Editorial
Eine herzliche Einladung

von Karl Mueller
01/06

trend
onlinezeitung

"Wie haben wir uns die konkrete Organisation eines alternativen Gesellschaftsmodells vorzustellen?" fragt Werner Seppmann, seines Zeichens Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung, in seinem Aufsatz "Was ist Kommunismus?". Und will sodann plausible Erklärungen darüber abgeben. Dies misslingt ihm jedoch ohne Schwierigkeiten. Freilich nicht deshalb, weil er solche Allgemeinplätzchen anzubieten hat, wie z.B. "unentgeltliche und freiwillige Arbeit für das Gemeinwohl" als "konkreter Utopie" einer "selbst bestimmten Verfügung über die Lebenszeit", sondern weil die eingangs aufgeworfene Frage zwangsläufig in die Irre führen muss.

KommunistInnen stellen sich den Kommunismus nämlich nicht vor, für sie ist er keine Kopfgeburt, sondern sie begründen ihn wissenschaftlich, indem sie ihn als historische Notwendigkeit aus den realen Verhältnissen ableiten. Alles andere ist bürgerliche Politik. Meinetwegen auch in der Form der radikalen Pose, die schnell ins reaktionäre Fahrwasser abgleiten kann, beispielhaft nachzulesen in Karl-Heinz Schuberts Kritik an Kraushaars Bombenbuch.

Der Kapitalismus errichtet sich seine eigene Verwertungsschranke und reißt sie dennoch selber wieder ein. Der Preis: Soziale Not, Hunger, Armut und Krieg, Zerstörung von Mensch und Natur. Diese Verwertungsschranke kann das Proletariat unter bestimmten historischen Bedingungen aber auch nutzen, um seine Hegemonie zu errichten und um so den Weg in eine freie Gesellschaft jenseits dieser kapitalistischen Verwertungszwänge zu öffnen.

Wer von Kommunismus redet und von der Warengesellschaft und dem Lohnsystem schweigt, welches es abzuschaffen gilt, der ist ein Scharlatan. Solche Linke können wir getrost rechts liegen lassen, wenn es um die Rekonstruktion kommunistischer Politik und ihre theoretische (Neu)begründung geht. Daraus folgt jedoch nicht, dass solche "Seppmann-Texte" tabuisiert werden sollten. Vielmehr geht es darum, sie zu kennen, um so zu erleben, was einen erwartet, wenn mensch sich in die ideologischen Niederungen der Linken in der Linkspartei begibt.

"Kommunismus. Was sonst."

Der TREND wird 10 Jahre alt. Auf Einladung der Herausgeber werden sich Leute aus unterschiedlichen linken Zusammenhängen

am 20. und 21. Januar im Berliner Mehringhof


Veranstaltungsheft

mit dem Kommunismus befassen. Es wird um theoretischen Grundfragen ebenso gehen, wie darum, auf welchen Feldern kommunistische Politik heute entfaltet werden kann. Schließlich werden wir darum streiten, ob es etwas bringt, sich mit Reformisten auf reformistische Politik einzulassen. Oder anders ausgedrückt: Welchen Sinn macht revolutionärer Purismus, wenn es keine revolutionäre Bewegung gibt?

Eröffnet wird das Meeting am Freitagabend. Da wird Detlev. K. uns mit einer Reihe neuer provokativer Lieder unterhalten und uns emotional ein wenig anturnen, für den Spaß am aufrechten Gang. Dazu gibt es Gesprochenes und Gelesenes, sowie Speis und Trank.

Ihr seid alle herzlich eingeladen.

Wir erwarten Eure kritischen Einwände und vorwärts treibenden Ratschläge!

P.S.

Die LeserInnen, die nicht teilnehmen können, weil sie einfach zu weit weg wohnen, bitten wir um Nachsicht dafür, dass diese Januarausgabe sich schwerpunktmäßig um das "TREND"-Wochenende dreht.