zurück

Aus: "Fortlaufende Nummer", Zeitung einer Kooperation der Jungen Linken Niedersachsen, Junge Linke/JungdemokratInnen Bremen, Gruppe Ratio Rausch Revolution Hamburg und Gruppe 3 Göttingen

Was ist Schule im Kapitalismus?

01/99
trdbook.gif (1270 Byte)
trend
online
zeitung
Briefe oder Artikel:
kamue@partisan.net
ODER per Snail:
Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Früh aufstehen, Entschuldigungen schreiben wenn mensch zu spät kommt, ständig um Noten ringen mit den MitschülerInnen, für Arbeiten lernen um nach `ner Wochenalles vergessen zu haben - ja, das ist Schule. Trotzdem wird immer wieder soeiniges behauptet, z.B. daß Schule eine gute Möglichkeit sei, um an tolleBildung und prima Wissen zu gelangen. Diese Behauptungen sollen hier mal aufihren Wahrheitsgehalt hin geprüft werden.

Schon die Tatsache, daß nicht die SchülerInnen bestimmen, was gelernt wird,sondern ein staatlicher Lehrplan den LehrerInnen den klar umrissenen Rahmen ihres Unterrichtes vorschreibt, sollte die Frage aufkommen lassen, wer oder waseigentlich wirklich den Nutzen aus den Lehranstalten zieht.

Die Frage, ob nungelernt wird, oder ob doch lieber den ganzen Tag Computer gespielt wird, stelltsich aufgrund der Schulpflicht schon leider gar nicht. Von den persönlichenVorlieben der SchülerIn wird der Unterricht auch nicht abhängig gemacht: dasInteresse der SchülerIn an einem bestimmten Gegenstand ist völlig nebensächlich.Wenn die LehrerIn am Anfang des Schuljahres das Thema des Unterrichts verkündet,haben die SchülerInnen nur wenig zu melden. Offensichtlich geht's also gar nichtum die individuellen Neigungen der SchülerInnen, sondern um das Interesse desStaates an einer bestimmten Ausbildung, die sich an der Verwertbarkeit für denArbeitsmarkt orientiert. 

Mittels des Lehrplans legt der Staat den Inhalt und den Verlauf des Unterrichtsfür die LehrerInnen verbindlich fest. Diese sind, egal wie gut oder schlecht dieSchülerInnen mit dem Thema zurechtkommen, dazu verpflichtet, es in einemfestgelegtem Zeitrahmen durchzuziehen. Wer dabei auf der Strecke bleibt, darfdie versäumte Bildung Privat nachholen: Nachhilfe. Und wer sich gar nicht sosehr um sein Fortkommen in der Schule schert oder in der Lernkonkurrenz auf derStrecke bleibt, wird früher oder später aussortiert: in Real/Haupt/Sonderschulenbzw. auf der Gesamtschule in B und C Kurse. Der Lehrplan ist also nicht so konzipiert, daß alle SchülerInnen am Ende alles verstanden haben, sondern es sollen in der Lernkonkurrenz Unterschiede zwischen den SchülerInnen hergestellt, nicht beseitigt werden!

Durch die Schulpflicht wird sichergestellt, daß jedeR an der Lernkonkurrenzteilnimmt und mit Noten versehen wird, die ganz abstrakt das Gelernte und dieFähigkeiten der SchülerIn zum Ausdruck bringen: in einer Zahl! Der qualitativeInhalt der Bildung muß sich folglich quantitativ ausdrücken lassen - das gibtschon den entscheidenden Hinweis auf die  Funktion der Lerninhalte, die hierMittel für die Benotung sind, und jedeR weiß, worauf es in der Schule eigentlichankommt: auf gute Noten. Die ganze Palette an Zensuren muß von der Lehrkraftausgenutzt werden, da ansonsten das Klassenergebnis als zu gut/zu schlecht imLehrerzimmer oder bei der Bezirksverwaltung (also vom Staat) bemängelt wird.Wenn also alle SchülerInnen einer Klasse etwas sehr gut verstanden haben, fälltdie nächste Klassenarbeit dementsprechend schwieriger aus, damit die Zensurenimmer hübsch gleichmäßig verteilt sind. Die einzelnen Zensuren sorgen für das verwaltungsfreundliche und ausreichenddifferenzierte Bild der SchülerIn, indem vom individuellen Können undNicht-Können abgesehen wird. Welche Fehler gemacht wurden, interessiert nicht,wenn als Zensur 3- druntersteht. Der Notendurchschnitt verkörpert als Gesamtnote das "geistige Gesamtprofil", dieSchülerIn ist mit ihrem Wissensstand auf eine Zahl reduziert und läßt sichfolglich einordnen: a) nächstes Schuljahr noch dabei oder nicht, b) reicht derAbschluß für die Uni/das Fachgymnasium usw.?! Während der Schulzeit stellt dasZeugnis eine Berechtigung dar, nämlich in die höhere Schulklasse aufzusteigen, um sich dort in der Lernkonkurrenz aufs neue zu bewähren. Das ändert sich abruptmit dem Abschlußzeugnis, denn auf dem Arbeitsmarkt bestimmt der Unternehmer, wereingestellt wird. Hier wird nichts mehr garantiert, auch zeigt sich spätestenshier der Klassencharakter des Schulsystems, da die Einen nämlich später dielukrativen Jobs angeboten bekommen und die Anderen die Drecksarbeit machen müssen.

Die LehrerIn als StaatsfunktionärIn hat ihrer selektierenden   Aufgabenachzukommen, dafür wird sie vom Staat bezahlt, auch wenn sie immer behauptet,nur für die lieben SchülerInnen da zu sein. "Der Lehrer hat immer recht" - Stimmt! Die Lehrkraft zwingt als NotengeberIn die von guten Noten abhängigenSchülerInnen notwendigerweise zur Unterordnung: Mit  welchem Thema sie an welchemOrt zu welcher Zeit sich wie zu beschäftigen haben legt die PaukerIn fest. Esist dabei egal, ob die LehrerIn ein guter oder schlechter Mensch ist, sie ist unabhängig davon dazu verpflichtet ihrem beruflichem Auftrag nachkommen.Letzteres wird des öfteren von SchülerInnen vergessen, wenn sie die Ungerechtigkeit der Lehrkraft bei der   Zensurenvergabe bemängeln. Das Urteil der LehrerIn wird dann angezweifelt, weil es nicht objektiv sei - nur sind das Noten nie, weil diese z.B. vom Leistungsniveau der jew. Schulklasse abhängig, also eigentlich eine ziemlich relative Sache sind. Die manchmal als anzustrebendes Ziel so hochgehaltene, weil angeblich ja nichtverwirklichte Chancengleichheit spielt bei der Einweisung des Nachwuchses in die Karrieren eine maßgebliche Rolle. Sie ist Mittel der Selektion, jede SchülerInhat in der Konkurrenz um Noten ersteinmal die gleiche Chance, eine 1 oder eine 6 zu bekommen. Nur: Aufgrund der Konkurrenzsituation unter den SchülerInnen gibt es GewinnerInnen und VerliererInnen. Die Chancengleichheit garantiert nämlich,daß am Ende bei allen etwas anderes herauskommt, weil von den konkretenUnterschieden zwischen SchülerInnen abgesehen wird. Genau deshalb ist sie einecht tolles Instrument für den bürgerlichen Staat, das passende Menschenmaterialfür die Volkswirtschaft bereitzustellen: es muß Bauarbeiterinnen undManagerinnen, Ärzte und Sparkassenangestellte geben, diesem "Sachzwang" folgtder Staat, indem er in der Schule die Lebenschancen der SchülerInnen verteilt.Gewöhnt wird mensch dabei auch ganz praktisch an die Konkurrenz, hier noch umNoten, später geht's dann um die Mittel fürs Überleben. Zuerst einmal werden die SchülerInnen in ganz nützlichen Dingen ausgebildet. Inder Grundschule lernen sie lesen, schreiben und rechnen, dies allerdings gerade,weil es in der kapitalistischen Gesellschaft wichtig ist, mit Geld umgehen,Verträge abschließen und Stimmzettel ausfüllen zu können. Gleichzeitig lernen sie im Sozialkunde Unterricht, die kapitalistische Gesellschaft mit all ihrenBeschränkungen und Unvernünfteleien als nützliches Mittel zur Verfolgung ihrerindividuellen Zwecke zu betrachten: Die Lohnarbeit des Papas wird alsMöglichkeit des Geldverdienens dargestellt, nicht als Zwang. Das, was der Papamacht, macht er dann, weil es gut ist für die Gesellschaft, und nicht nur weilsein Arbeitgeber Geld verdienen will und der Papa auf den kargen Lohn angewiesenist. Das Geld ist sehr nützlich, wenn man sich etwas kaufen will - nur schlechtfür den, der keins hat. Und wenn jemand das Geld klaut, gibt's zum Glück diePolizei, die es wieder zurückbringt. - So wird den jungen SchülerInnen die Weltvorgestellt, als Ansammlung von Gelegenheiten und nützlichen Einrichtungen. Mitdiesem "Gebrauchsanleitungswissen" funktionieren die SchülerInnen in derkapitalistischen Gesellschaft, richtig kapieren tun die damit nichts.

Spätestens in der Mittelstufe fängt es dann so richtig an mit   derNationalerziehung. Die geistige Einheit des gesamten Volkes soll trotz derGegensätze von Kapital und Lohnarbeit, Kopf- und Handarbeitern, Staatsdienernund Volksmitgliedern gewährleistet werden. Es gilt deshalb,  die SchülerInnenmiteinzubinden in die Planung und Organisation in der Schule (siehe Artikel über die SV), ihnen einzutrichtern, Staat und Gewaltmonopol seien als netter Repräsentant des Volkswillens und lieber Onkel Schutzmann einzig zurVerwirklichung des "Allgemeinwohls" da, und nicht dazu, mit Gesetz und Gewaltdie Gegensätze in der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Die SchülerInnen lernen,auch im Staat ihr Mittel zu sehen, sie werden zum Engagement für sauberedeutsche Wälder und zur Mitwirkung an Bürgerinitiativen und Parteien begeistert."Wählen als erste Bürgerpflicht" ist ebenso im Programm eines guten Politikunterrichts, wie das Kritisieren von Sozialschmarotzern, die "uns allen"nur auf der Tasche liegen. Die bürgerlichen Lehranstalten sorgen also für die gesunde Ideologiebildung der jungen StaatsbürgerInnen, die notwendig ist, damit aus SchülerInnen verantwortungsbewußte StaatsbürgerInnen werden. Neben der ganz offiziellen StaatsbürgerInnenerziehung läuft natürlich noch das inoffizielle (aber nicht minder wertvolle) Beiprogramm von Schule ab: an Pflicht und (Unter-)Ordnung, Autorität und Gehorsam wird mensch auch gewöhnt. Jedes Bedürfnis und jeder Wunsch muß erst von der Lehrkraft als befriedigenswert anerkannt werden, damit die SchülerIn ihm nachgehen kann. Pipi machen, Fensterauf, Sachen einpacken und Reden (erst nach dem "Melden"): der Wille derSchülerIn hat sich gefälligst zurückzunehmen. Früher gab´s bei Mißachtung derAutorität Prügel, heute sind Noten und Strafarbeiten das "Sanktionsmittel", mitdem den Schülerinnen das nötige Maß an Disziplin eingeimpft wird - die ist später in der Arbeitswelt nämlich sehr gefragt. Vermittelt werden außerdem all die wichtigen Kleinigkeiten der bürgerlichen Welt: daß man zu seinem Geschichtslehrer nicht "Du blödes Stück Scheiße" sagen darf und daß Polemik total nicht gut und sachliches, Pro und Contra abwägendesGeschwafel voll toll ist. Daß dies den Zweck hat, die Meinungsbildung heranwachsender Staatsbürger zu trainieren, wissen einige LehrerInnen sehr genau, wenn sie pauschal die Form und nicht den Inhalt der Gedanken kritisieren.Richtige Kritik z.B. an politischen Positionen und Theorien hört man im Politikunterricht ziemlich selten, vielmehr werden rein subjektive Meinungen gebildet, für die mensch sich die Argumente aussuchen soll, die gerade am Besten passen - und davon gibt's im Pluralismus ziemlich viele. Es zeigt sich also was es heißt, wenn es heißt, "Schule sei für Schüler da" -und SchülerInnen würden nicht für die Schule lernen, "sondern fürs Leben".

Und wem diese sehr kurze und deshalb leider unvollständige Kritik an Schule nichtausreicht, der sei auf folgendes Werk verwiesen:Freerk Husiken; Erziehung im Kapitalismus - Von den Grundlügen der Padagogik und dem unbestreitbaren Nutzen der bürgerlichen Lehranstalten; VSA Verlag 1998, ISBN3-87975-722-4; ca. 40 DM.

Kostenlose Bestellung des gedruckten Exemplars über:
junge-linke@oln.comlink.apc.org

nach oben