trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
Thema verfehlt
Rosa&Karl ist nicht Katja&Peer

von
Basisgruppen linksjugend [’solid] Fhain und 8.Mai Lichtenberg (18.12.12)

01-2013

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Liebe Genossinnen und Genossen,

euren Brief aus Hamburg fanden wir schlecht. Nicht etwa, weil er so schonungslos unsere Absichten offengelegt hätte, sondern weil er ganz im Gegenteil unsere Arbeit der letzten zehn Jahre kurzerhand negiert. Da ihr ihn zu breit gestreut habt, als dass wir ihn übergehen könnten, hier nun ein paar Richtigstellungen von jenen, die unter einem rot-roten Senat Politik gemacht haben.

Als Jugendverband im Land Berlin haben wir in den letzten zehn Jahren vieles gemacht, aber dass wir Anteile am rot-roten Regierungsbündnis hätten, würde nicht nur die junge Welt sondern sicher auch Klaus Lederer bestreiten. Dass es aber unsere eigenen Genoss_innen – getreu dem Motto „was nicht passt, wird passend gemacht“ – auf Knopfdruck ausblenden können, empfinden wir als Schlag ins Gesicht.

In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:

Zum einen haben wir schlechte Kompromisse mit der SPD immer als das kritisiert was sie waren – nämlich schlechte Kompromisse unter falschen strategischen Prämissen 1. Zum anderen haben wir ohne Rücksicht auf Regierungskonstellationen antikapitalistische Politik gemacht und im Sinne gramscianischer Gegenhegemonie stets Selbstorganisierung statt Stellvertretungslogik propagiert. Als bundesweit erste haben wir bereits ab 2006 Bündnisse und Streiks gegen das Bildungssystem initiiert 2. Wir haben Volksbegehren gegen den Senat unterstützt, räumungsbedrohte Häuser verteidigt und auch mal umfänglicher über eine zeitgemäße kommunistische Vision nachgedacht 3 4. Beim LL-Gedenken waren viele von uns fast so oft wie sie Lebensjahre auf dem Buckel haben. Ganz schön wenig „rechts“ und auch um „karrieristisch“ zu sein, müssten unsere Aktiven überhaupt erstmal in die Linkspartei eintreten. Doch im beschaulichen Hamburg ist eine Verleumdung schnell getippt. Wie es ist, vor Ort und nicht aus 200 km Entfernung den Kurs der Partei zu kritisieren und dafür nicht nur Küsschen und Umarmungen zu ernten, ist euch dann im Detail wohl gar nicht so wichtig.

Und – Achtung – für das Jahr 2013 ruft dennoch auch linksjugend [’solid] Berlin die Genoss_innen im Jugendverband dazu auf, zur Rosa&Karl-Demo zu kommen und für die Folgejahre sich mit neuen Ideen für ein würdiges Gedenken einzubringen. Wie passt denn das zusammen?

Auch wenn es wirklich schwer zu glauben ist: Rosa&Karl ist eben kein als Demo getarnter Koalitionsausschuss, sondern stellt sich der Frage einer kritischen Würdigung zweier herausragender Revolutionäre mit einer Demo und einer Veranstaltungswoche 5. Eine besondere Rolle nimmt dabei unserer Meinung nach die Diskussion über das grundsätzliche Verhältnis zur linken Geschichte ein, abseits der Einteilung einzelner Persönlichkeiten in „gut“ oder „böse“. Dass aber das Mitführen von Stalin-Porträts unseren Auffassungen fundamental entgegen steht, ist nicht erst seit heute Konsens im Jugendverband 6. Das ist sicher ein Anfang, aber auch noch keine adäquate Auseinderandersetzung mit dem Realsozialismus 7.
Dass so auch dem LL-Gedenken geschadet wird, bekennt ein großer Teil der Teilnehmer_innen (und Zuhausegebliebenen) des Gedenkens als auch Teile des Orga-Kreises, wie bspw. die KPF 8. Das freut uns – umso mehr, weil andere sich auch heute noch positiv auf Stalin beziehen 9. Dennoch sind wir der Meinung, dass gute Worte nicht genügen, da derlei Aktionen die gesamte Wahrnehmung der Demo überschatten – und zwar Jahr für Jahr aufs neue. Diese Diskussionen sind zu wichtig als sie mit euren Scheindebatten zu überlagern. Euer Brief liefert zur Klärung dieser zentralen Frage keinen Beitrag. Stattdessen Anschuldigungen und Denunziation per offenen Brief an alle und jeden, aber keine Mail an diejenigen, die ihr zu kritisieren glaubt. Das ist sicher einer der Tiefpunkte innerverbandlicher Diskussionskultur.

Also merke: Nicht hinter allen Projekten, die außerhalb von Hamburg organisiert werden, steckt der BAK Shalom. Ihn permanent größer zu reden als er ist, solltet ihr auch vermeiden. Denn eines ist doch auch klar: Abseits von provokanten Aktionen vom Büroarbeitsplatz aus, hat sich der BAK Shalom nie als besonders fähig erwiesen, substantielle antikapitalistische Projekte zu organisieren.

LINKE Regierungsbeteiligungen unter sozialdemokratischer Elendsverwaltung oder rot-grüne Kriegstreiberei sollten kritisiert werden, aber dann da wo es Sinn macht und nicht als profilneurotischer Reflex. Kritik im Handgemenge, nicht auf dem Mond!

Für den Start ins neue Jahr wünschen wir alles Gute! Wie immer gilt, sich den klaren Blick nicht mit eindimensionalen Denkschablonen oder anderem Feuerwerk vernebeln zu lassen, denn:

„Konkrete politische Aufgaben muß man in der konkreten Situationen aufstellen. Alles ist relativ, alles fließt, alles ändert sich. […] Es gibt keine abstrakte Wahrheit. Die Wahrheit ist immer konkret.“ 10

Mit sozialistischen Grüßen,
die Basisgruppen linksjugend [’solid] Fhain und 8.Mai Lichtenberg

  1. Zuletzt nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 auf linke-zukunft-berlin.de [zurück]

  2. Siehe z.B. 2006 Berliner Zeitung, Indy oder 2008 taz [zurück]

  3. Ausschnitte hier auf der Seite oder auf der des Berliner Landesverbandes [zurück]

  4. Unser Reader Kein Kommunismus ist auch keine Lösung [zurück]

  5. Siehe Bündnisseite [zurück]

  6. Siehe u.a. Presseerklärung vom Landesverband Brandenburg zur LL-Demo 2012[zurück]

  7. Siehe dazu auch die aktuelle Ausgabe der Analyse und Kritik, Nr. 578 S.19. Wir brauchen keine linken Mythen. Perspektiven einer kritischen Gedächtnispolitik. Nur in der Printausgabe. [zurück]

  8. Siehe jW-Interview [zurück]

  9. U.a. Rebelljugend [zurück]

  10. W.I. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, S.485. In Ausgewählte Werke Band I, Dietz Verlag, 1951 Berlin [zurück]

Editorische Hinweise

Wir spiegelten die Stellungnahme von http://fhain.blogsport.de/

Die AutorInnen notieren zum Text: Dieser Text ist eine Replik auf einen offenen Brief vom Hamburger LSpR, der die Ideen hinter dem neuen Rosa&Karl-Bündnis sehr verzerrt bis falsch darstellte.