In der
"Volkswehr", dem "Mitteilungsblatt der
freiwilligen Hilfskorps in Berlin", die von
Fritz Henck, dem Schwiegersohn Scheidemanns,
herausgegeben wurde, hieß es am 14. Januar,
einen Tag vor der Ermordung Liebknechts und
Luxemburgs:
"Es ist die Befürchtung laut
geworden, daß die Regierung in ihrem Vorgehen
gegen die Spartakisten nachlassen könnte. Wie
von maßgebender Seite versichert wird, wird man
sich mit dem bisher Erreichten keineswegs
begnügen, sondern auch gegen die Häupter der
Bewegung mit aller Energie vorgehen. Die
Berliner Bevölkerung soll nicht glauben, daß
die vorläufig Entwichenen sich andern Ortes
eines ruhigen Daseins
erfreuen sollen. Schon die nächsten Tage
werden zeigen, daß auch mit ihnen Ernst
gemacht wird." (136)
Da die
Sozialdemokratie sich jedoch nicht selber die
Finger schmutzig machen wollte, wurden die
Henker aus den Reihen der gekauften Elemente
von Noskes weißen Garden genommen. Zu diesem
Zwecke wurden hohe Belohnungen für die
Ermordung ausgesetzt. Hessel, der Leiter des
"Helferdienstes der Sozialdemokratischen
Partei, Sektion 14" (das war die
Bezeichnung für die Spitzelorganisation des
Regiments 'Reichstag', zu deren Aufgaben unter
anderem die "Unschädlichmachung politisch
verdächtiger Persönlichkeiten" (137)
gehörte), sagte aus:
"Ein Befehl,
Liebknecht zu ermorden, bestand. Auch die
Belohnung war zugesagt. Schriftlich war
nichts vorhanden. Es wurde gesagt: Wer
Liebknecht und Luxemburg tot oder lebendig
bringt, erhält 100 000 Mark. Das Geld hatten
wir im Reichstag zur Verfügung... Auch aus
dem Edenhotel waren unabhängig von uns 100
000 Mark ausgesetzt. Das war in der Zeit vom
6. bis 14. Januar..." (138)
Und Sonnenfeld,
der Zahlmeister des Regiments "Reichstag",
sagte aus:
"Henck
erzählte mir wiederholt, daß von Scheidemann
und Sklarz (Industrieller, der unter
anderem das Regiment 'Reichstag' finanzierte -
d.Verf.) 100 000 Mark ausgesetzt seien, um
Karl Liebknecht und Frau Luxemburg unschädlich
zu machen." (139)
Das Zusammenspiel
ist klar: die Bourgeoisie als politischer
Auftraggeber und Geldgeber, die SPD als
Organisator, die verhetzte Soldateska als
ausführendes Organ.
Am Nachmittag des
15. Januar wurden Karl Liebknecht, Rosa
Luxemburg und Wilhelm Pieck in Wilmersdorf von
der Bürgerwehr verhaftet und ins Eden-Hotel,
das Stabsquartier der
Garde-Kavallerie-Schützen-Division gebracht.
Über die weiteren Ereignisse berichtete der
Jäger Runge in seinem im Gefängnis aufgegebenen
protokollarischen Geständnis:
"Ich habe am
Edenhotel am 15. Januar 1919 von 7 bis 10 Uhr
abends Posten gestanden. Dr. Liebknecht ist
bei seiner Einführung geschlagen worden von
einem gewissen Jäger Braunes. Dr. Karl
Liebknecht hat auf dem Schädel zwei Wunden
(Spalten) mit dem Kolben erhalten. Er bat
daraufhin um Watte, die ihm verweigert wurde.
Ebenso wurde ihm verweigert, nach der
Toilette zu gehen. Bei dieser ganzen
Begebenheit war Kapitänleutnant
Pflugk-Harttung zugegen. Beim Abtransport hat
der Matrose Wutkowski auf den Dr. Liebknecht
eingeschlagen.
Zehn Minuten
später wurde Frau Luxemburg eingeliefert. Da
machten der Chauffeur Janschkow und Perschel
die Karabiner zurecht und verlangten von mir
scharfe Patronen, die ich verweigerte.
Inzwischen kam ein Offizier, der mir den
Befehl gab, diese Bande nicht mehr lebend aus
dem Eden-Hotel herauszulassen. Ich sollte von
meinem Karabiner Gebrauch machen und
schießen... Ich sagte darauf 'Ich mache von
meiner Schußwaffe nicht Gebrauch.' Darauf
erwiderte Pflugk-Harttung, dann solle ich den
Kolben nehmen. Er sagte: 'Rosa Luxemburg wird
ihnen durch Oberleutnant Vogel hinaus und in
die Arme geführt, und sie haben nur
zuzuschlagen, merken sie sich das!' Ich war
in Verwirrung geraten. Der Jäger Dräger sagte
zu mir: 'Diese hohen, strengen Befehle müssen
wir schon ausführen.' Jetzt wurde Frau
Luxemburg durch den Oberleutnant Vogel, der
sie in den Armen hatte, hinausgeführt. Nach
Aussage eines Fähnrich Weinhold soll Frau
Luxemburg schon vorher Kolbenschläge von
einem Fähnrich Hoffmann erhalten haben. Von
meiner Schußwaffe machte ich nicht Gebrauch,
sondern um meinen Befehl auszuführen, stieß
ich nur Frau Luxemburg. Sie fiel um, oder
vielmehr Oberleutnant Vogel riß sie um. Sie
wurde sofort in das bereitstehende Auto
geschleppt. Ich faßte Frau Luxemburg nicht
an, sondern es waren Dräger, Janschkow und
Perschel. Ich glaube, daß Oberleutnant Vogel
dabei noch geholfen hat. Ich selber habe auch
der Frau Luxemburg keinerlei Verletzungen
zugefügt, sondern nur leicht gestoßen, um den
mir erteilten Befehl auszuführen. Die
Offiziere hatten mir nämlich gedroht: Wenn
ich den Befehl nicht ausführte, dann müßte
ich auch sterben. Beim
Abtransport sprang Leutnant Knill auf das
linke Trittbrett und schoß in unmittelbarer
Nähe der Nürnberger Straße der Frau Luxemburg
eine Kugel in den Kopf...
Inzwischen
waren die anderen auch zurückgekommen und
brüsteten sich damit, namentlich der Jäger
Friedrich, sie hätten Liebknecht ordentlich
eins gebrannt. Friedrich zeigte mir auch
seine Pistole, er habe auch mitgeschossen.
Ich fragte Friedrich, wie das gekommen ist.
Darauf sagte Friedrich zu mir: Die Flucht ist
künstlich herbeigeführt. (Es kann auch
gelautet haben: Die Flucht ist vorsätzlich
herbeigeführt worden.) Die Offiziere haben
das Messer Liebknechts genommen und dem
Leutnant zur See Schulz damit in die Hand
gestochen, um vorzutäuschen, daß Liebknecht
sie angegriffen habe und dann geflüchtet
sei.'
Die
Transportmannschaften haben dann auch gesagt:
Na, Runge, die Luxemburg, die alte Sau,
schwimmt schon.' Ich fragte: 'Ja, warum habt
ihr denn Frau Luxemburg ins Wasser
geschmissen?' Da sagte Leutnant Vogel: 'Die
alte Sau hat nicht mehr verdient.' Darauf
setzten sich die Mannschaften auf den Tisch.
Es wurde Wein und Kognak getrunken..." (140)
Fußnoten
136) zit.n. Illustrierte
Geschichte a.a.O., S. 296
137) ebd., S. 293
138) ebd., S. 295 f
139) ebd., S. 294
140) ebd., S. 298 ff
Quelle: Richard Wiegand, "Wer hat uns
verraten...", Die Sozialdemokratie in der
Novemberrevolution (1918/19), Westberlin 1974,
S.104-107


Quelle: ebd. S.100/101
Siehe dazu auch
in TREND 11/2011:
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