Abschrift
vom Original
Praktizierter
Notstands-Staatsbesuch
SDS
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Wir regen
uns noch gar sehr über die nicht vollständig verabschiedeten
Notstandsgesetze auf, wollen aber nicht begreifen, daß in der
tatsächlichen Praxis des bundesrepublikanischen Alltags die
staatliche Gewaltmaschine sie schon längst angewendet werden!
Die
Vollversammlung der geistigen Impotenz, der Herrschenden der „freien
Welt", die Trauerfeierlichkeiten für K. A., mobilisierte einen
„Schutzapparat" gigantischen Ausmaßes:
CIA-Bullen mit kaum versteckten Maschinenpistolen (im Dom etc.),
illegale Hausdurchsuchungen, Terrorisierung politischer
Minderheiten, Mobilisierung der vorhandenen Polizeireserven, Einsatz
von Hubschraubern, stundenlange Wartezeit für die Autofahrer u.a.m.
sollen uns zeigen, wie wenig es sich lohne, gegen Notstandsgesetze
zu unternehmen, wie wenig Chancen für den Widerstand gegeben sind,
wie herrlich wir geschützt sind.
Die
Anwesenheit des Schah in der BRD und West-Berlin bringt eine
Reproduktion des Einsatzes der Gewaltmaschinerie auf erweiteter
Stufenleiter. Das ging sogar der BZ zu weit, die sich nicht scheute,
am 29. Mai von der Notstandsübung der Polizei zu sprechen, sich mehr
Händeschütteln für den Schah und seine gebärfreudige Farah wünschte.
Der Schah
kann sicher sein, noch sind die entstehenden Kampforganisationen der
verelendeten persischen Bauern nicht stark genug; das Attentat ist
Beginn der sozialen Revolution, des unmittelbaren Kampfes gegen die
Herrschaft.
Aber wir
sind schon lange nicht mehr sicher, von Monat zu Monat wird die Lage
unsicherer. Die ,,Große Koalition" brachte die große Furcht um den
Arbeitsplatz für 100.000sende. Durch Konzessionen wie Erhöhung des
Arbeitslosengeldes, durch Schillersche Reime über die kommende
Konjunktur, durch systematisch gelenkte Krisenpsychose, durch
circensisch inszenierte Schauspiele wie Staatsbesuche, sogar durch
Trauerfeierlichkeiten, werden die Massen bei der Stange gehalten.
Die
Notstandsübung in den Tagen des Schahbesuchs ist eine Fortsetzung
dieser Praktiken.
Begreifen
wir endlich die Situation: Die schon abgeschaffte Demokratie besteht
als leere Form weiter. Wir allein füllen sie mit Inhalt, wenn wir
die Notstands-Spielregeln der Herrschenden bewußt durchbrechen, die
akademische Würde verlieren und realdemokratisches Niveau gewinnen.
Freitag
12 Uhr s.t. Rathaus Schöneberg. 19.30 Uhr Oper!
Quelle:
APO-Archiv ZI6: Akte E0702 FU/TU, „Flugblätter... Juni 1967"
Abschrift
vom Original
Die Vereinigten
Staaten, die Befreiungsbewegungen und die Sowjetunion
SDS
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Tschombe,
H.H. Humphrey und andere Charaktermasken brutaler Willkür und
autoritärer Herrschaft über die in Unmündigkeit und Bewußtlosigkeit
gehaltenen Menschen, trugen sich in den letzten Jahren ins 'Goldene
Buch' der Stadt West-Berlin ein; ihnen zu Ehren wurden Bankette
gegeben, protestierende Menschen verprügelt und festgenommen,
universitäre und allgemeine Flaggen verhöhnt.
Senat und
Rektorat nahmen beim Humphrey-Besuch Partei gegen die Opfer des
Krieges in Vietnam, der von der amerikanischen Machtelite mit
zynischer Klarheit als Präventivkrieg gegen die Sozialrevolutionären
Bewegungen in der dritten Welt, speziell Lateinamerikas, geführt
wird.
Eine wie
auch immer geartete Niederlage der größten Kriegsmaschinerie der
Welt in Vietnam, wäre Ausgangspunkt neuer und tieferer
Befreiungskämpfe der Völker, die ihrer wachsenden
Verelendungstendenz durch emanzipatorischen Aufstand begegnen
müssen. Dieser Perspektive sehen die amerikanische Machtelite und
die noch immer stalinistischen Bürokraten von Ost-Berlin bis Moskau
mit Schrecken entgegen:
erstere
haben erkannt, daß ein zweites Vietnam in Bolivien oder Brasilien
den Kampf um Sein oder Nichtsein der amerikanischen
Weltpolizisten-Rolle, des eigenen gegenwärtigen Gesellschaftssystems
überhaupt einleitet;
letztere
sehen nicht minder scharf, daß eine sich durch Politisierung der
Gesamtbevölkerung emanzipierende 'dritte Welt' die autoritäre
Herrschaft der Bürokraten über die Massen in große Gefahr brächte,
ist es doch spezifisches Kennzeichen jedes 'marxistischen'
Revisionismus, die Entfremdung zwischen Partei und Massen durch
Gewalt aufrechtzuerhalten, nichts für die Bewußtwerdung der Menschen
zu initieren, die menschliche Emanzipation verhindern.
Daraus
ist auch die ambivalente Haltung der Sowjetunion im Vietnamkonflikt,
ihre Waffenlieferungen an den panzerwesten-sicheren Schah, der
einzig und allein sich durch seine von den Amerikanern primär
getragene Militärdiktatur halten kann, zu erklären. Der Schah ist
da, kommt auch nach Berlin, die Polizei probt den Notstand, schrieb
sogar die BZ vom 29.5.67. Proben wir ihn auch: wie und mit welchem
Aktionsformen können wir die Notstandssituation durchbrechen? Am
2.6. haben Sie Gelegenheit, Demokratie unter 'spezifischen'
Bedingungen zu praktizieren.
Freitag
12 Uhr s.t. Rathaus Schöneberg. 19.30 Uhr Oper!
Quelle:
APO-Archiv ZI6: Akte E0702 FU/TU, „Flugblätter... Juni 1967
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