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Der 2. Juni 1967
Eine kleine Materialsammlung zum 50. Jahrestages
eines erschütternden Ereignisses


AStA der Freien Universität Berlin
Empfehlungen zur Diskussion mit der Bevölkerung

 
1) Wer wird angesprochen:

Sprechen Sie nicht wahllos Passanten an, sondern Leute, von denen Sie annehmen können, daß sie Meinungen weitertragen und Einfluß auf ihre Mitmenschen haben. Eine völlig ungezielte Streu­ung verpufft wirkungslos.
Lassen Sie keine zu großen Gruppen entstehen, in denen Sie nicht mehr diskutieren, sondern als Volksredner agieren. Zu große Gruppen oder festgefahrene Diskussionen sollten Sie rechtzeitig verlassen.

2) Gesprächsführung:

Schockieren Sie den Partner nicht gleich mit dem Hinweis, daß Sie besser informiert seien. Wer sein Gegenüber als unwissend disqua­lifiziert, braucht mit keiner Verständigung mehr zu rechnen. Jeder betrachtet zunächst seinen Informationsausschnitt als den besten und völlig ausreichenden.
Hinweis auf schlechte Informiertheit erzeugt Angst, d.h. Aggres­sion gegen Sie. Suchen Sie daher zunächst (wenn auch banale) Ge­meinsamkeiten, oder stellen Sie Fragen, auf die zustimmende Ant­worten erfolgen müssen.

Bringen Sie Ihre Argumente möglichst in Form von Bestätigungen, so daß Ihr Gesprächspartner glaubt, er selbst hätte sie vorgebracht (z.B. Sie haben wie ich die Zeitung gelesen. Deshalb können wir miteinander darüber sprechen...)

Hinweis auf unmittelbare Bedrohung durch Notstand, Polizei-Staat, Faschismus etc. ist nur sinnvoll, wenn bereits kritisches Bewußtsein vorhanden ist.

Denen, die als einzige Alternative zu unserem System den Kommunismus sehen, muß gezeigt werden, daß es andere Systeme als Kapitalismus und Kommunismus gibt.
Stellen Sie sich auf drei verschiedene Gruppen von Gesprächspartnern ein:

a ) Die außenstehenden Zuhörer, die sich nicht engagieren wollen: diese können durch gezielte Fragen hereingeholt werden.

b) Die emotional Reagierenden: mit diesen ruhig diskutieren, nicht ironisch und polemisch auf Beschimpfungen antworten.

c) Die Diskussionsbereiten: mit diesen soll hauptsächlich diskutiert werden.

Reden Sie nicht über alles, sondern möglichst nur über einzelne markante Themen (z.B. die Vorgänge am Freitag, deren Hinter­gründe und Konsequenzen), über die Sie wirklich informiert sind. Wenn Sie zu stereotype Wiederholungen des gleichen Arguments, oder eine besonders starke Einengung der Wortwahl bemerken („Sättigung"), lassen Sie die Diskussion auslaufen.

Rechnen Sie mit folgenden Fragen und Behauptungen:

  • Warum demonstriert Ihr überhaupt?
  • Warum werft Ihr mit Tomaten, Eiern und Steinen?
  • Wer gegen Anstand und Sitte verstößt, sollte bestraft werden. Demonstrationen gefährden die Demokratie.
  • Man darf nicht die Führer des Volkes angreifen, sonst gibt es Anarchie.
  • Man darf keinen Gast der BRD beleidigen.
  • Wir wissen, wohin solche Demonstrationen führen; vor 1933 war es genauso.
  • Warum demonstriert Ihr nicht für Israel?
  • Die Amerikaner schützen unsere Freiheit, deshalb dürfen wir ihnen nicht mit Demonstrationen in den Rücken fallen.
  • Gerade wir Deutschen müssen ruhig sein und dürfen uns nicht anmaßen, die Verhältnisse in anderen Staaten zu kritisieren.
  • Warum wurde nicht gegen die Mauer protestiert?
  • Durch Demonstrationen arbeitet Ihr dem Osten in die Hand.
  • Ihr seid ja vom Osten unterwandert.
  • Die Unruhen, die Ihr auslöst, können den Kommunisten Gelegenheit zum Eingreifen geben.
  • Warum beklagt Ihr Euch? Ihr dürft doch demonstrieren, im Osten darf man das nicht.
  • Ihr laßt Euch von einer radikalen Minderheit verführen.
  • Warum maßt Ihr Studenten Euch das Recht an, mehr zu wissen als wir?
  • Wer gibt Euch das Recht, Euch als Hüter der Demokratie aufzuspie­len?
  • Sie sind vielleicht vernünftig, aber die Studenten sonst...
  • Ihr studiert vom Geld des Steuerzahlers, dafür können wir verlangen, daß Ihr Ruhe haltet.
  • Ihr braucht nicht aufzuklären, wir können uns selbst informieren. Wir sind politisch mündig, wir haben Berlin aufgebaut, als Ihr noch Kinder wart!
  • Die Berliner Presse ist besser informiert über die Berliner Vorgänge als die westdeutsche und ausländische, weil sie in Berlin ist.
  • Die Polizei besteht auch nur aus normalen Menschen; wenn sie ange­griffen werden, wehren sie sich.
  • Wir brauchen Notstandsgesetze
    • damit wir nicht von den Alliierten abhängig sind
    • damit wir vorbereitet sind, wenn es mal losgeht
    • jeder Staat hat solche Gesetze.

Quelle: Archiv ZI6: Akte E0702 FU/TU, „Flugblätter... Juni 1967"


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