen (Verteilungs-)Klassenkampf aus und versuchte, stets dort präsent zu sein, wo auch die KP ihr klassisches Terrain hatte. (FUSSNOTE 6) Beide Faktoren zusammen haben es LO erlaubt, Teile des klassischen Publikums der (früher pro-sowjetischen) Kommunistischen Partei an sich zu binden.  

Die, je nach Bezeichnung, globalisierungskritische oder internationalistische Bewegung (FUSSNOTE 7) beispielsweise hat Lutte Ouvrière hingegen fast stets mit Missachtung gestraft. An dem Tag, an dem im Juli 2001 die Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Genua begannen, erklärte Arlette Laguiller etwa auf Fragen der Boulevardzeitung "Le Parisien" hin, solche internationalen Zusammenkünften lenkten nur vom richtigen Klassenkampf gegen die Patrons ab. Die Arbeiter hätten ohnehin keine Zeit und kein Geld, um zu solchen Anlâssen zu verreisen. Auch dem internationalen Widerstandsfestival auf dem französischen Larzac-Plateau im August 2003, und dem jüngsten Europäischen Sozialforum (ESF) in Paris blieb LO nahezu gänzlich fern; die einzige, winzige Ausnahme bildeten einzelne Handverkäufe ihrer Parteizeitung am Rande des ESF. Und selbst waren das Werk ihrer Minderheitsfraktion (vgl. Fußnote 3)...  

Dennoch hat Lutte Ouvrière, unter anderem auch unter dem Einfluss ihrer Annäherung an die LCR, sich gegenüber einer bestimmten Praxis sozialer Bewegungen öffnen müssen. Im September 2003 beteiligte LO sich etwa erstmals an den (französischen) Demonstrationen aus Anlass eines internationalen Gipfels, der WTO-Tagung in Cancun. Auf einem anderen Feld, jenem des Antirassismus, hatte die Organisation bereits Ende der Neunziger Jahre eine Wende vollführt. Zuerst, 1997, hatte sie die antirassistischen Demonstrationen gegen das Ausländergesetz des damaligen Innenministers Jean-Louis Debré noch als Tummefeld für "kleinbürgerliche Intellektuelle" abgetan, die sich nicht um die sozialen Interessen "der französischen wie der migrantischen Arbeiter" kümmerten. Unter dem Druck der Sans papiers-Unterstützerbewegung, und auch weil eigene Genossen von LO von der Situation "illegalisierter" Immigranten betroffen waren, schloss Lutte Ouvrière sich dann aber den breiten Demonstrationen für die Sans papiers an. Heute mobilisiert sie für diese Demos oftmals zahlreicher als andere linke Organisationen...  

Hingegen setzte die LCR während der ganzen Zeit ihrer Existenz auf die Präsenz in aktuellen gesellschaftlichen Kämpfen unterschiedlicher Natur, etwa im Bereich des Antifaschismus und Antirassismus, des Feminismus oder der Ökologie und neuerdings der so genannten Globalisierungskritik. Daher hat sie auch stets eine gewisse Ausstrahlungskraft über die Arbeiterklasse im engeren soziologischen Sinne hinaus, in andere (lohnabhängige und/oder intellektuelle) Gesellschaftsschichten entwickelt. Dabei versuchte sie stets, die fortschrittlichsten, politisch am weitesten radikalisierten Kräfte aus diesen verschiedenen Kämpfen für sich zu gewinnen - und zu einer Konvergenz der Bewegungen auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Konfliktfeldern beizutragen.  

Insbesondere an dem neuen Bewegungszyklus im Bereich der "Globalisierungskritik" bzw. des neuen Internationalismus, der mit der Verhaftung des linksalternativen Bauerngewerkschafters José Bové im August 1999 und dem gescheiterten WTO-Gipfel von Seattle im Dezember 1999 begann, hat die LCR erheblichen Anteil genommen. Daher rührt auch der Zuspruch aus Teilen der Jugend, der durch die Auswahl des 28 Jahre jungen Präsidentschaftskandidaten Olivier Besancenot (Mitglied der linken Basisgewerkschaft SUD) erleichtert wurde.  

Welche bündnispolitischen Optionen für eine "Erweiterung"?  

In diesem Kontext kann die Ligue in jüngerer Zeit auch Zuspruch von jüngeren Engagierten verzeichnen, die bis dahin eher von einem libertären bis anarchistischen Diskurs beeinflusst waren. Wohl auch darauf reagierte Olivier Besancenot in den vergangenen Monaten, indem er (etwa in seinem Anfang 2003 erschienen Buch "Révolution. 100 mots pour changer le monde" auch die Ideen des libertären Kommunismus als eine der Grundlagen der LCR bezeichnete. Gleichzeitig übte er in dem Buch auch punktuelle Kritik an den Bolschewiki und Trotzki nach 1917, etwa an einem Ausspruch Trotzkis bezüglich der "Militarisierung der Arbeit" während des Kriegskommunismus. Innerhalb der Organisation werden heute unterschiedliche Akzente gesetzt (bezüglich der Bewertung der Ereignisse von Kronstadt gibt es etwa seit 1999/2000 kontroverse Bewertungen), aber es dürfte heute unbestritten sein, dass libertäre oder antiautoritäre Kommunisten ebenso ihren Platz im Spektrum der LCR haben wie Strömungen, die stärker aus der historischen Linie des Trotzkismus stammen.  

Im Vergleich zu Lutte Ouvrière weist die LCR hingegen eine eher schwache Wahltradition auf. So war sie zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaturen von Alain Krivine (1969 und 1974) und jener von Olivier Besancenot (2002) bei allen dazwischen liegenden Präsidentschaftswahlen abwesend. Die Gründe dafür sind vielfältig, liegen aber hauptsächlich in einer stärkere Bewegungs- und Bündnisorientierung. Diese sorgte einerseits dafür, dass die Wahlbeteiligung zwar als wichtige Tribüne, nicht aber als derart zentral für den Organisationsaufbau betrachtete wurde wie im Falle von Lutte Ouvrière. Andererseits versuchte die LCR stets breitere (linksradikale oder linksalternative) Wahlbündnisse auf die Beine zu stellen, die dann aber i.d.R. nicht zustande kamen. Dabei lief sie in den 80er und 90er Jahren noch regelmäßig "rechts" von ihr stehenden Kräften hinterher. Vor der Präsidentschaftswahl 1988 etwa betrieb die LCR einen bedeutenden Teils des Wahlkampfs für den KP-"Dissidenten" vom "Erneuerer"flügel Pierre Juquin - der dann aber mitten im Wahlkampf öffentlichte verkündete, er könne sich den Eintritt in eine sozialdemokratisch geführte Regierung vorstellen, "aber nur unter der Bedingung, dass diese das kommunale Wahlrecht für Immigranten einführt". Der also quasi für ein Butterbrot bereit gewesen wäre, eine Regierung unter François Mitterrand zu unterstützen (sein miserables Wahlergebnis von 2 Prozent hinderte ihn daran, überhaupt eine Rolle zu spielen).  

Diese Orientierung der LCR wurde damals damit gerechtfertigt, dass der Abgang des ehemaligen Parteisprechers Pierre Juquin einen Riss quer durch den Parteiapparat der KP erzeugen und zu einer Spaltung führen könne, die interessante Perspektiven eröffne. Es blieb dann aber dabei, dass Juquin Anfang der Neunziger Jahre in die grüne Partei eintrat und dort als gewöhnlicher "Reformpolitiker" endete. Später noch suchte man Bündnispartner eher an den ausfransenden Ränder der etablierten linken (Regierungs-)Parteien, zuletzt bei den ­ bisher letzten ­ Regionalparlamentswahlen im März 1998. Damals war die Ligue etwa in der Region Ile-de-France (Großraum Paris) mit einem Splitter der grünen Partei unter dem Listennamen "EGALE" verbündet, wobei das Bündnis allerdings für die LCR schlussendlich weniger Erfolg eintrug, als eine Alleinkandidatur ihr hätte bringen können. Denn das schwammige Profil sorgte dafür, dass für niemanden eine klare politische Aussage erkennbar war; selbst erfahrene Kommentatoren wussten damals nicht, ob sie die Liste in die Rubrik "extrême gauche" (radikale Linke") oder "divers gauche" (für die etablierten "sonstigen Linksparteien", das sind normalerweise linksbürgerliche Parteien, eher rechts von der Sozialdemokratie) einteilen sollten. Selbst enge SympathisantInnen erklärten später, sie "nicht auf dem Wahlzettel gefunden" zu haben...  

Diese erfolglose Orientierung auf Bündnispartner auf ihrer Rechten, d.h. an den Rändern der etablierten "großen Linksparteien", wurde Ende der Neunziger Jahre sukzessive aufgegeben. Der Hauptgrund dafür lag in dem erwachenden neuen Selbstbewusstsein als linke revolutionäre Kraft, das die LCR erstmals ab dem Streikherbst 1995 (gegen die Juppé-Reform) wieder zu schöpfen begann. Bis dahin war sie vom Niedergang der Kommunistischen Partei nach dem Mauerfall 1989 mit hinab gezogen worden, denn obwohl sie (im Gegensatz zur französischen KP) nie das sowjetische System positiv unterstützt hatte, teilte sie mit jener die Bezeichnung "Kommunismus" im Parteinamen und damit auch die gleichen öffentlichen Angriffe. Bis 1998 hegte ein nicht unbedeutender Teil der LCR daher sogar das Vorhaben, diesen Teil des Parteinamens aufzugeben. Auf dem Kongress von 1998 scheiterte der Antrag nur knapp, den Organisationsnamen (Ligue Communiste Révolutionnaire) durch einen neuen Namen, "Gauche démocratique révolutionnaire" (Revolutionäre demokratische Linke) auszutauschen. Zum Glück kam das nicht nur...  

Diese (opportunistische und einer Krisenperiode entsprechende) Phase wurde aber in der Folge durch eine doppelte Bewegung beendet. Die beiden Ausschlag gebenden Faktoren waren das neue Erwachen sozialer Bewegegungen ab 1995 (auf den vierwöchigen Streik fast aller öffentlichen Dienste folgte im Frühjahr 1996 die Sans papiers-Bewegung) und die ebenfalls 1995 beginnenden Wahlerfolge von Lutte Ouvrière. Letztere zeigten, dass sich ein Raum links von der Sozialdemokratie und der, sich zuneben nicht mehr von sozialdemokratischer Alltagspolitik unterscheidenden, KP auftat und zusehends vergrößerte. Ab 1998/99 begleitete die LCR diese Entwicklung mit eigenen Wahlerfolgen, die zunächst noch hinter jenen der (seit längerem bei Wahlen präsenten) Lutte Ouvrière zurückblieben, bevor im Jahr 2002 ein annähernder Gleichstand erreicht wurde.  

Die neuen Erweiterungsversuche, etwa gegenüber dem antiautoritär-kommunistischen Spektrum, heben sich m.E. dadurch positiv von den voran gegangenen ab, dass sie keine Ausdehnung nach "rechts" darstellen.  

Sie gehen mit einigen (von der Sache eher kosmetischen) Sprachänderungen einher, die jedoch bei weitem nicht an die in den Neunzigern noch angestrebte Trennung von der Parteibezeichnung "kommunistisch" heranreichen. So strich der jüngste LCR-Kongress Anfang November 2003, auf Vorschlag der Leitung hin, die bisher in Programm und Statuten firmierende Forderung nach der "Diktatur des Proletariats". Allerdings wurde diese durch "die Macht der Arbeiter und die sozialistische Demokratie" ersetzt, womit im Kern dasselbe ausgesagt war, aber mit weniger (vom Stalinismus her) "vorbelasteten" Formulierungen. Auch die gleichzeitig erfolgte Umbennung des Zentralkomitees in "landesweite Leitung" (direction nationale) gehorcht einer ähnlichen Logik. Sie widerspiegelt jedenfalls keine grundsätzliche Orientierungsänderung.  

Innerhalb der LCR bzw. zwischen ihren wichtigsten Fraktionen bestehen derzeit unterschiedliche Optionen, wie in der gegebenen Situation eine Erweiterung der Organisation angestrebt werden könne. Die derzeitige Mehrheitsfraktion unter Alain Krivine und Olivier Besancenot (FUSSNOTE 8) setzt gleichzeitig auf das wahlpolitische Bündnis mit Lutte Ouvrière und auf ein parallel dazu bestehen bleibendes, eigenständiges Agieren der LCR in sozialen Bewegungen und auf den gesellschaftlichen Feldern, wo sie präsent ist. So wird die Ligue den gemeinsamen Wahlkampf mit eigenständigen Veranstaltungen und Bröschüren, etwa auch zu Themen der globalisierungskritischen / internationalistischen -Bewegung, begleiten, die nicht unbedingt dem eigenen Profil von Lutte Ouvrière entsprechen. Dieses Agieren soll mittelfristig auf die Neugründung einer breiteren politischen Kraft, einer "antikapitalistischen Partei" hinaus laufen. Diese neue gesellschaftliche Kraft soll sich über die gesellschaftlichen Kämpfe und in klarer Abgrenzung von "der Sozialdemokratie, die immer mehr zum Sozialliberalismus wird und die Entwicklung des Kapitalismus nur noch begleitet, daher nicht einmal mehr im Wortsinne reformistisch ist" herausschälen. Stets wird in der Öffentlichkeit betont, es gebe zwei verschiedene Linke, es gebe einen sozialliberalen und einen antikapitalistischen Pol, zwischen denen die verschiedenen progressiven Kräfte sich entscheiden müssten.  

Eine vor dem letzten Kongress als "Plattform Nummer 2" bezeichnete Strömung hingegen sieht nicht "zwei Linke", sondern ihrer drei bestehen. Erstens gebe es den sozialliberalen Pol, in Form der sich immer stärker an die Entwicklung des Kapitalismus anpassenden Sozialdemokratie. Zweitens existiere aber auch eine "klassisch reformistische Linke", die nunmehr nach einer eigenständigen Existenz suche, etwa im Rahmen von Attac, um ihre klassischen Rezepte vom sozialstaatlichen Klassenkompromiss erneut zu verfolgen. Drittens gebe es die antikapitalistische radikale Linke. Letztere müsse sich nicht nur scharf vom ersteren, sondern ebenso vom zweiteren Pol abgrenzen. Vorrang müsse daher eine Sammlung der revolutionären Linkskräfte haben, mit einem geschärften Profil.  

In eine völlig andere Richtung will hingegen die "dritte Plattform" gehen, der prominente Führungsmitglieder wie namentlich der Rouge-Leitartikler Christian Piquet angehören. Sie ist im Prinzip gegen das Wahlbündnis mit Lutte Ouvrière. Allerdings erklärt sie heute nicht mehr, wie 1999, ihre Grundsatz-Opposition gegen die wahlpolitische Allianz, sondern macht ihre Gegnerschaft vor allem an den Bedingungen des Wahlabkommens fest, die LO zu sehr entgegen kämen. Das politische Projekt dieser Strömung (die zwischen einem Viertel und einem Drittel der LCR ausmacht) liegt in einer neuen politischen Sammlung mit denjenigen Teilen der großen Linksparteien, die, so die Hoffnung, sich von den jeweiligen Parteiführungen entfernen. Hinzu kommen sollen Gruppen aus den sozialen Bewegungen.  

Konkreten Niederschlag hat dieses Vorhaben in dem so genannten Ramuleau-Projekt gefunden: In dem gleichnamigen Pariser Restaurant trafen sich, erstmals vor einem Jahr, Angehörige des Reformflügels (der "Neugründer") der KP, wie der Bürgermeister von Saint-Denis, Patrick Braouzec; Mitglieder der Grünen, aber auch der Sozialdmokratie (etwa der frühere Minister Jean-Luc Mélenchon) sowie prominente Personen aus sozialen Bewegungen wie Claire Villiers von der Arbeitslosen-Selbstorganisation AC!. Angehörige des betreffenden Flügels der LCR unterzeichneten den daraus resultierenden Aufruf für einen neuen politischen Diskussionsrahmen ebenfalls. Doch ihr Vorschlag einer offiziellen Teilnahme der LCR -zunächt mit Beobachterstatus ­ wurde durch die Mehrheit abgelehnt, da die erhebliche Frage, wie man in diesem Rahmen zur (voraus gehenden und vielleicht künftigen) Regierungsbeteiligung vieler Teilnehmer an dem Kreis stehe, nicht beantwortet und daher das politische Profil ungeklärt sei.  

Das "Projekt Ramuleau" schien vorerst gescheitert, da im Frühherbst 2003 der sozialdemokratische Ex-Minister Mélenchon vor den Fernsehkameras mit großem Getöse auszog. Seitens von Sozialdemokraten, Grünen und KP schien die Logik der jeweiligen Parteiapparate, im Vorfeld der Wahlen, wieder die Oberhand zu gewinnen. Seit Anfang des Jahres 2004 war dann aber erneut die Rede von einer möglichen gemeinsamen Liste des Ramuleau-Spektrums zu den Regionalparlamentswahlen, jedenfalls in der Region Ile-de-Frace. Nunmehr steht fest, was aus dem Vorhaben wird: Es wird in der Pariser Region eine gemeinsame Liste des Ramuleau-Spektrums zusammen mit der (inzwischen ziemlich maroden) KP geben. Die beiden Spitzenkandidatinnen sind Marie-George Buffet, die Parteichefin der KP und ehemalige Jugend- und Sportministerin der Regierung Jospin, auf Platz 1 und Claire Villiers als Vertreterin der sozialen Bewegungen auf Platz 2.  

Nähere Aussichten und die Kampagne gegen die radikale Linke  

Die schlechten Ergebnisse der radikalen Linken anlässlich der Parlamentswahlen 2002 haben deutlich gezeigt, dass das erfolgreiche Ansprechen einer (von der Regierungspolitk) enttäuschten Linkswählerschaft nicht zu der Fehlannahme verleiten darf, diese seien damit bereits weitgehend den Einflüssen des politischen Systems entzogen. Insbesondere das, in diesem Ausmaß unerwartete, erneute Auftauchen der rechtsextremen Gefahr ­ selbst wenn die spontan erwachte Furcht vor einer Machtübernahme durch Le Pen sicherlich unrealistisch war ­ bildete einen nicht zu unterschätzenden Faktor. Die spontane antifaschistische Reaktion war legitim, auch wenn sie in der Folge durch die (sozialdemokratische wie konservative) politische Klasse instrumentralisiert worden ist, um zu einer "Burgfriedens"politik hinter den schützenden Mauern des Establishments aufzurufen. Jede Argumentation, die keine ­ alternative ­ Antwort auf diese im Kern berechtigte Furcht enthielt, musste als Abenteuertum erscheinen.  

Die LCR hatte auf dem Feld des Antifaschismus sicherlich eine stärkere Legitimität als andere Teile der radikalen Linken, da die Gründung des wichtigsten landesweiten antifaschistischen Netzwerks (Ras-le-front) 1990/91 maßgeblich auf ihre Initiative zurückging. Doch auch das Plädoyer der Ligue, eine Offensive zur Schaffung einer echten sozialen Alternative und gleichzeitig zur konkreten Zurückdrängung der extremen Rechten auf dem gesellschaftlichen Terrain sei allemal ein sicherer Schutz als ein Vertrauen auf das Establishment, ging im damaligen Klima (und natürlich in den bürgerlichen Medien) tendenziell unter.  

Die Situation hat sich jetzt, anderhalb Jahre später, zwar verändert. Die starken gesellschafltichen Auseinandersetzungen des Jahres 2003 (etwa die Streikwelle gegen die "Rentenreform" im Mai und Juni, der lang anhaltende Ausstand der prekären Kulturschaffenden seit Juli...) haben der sozialen Opposition neuen Mut verschafft. Dies könnte sich in einem Wiederanstieg der radikalen Linken widerspiegeln. Allerdings ist der Elan der sozialen Kämpfe jetzt seit dem Herbst 2003 abgeflaut. Das Gewicht der Niederlage im Konflikt um die "Rentenreform" im Sommer 2003 ebenso wie die letztendliche Niederlage der prekären Kulturschaffenden haben für eine gewisse Demoralisierung gesorgt. Noch ist nicht klar, ob zu erwartende neue anti-soziale Attacken, wie die im Sommer 2004 zu erwartende "Gesundheitsreform", zu einer neuen Mobilisierung führen können. Bisher jedenfalls hat die Regierung demonstrativ unter Beweis gestellt, dass sie nicht nachzugeben und alle sozialen Widerstände auszusitzen gedenkt. Mal sehen, wie lange das gut gehen wird.  

Und gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die extreme Rechte im Vorfeld der Wahlen verstärkt präsent sein wird. Vermutlich wird sie ihren Stimmenanteil auch gegenüber den letzten Regionalparlamentswahlen von 1998 steigern können, da sie derzeit von der abnehmenden Integrationskraft der regierenden Konservativen gegeüber ihrer Basis (vor allem ihrem kleinbürgerlichen Teil) profitiert. Derzeit werden dem Front National von Beobachterinnen rund 17 Prozent der Stimmen vorausgesagt, gegenüber 15 Prozent 1998. Damit könnte die "kleineres-Übel-Kampagne" erneut für erheblichen Druck auf die radikale Linke sorgen. Kampagne der etablierten Parteien gegen die radikale Linke  

Zugleich erhöhen auch die Sozialdemokratie und ihr Anhang in den etablierten Medien ihren Druck auf die radikale Linke. Die Vorgehensweise ähnelt teilweise jener, die im Westdeutschland der 80er Jahre gegenüber der damals aufstrebenden grünen Partei angewandt wurde (die freilich ideologisch nicht auf dem Marxismus, sondern auf einer trüben Mischung aus linken, christlichen, moralisch-pazifistischen und bürgerlichen Versatztücken aufbaute). Das bedeutet: Realpolitische Integrationsangebote, wenn man zu "verantwortlichem Verhandeln" bereit ist, und ansonsten Abstrafen in den Medien wegen "fundamentalistischer Verweigerungshaltung".  

So klagt die Sozialdemokratie seit August, September 2003 lautstark in den ihr verbundenen Medien (wie "Libération") die radikale Linke an, sie wolle lediglich die Linksparteien "ihrer" potenziellen Mehrheit berauben und keinerlei Alternativen zur Rechten übrig lassen. Was natürlich falsch ist, da die Vertreter der radikalen Linken (auch von LO, die wesentlich weniger um Bündnispolitik bekümmert ist) normalerweise je nach den vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen entscheiden, ob sie in den Parlamenten den Vorlagen der etablierten Linksparteien zustimmen oder nicht.  

Zugleich reservierte die Sozialdemokratie eine Region, jene von Montpellier, wo sie im Oktober 03 der LCR (nicht aber Lutte Ouvrière) konkrete Angebote zum Mitregieren ab März 2004 unterbreitete. Absicht war nicht nur, die beiden Parteien der radikalen Linken auseinander zu dividieren, sondern auch, die LCR mit dem "Angebot" entweder in das "realpolitische" Spiel einzubinden oder aber, sie aufgrund ihrer "Unwilligkeit" öffentlich vorzuführen. Die Ligue schlug das Angebot alsbald aus, da es lediglich auf einen Quasi-Blankoscheck für den (bereits heute amtierenden) sozialistischen Regionalpräsident George Freche hinausgelaufen wäre.  

Nun werden revolutionäre Marxisten sicherlich nicht den gleichen Weg beschreiten, der dereinst (1985) für die Grünen in Hessen begonnen hat. Aber die Methoden, mit denen die Sozialdemokratie ihnen beizukommen versucht, ähneln sich dennoch.  

Ihr Scherflein zu dieser Debatte beigetragen hat auch die konservative Rechte. Sie wiegt sich seit einigen Wochen, jedenfalls der Öffentlichkeit gegenüber, in einem scheinbaren Triumphalismus. "Genau so, wie Le Pen und die extreme Rechte uns in den 80er Jahren unserer Mehrheitsfähigkeiten beraubten, genauso ergeht es heute den Linksparteien mit der radikalen Linken", tönen die Konservativen lautstark. So wird etwa Jacques Chirac im "Canard enchaîne" zitiert ("die Trotzkisten werden einen Saustall in der Linken anrichten").  

Damit verfolgt die konservative Rechte mehrere Ziele auf einmal: Erstens soll die unverschämte Behauptung dadurch öffentlich verbreitet werden, "die beiden Extreme" ­ die radikale Linke und die Neofaschisten - seien sich stukturell ähnlich und moralisch wie politisch gleich zu behandeln. (Sogar die KP-Parteichefin Marie-George Buffet hat jüngst diese unverfrorene Formulierung von den "beiden Extremen", auf deren "Anwachsen man achtgeben muss", öffentlich benutzt.) Zweitens wird die angebliche Unfähigkeit der Sozialdemokraten zur Regierungsübernahme herausgestellt, da ihr realpolitische Optionen fehlen würden ­ "entweder laufen sie den radikalen Linken programmatisch hinterher, oder aber ihnen fehlen die Stimmen auf ihrer Linken".  

Drittens aber wird, nicht zuletzt, die radikale Linke selbst dadurch diskreditiert, indem sie vermeintlich als ein Rädchen im zynischen Spiel der regierenden Rechten erscheint. Auch wenn die Konservativen in Wirklichkeit dieses "Spiel" gar nicht beherrschen, und keinerlei Einfluss auf die Radikalisierungsprozesse auf der Linken besitzen - auf diesem Wege können sie doch als vermeintliche Herren der Situation erscheinen.  

Premierminister Jean-Pierre Raffarin hat aber seinem Chef, Jacques Chirac, in dieser Sache alsbald öffentlich widersprochen. Da er das Kalkül offensichtlich nicht durchschaut hatte, meinte er, folgende Warnung aussprechen zu müssen: "Die radikale Linke zu stärken, bedeutet auch, die Gefahr von Agitation auf der Straße zu verstärken." ("Le Canard enchaîné", O5. 11. O3) Damit hat er an die wirkliche Rolle und die eigentliche Aufgabe der radikalen Linken erinnert. Sein Wort möge nicht ungehört verhallen. Anmerkungen

(FUSSNOTE 1:) Der Parteiname "Lutte Ouvrière" wird stets, wie ein Eigenname, ohne Artikel benutzt. Wird der Artikel verwendet, dann handelt es sich um die generische Bezeichnung "der Kampf der Arbeiter", also um eine Bezeichnung des gesellschaftlichen Phänomens.  

(FUSSNOTE 2:) Arlette Laguiller, die ­ zum fünften Mal in Folge ­ für LO kandidierte, erhielt 5,72 Prozent der Stimmen. Für Olivier Besancenot, der erstmalig für die LCR antrat, wurden 4,25 Prozent der Stimmen abgegeben. Insgesamt entspricht das drei Millionen WählerInnen.  

(FUSSNOTE 3:) Lutte Ouvrière erkennt im Prinzip das Fraktionsrecht innerhalb der Organisation an, ebenso wie die LCR. Bisher existiert jedoch lediglich eine Minderheitsfraktion innerhalb von LO, die rund 5 Prozent der Delegiertenstimmen auf Kongressen repräsentiert. Eine andere Minderheitsströmung, die vor allem in Bordeaux und Rouen stark präsent war, wurde 1998 aus der Partei gedrängt ­ es kam zu Ausschlüssen ­ und hat sich in der Folgezeit der LCR angeschlossen. Diese Strömung hörte auf den Namen Voix des travailleurs (VdT, Stimme der Arbeit) und ist inzwischen innerhalb der LCR aufgegangen. Zu den Strömungen innerhalb der LCR siehe unten.  

(FUSSNOTE 4:) Der sozialdemokratische Präsidentschaftsbewerber und damalige Premierminister Lionel Jospin erhielt nur 16 Prozent der Stimmen ­ eine Quittung der Linkswählerschaft für seine fünf Jahre lang verfolgte Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Kandidat der Französischen Kommunistischen Partei, Robert Hue, erzielte mit 3,37 Prozent das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte seiner Partei, die 1920 gegründet worden war. Auch er wurde als Regierungskandidat wahrgenommen.  

(FUSSNOTE 5:) Der Kampf gegen "den reaktionären Milliardär" Le Pen schien bei LO auf ähnlichem Niveau zu stehen wie der Kampf gegen den, auf vergleichbare Weise charakterisierten, Konservativen Chirac.  

(FUSSNOTE 6:) Im Herbst 2000 zeigte sich das in zugespitzter und fast kariktaturhafter Form, als die französische KP ­ damals Regierungspartei ­ in Paris kleinere Demonstrationen gegen die damalige Erhöhung der Benzinpreise (infolge der Verteuerung des Rohöls in jenem Jahr) organisierte. Die gesamte übrige Linke befand diese Demonstration gegen die Benzinpreise als populistisch. Einerseits, weil zahlreiche andere Aspekte bezüglich der Kaufkraft der Lohnabhängigen nicht thematisiert wurden, sondern allein auf die Benzinkosten abgestellt wurde (man hätte ja stattdessen auch Lohnerhöhungen fordern, statt an den Verbraucherkosten ansetzen können). Andererseits, weil man den Automobilverkehr nicht unbedingt glorifizieren mochte. Am Ende war Lutte Ouvrière die einzige politische Kraft neben der - verzweifelt nach einem Mobilisierungsthema suchenden und bereits im Niedergang befindlichen ­ KP, die zu diesen Demonstrationen aufrief. LO stellte dann auch fast die Hälfte der Demonstrierenden. Seitens anderer Linker wurde ihr damals ein zu enges "Ankleben" an der Fährte der KP vorgeworfen.  

(FUSSNOTE 7:) In Frankreich hat man in jüngerer Zeit Abstand vom vorher gebräuchlichen Begriff der antimondialisation (Globalisierungs-Gegnerschaft) genommen und ihn durch den Begriff der altermondialisation (für mondialisation alternative, also "alternative Globalisierung") ersetzt. Diese neue Sprachregelung der sozialen Bewegungen ist mittlerweile auch durch die etablierten Medien übernommen worden und wird von ihnen gemeinhin respektiert. Die Wortwahl soll den internationalistischen Anspruch der Bewegung, die man in Deutschland "globalisierungskritisch" nennt, unterstreichen. Zugleich soll jede vermeintliche Überschneidung mit dem Diskurs der extremen Rechten, die auch in diesem Zusammenhang gerne Demagogie betreibt und politische Verwirrung stiftet, ausgeschlossen werden. Die extreme Rechte ihrerseits beruft sich auf den antimondialisme, wobei der Begriff des mondialisme (etwa: Weltideologie) von ihr sowohl als Synonym für die "Globalisierung" als auch als für internationalistische und universalistische Ideologie(n) eingesetzt wird. Das Zusammenziehen von beiden zu einem einheitlichen Begriff dient ihr als Chiffre für die Idee einer angeblichen jüdisch-marxistischen Weltverschwörung. - Dagegen verdeutlicht der Begriff der "alternativen Globalisierung" die Vorstellung, wonach diese Bewegung für einen neuen Internationalismus stehe.  

(FUSSNOTE 8: ) Die heutige "Mehrheit" ist nicht identisch ist mit jener der Neunziger Jahre, da seitdem eine Fusion der früheren Mehrheit mit einer früher eigenständigen Gruppe (der "Tendenz R" für Revolution, die sich damals als "Linksopposition" verstanden hatte) stattgefunden hat. Umgekehrt sind andere Spaltungslinien in jüngster Zeit entstanden.

Editorische Anmerkung

Der Artikel wurde uns in der vorliegenden Fassung vom Autor am 6.2.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Er ist der zweite Teil des in der trend-Ausgabe 12/03 erschienenen Artikels: Frankreich vor den Regionalparlamentswahlen.

Bernard Schmid veröffentlichte im trend u.a. folgende Artikel: