1) Wer wird angesprochen:
Sprechen Sie nicht wahllos Passanten an,
sondern Leute, von denen Sie annehmen können, daß sie Meinungen
weitertragen und Einfluß auf ihre Mitmenschen haben. Eine völlig
ungezielte Streuung verpufft wirkungslos.
Lassen Sie keine zu großen Gruppen entstehen, in denen Sie nicht
mehr diskutieren, sondern als Volksredner agieren. Zu große Gruppen
oder festgefahrene Diskussionen sollten Sie rechtzeitig verlassen.
2)
Gesprächsführung:
Schockieren Sie den Partner nicht
gleich mit dem Hinweis, daß Sie besser informiert seien. Wer sein
Gegenüber als unwissend disqualifiziert, braucht mit keiner
Verständigung mehr zu rechnen. Jeder betrachtet zunächst seinen
Informationsausschnitt als den besten und völlig ausreichenden.
Hinweis auf schlechte Informiertheit erzeugt Angst, d.h. Aggression
gegen Sie. Suchen Sie daher zunächst (wenn auch banale)
Gemeinsamkeiten, oder stellen Sie Fragen, auf die zustimmende
Antworten erfolgen müssen.
Bringen Sie Ihre Argumente möglichst
in Form von Bestätigungen, so daß Ihr Gesprächspartner glaubt, er
selbst hätte sie vorgebracht (z.B. Sie haben wie ich die Zeitung
gelesen. Deshalb können wir miteinander darüber sprechen...)
Hinweis auf unmittelbare Bedrohung
durch Notstand, Polizei-Staat, Faschismus etc. ist nur sinnvoll,
wenn bereits kritisches Bewußtsein vorhanden ist.
Denen, die als einzige Alternative zu
unserem System den Kommunismus sehen, muß gezeigt werden, daß es
andere Systeme als Kapitalismus und Kommunismus gibt.
Stellen Sie sich auf drei verschiedene Gruppen von Gesprächspartnern
ein:
a ) Die
außenstehenden Zuhörer, die sich nicht engagieren wollen: diese
können durch gezielte Fragen hereingeholt werden.
b) Die
emotional Reagierenden: mit diesen ruhig diskutieren, nicht
ironisch und polemisch auf Beschimpfungen antworten.
c) Die
Diskussionsbereiten: mit diesen soll hauptsächlich diskutiert
werden.
Reden Sie nicht über alles, sondern
möglichst nur über einzelne markante Themen (z.B. die Vorgänge am
Freitag, deren Hintergründe und Konsequenzen), über die Sie
wirklich informiert sind. Wenn Sie zu stereotype Wiederholungen des
gleichen Arguments, oder eine besonders starke Einengung der
Wortwahl bemerken („Sättigung"), lassen Sie die Diskussion
auslaufen.
Rechnen Sie mit folgenden Fragen
und Behauptungen:
- Warum demonstriert Ihr überhaupt?
- Warum werft Ihr mit Tomaten, Eiern
und Steinen?
- Wer gegen Anstand und Sitte
verstößt, sollte bestraft werden. Demonstrationen gefährden die
Demokratie.
- Man darf nicht die Führer des
Volkes angreifen, sonst gibt es Anarchie.
- Man darf keinen Gast der BRD
beleidigen.
- Wir wissen, wohin solche
Demonstrationen führen; vor 1933 war es genauso.
- Warum demonstriert Ihr nicht für
Israel?
- Die Amerikaner schützen unsere
Freiheit, deshalb dürfen wir ihnen nicht
mit Demonstrationen in den Rücken fallen.
- Gerade wir Deutschen müssen ruhig
sein und dürfen uns nicht anmaßen, die
Verhältnisse in anderen Staaten zu kritisieren.
- Warum wurde nicht gegen die Mauer
protestiert?
- Durch Demonstrationen arbeitet Ihr
dem Osten in die Hand.
- Ihr seid ja vom Osten
unterwandert.
- Die Unruhen, die Ihr auslöst,
können den Kommunisten Gelegenheit zum Eingreifen geben.
- Warum beklagt Ihr Euch? Ihr dürft
doch demonstrieren, im Osten darf man das nicht.
- Ihr laßt Euch von einer radikalen
Minderheit verführen.
- Warum maßt Ihr Studenten Euch das
Recht an, mehr zu wissen als wir?
- Wer gibt Euch das Recht, Euch als
Hüter der Demokratie aufzuspielen?
- Sie sind vielleicht vernünftig,
aber die Studenten sonst...
- Ihr studiert vom Geld des
Steuerzahlers, dafür können wir verlangen,
daß Ihr Ruhe haltet.
- Ihr braucht nicht aufzuklären, wir
können uns selbst informieren. Wir sind politisch mündig, wir
haben Berlin aufgebaut, als Ihr noch Kinder wart!
- Die Berliner Presse ist besser
informiert über die Berliner Vorgänge als die westdeutsche und
ausländische, weil sie in Berlin ist.
- Die Polizei besteht auch nur aus
normalen Menschen; wenn sie angegriffen werden, wehren sie sich.
- Wir brauchen Notstandsgesetze
- damit wir nicht von den
Alliierten abhängig sind
- damit wir vorbereitet sind, wenn
es mal losgeht
- jeder Staat hat solche Gesetze.
Quelle:
Archiv ZI6: Akte E0702 FU/TU,
„Flugblätter... Juni 1967"
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