Erklärung an bestimmte Teile der Linken

10/01
trdbook.gif (1270 Byte)
 
trend
online
zeitung
Briefe oder Artikel
info@trend.partisan.net
ODER per Snail:
trend c/o Anti-Quariat
Oranienstr. 45
D-10969 Berlin
Wir haben geglaubt, die Wirklichkeit des Krieges ließe jene vermeintlichen Linken verstummen, die sich mit Vehemenz und einer, uns manches Mal faschistoid anmutenden Rethorik für eine militärische Reaktion der Vereinigten Staaten eingesetzt haben. Indess, sie verstummen nicht.

Auch wir sind für das Ende des Taliban-Regimes, so wie wir für das Ende von Pol-Pots Herrschaft in Kambotscha waren. Auch uns wäre ein Ende mit Schrecken, wenn es denn der Schrecken für die Taliban wäre, lieber, als als ein Schrecken ohne Ende. Was aber wird dort, in Afghanistan, folgen, wenn die Taliban besiegt sein werden durch die "Koalition" und die Stammeskrieger der "Nord-Allianz". Mehr als ein neuer, ein anderer Schrecken? Wohl kaum.

Die Krieger der "Nordallianz", jene von den Taliban geschlagenen Warlords der Konterrevolution, die unsere GenossInnen in Afghanistan nach dem, durch die Unterstützung der entwickelten kapitalistischen Staaten, erzwungenen Rückzug der Roten Armee ermordet haben - sie sollen jetzt die Lösung sein? Sie sind es nicht. Sie waren es, die das moderne Afghanistan im Blut erstickten, als es ihren zum Opfer fiel.

Wer den amerikanischen Präsidenten beim Wort nimmt, und es gibt keinen Anlass, es nicht zu tun, kann nicht allen Ernstes für diesen Krieg sein. Afghanistan ist nur eine Schlacht in einer militärischen Ausseinandersetzung, die die US-amerikanische Regierung mit Ausdauer und dem Willen zum totalen Sieg zu führen gedenkt. Wer glaubt, es ginge allein um das Niederringen der Banden von fanatischen Gotteskriegern, wird spätestens dann eines Besseren belehrt werden, wenn Navy-Seals und Green Barrets zur Unterstützung der kolumbianischen Armee gegen die FARC eingesetzt werden. Und weshalb soll man nicht glauben, daß die Warnung Bush's, die Sandinistas aus Nicaragua hätten intensive Kontakte zu
Terroristen, die Aktion nicht schon projezierte, die man erwarten können darf, wenn eben diese Sandinistas in Nicaragua die nächsten Wahlen gewinnen.

Das Perfide an der gegenwärtigen Situation ist, daß die, die in dieser ersten Schlacht den US-amerikanischen Generälen entgegenstehen, ebenso den Krieg wollen wie diese. Zu nichts anderem diente der faschistoide Terror gegen die Menschen in New York und Washington. Er sollte, darauf deutet alles hin, genau das erreichen, was er erreicht hat. Man kannte sich eben. Zum Beispiel aus gemeinsamen militärischen und geheimdienstlichen Arbeitszusammenhängen, als es noch darum ging, daß islamische Fanatiker gute Kämpfer gegen unsere GenossInnen waren. Die SAS- und CIA-Angehörigen, die sich während der Konterrevolution in Afghanistan befanden, haben weggesehen, wenn gefangene russische Soldaten gevierteilt wurden, wenn man den gefesselten Gefangenen die Bäuche aufschnitt
und sie in der Sonne langsam sterben ließ. Man mußte lange wegsehen - denn der Todeskampf konnte schonmal einen ganzen Tag dauern. Man mußte auch weghören,
denn die sterbenden sovietischen Soldaten schrien in ihrem Todeskampf. Und da war keine erlösende Bewustlosigkeit. Die Stammeskrieger hatten von der CIA gelernt, wie man die langsam sterbenden Soldaten bei Bewustsein hielt. Übrigens waren das in der Regel die Mudjaheddin, jene also, die jetzt als Nordallianz bezeichnet werden.

Die Zivilgesellschaft schlägt zu. Sie tut es mit allem, was sie aufbieten kann. Auch mit der, aus dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien schon bekannten, orwellschen Methode der Verschleierung durch Sprache. So änderte CNN am Tag des Angriffs auf Afghanistan das Nachrichtenlogo von "War against Terrorism" auf "Strikes against Terrorism". Denn was ein Krieg ist bestimmen die, die ihn führen.

In Gefahr sind alle jene Staaten, die nicht in das globalisierte Weltbild der Zivilgesellschafter passen. Um sich eines passenderen Sprachgebrauches, allerdings eines zu bedienen, der derzeit auch in der Linken weitläufig verpönt ist: jene Staaten, die den imperialistischen Interessen entgegenstehen. Es ist zu erwarten, daß mit dem Grauen von New York und Washington das Grauen von Bogota oder Havanna ebenso produzieren läßt, wie das von Zimbawe oder Lybien. Wir hoffen, wir irrten uns. Indess - die Hoffnung ist klein.

Der Bruch des Völkerrechts, der mit dem Angriffskrieg auf Jugoslawien augenscheinlich wurde und jetzt fortgestetzt wird, schafft Tatsachen, die es möglich machen sollen, ohne öffentlichen Widerstand Interessen der imperialistischen Zentren durchzusetzen. Ich gebe zu, daß die in Afghanistan herrschenden Mörder Haß und Abscheu hervorrufen können. Uns geht es nicht anders. Aber die Konsequenzen zu leugnen, die aus der Befürwortung dieses, auf
Jahre angelegten Krieges gegen "den Terrorismus" entspringen können nicht zu erkennen und folglich in die Interventionsfalle zu tappen, die gelegt wurde - das können wir nicht akzeptieren.

Es ist mit dem Leid der Opfer und Angehörigen von New York und Washington ein Automatismus geschaffen worden, der schon jetzt auch die betrifft, die das leisten, was geleistet werden muß: Demokratischen Widerstand in ihren Ländern. Die Sicherheitsmaßnahmen, die Schaffung des "gläsernen" Bürgers findet nicht nur mit der Billigung derer statt, die vor ein paar Jahren die Träger ihrer jetzigen Ämter für Maßnahmen auf einem weit niedrigeren Level als Polizeistaatsbüttel beschimpft hätten, sondern mit deren tatkräftiger
Unterstützung.

In Kanada hat die Regierung StudetenInnen aus bestimmten Staaten (u.a. dem Iran und dem Irak) das Studium der Chemie aus Sicherheitsgründen verboten. Nicht nur dort wird einem neuen Rassismus Vorschub geleistet. Hierorts werden solche Ausländer islamischen Glaubens per Rasterfahndung durchleuchtet, die nicht straffällig geworden sind. Das ergibt in letzter Konsequenz die totale Erfassung aller Moslems im Lande.

Wer ja sagt zum Recht auf Völkerrechtsbruch in diesem Falle, sagt auch ja zu dem was folgen wird. Wer nicht den Anfängen wehrt, macht sich für den Protest gegen die kommenden Interventionen unglaubwürdig. Man darf unseren GenossInnen und uns den Haß glauben, den wir gegen die Mörder unserer GenossInnen in Afghanistan hegen; man darf uns allerdings auch glauben, daß wir die kennen, die eben diese Mörder mit Waffen und Know-How beliefert haben; und daß wir nicht in die Falle gehen werden, die da gelegt wird - auch daß darf man uns glauben. Wer heute nicht Stop sagt zu dieser Schlacht in diesem Krieg, der
nimmt billigend in Kauf, daß, wenn nicht morgen, dann später, das Ziel der Cruise Missiles vielleicht Havanna heißt.


Paul und Martin / Red. Red Globe

Quelle: http://sg.groups.yahoo.com/group/infopartisan/message/938