trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
Die Revolution ist großartig!
Aufruf zur LL- Demo am 13.1.2013 - 10 Uhr Frankfurter Tor

von Antifaschische Linke Berlin

01-2013

trend
onlinezeitung

Kapitalismus heißt Krise

Was vor einigen Jahren mit einer Immobilienkrise begann, wurde schnell zu einer Banken-, Finanz und Wirtschaftskrise, zu einer Schuldenkrise, zur EUro-Krise, zu Staatskrisen, die existenzielle Folgen für Millionen von Menschen hat.
Die Krise des neoliberalen Finanzmarkt-Kapitalismus beschränkt sich diesmal nicht auf die Peripherien, sondern sie ist im Herzen der Bestie ausgebrochen. Die neoliberale Ideologie, nach der sich der Markt allein regulieren wird, hat sich offensichltich delegitimiert. Nachdem die Finazmärkte dereguliert wurden, öffentliche Bereiche privatisiert und Sozialleistungen erheblich gekürzt wurden, werden nun die Folgekosten auf die Bevölkerung abgewälzt. Der Neoliberalismus hat in den letzten drei Dekaden von unten nach oben, von öffentlich zu privat umverteilt.
In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:
Weltweit wurde Lohn- und Sozialdumping exzessiv betrieben. Explodierende Staatsverschuldungen, Arbeits- und Rentenverlust für Millionen von Menschen, Kriegspropaganda und Aufrüstungspolitik, Demokratieabbau, Konkurrenz und eine enorme Selbstbereicherung waren die Folge. Dass dabei nicht nur Menschen ausgebeutet wurden, sondern auch die Natur als scheinbar unendliche, kostenlose Ressource, liegt im Wesen des Kapitalismus. Nicht die Bedürfnisse der Menschen stehen im Mittelpunkt, sondern Profitmaximierung um jeden Preis. Hierzu werden nach und nach alle Lebensbereiche der Kapitalverwertung unterworfen. Damit muss endlich Schluss sein!

Ick krieg’ die Krise.

Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise können besonders gut in den südeuropäischen Ländern beobachtet werden. Ein einigermaßen würdevolles Leben für die dort lebenden Menschen wird schier unmöglich. Ausdruck dessen sind  Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerung, eine hohe Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigungsverhältnise – und dies bei steigenen Lebenskosten. Durchgesetzt wird dieser Prozess von der aktuellen Troika (EU-EZB-IWF).
Wie stark die sozialen Leistungen zurückgefahren werden können, bis die Bevölkerung vollends rebelliert, wird derzeit in Griechenland erprobt. Ob diese Rechung aufgeht, ist Sache einer gesellschaftlichen Auseinadersetzung, welche in Griechenland momentan erbittert geführt wird. Unzählige Generalstreiks, Massenproteste sowie direkte Aktionen zeigen, dass sich immer mehr Menschen gegen die kapitalistischen Zumutungen zur Wehr setzen. Dieser Protest ist von Anfang mit massiver Repression beantwortet worden.
Gleichzeitig gewinnen in Zeiten der Krise autoritäre Lösungsvorschläge zunehmend an Bedeutung. In Griechenland konnte die faschistische Partei “Goldene Morgendämmerung” bei den Wahlen diesen Jahres über 8 Prozent der Stimmen gewinnen. Parallel dazu bauen sie immer mehr ihre Strukturen im ganzen Land aus. Sie hetzen gegen Asylsuchende, Migrant_innen und Linke und organisieren gewalttätige Pogrome und Übergriffe. All dies gedeckt durch eine rechtsoffene Polizei und befördert durch das Schweigen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, die natürlich keinen Zusammenhang zwischen Krisenpolitik und der Zunahme rassistischer Gewalt sehen wollen. Diese Entwicklung vollzieht sich auch in anderen europäischen Ländern.
Es liegt an uns wie sich die Geschichte entwickelt!
 
Rassismus in Zeiten der Krise
Rassismus, Sozialchauvinismus und Nationalismus treten nicht nur in den von der Krise am stärksten betroffenen Länder zutage. Rassismus als Ideologie, die Menschen aufgrund von vermeintlich angeborenen Merkmalen bewertet, klassifiziert und hierarchisiert, bedeutet für viele Menschen im Alltag eine potenziell tödliche Gefahr.
Rassistische Zuschreibungen werden zu Handlungen, die u.a. Ausschluss der Partizipation für die Betroffenen an materiellen, politischen, sozialen und kulturellen Gütern in der Gesellschaft bedeuten. Existenzielle Überlebensängste, Folter und Isolation sind gelebte Realität für viele auf der Suche nach Schutz emigrierter Menschen. Ein Blick in die Ereignisse der letzten Jahre in der Bundesrepublik spricht Bände: menschenverachtende Abschiebe- und Grenzpolitik, Folter, aktive Hilfe und Verflechtung des Staats im NSU-Milieu sowie die gängige Praxis des “racial profiling” seitens deutscher Behörden zeigen die tiefe Verankerung des Rassismus in der deutschen Staatspolitik. Dieser Zynismus grüßt in diesem Land tagtäglich, so ist der einzig fertige und funktionsfähige Teil des neuen Berliner Flugshafens der Trakt zur Abschiebung von Flüchtlinge.
 
In Deutschland sind es zudem “etablierte” Politiker_innen, die Stimmung und Angst gegen Migrant_innen und Roma schüren. Dabei werden die tiefsitzenden Vorurteile vom faulen Griechen, tricksenden und bettelnden Roma oder vom terroristischen Muslimen gezielt zur Umsetzung von repressiver Politik genutzt und geschürt. Auch das zehnjährige Forschungsprojekt „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, bekannt als Heitmeyer-Studien, untersucht seit Jahren deutsche Zustände und weist auf eine starke Zunahme von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft hin.
 
Basierend auf der dichotomen Vorstellung von einem zivilisatorischen, aufgeklärten und modernen “Wir”, stehen dem die “Anderen”, die Muslime, die Roma, die Flüchtlinge als potenzielle Bedrohung gegenüber. Das dabei konstruierte “Wir” (Weltmeister der Herzen) hat machtvolle Auswirkungen: es erzeugt Identität nach innen und Abgrenzung nach außen. Besonderes während wirtschaftlicher Krisen, die eine gesellschaftliche Umverteilung von unten nach oben hervorrufen, wird durch Rassismus eine vermeintliche Einheit zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutenden erzeugt. So wird die Frage der Verteilung des erwirtschafteten, gesellschaftlichen Reichtums nationalistisch und rassistisch, beantwortet. Auch bei antimuslimischem Rassismus verlaufen die Muster ähnlich: Durch die Zementierung der Machtverhältnisse, die Ausschluss und Unterordnung als Resultat haben, wird auch die soziale Frage ausgehandelt. Indem Muslim_innen als „kulturell Andere“ konstruiert werden, wurden durch neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik produzierte Gegensätze ethnisiert und kulturalisiert. Auf diese Weise konnte eine doppelte Strategie erzielt werden: zum einen werden die neoliberale Politik und die einhergehenden Kürzungen im sozialen Bereich gerechtfertigt, indem die Schuld für die soziale Misere auf die Muslim_innen gerichtet wird, u.a. deshalb weil sie angeblich das Sozialsystem ausnutzen würden. Zum anderen wird ihnen Desintegration unterstellt. Daran wird auch festgemacht, dass sie selbst schuld seien, wenn sie kaum Chancen im Arbeits- und Bildungswesen haben. Der Versuch, antimuslimischen Rassismus als eine Disziplinierung der Unterschichten durch die Kulturalisierung der sozialen Frage zu benutzen, erweist sich für das kapitalistische System als besonders nützlich. Indem die Ausgebeuteten anhand von rassistischen Kriterien gespalten werden, werden erfolgreich Klassenverhältnisse verschleiert. Dies funktioniert allerdings nur, solange wir dies zulassen!
 
Die Konstruktion „des Anderen“
Der Rassismus gegen Muslim_innen ist dabei eng mit dem aktuellen westlichen und deutschen Militarismus verbunden. Durch die im postkolonialen Europa undifferenzierte und pauschalisierende Festschreibung von Islam- und Orientbilder erfolgt die Skandalisierung von vielen Themen, die in Verbindung mit dem „Islam“ stehen wie etwa Zwangsverheiratung, Ehrenmorde oder Terrorismus. Die Folgen dieser Debatten führen zweifelsohne zu einer Verschlechterung der sozialen und politischen Lebenssituation der Betroffenen. Auch die Funktionen, die dieser Rassismusform zu Grunde liegen, sind vielseitig. Indem der „Islam“ als monolithischer Block der westlichen „Kultur“ gegenübergestellt wird, produziert dieser Prozess eine binäre und hierarchisierende Konstruktion von Selbstdefinition und der Wahrnehmung der „Anderen“. Auch prägten und verstärkten Kolonialdiskurse das Selbstbild und die Legitimation von Ausbeutung, Gewalt und Herrschaft, die mit einer Haltung von der Zivilisierung der „Anderen“ einhergeht. Auf diese Weise bietet die Dichotomisierung von „Islam“ und „Westen“ als zwei in Hierarchie zu einander stehenden Gegensätzen eine Plattform zur Durchsetzung kapitalistischer Interessen und der Sicherung von globaler Hegemonie. Auch dem deutschen Staat kommt die Instrumentalisierung des antimuslimischen Rassismus zu gute: Das Kapital braucht den Erhalt und die Ausweitung profitabler Absatzmärkte im Ausland. Um sich möglichst viel Profit anzueignen, werden die heimischen Märkte geschützt und um den Handelskampf überleben zu können, mit günstigen Rohstoffen im Ausland und in den gemachten Krisenregionen geliebäugelt. Vorgeschobene Menschenrechtsdebatten wie etwa die Frauen- und Schwulenrechte werden instrumentalisiert, um international neue Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft zu schaffen. Die Realität ist von der kapitalistischen Expansion zu Gunsten der westlichen Länder und zu Gunsten des europäischen Kapitals geprägt.
 
Deutschland gehört zunehmend zu den global engagiertesten Kriegsparteien. Es ist nicht nur die Bundeswehr, die in vielen Ländern der Welt stationiert ist. Als drittgrößter Rüstungsexporteur wird auch  finanziell an vielen kriegerischen Auseinandersetzung der Welt  mitverdient: Mexiko, Saudi-Arabien, Kurdistan, Südafrika, Türkei, Indien, Südkorea, Malaysia und Griechenland.  Gemeinsam mit vermeintlich unabhängigen Hilfsorganisationen werden  immer breitere Teile der Öffentlichkeit in Kriege involviert. Ob Till  Schweiger im Kino, Bundeswehr-Werbung in der  Bravo oder direkt im Klassenzimmer, durch die mediale Inszenierung  kommt es zur gesellschaftlichen Normalisierung des Krieges. Die  Einführung sprachlicher Stilmittel in der politischer PR-Sprache, auch  als “newspeech” bekannt, erleichtert dabei negativ besetzte Wörter wie  etwa “Krieg” durch positive Umformulierungen wie “Friedenseinsatz” zu  ersetzen. Denn gerade im Hinblick auf die zunehmende Militarisierung in  der bundesdeutschen Gesellschaft, bedarf es einer solchen politischen  Strategie, um die Politik der Verarmung, Ausbeutung und des Mordens  schmackhaft zu machen. Diese  läuft zum  einen darauf hinaus, dass Militäreinsätze im Ausland als  Normalität dargestellt werden, über die es keine politische Debatte mehr  bedarf, der geplante Einsatz in Mali oder die jüngst beschlossene  Entsendung der  Bundeswehr in die Türkei zeigten den Weg dazu bereits  auf. Zum anderen wird der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, zur  vermeintlichen Terrorismus- oder Aufstandsbekämpfung, vorangetrieben.  Die vielen “Reformen” der Bundeswehr in den vergangenen Jahren zielten  darauf ab, der Durchsetzung des kapitalistischen Alltags in Deutschland  und Europa noch effizienter, ob im Inland oder im Ausland, zu sichern.
Gegen Militarismus und Krieg!
 
Der neue Imperialismus
In der aktuellen Entwicklung werden zwei Tendenzen deutlich: Auf der seinen Seite wird durch transnationalen Bündnissen wie die NATO militärisch weltweit interveniert. Zum anderen nimmt der Einfluss der internationalen Konzerne auf politische Entscheidungsprozesse zu.
Dieser aktuelle Entwicklung, die von einigen Theoretiker_innen als „neuer Imperialismus“ bezeichnet wird, wird durch die Konzentration von politisch-finanzieller Macht wie in der EU, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond unterstützt. Diese vermeintlich unabhängigen Institutionen treiben die Durchsetzung der kapitalistischen Interessen voran. Über diese politischen Instanzen werden dabei Länder gezwungen durch  Strukturanpassungen ihre Ausgaben zu reduzieren. Dies ist nichts anderes als Sozialabbau und Verarmung für den Großteil der Menschen. Gleichzeitig werden über Steuergeschenke und Bankenrettungsfonds Milliarden in die private Unternehmen „gestützt“. Falls sich die betroffenen Länder dieser Politk nicht freiwillig beugen, wird das Ziel auch mit militärischer Gewalt durchgesetzt. Die Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas haben bereits in den letzten Jahrzehnten leidvoll erfahren, dass die aktuelle neue imperialistische Politik sich nur in Nuancen von den kolonialen Ausbeutungsverhältnissen unterscheidet. Besonders Deutschland nimmt in der aktuellen Krise in Europa, aber auch weltweit, eine besonders aktive Rolle ein. Es ist die deutsche Politik, die die Umstrukturierung der Wirtschaften in Südeuropa vorantreibt und so die Interessen des deutschen Kapitals politisch durchsetzt. Ob die Sicherung der Profit der Deutschen Bank, der Verkauf von Waffen und Panzern oder die Öffnung der Märkte, all das ist Teil des deutschen neuen Imperialismus. Rosa Luxemburg hatte in ihrem Werk über die Akkumulation des Kapitals bereits 1913 festgestellt, dass “der Imperialismus eben so sehr eine geschichtliche Methode der Existenzverlängerung des Kapitals, wie das sicherste Mittel, dessen Existenz auf kürzestem Wege objektiv ein Ziel zu setzen”, ist. Dass dies aber keine Zwangsläufigkeit ist, wusste auch Luxemburg zu gut. Es bleibt die Aufgabe der Ausgebeuteten, diese Phase des Kapitalismus, die Luxemburg als “Periode der Katastrophen” beschreibt, ein Ende zusetzen.
 
Niemand kann frei sein, solange es nicht alle sind
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht setzen der kapitalistischen Barbarei die internationale Solidarität der Unterdrückten und Ausgebeuteten entgegen. Beide wußten, dass es die Arbeiter_innen waren, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts gegenseitig im Krieg gegenüberstanden. Daher riefen sie diese auf, ihre Waffen nicht gegen die vermeintlichen Feinde auf der anderen Seite der Schützengräben zu richten. Vielmehr sollten die Waffen gegen diejenigen gerichtet werden, die sie im Frieden ausbeuteten und im Krieg in den Tod trieben und beim einen, wie auch beim anderen am Leid der Menschen verdienten: die Bourgeoise. Wegen ihres unermüdlichen Eintretens für Frieden und Sozialismus wurden sie nicht nur aus der SPD ausgeschlossen. Mit der Novemberrevolution 1918/19, als sich Soldaten und Arbeiter_innen erhoben und begannen sich in Räten zu organisieren verbunden mit der Frage nach Sozialismus, als menschliche Form des Wirtschaften und Zusammenlebens, wurden die Ideen zum praktischen Handeln. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden am 15. Januar 1919 von reaktionären Freikorpssoldaten mit der Billigung der SPD-geführten Regierung ermordet. Die Zeit war damals wie heute reif für eine generelle, revolutionäre Veränderung. Denn wie damals gilt es auch heute, wie Marx sagt “alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“.
 
Deshalb werden wir uns mit verschiedenen Aspekten ihrer Ideen und Taten sowie deren Aktualität im Rahmen einer Veranstalungsreihe auseindersetzen. Des Weiteren werden wir am 13. Januar 2013 den beiden Revolutionären auf der Strasse gedenken.
 
Gegen Krieg und Rassismus! Wider der Herrschaft des Kapitals!
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark!
 
Liebknecht-Luxemburg-Demonstration 2013
 
13. Januar 2013 | 10 Uhr | U-Bhf. Frankfurter Tor

Editorische Hinweise

Der Text erschien am 4.1.2013 bei http://enough14.org/