trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
Demonstrieren wie Rosa Luxemburg
Gegen Krieg, Kapitalismus und Faschismus

Erklärung der Linksjugend ['solid] Berlin Kreuzkölln zur Teilnahme an der LL-Demo

01-2013

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 Anlässlich des jährlichen Gedenken an Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und andere SozialistInnen sowie der damit verbundenen Demonstration hat sich der Berliner LandessprecherInnenrat der Linksjugend ['solid] entschieden gemeinsam mit den Jusos und anderen ein alternatives Bündnis zu unterstützen, das eine Demonstration am anderen Ende der Stadt organisiert. Diese Entscheidung kritisieren wir hiermit scharf. Wir werden an der traditionellen Demonstration teilnehmen und laden andere dazu ein, mit uns zu laufen.

Hintergrund

Was ist die LL-Demo und das Gedenken am Friedhof in Friedrichsfelde? Die erste Demonstration dort hin fand im August 1900 statt. 150.000 Sozialistinnen und Sozialisten demonstrierten von Charlottenburg nach Berlin Friedrichsfelde, um dem verstorbenen SPD-Gründer Wilhelm Liebknecht zu gedenken.

In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:

Vor allem dieses Ereignis gab dem Friedhof Friedrichsfelde, der Ende des 19. Jahrhunderts auch armen Menschen Begräbnisse ermöglichte, den Beinamen Sozialistenfriedhof. Die junge Rosa Luxemburg, die in Berlin wohnte und knapp zwei Jahre Mitglied der SPD war und dort bereits eine Wortführerin der Linken, nahm wahrscheinlich auch an der Demonstration teil. Knapp 19 Jahre später wurde Rosa Luxemburg ebenfalls auf dem Friedhof beerdigt. So viele Menschen wollten ihr gedenken, dass der Friedhof gesperrt werden musste.

Aus dem Gedenken entwickelte sich eine jährliche Demonstration vor allem von AnhängerInnen der KPD, die im Faschismus verboten wurde. Das Gedenken wurde in der DDR zum offiziellen Staatsakt mit Demonstrationen, auf denen Bilder der Parteiführern mitgeführt wurden. Doch auf den Demos regte sich auch Protest gegen das Regime. Im Jahr 1988 schrieben 120 Oppositionelle vor allem aus dem Neuen Forum das Rosa Luxemburg Zitat „Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden“ auf ein Transparent und gingen auf die LL-Demo. Viele landeten dafür im Gefängnis.
In den 90er Jahren wurde die Demonstration fortgesetzt und sie war eine der wichtigsten Proteste, die eine antikapitalistische Perspektive aufrecht erhalten hat. Die Demonstration war zunehmender Polizeirepression bis hin zum Verbot 1996 ausgesetzt. Dagegen haben sich zahlreiche AktivistInnen gewehrt. Nachdem der Rot-Rote Senat 2001 die Regierung übernahm, unterstützten auch Teile der Landesregierung das Gedenken. Die Repression gegen die Demonstration ging zurück.Trotzdem war die Regierungspolitik von Sozialabbau, Lohndrückerei und Privatisierung geprägt. Die Demonstrationen waren immer kraftvolle Proteste gegen Krieg. 2003 demonstrierten mindestens 12.000 Menschen auch gegen den drohenden Angriff auf den Irak.

Die Rosa&Karl Demo

Zur nächsten Demonstration 2013 hat sich das Bündnis „Rosa & Karl“ gebildet, das im Tiergarten eine alternative Demonstration veranstalten möchte. Neben Jusos, Falken und anderen wird das Bündnis auch vom LandessprecherInnenrat der Linksjugend ['solid] Berlin und einer knappen Mehrheit im BundessprecherInnenrat unterstützt. Die Initiative gibt vor, sich vor allem von stalinistischen Gruppen in der Demonstration distanzieren zu wollen. Gleichzeitig beziehen sie aber Positionen, die im Widerspruch zu den Ideen Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und anderen stehen. Ein Sprecher der Initiative von den Jusos sagte im Interview mit der taz am 18. Dezember: „Wir wollen mit einer klassischen Imperialismusanalyse brechen, die mit ihren Vorstellungen vom Feind USA den komplexen weltpolitischen Vorgängen nicht gerecht wird.“ Ihr Aufruf nimmt zu aktuellen Kriegsbestrebungen keine Stellung und spricht sich nicht klar gegen Krieg aus. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht dagegen haben sich gegen jeden imperialistischen Krieg und Machtdemonstration zu Gunsten des Profits gewendet, egal von welchem imperialistischen Land es ausging. In dem Text „Wofür kämpfte Liebknecht und wofür wurde er zum Zuchthaus verurteilt?“ schrieb Rosa Luxemburg: "Der Weltkrieg, der jetzt von den kapitalistischen Staaten vorbereitet wird, ist nichts als ein Raubzug imperialistischer Profitgier, blutige Balgerei um die Beute. Einem solchen Krieg stemmen wir uns entgegen, indem wir unsere ganze Macht in die Schanze schlagen unter dem alten Ruf: Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"
Die Initiatoren erwecken den Eindruck, dass die gesamte LL-Demo von Stalinisten geprägt ist. Das ist übertrieben. Diejenigen Gremien von Linksjugend ['solid], die den Aufruf zur alternativen Demonstration unterstützen, haben sich von der Demonstration antikapitalistischer Kräfte abgewendet, um gemeinsam mit Organisationen zu demonstrieren, die bürgerliche Politik unterstützen. Die Jusos haben 2009 den gesamten Jugendwahlkampf der SPD gemacht. Damit haben sie ihre früher noch in Worten kritische und in Teilen unabhängige Haltung aufgegeben. Zu Weihnachten verschicken sie eine Karte, wo sie für Peer Steinbrück werben: „Peer Steinbrück hat damit klar gemacht: Er möchte mit einem Programm, das auf unseren Grundwerten beruht, in den Wahlkampf ziehen.“ Der Berliner Verband distanziert sich davon nicht öffentlich.

Dass unsere SprecherInnenräte mit ihnen eine Sache machen, verurteilen wir scharf. Die SPD hat noch nicht mal die historische Verantwortung für die Ermordnung von Rosa und Karl übernommen. Soll das die Orientierung für zukünftige Kämpfe sein? Wir brauchen eine klare antikapitalistische Politik und fordern deshalb den Berliner LandessprecherInnenrat und den BundessprecherInnenrat auf, ihre Unterstützung für die Rosa&Karl Demo zurückzuziehen.

Gegen Stalinismus

Die Rosa&Karl-Iniative gibt vor, gegen stalinistische Gruppen zu sein. Jedoch haben sie ein falsches Verständnis davon, was der Stalinismus eigentlich ist. Sie schreiben im Aufruf: „In der Vergangenheit sind viele Versuche sozialistische Ideen umzusetzen gescheitert. Nicht nur durch blutige Niederlagen wie die des Spartakusaufstands, sondern auch dadurch, dass ihr fortschrittlicher Gehalt in brutalen Diktaturen und repressiven Systemen ein Ende gefunden hat. Die Namen Stalin, Mao, Ho-Chi-Minh und Honecker stehen stellvertretend für dieses Scheitern.“
Tatsächlich sind viele Revolutionen in blutigen Konterrevolutionen geendet, aber es sind nicht viele sozialistische Revolutionen im Stalinismus geendet. Der Stalinismus war aufgrund des Ausbleibens der Revolution in anderen Ländern sowie der wirtschaftlichen Rückständigkeit in der Sowjetunion entstanden. Die Arbeiterdemokratie konnte nicht fortbestehen. Es war aber keine Zwangsläufigkeit, dass die Oktoberrevolution im Stalinismus endete. Stalin wurde zum Vertreter einer Schicht von Funktionären, die Revolutionäre erhängte und für ihre Privilegien alles Tat, um eine erneute Rätedemokratie zu verhindern. Das System wurde auf Länder, wie China oder die DDR letztendlich übertragen.
In dem die Initiatoren von Rosa&Karl sagen, viele sozialistische Versuche sind gescheitert, wollen sie von sozialistischen Ideen im Allgemeinen abrücken und reden schwammig von „freiem und selbstbestimmten Leben“. Die DDR und die Sowjetunion waren keine sozialistischen Länder. Sozialismus funktioniert durch wirkliche Demokratie von unten und international oder es ist kein Sozialismus. Für so eine Gesellschaft wollen wir kämpfen.

Wir haben immer wieder auf der LL-Demo uns gegen stalinistische Ideen abgegrenzt. In den letzten 2 Jahren verteilten wir Sticker, mit dem ausführlichen Zitat von Rosa-Luxemburg und der Unterzeile „Josef Stalin gefällt das nicht“. Die Sticker werden wir auch dieses Jahr wieder verteilen. Für demokratische sozialistische Ideen zu streiten ist essentiell in der Linken. Aber das wird nicht mit Gegendemonstrationen zusammen mit Bürgerlichen am anderen Teil der Stadt passieren. Wir werden so wie Rosa Luxemburg im Jahre 1900 zum Friedhof der Sozialisten demonstrieren und unsere Sicht auf die Dinge rüberbringen. Wir rufen alle dazu auf, mit uns auf der LL-Demo gegen Krieg, Kapitalismus und Faschismus zu gehen. Wir werden mit Musik und Slogans präsent sein und fordern alle auf, die sich uns anschließen wollen, mit uns zu laufen.

Beschlossen am 21. Dezember 2012 - Linksjugend ['solid] Berlin Kreuzkölln

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Aufruf von http://www.ls-kreuzkölln.de/