UK-Klassengesellschaft
Unzufriedenheit braucht gesellschaftspolitische Zielrichtung und Beständigkeit.
 


von
Reinhold Schramm

7-8/11

trend
onlinezeitung

Gewerkschaften haben nicht das Recht, Betriebe zu betreten. Die gesetzlichen Anerkennungsverfahren ermöglichen es privaten Unternehmen, die Anerkennung einer unabhängigen Gewerkschaft dadurch zu umgehen, indem sie eine eigene Betriebsgewerkschaft ins Leben rufen und diese als Tarifpartei anerkennen. Tarifverträge sind nicht rechtsverbindlich in UK-Großbritannien, aber die systemtreuen bzw. sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften haben diesen freiwilligen Ansatz generell befürwortet. 

Ein Streik ist nur dann gesetzmäßig, wenn er sich auf beschäftigungsbezogene (systemkonforme) Fragen beschränkt. Politische Streiks, Sympathiestreiks und Streikposten bei nur indirekt betroffenen Betrieben sind verboten. Der Unternehmer kann noch vor Streikbeginn eine Unterlassungsanweisung gegen eine Gewerkschaft beantragen und erhalten. - Anmerkung: Auch hier, - ebenso auch in der Germany AG -, müssten sich die britischen Gewerkschaften dem (staatlichen feudalbourgeoisen ) Gesetzgeber verweigern und die offene Konfrontation mit der staatlichen und gesellschaftspolitischen Gewalt nicht scheuen.  

Die systemkonformen Spielregeln des Kapitals müssen beseitigt werden: Innerhalb von zwölf Wochen nach einer Streikbeteiligung dürfen Beschäftigte nicht entlassen werden, aber danach ist ihre Entlassung möglich.    

Gewerkschaftsrechte in der königlich-britischen Praxis und Rechtsverletzungen 2010  

Die Regierung der britischen Postfeudalen, der britischen Bourgeoisie und Aktionäre, will deren Haushaltsdefizit beseitigen, den meisten Ministerien stehen Kürzungen von durchschnittlich 25 % bevor, und im Staatsdienst könnten bis zu 600.000 Arbeitsplätze verloren gehen.  

Postmittelalter in Großbritannien: Den britischen Unternehmern und Unternehmen ist es möglich, Beschäftigte wegen ‘inoffizieller Arbeitskampfmaßnahmen’ (- außerhalb der königlich gesetzlichen Erlaubnis) oder wegen unerlaubter Arbeitsniederlegungen aufgrund von Sicherheitsbedenken bzw. wegen ‘Verweigerung freiwilliger Überstunden’ auf schwarze Listen zu setzen.  

Eingeschränkte Vereinigungsfreiheit auf dem königlich-britischen Sklaven- und Arbeitsmarkt für Zeitarbeitskräfte:  

»Die britische Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission hat die Ergebnisse einer Untersuchung über die Einstellung und Behandlung von Zeitarbeitskräften in der Fleisch- und Geflügelverarbeitung in England und Wales veröffentlicht, aus denen die größtenteils schlechte Behandlung dieser Beschäftigten hervorgeht, sowohl seitens der Vermittlungsagenturen als auch seitens der Betriebe, für die sie arbeiteten. Zudem wurde festgestellt, dass Misshandlungen in gewerkschaftlich organisierten Betrieben weniger häufiger vorkämen {...}« Beschäftigte berichten, dass ihr Vereinigungsrecht von den betrieblichen Machthabern eingeschränkt worden sei, und die Gewerkschaftsfeindlichkeit der privaten Unternehmer sie aus Angst vor deren Repressalien (Gewalt) von einem Gewerkschaftsbeitritt abgehalten habe.  

Die Gesetzgebung und deren erfindungsreiche komplexe Verfahren schränken das Streikrecht in Großbritannien ein: An mehreren Fällen wurde erneut deutlich, dass das Streikrecht durch zahlreiche gesetzliche Bestimmungen eingeschränkt wird und dass die privaten und staatlichen Unternehmer und Unternehmen Arbeitskampfmaßnahmen aus komplexen verfahrenstechnischen ‘Gründen’ und Konstruktionen unterbinden können. »Dazu gehören Verfahren bezüglich der Verpflichtung, eine geplante Streikurabstimmung anzukündigen«, gegenüber dem Unternehmer bzw. der Unternehmensleitung zu erklären, »wen die Urabstimmung betrifft, das Abstimmungsergebnis bekannt zu geben« (gegenüber den Mitgliedern und dem Unternehmen, damit die Geschäftsleitung entsprechende Gegenmaßnahmen und Repressionen einleiten kann) »und einen geplanten Streik anzukündigen.« - Merke: Die königlich-britische Gesetzgebung als Zuhälter der Kapitalinteressen, - analog modifiziert in der Germany AG.  

Entlassungen und gewerkschaftsfeindliche Taktiken im königlich-feudalbourgeoisen Großbritannien:  

Die Beschäftigten bei DHL in Runcorn im Nordwesten Englands sind tief besorgt über die Entlassung von zehn Fahrern, die Weigerung des Unternehmens, eine mit der Gewerkschaft ausgehandelte Vereinbarung einzuhalten sowie die geplante Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Schottland. Die von der Gewerkschaft Unite vertretenen Beschäftigten haben einen DHL-Vertrag mit Howdens, einem Küchenzubehörhersteller, der sehr gewerkschaftsfeindlich ist. Vor allem wurden hier betriebliche Gewerkschaftsvertreter entlassen, und eine mit der Gewerkschaft ausgehandelte Vereinbarung nicht eingehalten. Das Repressionstempo mit dem die Unternehmensseite vorgegangen ist, machte jegliche ‘sinnvolle Konsultation’ der betrieblichen Gewerkschaftsvertreter zunichte (- gewöhnlicher und alltäglicher Klassenkampf des königlich-britischen Kapitals etc.).  

British Airways nutzt (vorsätzlich) unklare gesetzliche Verfahren, um Streik von Kabinenpersonal zu unterbinden: Nach einer Streikurabstimmung Ende 2009, bei der sich die überwältigende Mehrheit für einen Streik ausgesprochen hatte, erhob die Geschäftsleitung von British Airways mit dem (faulen) Argument Einwand, dass die Gewerkschaft die geplante Urabstimmung ‘nicht ordnungsgemäß’ angekündigt und diejenigen Mitglieder, die ‘vermutlich eine freiwillige Entlassung akzeptieren würden’, nicht von der Urabstimmung ausgeschlossen habe. Die Gewerkschaft Unite erwiderte darauf, dass es weder praktikabel noch realistisch für die Gewerkschaft sei, herauszufinden, welche ihrer Mitglieder entlassen würden und wann. (Merke: Gewerkschaften dürfen sich nicht auf Hinhaltespielchen der Kapitalseite einlassen.) -  

Der feudalbourgeoise königlich-britische Hohe Gerichtshof gab dem Unterlassungsantrag von British Airways statt (‘Kassensolidarität’ der britischen Staatsbeamten), mit der Begründung, »dass die Gewerkschaft verpflichtet sei, festzustellen (bei einer Urabstimmung von rund 11.000 Personen), welche ihrer Mitglieder das Unternehmen vor Streikbeginn verlassen würden. Dieses verfahrenstechnische Versäumnis führte dazu, dass das Gericht dem Unterlassungsantrag stattgab, obwohl sich das Abstimmungsergebnis dadurch nicht geändert hat.« -  

Merke: In der Klassengesellschaft gibt es nur eine Gesetzgebung im Herrschaftsinteresse der herrschenden Klasse; - analog in der sogenannten “Sozialen Marktwirtschaft“ der deutschen Bourgeoisie und Aktionäre, deren ökonomischen, ideologischen und gesellschaftspolitischen Administration.  

Bei der zweiten Urabstimmung bei British Airways (BA) Anfang 2010 sprach sich erneut eine überwältigende Mehrheit der Beschäftigten für einen Streik aus. Diesmal erklärte das Berufungsgericht die Organisation der Urabstimmung für „tadellos“.  Dennoch beschwerte sich die BA-Führung, »dass die Gewerkschaft ihre Mitglieder nicht angemessen über das Abstimmungsergebnis unterrichtet habe. Der Hohe Gerichtshof erließ eine einstweilige Verfügung, die aber in der Berufung aufgehoben wurde, wobei einer der Berufungsrichter feststellte, dass die Gewerkschaft nicht verpflichtet sei, zu beweisen, dass jedem einzelnen Mitglied persönlich ein individueller Bericht zugeschickt worden sei. Das zu erwarten, sei unrealistisch {...}« - Merke: Ausnahmen in der Justiz bestimmen nicht die Regel. 

Wie Streikurabstimmungsregelungen der Gewerkschaft große Steine in den Weg gelegt werden:  

»Die Transportarbeitergewerkschaften National Union of Rail and Maritime Workers und Transport Salaried Staffs Associations sahen sich mit den Details der für eine Urabstimmung geltenden Ankündigungsbestimmungen konfrontiert, als sie einen möglichen Streik im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen ihrer bei Network Rail beschäftigten Mitglieder planten. Die Mehrheit sprach sich für einen Arbeitskampf aus, und die RMT kündigte den Streik ordnungsgemäß gegenüber« der Unternehmensleitung an, die »bei Gericht aus drei Gründen einen Unterlassungsantrag stellte. Ein Grund lautete, dass die bei der Ankündigung der Streikurabstimmung angegebenen Informationen angesichts der Informationen, die der Gewerkschaft vorgelegen hätten, nicht genau genug gewesen seien.«  

Das Unternehmen behauptete ferner, dass »die RMT ihre Mitglieder nicht angemessen über das Abstimmungsergebnis informiert habe. Die Gewerkschaft hatte eine SMS verschickt, in der stand, dass die überwältigende Mehrheit für einen Streik gestimmt habe. Ferner wurde ein Link zur Internetseite der Organisation angegeben, auf der das genaue Ergebnis stand.« -  

»Der vorsitzende Richter erklärte, die Mitglieder müssten direkt informiert werden und dürften nicht lediglich mitgeteilt bekommen, wo die Information zu finden sei. Dies war ein weiterer Grund für die Erteilung einer Unterlassungsanweisung, obwohl sich kein einziges Gewerkschaftsmitglied über fehlende Informationen beklagt hatte.«

[Ein modifizierter Auszug.]  

Quelle vgl.: Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB). Übersicht über die Verletzungen von Gewerkschaftsrechten. Berichtszeitraum 2010.  

Anmerkung: Der IGB ist ein Dachverband nationaler sozialdemokratischer Gewerkschaftsbünde. Er wurde am 1. November 2006 als Zusammenschluss gegründet. Der Dachverband hat 305 Mitgliedsorganisationen in 151 Ländern und Hoheitsgebieten auf allen fünf Kontinenten mit insgesamt 175 Millionen Mitgliedern, davon 70 Millionen Frauen.  

Empfehlung bei LabourNet.de Germany: Großbritannien.

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir am 16.08.2011  vom Autor für diese Ausgabe.