Vor 30 Jahren: Mauer kaputt.

Chronik der Wende

Sonntag, der 5. November 1989

Die SED-Bezirksleitung Leipzig wählt Roland Wötzel zum neu­en 1. Sekretär, nachdem zuvor der bisherige Amtsinhaber Horst Schumann aus „Gesundheitsgründen" zurückgetreten war. Wöt­zel gehört zu den Initiatoren des Dialogs mit Demonstranten in der Stadt am 9. Oktober und in der Folgezeit im Gewandhaus. Zu­vor hatte es schon einen Wechsel an der Spitze der SED-Führung im Bezirk Schwerin gegeben.

In Halle tagt der Zentralvorstand der Gesellschaft für Denk­malpflege im Kulturbund der DDR, um dringende Maßnahmen zur Rettung der verfallsbedrohten historischen Stadtkerne zu be­raten. Es müßten harte Sanktionen gegen ungerechtfertigte Abrisse verhängt werden, heißt es dort. Durch die Orientierung der letzten Jahre auf den industriellen Wohnungsbau mit vorgefertig­ten Betonplatten seien landschaftlich unangepaßte Schlafsilos an den Stadträndern entstanden, während die architektonisch wert­vollen Citybereiche weiter verfallen würden. Dagegen richte sich zunehmender Bürgerprotest, auf den jetzt mit praktischen Vor­schlägen reagiert werden müsse.

Am Abend konstituiert sich in der Berliner Bekenntniskirche die Initiativgruppe zur Gründung einer Grünen Partei. In den nächsten Wochen sollen an der Basis die erforderlichen Dokumente disku­tiert werden, so daß noch vor Jahresende der entscheidende Schritt zur Partei vollzogen werden kann. In einer Erklärung wird festge­stellt: „Für eine Erneuerung unserer Gesellschaft hat die Umge­staltung unserer zerstörten Umwelt entscheidende Bedeutung. Aber nicht nur unsere Umwelt ist bereits verseucht, sondern in noch viel größerem Maße unser Bewußtsein, nämlich durch die Utopie, daß ständig wachsender Wohlstand und als seine Bedin­gung permanentes wirtschaftliches Wachstum zum Ziel gesell­schaftlicher Entwicklung gemacht werden. Diese Art von Utopie suggeriert uns, der Mensch könne sich willkürlich im Lebenssy­stem Erde bewegen." Dagegen gelte es anzugehen und konkrete Alternativen aufzuzeigen.

Quelle: Hannes Bahrmann, Christoph Links, Chronik der Wende,  Berlin 1994, S. 81-83

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