Als im Mai 1967
während einer Exportmesse der USA in einem Brüsseler Kaufhaus ein
Brand ausbrach, waren wir derart fasziniert, daß wir aufgrund der
vorhandenen Zeitungsberichte die Kommuneflugblätter Nr. 6 bis 9 über
diesen Kaufhausbrand herausbrachten und an der FU verteilten. Als
diese Flugblätter an die Presse gelangten, brach große öffentliche
Empörung über uns herein [...]
Zu diesem
Zeitpunkt war bereits bekannt, daß am 2. Juni 1967 hoher
Staatsbesuch in West-Berlin eintreffen würde: der berüchtigte
persische Schah mit seinem Regenbogen-Presse-Objekt Farah Diba. Die
zahlreichen in West-Berlin lebenden und in einer eigenen
Konföderation (CISNU) gut organisierten Exil-Iraner wandten sich an
den SDS-Vorstand, um gemeinsam eine Veranstaltung und Demonstration
zum Zeitpunkt des
Schah-Besuches vorzubereiten. Der SDS lehnte jegliche Aktivität ab,
weil er zu diesem Zeitpunkt seinen Schwerpunkt in einer Kampagne
gegen die Militär-Diktatur in Griechenland sah. Daraufhin wandten
sich die iranischen Oppositionellen an uns, und wir waren sofort
ergriffen von der Idee, dem persischen Herrscher-Paar einen
freundlichen Empfang zu bereiten. Zum Schutz der Iraner, die bei
erwiesener politischer Betätigung alle von einer Ausweisung bedroht
waren, besorgten wir uns aus Berliner Kaufhäusern Papiertüten,
druckten auf unserer Rotaprint-Maschine die stilisierten Gesichter
des Hohen Herrscher-Paares, klebten diese in mühsamer Handarbeit auf
die einzelnen Tüten, und in noch sehr viel mühsamerer Handarbeit
schnitten wir mit Scheren Schlitze für Augen und Münder heraus.
Diese Tüten wurden bei der Großveranstaltung am Vortag im Audimax
der FU verteilt, und wir erklärten, welche Funktion diese Tüten für
den kommenden Tag haben sollten.
Die Ereignisse des 2.
Juni 1967 sind bekannt, so daß es hier weiter nicht nötig ist,
darauf einzugehen. Am Abend zeigte sich jedenfalls auf der
gegenüberliegenden Seite der Deutschen Oper in der Bismarckstraße
der damalige harte Kern der antiautoritären Bewegung, darunter fast
alle Kommunardinnen und Kommunarden, die selbst in
der ausweglosen Situation, als die Polizei mit der berüchtigten
Leberwursttaktik die Demonstration vor der Deutschen Oper auflösen
wollte, noch die Illusion hegten, durch einen Sitzstreik die
Räumungsaktion stoppen zu können. Bis auf Fritz Teufel, der
festgenommen wurde, gelang es allen anderen, noch in die Krumme
Straße entkommen. Dort hörte ich den tödlichen Schuß, den
Polizeimeister Kurras auf Benno Ohnesorg abgab. Da die Polizei über
Funk und über die gleichgeschalteten Radiostationen RIAS und SFB
bekanntgab, daß ein Polizist von den Demonstranten erstochen worden
sei, begann bis in die Morgenstunden durch alle Straßen
Charlottenburgs eine regelrechte Hetzjagd von Polizei, Taxifahrern
und anderen »aufrechten« Berlinern auf alles, was sie aufgrund des
Alters oder des Aussehens für Demonstranten hielten.
Trotz der
Bedeutung des 2. Juni 1967 für die Ausbreitung der antiautoritären
Bewegung in Westdeutschland bedeutete dieser Tag für uns selbst
eine Niederlage. Unter vielen Oppositionellen entstand
ausgesprochene Panik, weil jeder fürchtete, er könnte der nächste
Tote sein. Der Albertz-Senat erließ ein absolutes
Demonstrationsverbot über die TeilStadt.
Quelle:
Dieter Kunzelmann, Leisten Sie keinen Widerstand!, Berlin 1998, S.
78-84, Bildquelle: ebd.
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