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Septemberstreiks 1969 Materialsammlung zu den Filmveranstaltungen im September 2009 |
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Vorderseite
Der Text war identisch mit dem
Bericht für die RPK.
Textabschrift
UNSERE WAFFE IST DER STREIK
Die Berichte der BVG-Arbeiter über die Gründe des Streiks zeigen, dass nicht sie, die Schaffner und Fahrer, verantwortlich sind für die Nachteile, die den Fahrgästen durch den Streik entstehen, sondern der Senat. Der Senat hat seit Jahren versäumt, die berechtigten Forderungen der BVG-Arbeiter nach besseren Arbeitsbedingungen zu erfüllen. Der Senat hat sich noch nicht einmal mit diesen Forderungen außer in einer billigen Stellungnahme beschäftigt und hat keine Verhandlungen mit den Arbeitern aufgenommen. Der Senat hat selbst die Zusage der Verhandlungen für den letzten Montag nicht wahrgenommen. Der Senat trägt die Verantwortung für den Streik. Es geht nicht nur um den Lohn der BVG-Arbeiter, es geht auch um unsere Sicherheit als Fahrgäste. Denn die Forderungen der BVG-Arbeiter sind:
1. Schichteinteilung, die einen gleichmäßigen Schlaf- und Mahlzeitrhythmus ermöglicht; 2. Verlängerung der Freizeit zwischen den Schichten; 3. Mitwirkung der Arbeiter bei der Schichteinteilung; 4. Nichtanrechnung des freien Sonnabends auf den Urlaub; 5. Modernisierung des Fuhrparks im Interesse der Sicherheit der Fahrgäste und der BVG-Arbeiter
Dies sind die Forderungen der BVG-Arbeiter, die zum Streik geführt haben. Diesen Streik müssen wir unterstützen. Nicht nur aus Solidarität mit den BVG-Arbeitern, sondern auch in unserem eigenen Interesse: Mehr Sicherheit im Werkverkehr und menschenwürdige Beförderung zum Arbeitsplatz und vor allem wieder zurück. Ausgeschlafene Fahrer bedeutet: Sicherheit, erholte Fahrer bedeutet: freundliche Fahrer und freundlicher Ton. Moderne Busse bedeutet: im Winter warme Busse und bequeme Busse. Denn wie sieht unsere Beförderung zum Arbeitsplatz aus?
Die Unternehmer bestimmen die Zulieferung in den Betrieb durch die BVG, wir bezahlen sie!
In Westdeutschland übernimmt bei den meisten Betrieben der Unternehmer die Kosten für den Transport, denn er will uns ja auch in den Fabriken haben, dann soll er auch den Transport bezahlen. Auch in Berlin! Denn wir fahren nicht zum Vergnügen, zum Reiten oder Tennisspielen, sondern weil unsere Arbeitskraft verkaufen müssen, der Unternehmer muss sie dann auch bezahlen, inclusive Transport!
Der BVG-Streik ist unser Streik. Denn die BVG-Arbeiter streiken nicht gegen uns und wollen nicht, dass wir Lohnausfall haben, aber ihre einzige Waffe ist der Streik, wie sie unsere einzige Waffe ist. Ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen sind auch unsere Forderungen. Denn wie sieht es in unseren Betrieben mit der Sicherheit, den Arbeitsplatzbedingungen und der Arbeitsregelung aus? Wo kann noch von Sicherheit gesprochen werden, wenn durch gekürzte Zeitvorgaben und durch erhöhten Leistungsdruck, wenn durch die ständigen Antreibereien der Vorgesetzten, die mit Lieferterminen argumentieren, die am grünen Tisch ohne Rücksicht auf die Arbeiter ausgehandelt wurden, das Arbeitstempo immer mörderischer wird? Wie sieht es denn mit unserem Lohn aus in der Hochkonjunktur, wo die Umsätze und Profite der Unternehmer teilweise 200 bis 300 Prozent betragen? Was bekommen wir? Verdoppelt sich unser Lohn? Werden unsere betriebsinternen Vergünstigungen und Sozialleistungen wieder auf den Stand vor der Wirtschaftskrise gebracht? Nichts bekommen wir mehr! Die Prozente, die wir bekommen (in der stahlverarbeitenden Industrie 8%) sind doch nur eine Angleichung an die Preise, die vorher gestiegen sind und die weiter steigen! Diese Prozente haben die Mieterhöhungen, die Brotpreiserhöhungen, die Milchpreiserhöhungen usw. aufgefressen! Diese Prozente gleichen nicht einmal die Lohneinbußen durch die Wirtschaftskrise vor einem Jahr aus. Diese Prozente sind ein Almosen!
Unsere Forderungen sind die Forderungen der BVG-Arbeiter: Erstattung der Fahrtkosten durch die Unternehmer! 50 Pfennig mehr unabhängig vom Tarifvertrag! Angleichung an das westdeutsche Lohnniveau! |
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Editorische Anmerkungen Die Arbeiterpresse wurde
quasi wie ein Flugblatt verteilt. Es stammt aus dem TREND-Archiv. "Die "Arbeiterkonferenz" der
Betriebsbasisgruppen am 6./7.9.69 zeigte sich trotz punktueller im Sommer
69 aufgetretener Betriebskonflikte, die jeweils zu betrieblichen
Aktivitäten von Betriebsbasisgruppen geführt hatten, durch diese
Ereignisse völlig verunsichert, und man beschloß, mittels Propaganda vor
westberliner Betrieben - besonders der Metallverarbeitung - auf eine
Ausdehnung der Streiks auf westberliner Betriebe hinzuwirken. Zu diesem
Zwecke wurde erstmals das Projekt - eigene Zeitung - namens
"Arbeiterpresse" umgesetzt, die in einer Auflage von 20.000 Exemplaren in
der Stadt zur Verteilung gelangte."
(zitiert nach K.-H. Schubert,
Aufbruch
zum Proletariat" |
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