trend spezial: Die Debatte über die LL(L)-Demos am 13.1.2013 in Berlin
Aufruf zur LL-Demo 2013
13. Januar 2013 | 10 Uhr | U-Bhf. Frankfurter Tor (Berlin-Friedrichshain)

von [3A] * Revolutionären Bündnisses

01-2013

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Die linke Bewegung in Deutschland gründet gerne und oft Bündnisse, die oft wenig Beachtung finden. Doch das Jugendbündnis, das sich schlicht Karl und Rosa nennt, hat es schnell geschafft, öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Es hat sich zur Aufgabe gestellt, den linken Sozialdemokraten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, die vor dem ersten Weltkrieg zu den profiliertesten Köpfen des antimilitaristischen Flügels der SPD gehörten und diese Position im Gegensatz zum Großteil ihrer damaligen Partei auch nach dem Beginn des 1. Weltkriegs nicht aufgegeben zu haben. Dafür wurden sie eingekerkert und verfolgt. Nach der Novemberrevolution wurden sie wichtigen Bezugspunkten des Teils der damaligen Arbeiterbewegung, die auf eine grundlegende Umwälzung der politischen Verhältnisse setzte. Am 18. Januar 1919 wurden sie von rechten Freikorps ermordet. Der Befehl kam, wie der Frankfurter Historiker Klaus Gietinger klar nachwies, von der damaligen SPD-Führung um Gustav Noske.
In der Nr. 12/2012 erschienene Stellungnahmen und Kommentare:

Dass 94 Jahre später ein Jugendbündnis den Ermordeten gedenkt und dabei auch kritische Fragen stellt, was denn heute daraus folgt, müsste eigentlich auf Zustimmung stoßen, wo doch vielerorts über die unpolitische Jugend lamentiert wird, die sich für alles eher als für linke Geschichte interessiert.

„Spalter“ und Noskes Kinder“

Doch weit gefehlt. Neben der Gründung von Bündnissen zählt die Beschimpfung der anderen Bündnisse zu einer Lieblingsbeschäftigung in der linken Bewegung. Dabei geht es nicht um den notwendigen politischen Streit um Inhalte und den Austausch von Argumenten, sondern um die Diffamierung. In einem Artikel  in der traditionalistischen Tageszeitung "Junge Welt" werden die Aktivist_innen des Jugendbündnisses nicht nur als „zukünftige Sozialabbaukader“ sondern auch als „Kinder der Mörder von Rosa und Karl“ bezeichnet. Dabei stoßen sich die Traditionalist_innen plötzlich daran, dass auch SPD-nahe Jugendverbände Teil des Jugendblocks sind. Merkwürdigerweise hätte es nicht gestört, wenn sie mit zu der traditionellen Demonstration aufgerufen hätten. Auch SPD-Fahnen waren dort keine Seltenheit, wie ein regelmäßiger Beobachter  zu berichten weis.

Es geht dabei den Kritiker_innen also nicht um die notwendige harte Auseinandersetzung mit sozialdemokratischer und staatssozialistischer Praktiken. Dem Gegner wird vielmehr abgesprochen, überhaupt Teil der linken Bewegung und daher eigentlich nicht berechtigt zu sein, eigenständig zu einer Ehrung von Rosa Luxemburg und Liebknecht aufzurufen. Nun gibt es darauf kein Patent, sonst wäre das sicher von jenem Kreis von Traditionslinken schon angemeldet worden, die, wie in jedem Jahr, auch am 13. Januar 2013 zu einer Demonstration zu den Gräbern der ermordeten Sozialisten aufrufen. Diese Demonstration war in den Nachwendejahren entstanden und hatte damals schnell viel Zulauf auch von jüngeren Leuten bekommen, weil damit deutlich gemacht werden sollte, dass mit dem Zusammenbruch der nominalsozialistischen Staaten nicht die gesamte Geschichte der linken Arbeiterbewegung beerdigt ist. In den letzten Jahren gab es vermehrt Kritik an Bannern und Plakaten auf der Demonstration, auf denen Vertreter autoritärer Sozialismusvorstellungen hochgelobt wurden. Dabei kam es auch gelegentlich nicht nur zu verbalen Auseinandersetzungen (siehe dazu http://rosaundkarl.blogsport.de/faq/ ). Mit der eigenständigen Demonstration im kommenden Januar haben die unterschiedlichen Vorstellungen nun auch zu organisatorischen Konsequenzen geführt.

Damit scheint sich nun auch bei der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration eine Entwicklung abzuzeichnen, die schon Mitte der 90er Jahre bei einer weiteren linken Großdemonstration in Berlin zu beobachten, der „revolutionären 1.Mai-Demonstration“ . Jahrelang stritten sich die Gruppen darum, ob sie am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg oder von einem anderen Platz losgehen soll. Dahinter verbargen sich ähnliche Differenzen in den Politikvorstellungen, wie jetzt bei der Ehrung der ermordeten Sozialisten. Die Trennung und der Streit taten übrigens der Attraktivität der unterschiedlichen Demonstrationen keinen Abbruch. Zeitweilig gab es sogar 3 Demonstrationen am 1. Mai, die alle gut besucht waren. Auch das Jugendbündnis dürfte weniger Leute von der traditionellen Demonstration abziehen, sondern Menschen ansprechen, die sich dort nicht politisch wiederfanden.

Doch es geht nicht nur um das Köpfe zählen auf einer Demonstration. Es geht auch um die Diskussion, die meist im Vorfeld geführt wird. Daher hat Fabian Weißbarth von den Berliner Jusos recht, wenn er im Taz-Interview erklärt, dass schon die Diskussion ein Erfolg ist, die beide Bündnisse nötigt den Zweck ihrer Demonstrationen zu begründen. Bisher allerdings waren beide Bündnisse mehr damit beschäftigt, dasjeweils andere zu kritisieren.

Das zeigte sich an den beiden Debattenbeiträge im Neuen Deutschland vom vergangenen Wochenende. Während DKP-Vorstandsmitglied Patrik Köbele den Veranstalter_innen der zweiten Demonstration „Anbiederung an den Zeitgeist“ vorwarf und an der Demonstration wenig auszusetzen hat, findet Julian Holter von den Berliner Falken für die traditionelle Demonstration kein gutes Wort, vergisst aber auch nur mit einem Halbsatz die eigene sozialdemokratische Tradition zu kritisieren. Ebert und Noske kommen bei ihm gar nicht vor.

Weder Stalin noch Noske

Hier besteht die Chance für eine linke Strömung wie die NAO, die sich jenseits autoritärer nominalsozialistischer Vorstellungen, sozialdemokratischen Reformismus und autonomer Freiraumpolitik positioniert die Gelegenheit in die Debatte zu intervenieren. Dabei geht es nicht nur um die LL-Demo sondern auch um den 94 Jahrestag der Gründung der KPD.

Editorische Hinweise

Der Text erschien am 19.12.2012 auf der "NaO-Website" Dort schreibt Steinle für die Gruppe Interkomm, die im NaO-Prozess organisiert ist.