trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
"Leben und Werk von Rosa Luxemburg und die Bedeutung Ihrer Ideen und Ideale für heute”
Infoveranstaltung der Linksjugend ['solid] zu den LL-Demos

von BundessprecherInnenrat

01-2013

trend
onlinezeitung

Liebe Genossinnen und Genossen,

nach einigen Wochen der hitzigen Debatte um die verschiedenen Aktivitäten am Luxemburg-Liebknecht Wochenende 2013, möchten auch wir als gesamter BundessprecherInnenrat Stellung beziehen. Wir wünschen uns eine Debatte, die auf unsachliche Vorwürfe und hitzige Übertreibungen verzichtet und ein Maß an solidarischem Umgang und ein Verständnis von Gemeinsamkeiten aufweist. Wir wollen versuchen, das Ganze ein wenig zu versachlichen und die Kernfragen zu diskutieren. Deswegen werden wir auf die zahlreichen Vorwürfe in den diversen Briefen hier nicht im Detail eingehen. Uns ist wichtig, den Jugendverband als Akteur zu positionieren und eine gemeinsame Perspektive zu eröffnen.
In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:

Gedenken, aber wie?
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, als zwei der bekanntesten marxistischen Revolutionäre Deutschlands, sind für uns wichtige historische Persönlichkeiten linker Geschichte, denen wir würdig gedenken wollen. Sie gelten als die BegründerInnen der antikapitalistischen Bewegungen in Deutschland. Ihre Namen stehen für die konsequente Ablehnung von Krieg und Militarismus und den Einsatz für eine Gesellschaft jenseits vom Kapitalismus. Besonders Rosa Luxemburg hat wichtige Arbeit in der solidarisch-kritischen Begleitung der russischen Revolution geleistet und mit ihrer deutlichen Kritik an den autoritären Tendenzen der sozialistischen Bewegung eine Grundlage für die kritische Auseinandersetzung mit linker Geschichte für Generationen von linken Bewegungen geschaffen.

Ausgehend davon finden wir die Kritik am traditionellen LL-Bündnis und die Auslösung einer Debatte durch das Rosa&Karl-Bündnis gut und richtig. Die Frage zu einem linken, differenzierten Umgang mit linker Vergangenheit wurde neu gestellt und muss weiter diskutiert werden. Leider fehlen der radikalen Linken noch linke Essentials hierzu. Es gibt keine fundierte Analyse oder eine viel diskutierte Position zur Kritik am Stalinismus, ebenso wenig wie eine klare Definition unseres Stalinismusbegriffes. Alle sind sich einig, Stalinismus und Dogmatismus abzulehnen, aber was genau das bedeutet, kann niemand so recht sagen. Das gilt auch für viele andere Fragen des Umgangs mit linker Geschichte. Daran fehlt es bislang und diese Frage bleibt auch für die Zukunft noch offen. (1)

Dennoch: ein Anknüpfen an die Ideen Rosa Luxemburgs, die eine Perspektive jenseits des späteren stalinistischen ML-Dogmatismus einerseits als auch des sozialdemokratischen Reformismus andererseits eröffneten, halten wir für einen notwendigen Grundbaustein im Denken und Handeln der heutige Linken. Ein kritisch-solidarischer Umgang mit linker Geschichte muss Konsens sein für eine moderne, starke Linke – unabhängig davon, auf welche Demonstration unsere Aktiven am Wochenende gehen werden.

Aus diesen Gründen rufen wir dazu auf, am nächsten Wochenende an den Aktivitäten zum Gedenken teilzunehmen.

zu den Bündnissen…
In diesem Jahr haben wir uns dazu entschieden, verschiedene Aktivitäten am Liebknecht-Luxemburg-Wochenende zu entfalten. Es wird sowohl einen gemeinsamen Jugendblock auf der traditionellen LL-Demo geben als auch unsere Beteiligung an der Demonstration des neuen Rosa&Karl-Bündnisses.

Warum?
Wir unterstützen das Bündnis Rosa&Karl und seinen Aufruf, weil wir die Initiative, ein Gedenken an die beiden Revolutionäre ohne Stalin-Bilder und Mao-Banner zu ermöglichen, begrüßen. Die Debatte um einen geeigneten linken Umgang mit der eigenen Geschichte ist nötig und wichtig. Ein klarer Bruch mit einigen ideologischen Ausfällen der LL-Demonstration kann einer produktiven Auseinandersetzung um fortschrittliches Gedenken nur zuträglich sein. Fakt ist, dass wir als Jugendverband bereits in den letzten 5 Jahren nicht mehr aktiv an der LL-Demonstration beteiligt waren und auch den Aufruf nicht unterstützt haben. Eine Kritik am LL-Bündnis war also schon lange vorhanden und führte zur Einstellung der Aktivitäten. Die Gründung des alternativen Bündnisses zeigt, dass auch andere Gruppen diese Kritik teilen und dennoch nicht auf ein Gedenken an Luxemburg und Liebknecht verzichten wollen.

Für Außenstehende wirkte das plötzliche Auftauchen des Bündnisses wohl etwas überraschend. Der Grund dafür wird sein, dass die Initiative für das Bündnis von verschiedenen Gruppen vor Ort kam und dadurch auch wir als BSpR erst später davon erfuhren. (2) Möglicherweise sind Abwehrreflexe auch dadurch ausgelöst worden, dass wenig informiert wurde. (3) Die Situation war sehr verwirrend und dadurch wurde auch die Debatte reflexartig. Wir bedauern das und hoffen auf eine weitere konstruktivere Diskussion.

Ein gegeneinander Ausspielen der beiden Bündnisse halten wir für falsch. Eine Debatte, ob die MLPD oder die JuSos der schlechtere Bündnispartner ist, halten wir für nicht zielführend. Vor allem, weil wir als Jugendverband schon immer mit diversen Organisation zusammenarbeiten, ohne mit ihnen in allen Fragen d’accord zu gehen – ob Dresden, Bundeswehr raus, Bildungsstreik oder Castor, nur konstruktive Zusammenarbeit führt zu relevanten Erfolgen. Natürlich ist innerlinkes Gedenken ein anderes und besonderes Thema, aber in der aktuellen Situation ist das gegeneinander diskutieren beider Bündniszusammensetzungen wenig zielführend. Wichtig ist, dass wir gegenüber allen PartnerInnen ein kritisches aber solidarisches Verhältnis wahren sollten – egal in welchem Bündnis.

Neu gewonnene BündnispartnerInnen sind oft ein Fortschritt und eine Bereicherung für unsere Arbeit. Auch kann die Hoffnung auf weitere Initiativen damit verbunden werden, ohne dass das einen Automatismus darstellt. Ebenso verhält es sich mit den Organisationen des Rosa&Karl-Bündnisses, beispielsweise könnten die JuSos vielleicht dazu bewegt werden, den antikapitalistischen Positionen auch die Unterstützung der Blockupy-Proteste in diesem Jahr folgen zu lassen, während ein Werben für “Rot-Rot” keine automatische Konsequenz aus dieser Zusammenarbeit mit den JuSos ist.

Ein Erfolg des Rosa&Karl-Bündnisses, der bisher keine Beachtung fand, ist dennoch: zum ersten Mal haben sich zwei Gewerkschaftsjugenden (verdi-Jugend und DGB-Jugend) am Gedenken an Luxemburg und Liebknecht beteiligt – und sich damit in eine sozialistische Tradition gestellt. Wir haben die Hoffnung, dass durch diese Umstände dieses Jahr mehr Mitglieder des Jugendverbandes an dem Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht teilnehmen, unabhängig davon für welche Demo sie sich entscheiden. Das halten wir für einen Fortschritt.

Dass sich GenossInnen unseres Verbandes, auch wenn sie auf verschiedenen Demos sind, untereinander politisch näher stehen, als sie es mit Aktiven der MLPD oder den JuSos würden, ist unsere Überzeugung. Denn eines haben wir im Jugendverband alle gemeinsam: wir arbeiten alle an derselben Sache. Wir kämpfen für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft, frei von Ausbeutung, Diskriminierung, Krieg, Umweltzerstörung etc. – eine Welt ohne Kapitalismus. Auch wenn wir dafür eine andere Sprache (ob nun Klassenkampf oder antikapitalistische Praxis, ob Sozialismus oder Ponyhof) benutzen, aus unterschiedlichen politischen Sozialisationen stammen oder andere Vorlieben für die politische Praxis haben – wir wollen dennoch das gleiche. Und das wird auch so bleiben, egal ob wir auf verschiedene Demos gehen. Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren – weder von der jungen Welt noch von der Jungle World.

Uns ist wichtig, dass wir uns an diesem Wochenende stets eine kritische Haltung zu den Dingen um uns herum bewahren – egal, wo wir demonstrieren gehen. Denn beide Demos sind unserer Ansicht nach nicht das Blaue vom Himmel, die Situation ist eher aus der Not geboren und in Ermangelung einer gemeinsamen Perspektive. Deswegen müssen wir einen kritisch-solidarischen Umgang pflegen und uns überlegen, wie das Wochenende in Zukunft anders gestaltet werden kann.

Zukunftsperspektiven
Besonders wichtig ist die Frage, welche Form des Gedenkens sich 2014 bilden wird. Hier sind Ideen und Vorschläge gefragt.

Ein gemeinsamer Block des Jugendverbandes auf einer der Demos? Zwei Demos hintereinander zum Friedhof der SozialistInnen? Ein klar erkennbarer Block aller undogmatischen, revolutionären linken auf der traditionellen Demo? … die Möglichkeiten sind divers.

Doch grundsätzlich halten wir zwei konkurrierende Bündnisse und Demonstrationen und die damit einhergehende Differenzierung der deutschen Linken nicht für eine gute Perspektive. Eine schöne Perspektive wäre eine ganz neue gemeinsame Initiative, frei von alten besetzten Labels. Hier sollten wir uns rechtzeitig in eine offene Debatte einbringen, gemeinsam mit allen unseren BündnispartnerInnen der radikalen Linken, jenen die in verschiedener Form zu LL mobilisieren als auch jenen, die in den letzten Jahren keine offene Mobilisierung dazu gemacht haben.

Wir als Jugendverband sind einer der wenigen Akteure, der das ermöglichen könnte. Wir stellen eine Schnittstelle dar, als ein Verband, dem strategische Bündnisarbeit in verschiedene Richtungen wichtig. Wir arbeiten an vielen Stellen mit allen möglichen Organisationen zusammen und sind in verschiedenen Zusammenhängen anerkannt. Vielleicht fällt uns hier eine besondere Verantwortung zu. Es wäre ein sinnvolles und interessantes Projekt, alle an einen Tisch zu holen.

Lasst uns all diese Möglichkeiten diskutieren, hierzu laden wir euch zur gemeinsamen Debatte im Rahmen unserer Infoveranstaltung ein: Samstag, 12.01.2013, 18 Uhr im Karl Liebknecht-Haus (Kleine Alexanderstraße 28, Berlin) im Rosa-Luxemburg-Saal. Thema “Leben und Werk von Rosa Luxemburg und die Bedeutung Ihrer Ideen und Ideale für heute”

mit revolutionären Grüßen
Euer BundessprecherInnenrat


Anmerkungen

(1) Zur weiteren Diskussion dieser und anderer Fragen wird es bspw. auf der kommenden Winterakademie einen Workshop zum Umgang mit linker Geschichte geben.

(2) Das zu dem Vorwurf, das R&K-Bündnis sei ‚von oben‘ vom BSpR initiiert worden. Das ist falsch. Eine unserer Ortsgruppen hat im Bündnis mitgewirkt und uns informiert, als es bereits aktiv war. Erst daraufhin haben wir das Bündnis unterstützt.

(3) Allerdings gab es eine Sitzung des Länderrates, der keine Einwände gegen die Unterstützung des R+K-Aufrufes durch den BSpR hatte, wenn gesamtverbandlich nicht einseitig auf diese, sondern auf alle Veranstaltungen des LL-Wochenendes mobilisiert wird. Eine Rückkopplung mit den Landesverbänden hat also stattgefunden (auch das war einer der Vorwürfe).

Editorische Hinweise

Der Text erschien am 7.1.2013 bei http://www.linksjugend-solid.de