Von der Organisations- zur Programmdebatte

Sortieren oder diskutieren?

von
Robert Schlosser

7-8/11

trend
onlinezeitung

Als skeptischen „Seiteneinsteiger“ in die Diskussion über eine „neue antikapitalistische Organisation“ hatte mich die sehr positive Reaktion des „Blog-Administrators“ von „arschhoch“ überrascht, natürlich gefreut und ich war sehr gespannt auf  die in Aussicht gestellte „differenzierte“ Stellungnahme der Schöneberger. (Überrascht haben mich auch ein paar andere positive Bezugnahmen auf meine Einmischung.) Die „differenzierte“ Stellungnahme der Schöneberger liegt jetzt vor und hat mich auf den Boden der Tatsachen zurück geholt!

Redaktionelle Hinweise

Wir veröffentlichten in der Märzausgabe einen Beitrag der
„Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ zur Gründung einer antikapitalistischen Organisation. Darüber entwickelte sich eine Debatte, die durch das TREND TEACH IN ihren ersten Bilanzpunkt erfuhr. Die Statements wurden in der Juniausgabe des TREND veröffentlicht. Weitere in der aktuellen Sommerausgabe 7-8/11

Die "SchönebergerInnen" haben mittlerweile einen Blog eröffnet, der ebenfalls  die Debatte begleitet.

Erfreulicherweise - angestoßen durch Robert Schlossers Beitrag - scheint sich nun in der 2. Juli-Hälfte die Organisationsdebatte in eine Programmdebatte zu transformieren.

Worin die „Differenzierung“ besteht:

1.      In Bezug auf die Einschätzung der Bolschewiki und der Oktoberrevolution stellen die Schöneberger „grundsätzliche Differenzen“ fest. Wie wunderbar!

2.      Was den „Hausarbeits-Diskurs“ anbetrifft, stellen sie bei mir „abseitiges“ fest, weil ich die Anmerkung gewagt hatte, dass „Essenszubereitung eine sehr lustvolle und kreative Beschäftigung sein kann“. Ich bin beeindruckt!

3.      Was die „sozialistischen Tendenzen“ in „bürgerbewegten Protesten anbetrifft, so hätte ich angeblich „offene Türen“ bei ihnen eingerannt. (Wieso beklagten sie dann, das angeblich „offenkundige Desinteresse“ dieser Proteste an der „sozialen Frage“? Ich versuchte ihnen zu zeigen, dass darin „die soziale Frage“ zum Teil ganz praktisch gestellt wird.)

4.      Was das Verhältnis von sozialer Reform zu sozialer Revolution anbetrifft, so fühlen sich die Schöneberger durch meine Argumentation überhaupt nicht gemeint. Hätte ich also besser geschwiegen? Es scheint fast so!

5.      Schließlich und endlich hat man sich dazu durchgerungen ein von mir, Edit Barthelmus-Scholich „beworbenes“ und von Wal Buchenberg „ergänztes“ Minimalprogramm zu „begrüßen“. (Edit Barthelmus-Scholich hat mein angebliches „Minimalprogramm“ überhaupt nicht „beworben“, sondern ziemlich grundsätzliche Kritik geäußert!!)

Der einzige Punkt, in dem die Schöneberger überhaupt mit sowas wie einer Argumentation Stellung nehmen zu meinen Ausführungen, ist der Punkt Reform und Revolution.

  • In Bezug auf Oktoberrevolution und Bolschewismus verweigern sie jedes Argument für eine andere Bewertung. Obwohl sie den Mut verlangten, „die eigenen revolutionären Positionen wieder mit ein wenig mehr Selbstbewusstsein zu vertreten“. Dann sollten sie das auch tun.

  • In Bezug auf den „Hausarbeits-Diskurs“ verweigern sie jede Einlassung auf meine Argumentation wider die  „Auslagerung und Professionaliserung“ von Hausarbeit als zentralem Moment von Frauenbefreiung und meinen Hinweis auf den gesellschaftlichen Charakter der geschlechtlichen Arbeitsteilung. (Was ist denn für Frauen wirklich gewonnen, wenn sie von Hausarbeit befreit sind und sich anschließend mehrheitlich in Putzkolonnen, Pflegediensten und Großküchen wieder finden, „ausgelagert und professionalisiert“? „Gewonnen“ haben sie dann die direkte Lohnabhängigkeit und ein bisschen mehr finanzielle Unabhängigkeit von ihrem Mann. Die geschlechtliche Arbeitsteilung und die daraus resultierenden gesellschaftliche Benachteiligungen, Diskriminierungen etc. sind sie damit nicht losgeworden. Ein Grund warum manche Frauen nicht so begeistert sind von dieser Perspektive der „Befreiung“.

  • Meine Unterstreichung der großen Bedeutung des Kampfes um soziale Reformen für einen Prozess der Parteibildung der lohnarbeitenden Klasse grenzte sich ab gegen jene, die diesen Kampf grundsätzlich ablehnen (dazu zähle ich die Schöneberger nicht!) und gegen jene, denen bei sozialer Reform immer nur irgend eine beliebige Tagesforderung dieses oder jenes Teils der LohnarbeiterInnen einfällt (dazu zähle ich die Schöneberger), für die man selbstverständlich eintreten muss, aber keine Fokussierung auf jene Forderungen, in denen sich die Interessen der ganzen Klasse widerspiegeln.  Auf eine Diskussion dieser Frage, ihrer Bedeutung für die „Klassenorientierung“ haben sie sich nicht eingelassen, obwohl ich einiges an Argumentation entwickelt habe (was anderen wiederum durchaus auffiel – tendenzielle Aufhebung der Konkurrenz unter VerkäuferInnen von Ware Arbeitskraft). Aus dieser ganzen Argumentation resultiert ja bei mir die Hinleitung zu einer bestimmten Programmatik, die im ersten Papier der Schöneberger vollständig fehlte. (Ich kritisierte nicht, dass sei kein „komplettes Programm“ vorgelegt hatten, sondern dass sie nicht einmal ansatzweise solche programmatischen Ziele diskutierten! Die ganze Diskussion um ein „komplettes“  Programm oder „Minimalprogramm“ ist gespenstisch!)

  •  Jetzt „begrüßen“ sie die durch mich und Wal Buchenberg angestoßene programmatische Orientierung lassen aber zugleich jede ernsthafte Einlassung vermissen. Sie erklären sich mit allem einverstanden, was ich an Forderungen benannt hatte und was von Wal Buchenberg und auch Edit Barthelmus-Scholich „ergänzt“ wurde. Der Witz an der Geschichte ist, dass Ergänzungen und Kritiken der beiden erheblich voneinander abweichen. Dass es sich bei all dem bloß um ein „Missverständnis“ handelt, glaube ich erst, wenn die Schöneberger mit ihren Bewertungen von Differenzen aufhören und inhaltlich zu den strittigen Fragen klärend Stellung nehmen.

Viel lieber aber lassen sich die Schöneberger ausführlich ein auf Fragen wie:

  • Lenin als erster Postmoderner?

  • Dekonstruktivistischer Marxismus?

Jawoll! Das sind die zu klärenden Fragen die wichtig sind für eine „neue antikapitalistische Organisation“! Nämlich dann, wenn es sich nicht um eine Überwindung des Sektenwesens handelt, sondern um die Gründung einer neuen, zusätzlichen Sekte. Statt sich ernsthaft auf die Diskussion von Fragen einzulassen, die für eine mögliche gemeinsame politische Praxis einer „neuen kapitalistischen Organisation“ relevant sein könnten, lassen sie kein theoretisches Fettnäpfchen aus, um ihren stets bewertenden und sortierenden theoretischen Überblick zu demonstrieren. Natürlich haben die Schöneberger mit ihrer Einheit stiftenden Initiative „Traditions-Marxisten“ wie mich wohl nicht wirklich gemeint und sind wahrscheinlich von meiner Einmischung auch überrascht. Ihr Eklektizismus ist für mich jedenfalls eine sehr, sehr große theoretische Zumutung.

·        Da muss ich wie nebenher schlucken , „dass erst im Gegensatz von totem Kapital zu lebendiger Arbeit … der Wertbegriff seine  Berechtigung“ findet. (Dieses Zitat stammt aus einer Broschüre von Reitter und Hanloser. Ich habe sie einigermaßen ausführlich in meiner Rezension kritisiert, die man sowohl beim Unrast-Verlag als auch auf meiner Homepage nachlesen kann.  In einem kurzen Mailkontakt mit Reitter kündigte er mir eine Antwort auf die Kritik an, auf die ich bis heute warte. Ja, so läuft das! Man sitzt die Sachen aus, wie ein bekannter ehemaliger Bundeskanzler, in der Hoffnung, dass irgendjemand die Sachen einfach mal so aufgreift, um seinen Überblick zu demonstrieren. Und das funktioniert! Immer wieder. Ich könnte aus Erfahrung noch andere Beispiele anfügen.) 

·        Dass die „Dekonstruktion“ eines „substanzialistischen“ Wertbegriffs durch Heinrich „verdienstvoll“ sei. (Auch dazu gäbe es viel zu sagen. Ich verweise sowohl auf meine Kritik als auch auf andere argumentierende Kritiken, auf die M. Heinrich nie eingegangen ist.)

·        Ganz selbstverständlich geht Mann und Frau in der Schöneberger Intitiative davon aus, dass Hausarbeit zwar sonst keine Waren aber doch Ware Arbeitskraft produziert (worauf ich noch ausführlicher zurück kommen werde).

Um wieder nur einiges zu nennen.

Was ich in diesem Zusammenhang auch lernen musste: die Schöneberger meinen tatsächlich, durch ihre lockere Art der Schreiberei in informiert wirkender Überfliegermanier, könnten sie ermöglichen, dass „möglichst viele der Diskussion folgen können.“  Folgen? Was versteht man in Schöneberg darunter, einer Diskussion zu folgen? Begründeten Widerspruch ignorieren? Überfliegen eben und „beurteilen“?

Was tut da so eine Diskussionskultur gut, wie sie im marx-forum gepflegt wird! Argumente ernst nehmen und darauf eingehen. 

Mit solchem theoretischen Rüstzeug soll also die Einheit antikapitalistischer Grüppchen und Einzelpersonen in Deutschland voran gebracht werden. Man versucht jedes letzte Wort „moderner“ kritischer Theorie irgendwie in einen „Patchwork-Marxismus“  einzubauen, jede „traditionelle“ Antikritik ignorierend. Trotzt ihres Schielens auf die Linkspartei als Gegenpol von dem man sich in produktivem Prozess abzusetzen hätte, haben sie es nicht einmal für nötig gehalten, deren aktuellen Programmentwurf wenigstens ansatzweise einer angemessenen  Kritik zu unterziehen, um damit der ganzen Initiative von Anfang an eine programmatische Ausrichtung zu geben. 

Aber was reg ich mich auf! Eigentlich ist es genau das, was ich erwartet hatte: theoretische Beliebigkeit, „postmoderner“ Eklektizismus, die eine der wesentlichen Grundlagen des Sektenwesens bilden. Dann aussitzen und dicht machen. Mit solchen Grundlagen gibt es nicht einmal theoretisch die Chance, das moderne deutsche Sektenwesen zu überwinden. 

Ich will die Schöneberger aber trotzdem nicht so einfach davon kommen lassen und fasse noch einmal nach, so gut ich eben kann. Vielleicht gelingt es ja doch noch, dass sie öffentlich Farbe bekennen und z. B. ihr Konzept eines revolutionären Umbruchs auf Grund positiver Bewertung von Bolschewismus und Oktoberrevolution darlegen.

Außerdem möchte ich kurz auf die Kritik – nicht die angebliche „Bewerbung“ -  von  Edith Bartelmus-Scholich von scharf-links eingehen. So kurz wie möglich und so lang wiebeim gegenwärtigen Stand der Dingenötig. 

I. Konzept des revolutionären Bruchs

Ich hatte meine kritischen Gedanken zur russischen Revolution und zum Konzept der Bolschewiki wie folgt zusammengefasst:

„Ein neues „Konzept des revolutionären Bruchs“ kann aus meiner Sicht überhaupt nur durch ebenso kritische wie würdigende Überwindung des Konzepts des Bolschewiki erarbeitet und zur Erfolg versprechenden Grundlage einer neuen antikapitalistischen Organisation werden. Gelingt das nicht, dann ist eine solche „neue“ Organisation, von Anfang an ein tot geborenes Kind. “ 

Ich will also noch einmal versuchen, deutlich zu machen, dass wir sowohl in der Staatsfrage als auch in der Frage der angestrebten sozialistischen Umgestaltung der Produktionsverhältnisse (Formen der Verfügung über die Produktionsmittel, Formen der demokratischen Planung) ein Konzept brauchen, dass sich ausdrücklich kritisch von dem der Bolschewiki abhebt. Das ist keine Frage, die man in einer programmatischen Diskussion offen lassen darf, etwa um „Staatssozialisten“ gleich welcher Couleur Zugeständnisse zu machen.  

Pariser Kommune und Oktoberrevolution

Aus meiner Sicht sind das zwei sehr unterschiedliche, ja geradezu gegensätzliche Varianten einesrevolutionären Bruchs“. Ich beziehe mich dabei auf 3 Dokumente:

  • Bürgerkrieg in Frankreich (Marx)

  • Staat und Revolution (Lenin)

  • Verfassung der Sowjetunion von 1923 (Bestätigt auf dem 2. Sowjetkongress von 1924).

Marx formulierte, angeregt durch die Praxis der Pariser Kommune, das  „Konzept eines revolutionären Bruchszusammenfassend wie folgt:

„Wenn alle großen Städte sich nach dem Muster von Paris als Kommune organisierten, könnte keine Regierung diese Bewegung durch den plötzlichen Vorstoß der Reaktion unterdrücken. Gerade durch diesen vorbereitenden Schritt würde die Zeit für die innere Entwicklung, die Garantie der Bewegung gewonnen. Ganz Frankreich würde sich zu selbstätigen und sich selbst regierenden Kommunen organisieren, das stehende Heer würde durch die Volksmiliz ersetzt, die Armee der Staatsparasiten beseitigt, die klerikale Hierarchie durch die Schullehrer ersetzt, die Staatsgerichte in Organe der Kommune verwandelt werden; die Wahlen in die nationale Vertretung wären nicht mehr eine Sache von Taschenspielerstücken einer allmächtigen Regierung, sondern der bewusste Ausdruck der organisierten Kommunen; die Staatsfunktionen würden auf einige wenige Funktionen für allgemeine nationale Zwecke reduziert.
Das
ist also die Kommune - die politische Form der sozialen Emanzipation ….“
(Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, Dietz-Verlag Berlin, S. 173) 

Durchgängig ist bei Marx der zu zerbrechende Staat, dieses Werkzeug der Klassenherrschaft, die zentralisierte und organisierte Regierungsgewalt“.

In Vorbereitung der russischen Oktoberrevolution schrieb Lenin sein „Staat und Revolution“, in dem er sich ausdrücklich auf die Pariser Kommune und Marx bezieht und beruft. Im Abschnitt „Organisierung der Einheit der Nation“ interpretiert er Marx wie folgt:

„Marx ist Zentralist.  … Nur Leute, die vom kleinbürgerlichen 'Aberglauben' an den Staat erfüllt sind, können die Vernichtung der bürgerlichen Staatsmaschine für eine Vernichtung des Zentralismus halten!“ (Lenin, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 362) 

Eine mutige Interpretation all dessen, was Marx über die Kommune geschrieben hatte, über die man nun lange in alter dogmatischer Manier diskutieren könnte! Es geht jedoch nicht um Textexegese, sondern um praktische, gesellschaftliche Auswirkungen bestimmter Positionen und Interpretationen. Lenins  Interpretation der Pariser Kommune und ihrer Aufarbeitung durch Marx blieb nicht folgenlos und schlug sich in der Verfassung der Sowjetunion von 1923, bestätigt auf dem 2. Sowjetkongress von 1924 nieder. (Das komplette Kapitel 1 dieser Verfassung - „Über die Kompetenz der obersten Machtorgane der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken“ - findet ihr im Anhang zu diesem Manuskript.) Darin ist nichts zu spüren von einer Reduzierung der Staatsfunktionen auf einige wenige. Dieses Dokument drückt aus, dass an die Stelle „der alten zentralisierten Regierung“ nicht die „Selbstregierung der Produzenten“ getreten war, sondern eine neue zentralisierte Regierung mit umfassendsten Befugnissen und keine „Kommunalverfassung“ von „sich selbst regierenden Kommunen“! Die Verfassung war ein Dokument des von Lenin verlangten „proletarische Zentralismus“!

Die Bolschewiki schufen eine allmächtige zentrale Staatsgewalt! Und diese brauchten sie auch, um ihren „Sozialismus“ der überwältigenden Mehrheit der Bauern aufzudrücken und schließlich die „ursprüngliche sozialistische Akkumulation“ ins Werk zu setzen. In einer Gesellschaft mit Kommunalverfassung à la Pariser Kommune wäre das alles nicht möglich gewesen! Der „Sozialismus“ in der Sowjetunion beruhte gerade nicht auf „Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft“ (Marx) sondern auf der Übertragung einer geradezu absolutistischen, vollständig zentralisierten Staatsgewalt auf eine Partei, die Bolschewiki. Dass diese Partei sich selbst ein Zertifikat ausstellte, einzig, allein und in jeder Situation legitime Vertreterin der „Interessen des Proletariats“ zu sein, machte die Sache nicht besser, sondern schlechter. 

Die großen Differenzen zwischen Marx und Lenin in Bezug auf das „Konzept eines revolutionären Bruchs“ bleiben aber nicht auf die Fragen der Demokratie und die Zerschlagung des zentralen Staatsapparates beschränkt; also auf die Fragen in welchen Formen die Rücknahme der Staatsgewalt durch die Gesellschaft erfolgen kann. Sie beziehen sich auch auf die Fragen der sozialistischen Umgestaltung der Wirtschaft.

„Wenn aber die genossenschaftliche Produktion nicht eitel Schein und Schwindel bleiben, wenn sie das kapitalistische System verdrängen, wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigene Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und den periodisch wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll – was wäre das andres, meine Herren, als der Kommunismus, der 'mögliche Kommunismus'? “

 (Marx, „Bürgerkrieg in Frankreich“, Dietz Verlag Berlin, 1963, S. 77)

Bei Lenin liest sich das so:

„Nun, wenn aber das Proletariat und die arme Bauernschaft die Staatsgewalt in ihre Hände nehmen, sich vollkommen frei in Kommunen organisieren und das Wirken aller Kommunen vereinigen, um das Kapital zu schlagen, der Widerstand der Kapitalisten zu brechen und das Privateigentum an den Eisenbahnen, Fabriken, an Grund und Boden usw. der gesamten Nation, der gesamten Gesellschaft zu übertragen – wird das etwa kein Zentralismus sein? Wird das nicht der konsequente demokratische Zentralismus sein? Und dazu noch proletarischer Zentralismus?“ Lenin, Ausgewählte Werke Bd. 2, S. 362

Während Marx die „lokale Selbstregierung“ und die genossenschaftlichen Betriebe als demokratischen Ausgangspunkt jedes reduziert verbleibenden Zentralismus, jeder Planung nimmt, setzt Lenin ihnen jeweils eine „Staatsgewalt“ vor die Nase, einen „proletarischen Zentralismus“, bei dem alle entscheidenden Befugnisse bei den zentralen Körperschaften liegen. Die „sozialistische“ Verfassung und die Praxis in der Sowjetunion hat – nicht erst seit Stalin – gezeigt, dass auf diesem Weg keine kommunistische Umwälzung eingeleitet werden kann. Die „gesamte Nation“, die „gesamte Gesellschaft“ von der Lenin da spricht, das war nie der Verbund von sich selbst regierenden Kommunen und frei assoziierten Genossenschaften, sondern eine alles bedrückende und unterdrückende zentrale Staatsgewalt. 

Selbstverständlich kann und muss man über die hier angesprochenen Punkte diskutieren, wenn es um ein neues Konzept des revolutionären Bruchs geht! Und es reicht nicht aus, Positionen von Marx und Lenin gegeneinander zu stellen. Schließlich war der „Staatssozialismus“ in Russland ein Ergebnis von Klassenkämpfen und einer Revolution unter ganz konkreten gesellschaftlichen Umständen. Ohne eine historisch-materialistische Berücksichtigung dieser Umstände bleibt die kritische Würdigung der russischen Revolution unvollständig. 

Allerdings so zu tun, als könne man in Anbetracht der Geschichte und ihrer Ergebnisse, diese Fragen offen lassen und  brauche die Option auf einen „Staatssozialismus“ à la Bolschewiki nicht bewusst auszuschließen, das kann aus meiner Sicht nicht akzeptiert werden. Mit dem Bolschewismus liebäugeln und sich gleichzeitig mit der Orientierung auf demokratische Kommunalisierung in einem „revolutionären Minimalprogramm“ einverstanden erklären, das heißt für mich, dass die Bedeutung dieser Frage entweder gar nicht erkannt, nicht ernst genommen wird oder man sie erneut bloß als Vehikel benutzen will, um anderes durchzusetzen. 

II. Zwischenspiel über die Kritik an meinem „Minimalprogramm“

Fürs Erste muss ich jetzt die „Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ mit ihrem Unmut über meine Erwiderung allein lassen und mich auf einen anderen „Kriegsschauplatz“ begeben.

Zunächst hatte Wal Buchenberg mein „Minimalprogramm“ als unzureichend, nur gewerkschaftlich und „unpolitisch“ kritisiert. Daraus hat sich eine ebenso kurze wie gute und klärende Diskussion im marx-forum entwickelt. (Für Interessierte sei darauf hingewiesen, dass dort die Diskussion über ein „revolutionäres Minimalprogramm“ fortgesetzt wird.) Ich schrieb im marx-forum dazu:

Hallo zusammen,
ich würde gern noch einmal klarstellen, dass ich mit dem Schluss meines Diskussionsbeitrages kein Minimalprogramm vorschlagen wollte! Mir ging es darum, einige zentrale Punkte anzusprechen, die in ein solches Minimalprogramm gehören; damit klar wird in welche Richtung sich eine programmatische Diskussion entwickeln muss. Zu jedem einzelnen Punkt wäre Untersuchungsarbeit zu leisten und eine angemessene Argumentation zu entwickeln, damit eine Grundlage für Agitation entsteht.“

http://www.marx-forum.de

Am Schluss der paar Forderungen/Ziele, die ich erwähnt hatte, stand übrigens:

„... um nur einiges zu nennen...“

Ein ausformuliertes Minimalprogramm war also weder beabsichtig, noch hatte das, was ich geschrieben habe, viel damit zu tun. (Von den Schönebergern hätte ich ebenfalls niemals ein solches Programm erwartet und ihnen das auch nicht zum Vorwurf gemacht! Jetzt tun sie so, also habe diese Erwartung bestanden!)  Es ging und geht mir erst einmal grundsätzlich um programmatische Inhalte, weniger noch um konkrete Formulierung von Forderungen, als vielmehr um Benennung von Zielen, auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung und darüber hinaus. Ich lege durchaus Wert auf diese Unterscheidung zwischen Forderung und Ziel! Selbst wenn eineneue antikapitalistische Organisationmit einigen tausend StreiterInnen entstündewas ich unter gegebenen Bedingungen für ausgeschlossen halte -, dann hätte sie gegenüber der bürgerlichen Klasse wenig zu fordern! Wer fordert muss auch die Macht haben, diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Tatsächlich hätte diese neue Organisation aber vor allem die Aufgabe unter den Lohnabhängigen für bestimmte Ziele zu werben, damit man sich verständigt und stark genug wird, um von Kapital und Staat überhaupt etwas fordern zu können (Parteibildungsprozess eben), ohne sich lächerlich zu machen. 

Obwohl Wal Buchenberg meine Klarstellung bezüglich Minimalprogramm in öffentlicher Diskussion ohne weiteres akzeptiert hat, sehe ich mich nun erneut mit dem gleichen Vorwurf von Edith Bartelmus-Scholich konfrontiert. Sie schreibt:

Schlossers Minimalprogramm ist mithin nicht ausreichend - und das nicht nur, weil Mindestlohn und eine sanktionsfreie, armutsfeste Grundsicherung an Stelle von Hartz IV in seinem Katalog fehlen. Gravierender ist, dass seine Forderungen allein im Sozialreformerisch-Ökonomistischen stecken bleiben. Problematisch ist zudem, dass keine seiner Forderungen über die der Linkspartei hinaus geht.“

Super! Da kommt doch Freude auf, und ich bedanke mich für die erneute Belehrung! Das würde mich glatt sprachlos machen, wenn diese Kritik nicht noch weiter ginge. Wird doch da  behauptet, dass keine meiner Forderungen über die der Linkspartei hinausginge. Entweder der Verfasserin dieser Kritik und mir liegen unterschiedliche Programmentwürfe vor, oder sie hat den Programmentwurf nicht wirklich gelesen. In dem mir vorliegenden Programmentwurf, der jetzt auch als Leitantrag an den nächsten Parteitag gestellt ist –  und bei mir abwechselnd Kopfschütteln und lautes Gelächter hervorgerufen hatheißt es etwa zur Rente:

Wir fordern die Widereinführung der Regelaltersgrenze mit 65 Jahren und die Möglichkeit, schon vorher flexibel aus der Erwerbsarbeit auszusteigen.“

und zu ihrer Finanzierung:

Für eine armutsfeste gesetzliche Rente für alle Erwerbstätigen, die paritätisch von Erwerbstätigen und Unternehmen bezahlt wird...Bei Bedarf muss die gesetzlich Mindestrente aus Steuermitteln auf eine armutsfeste, solidarische Grundrente angehoben werden.“

Ich schrieb in meinem ersten Diskussionsbeitrag u.a.:

  • für die Rente mit 60

  • für eine Selbstverwaltung der Sozialversicherungen durch die Versicherten, Bestreitung der Kosten durch das Kapital und Beseitigung aller privaten Sozialversicherungen.

Muss ich das tatsächlich noch weiter kommentieren? Nein! 

Die Erkenntnis, die sich wohl doch irgendwie breit macht, dass programmatische Klärung eine zentrale Voraussetzung für die Gründung einerneuen antikapitalistischen Organisationwäre, steht offenbar im Widerspruch dazu, diese Klärung ernsthaft betreiben zu wollen. So jedenfalls kann man nichts klären, sondern müssen Beteiligte sich ständig selbst erklären. Eine produktive Diskussion ist auf diese Art nicht möglich! Wie ein produktive Diskussion möglich ist, dass kann man ansatzweise im Marx-Diskussionsforum von Wal Buchenberg bestaunen. 

Edith Bartelmus-Scholich kritisiert an meinemKatalogweiter, dass darin derMindestlohn und eine sanktionsfreie, armutsfeste Grundsicherung an Stelle von Hartz IVfehlen.

1.      Was den gesetzlichen Mindestlohn anbetrifft, so bin ich damit einverstanden. Die ökonomischen Tendenzen in den entwickelten kapitalistischen Ländern, den Preis der Ware Arbeitskraft unter ihren Wert zu drücken, zeigen immer stärker ihre Wirkung und werden durch den Staat massiv gefördert und repressiv durchgesetzt. (In anderen Teilen der Welt sind Löhne, die kaum das physische Überleben ermöglichen, sowieso weit verbreitet.) Es ist wichtig, dass sich dagegen Widerstand entwickelt und versucht wird, dem Kapital durch Gesetz eine Schranke zu setzenDieses Ziel allgemein zu formulieren, bringt aus meiner Sicht allerdings nichts! Das Interesse der LohnarbeiterInnen kann nicht darin bestehen überhaupt einen gesetzlichen Mindestlohn zu verlangen; er kann nur darin bestehen, diesen in einer solchen Höhe zu verlangen, dass die Ware Arbeitskraft mindestens zu ihrem Wert gekauft werden muss. Wie man die Forderung programmatisch formulieren könnte, ohne bei wechselnden Umständen ständig das Programm umschreiben zu müssen, das bliebe noch die Frage. (Wal Buchenberg hat dazu im Forum einenwie ich findeguten Vorschlag gemacht, obwohl er grundsätzlich einer solchen Forderung skeptisch gegenübersteht.)

2.      Was unter einersanktionsfreien, armutsfesten Grundsicherungauf der Basis kapitalistischer Verhältnisse zu verstehen ist, in welcher Form sie also durchgesetzt werden sollte, ob das überhaupt geht, müsste geklärt werden. Die Forderung nach einemBedingungslosen Grundeinkommenlehne ich jedenfalls grundsätzlich mit einigen Argumenten ab, was man sowohl bei labour.net als auch auf meiner homepage nachlesen kann.  

Besondersgravierendfindet Edith Bartelmus-Scholich, dass ich imSozialreformerisch-Ökonomistischenstecken bleibe. Aus diesem Vorwurf - mehr ist es ja nicht, weil ohne jede inhaltliche Argumentation in den Raum gestellt - lese ich zunächst nur ab, dass wir sehr unterschiedlicher Meinung darüber sind, wasökonomistischund was politisch ist.

Ich versuche also - bewusst unpolemisch - meine Position zu erklären:

Alle Teilziele sozialer Emanzipation, die sich aus den Arbeits- und Lebensbedingungen eben der ganzen Klasse der LohnarbeiterInnen ergeben, können auch nur durch Kämpfe der ganzen Klasse oder doch wenigstens großer Teile davon, in allgemein verbindlicher Form durchgesetzt werden. In der bürgerlichen Gesellschaft verlangt dies die Erzwingung eines Gesetzes, erfordert also entsprechenden Druck auf Regierung, zentrale Staatsgewalt. Insofern ist für mich jeder wirkliche Klassenkampf ein politischer Kampf, ob es sich dabei nun um einen Kampf um gesetzlichen Mindestlohn in bestimmter Höhe, die gesetzliche Begrenzung der täglichen oder Lebensarbeitszeit oder die Begrenzung von Nacht- und Schichtarbeit etc. handelt. Das als ökonomischen Kampf oder garÖkonomismuszu bezeichnen, halte ich für grundlegend falsch. Die Politik ist eben nicht auf Fragen der Demokratie, bzw. auf Fragen der Gestaltung der politischen Macht, begrenzt. Für alle  wesentlichen ökonomischen und sozialen Fragen gibt es im Kapitalismus Gesetze, in denen sich staatliche Einflussnahme, gesellschaftliche Regulation durch politische Macht, ausdrückt. Von erkämpften Zugeständnissen, Klassenkompromissen abgesehen, drückt sich in diesen Gesetzen nichts anderes aus, als das Interesse der Bourgeoisie und ihre Macht, diese für allgemein zu erklären und mit staatlicher Macht durchzusetzen.  

Ferner:

Inwieweit bestimmte soziale Teilziele auf dem Wege sozialer Reform oder erst mit beginnender sozialer Revolution durchgesetzt werden können, dass hängt von den konkreten Umständen, speziell von den Verwertungsbedingungen des Kapitals ab. Wer meint, heute könne man eine Sache wie etwa die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle fürArbeitermit den gleichen beschränkten Mitteln (Streiks in einem Tarifbezirk) erkämpfen wie dazumal, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Wer meint, eine Sache, wie die Adenauersche Rentenreform von 1957, die die Renten drastisch erhöhte und allein deshalb zugestanden wurde, weil bis dahin die Nominalrenten in der DDR höher waren als in der BRD, für den gilt das gleiche. (Sicherung des inneren sozialen Friedens, Immunisierung der Bevölkerung gegen kommunistische Agitation und Attraktivität der Bundesrepublik gegenüber der DDR.“ Das war Adenauers Leitmotiv für die Rentenreform.)

Allein diese beiden Beispiele mögen zeigen, wie sehr sich die Verhältnisse geändert haben und wie leicht ein radikaler Sozialreformismus heute den Weg ebnen könnte für den Beginn einer veritablen sozialen Revolution.

Die alten Sozialreformer schlussfolgerten aus den veränderten Bedingungen der Kapitalverwertung messerscharf, dass man solche Ziele nicht mehr formulieren dürfe, um das System nicht zu gefährden. Sie sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und sind zu Sozialreaktionären geworden, siehe Hartz IV. Die neuenSozialreformerder Linkspartei wollen in die Fussstapfen der alten treten, vollführen unter den gegenwärtigen Bedingungen der Kapitalverwertung einen programmatischen Eiertanzworauf ich bei Gelegenheit zurückkommen werdeund werden selbst sehr schnell zur Sozialreaktionären, wo sie an der Macht teilhaben (z.B. Berlin). 

Ich erlaube mir, dies mal erneut aufzuschreiben, auch wenn ich damit bei den Schönebergern  wieder „offene Türen einrennensollte und mich von ihnen möglicher Weise fragen lassen muss, gegen wen ich da eigentlich argumentiere. Solche Ausführungen sollen der Klärung dienen, weil wir ja unter sehr vielen Begriffen sehr unterschiedliche Sachverhalte verstehen!!! Damit will ich auch die Gelegenheit zur Kritik meines Verständnisses geben! (Wohlgemerkt argumentierende Kritik und nicht Etiketten aufkleben!!) 

Interessant werden für mich die Ausführungen von  Edith Bartelmus-Scholich vor allem da, wo sie konkret zur Art der möglichen Organisation Stellung nimmt und sie sich ernsthaft bemüht aus der Perspektive der Kommunalisierung Rückschlüsse zu ziehen für die Organisierung in einerneuen antikapitalistischen Organisation“. Die Perspektive einer Vernetzung kommunaler Zusammenschlüsse zum Zweck der Entwicklung einer gemeinsamen Praxis finde ich nicht nur sympathisch sondern auch angemessen und richtig. Weiter will ich mich dazu aber nicht äußern, weil das alles Schnee von morgen ist und nur greifen könnte, bei entsprechender programmatischer Klärungund um die ist es nicht gut bestellt. 

So sieht also die angeblicheBewerbungmeinesMinimalprogrammsdurch Edith Bartelmus-Scholich aus, und das halte ich davon … und: all das empfinde ich als „gravierend“ und „problematisch“! 

III. Klassenorientierung

Bei der Klassenorientierung fühlt sich die „Sozialistische Initiative Berlin-Schöneberg“ „richtig verstanden“. Wenn das so ist, dann fühle ich mich zumindest missverstanden. In meiner Kritik an ihrem Papier hatte ich nämlich die Art ihrer Klassenorientierung in verschiedener Hinsicht in Frage gestellt. Ich hatte nicht nur bemängelt, dass nahezu jeder Versuch einer Formulierung von Zielen, unter denen sich die LohnarbeiterInnen möglicherweise als Klasse verständigen und zusammenrotten könnten fehlt – sozusagen „betriebsübergreifend“ - , sondern wie sie überhaupt ihre „Klassenorientierung“ begründen. Nämlich u.a. mit „dem Betrieb“ als zentralem Ort der Klassenauseinandersetzung. Zugegeben, ich habe manches überspitzt formuliert, aber die Auseinandersetzung haben sie mir auch in diesem Punkt verweigert. Ich kann noch immer darüber spekulieren, ob sie den einzelnen Betrieb (einer ganzen bestimmten Art dazu) schon als zentralen Ort der Klassenauseinandersetzung verstehen oder die Summe aller Betriebe (gleich welcher Art). Für die Entwicklung sozialer Auseinandersetzung zwischen Lohnarbeit und Kapital ist das nämlich von erheblicher  Bedeutung. Ist schon die soziale Auseinandersetzung in jedem einzelnen Betrieb – wenn er nur sowas wie Autos produziert - um beispielsweise eine Lohnerhöhung etc. Klassenkampf oder fängt dieser Klassenkampf erst da an, wo die Arbeits- und Lebensbedingungen aller LohnarbeiterInnen zum Ausgangspunkt für Auseinandersetzungen werden? Welche Konsequenzen hat das für Entwicklung von Klassenbewusstsein, bzw. für die Aufgaben einer „neuen antikapitalistischen Organisation“ im Prozess der Entwicklung eines solchen Klassenbewusstseins?

Das mir bekannte Resultat von Positionen, die denen der „Sozialistischen Initiative Berlin-Schöneberg“ nahe kommen, führt in aller Regel dazu, dass in soziale Kämpfe in einem Betrieb etwas hineinprojeziert wird („Klassenkampf“, „Klassenbewusstsein“) was gar nicht da ist. Und auch solche Projektionen wären schlechte Basis für eine „neue antikapitalistische Organisation“! Die Agitation für und die Verständigung auf Ziele im Interesse aller LohnarbeiterInnen ist gerade in Deutschland von entscheidender Bedeutung, wenn sich hier was tun soll! Allein darin lauert die Hydra allgemeiner Streikbewegungen, politischer Streikbewegungen. Und nur aus solchen allgemeinen politischen Bewegung für Forderungen der ganzen Klasse könnte sich überhaupt jemals eine erfolgversprechende soziale Revolution entwickeln, wenn die konkreten Umstände dafür reif sind. Anders ist alles Gerede von Klassenbewusstsein und Klassenkampf nichts als gegenstandslose Projektion von Ideologen auf jeden mehr oder weniger kleinen sozialen Konflikt, der durch den Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital erzeugt wird. Diese Konflikte gebetsmühlenartig auf diesen Gegensatz zurückzuführen ist die ganze Kunst „revolutionärer Politik“ heute. Genau das aber reicht nicht! 

Über dasEinrennen offener Türen

Die Schöneberger lehnen den Kampf um Reformen nicht ab! Das habe ich ihnen auch nicht vorgeworfen. Ich habe mich daran gestört, dass sie die FrageReform oder Revolutionin den Raum stellen, ohne sie umzuformulieren zu der Frage, wie aus dem Kampf um soziale Reformin Deutschland gibt es ja heute auch den kaumder Kampf um soziale Revolution werden kann.

In ihrem Text sah ich den bloßen Dualismus, nicht wie das eine in das andere umschlagen kann, keinerlei theoretische Anstrengung, wie in Antizipation dieser Umschlag vorweggenommen undsozusagen programmatisch - geplant werden kann. (VonwegenKonzept eines revolutionären Bruchs“.)

Dass die Schöneberger nichts gegen den Kampf um soziale Reformen einzuwenden haben, war und ist nicht der Punkt! Was ihnen bei sozialer Reform einfiel, das war der Punkt!

Was also bleibt, ist mein Unbehagen, ob sie die Bedeutung des Kampfes um Reformen - im Sinne des oben genannten Verständnisses von Klassenkampf - für den Prozess derBildung des Proletariats zur Klasseund des Umschlagens vom Kampf um Reformen in die soziale Revolution - überhaupt begreifen und akzeptieren können. 

IV. Produktionsverhältnisse und gesellschaftliche Arbeitsteilung
(
zurVerschränkungverschiedener Formen von Unterdrückung)

Vorab:

Alle Debatten über irgendwelche Wertigkeiten von Unterdrückung und daraus abgeleitetenHaupt- und Nebenwidersprüchensind für mich Ausdruck intellektueller Irrläufe vonAußenstehenden“, die aus der Kirchturmsperspektive auf gesellschaftliche Praxis herabschauen. Sowas bezeichne ich alsabseitig“.

Es ist sowieso klar, dass eine Frau, in welcher sozialen Position sie sich sonst immer befindet, den Widerspruch zu ihrem Mann alsHauptwiderspruchbetrachten muss, wenn sie von ihm regelmäßig geschlagen und sexuell misshandelt wird.

Es ist sowieso klar, das jemand in Deutschland mitbeispielsweise - afrikanischer Herkunft, der allein auf Grund seiner Hautfarbe in all seinen Arbeits- und Lebensbereichen massive Diskriminierung und Benachteiligung erfährt, die rassistische motivierte Unterdrückung alsHauptwidersprucherfahren muss. Usw. 

Herrschaft von Menschen über Menschen resultieren nicht nur aus Eigentumsverhältnissen, sondern auch aus Arbeitsteilung. Eine bestimmte Arbeitsteilung kann genau so Ausschluss vom Zugriff auf gesellschaftlichen Reichtum und Verhinderung individueller Entwicklungsmöglichkeiten bedeuten, wie Eigentumslosigkeit. Zu den großen hierarchischen gesellschaftlichen Arbeitsteilungen würde ich heute zählen:

  • die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land

  • die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern

  • die Arbeitsteilung zwischen Kopf- und Handarbeit

  • die internationale Arbeitsteilung zwischen entwickelten und in Unterentwicklung gehaltenen Ländern.

Sie bedeuten:

  • Herrschaft der Städte über das Land

  • Herrschaft des Mannes über die Frau

  • Herrschaft der Kopfarbeiter über die Handarbeiter

  • Herrschaft der entwickelten über die unterentwickelt gehaltenen Länder

z.B.:

Die Behauptung der Minderwertigkeit anderer Menschen und Kulturen ist so alt wie die Unterwerfung anderer Menschen und Kulturen. Diese Behauptung der Minderwertigkeit dient immer der Legitimation einer vollzogenen oder beabsichtigten Unterwerfung. Der moderne europäische RassismusinWissenschaftwie Alltagsbewusstseinist nichts anderes als das Produkt der aggressiven Kolonisierung der Welt durch die Großmächte Europas. In seiner modernen Form alsRassentheorieist er überhaupt erst in diesem Kontext entstanden. Diese gewaltsame Kolonisierung der Welt hat eine bestimmte internationale Arbeitsteilung zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern eingerichtet, die beständig pseudobiologisch reflektierte Grundlage für rassistisches Gedankengut und Praxis auch heute bleibt (siehe etwa Sarrazin). 

Die ganze Diskussion über dieWertigkeitvon unterschiedlichen Formen der Unterdrückung ist sozusagen der Gipfel des Niedergangs moderner sozialrevolutionärer BestrebungenSie ist hierzulande wohl nicht zuletzt Resultat des notwendigen feministischen Widerstands gegenMarxismus-Leninismus“, der allein ständig mitHaupt- und Nebenwiderspruchà la Mao-tse-tung operierte. Dieser Feminismus hat reichliches Material zur Kritik des auch in der modernen, demokratischsten bürgerlichen Gesellschaft fortexistierenden Patriarchats zusammengestellt (z. B. sexuelle Verfügbarkeit und Gewalt). Leider ist dieser Feminismus dabei nicht stehen geblieben, sondern hat versucht, das Geheimnis der Kritik der Politischen Ökonomie (die Produktion des Mehrwerts) neu und modern in einer Kritik von Hausarbeit aufzulösen. Werlhoff und Joosten mögen als Beispiele dafür gelten, wie versucht wurde, den Mehrwert aus feministischer Patriarchatskritik neu zu begründen.  

So daneben eine Diskussion überWertigkeitenvon Unterdrückung ist, so daneben ist aus meiner Sicht jeder Versuch, einen systematisch, zwingenden Zusammenhang zwischen Hausarbeit und Mehrwertproduktion herzustellenEine der radikal-feministischen Legenden, ihr Ausgangspunkt besteht darin, dass angeblich die Hausarbeit die Ware Arbeitskraft produziere. Wie vieles andere Moderne auch, wird das von den Schönebergern gern aufgegriffen. 

Dazu folgende Thesen:

I.

Die Macht von Männern über Frauen resultiert nicht primär aus einem Produktionsverhältnis namens „Hausarbeit“ und die Hausarbeit produziert grundsätzlich keine Waren, auch nicht die Ware Arbeitskraft.

Die Arbeitskraft wird überhaupt nicht als Ware „produziert“ wie andere Waren, u.a. weil sie als lebendiges Arbeitsvermögen untrennbar zu jedem Menschen gehört, nicht nur zu einer Klasse von Menschen und nicht losgelöst vom kompletten Menschen. Die Umstände, die die menschliche Arbeitskraft zur Ware machen haben nichts, absolut nichts (!) mit  der Hausarbeit zu tun; auch wenn die VerkäuferInnen von Ware Arbeitskraft (unter bestimmten Umständen) und Kapitalbestizer sich nicht ohne „Hausarbeit“ reproduzieren.

Die menschliche Arbeitskraft wird nur dort und insofern zur Ware, als die Menschen, zu deren natürlichen Eigenschaften sie gehört, über keinen Besitz an den gegenständlichen Bedingungen ihrer Reproduktion (Produktionsmittel) verfügen. Als Ware reproduziert sich menschliche Arbeitskraft ausschließlich im Austausch mit ihrem Käufer und Konsumenten, dem Kapital. Das Wertgesetz macht es möglich, das sich das Kapital als Verhältnis reproduziert und Arbeitskraft Ware bleibt.

Jede Form der Hausarbeit, ob bezahlt (Diensleistungspersonal des Kapitals) oder unbezahlt (Dienstleistung der Frau am Manne in der Familie der „kleinen Leute“) liefert nichts anderes als Gebrauchwerte. Egal ob sie sich in Mahlzeiten vergegenständlicht oder „ideell“ bleibt. Hausarbeit schafft weder Ware noch Wert und ihre Kritik ist damit nicht unmittelbar Gegenstand der wissenschaftlichen Kritik Politischer Ökonomie, weil deren Gegenstand das Kapital, die verallgemeinerte Warenproduktion, ist.  

II.

Dass die Reproduktion des Menschen mehr ist, als die Reproduktion seines Arbeitsvermögens als Gebrauchswert fürs Kapital (Ausübung ganz bestimmter Tätigkeiten in der Mehrwertproduktion), sollte eigentlich klar sein. Daraus ergibt sich aber ein beständiger Widerspruch zwischen dem, was zur Reproduktion der Arbeitskraft mit einem bestimmten Gebrauchswert fürs Kapital (Ware) nötig ist und was der Mensch, dem diese Arbeitskraft anhaftet sonst noch so benötigt und unter Umständen auch verlangt.

Das Kapital entwickelt keine Nachfrage nach Menschen, sondern nach bestimmten Befähigungen eine ganz bestimmte Arbeit auszuführen und die Umstände auszuhalten, die die Auspressung von unbezahlter Mehrarbeit möglich machen.

Dem „menschlichen Rest“, der für das Kapital nicht unmittelbar einen Gebrauchswert hat, kann/muss auf verschiedene Weise auch unter kapitalistischen  Produktionsverhältnissen Rechnung getragen werden und es hängt ganz von den geschichtlich gewachsenen Verhältnissen und den Ergebnissen von Klassenauseinandersetzungen ab, wie das geschieht. (Mit Familie, ohne Familie, mit „Sozialstaat“, ohne „Sozialstaat“, mit ausreichenden Arbeitsunterbrechungen zur Regeneration oder ohne usw.) Unter bestimmten außergewöhnlichen Bedingungen der Kapitalverwertung kann/muss die Hausarbeit der Frau den lohnarbeitenden Mann fürs Kapital verfügbarer machen. Unter anderen Bedingungen, setzt sich natürwüchsig eine Tendenz durch, die den Privathaushalt von LohnarbeiterInnen vollständig auflöst (z.B. Wanderarbeiter in China, die sich selbst mit ihrer Arbeitskraft ganz ohne weibliche Hausarbeit reproduzieren).

Das Kapital verlangt nicht die „proletarische Familie“ mit Hausarbeit der Frau, aber es schließt sie auch nicht aus. Kapitalismus ist möglich mit „Familienlohn“ des Mannes und ohne.  

III.

Ob mit oder ohne Hausarbeit, die geschlechtliche Arbeitsteilung mit Ausschluss der Frauen  an gleichem Anteil am gesellschaftlichen Reichtum wie Männer und gleichen individuellen Entwicklungsmöglichkeiten bleibt erhalten. Die Zuweisung oder gar Reduzierung auf „Hausarbeiterin“ ist Ausdruck von Herrschaft von Männern über Frauen. Die Macht von Männern ist der hierarchischen geschlechtlichen Arbeitsteilung vorausgesetzt und sie reproduziert sich durch und in dieser Arbeitsteilung, die sich quer durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und quer durch die Klassen zieht. Die Machtergreifung der Männer vollzog sich lange vor der Existenz kapitalistischer Produktionsverhältnisse, teils auf Grundlage der natürlichen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, teils ganz unabhängig davon. 

Sofern das Kapital auf der Unterdrückung der Frau beruht, beruht es auf der gesellschaftlich verankerten geschlechtlichen Arbeitsteilung. Genauso wie es beruht auf der Arbeitsteilung von Stadt und Land, Kopf- und Handarbeit und entwickelten und unterentwickelt gehaltenen Ländern.

Durch Arbeitsteilung bewahrte „Unterentwicklung“ eines Teils der Gesellschaft ist Teil der Produktivkraftentwicklung in allen Klassengesellschaften!  All diese Arbeitsteilungen konstituieren aber nicht die spezifisch kapitalistischen Produktionsverhältnisse, sondern bilden nur Grundlage, auf der sich die Voraussetzungen von verallgemeinerten Warenproduktion und Lohnarbeit historisch entwickelt haben. Die Herrschaft der Stadt über das Land, des Mannes über die Frau, der Kopfarbeit über die Handarbeit, der entwickelten über die unterentwickelt gehaltenen Ländern, verschwindet daher auch nicht automatisch mit der Überwindung des Systems der Lohnarbeit, weil diese Herrschaftsformen auf jeweils besondere Ursachen zurück zu führen sind. Es handelt sich jeweils um spezifische Widersprüche, mit spezifischen Ursachen, die mit spezifischen Mitteln zu lösen sind, die sich sowieso einem einfachen Schema von Haupt- und Nebenwidersprüchen entziehen. Der Klassenkampf gegen das Kapital, zur Überwindung des Systems der Lohnarbeit, ist nicht das Mittel zur Lösung all dieser Widersprüche. Er macht letztlich nur den Weg frei dazu. Die eigentliche große soziale Umwälzung würde sowieso erst geginnen, wenn die Eigentumsfrage gelöst ist, weil nur dann die Menschen durch freie, selbstbestimmte Assoziation in die Lage versetzt wären, auf Basis der Entwickeltheit der Produktivkräfte, im Verlangen nach „Aneignung ihrer eigenen allgemeinen Produktivkraft“ (Marx), die Arbeitsteilung ihrem Willen zu unterwerfen und alle Unterwerfungen unter vorgegebene Arbeitsteilungen umfassend in Frage zu stellen.

In diesen Zusammenhang gehört meiner Meinung nach die „Frauenfrage“. Wenn aber das Wort gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern noch nicht einmal auftaucht, sich alles ständig um eine angebliche zu kritisierende „Politische Ökonomie der Hausarbeit“ dreht, wie soll da was vernünftiges zur „Frauenfrage“ geschrieben werden?

Da hilft es auch nicht weiter, wenn vorgeschlagen wird, statt von Haupt- und Nebenwidersprüchen, von „Verschränkung“ zu sprechen. Es geht gerade nicht darum, „Kapitalismus- und Patriarchatskritik wieder zusammen zu bringen“, sondern sie deutlich zu unterscheiden!!! Nur so kann deutlich werden, dass die Herrschaft des Mannes über die Frau nicht durch Klassenkampf zwischen Lohnarbeit und Kapital aufzuheben ist. Die Autonomie der Frauenbewegung muss anerkannt, durchgesetzt und gewahrt bleiben, auch mit eigenen Zielen und Programm! Das schließt nicht aus, dass eine „neue antikapitalistische Organisation“ Ziele der autonomen Frauenbewegung unterstützt bzw. übernimmt. 

Die Hausarbeit ist nicht Gegenstand der Kritik der Politischen Ökonomie! Sie ist und bleibt aber Gegenstand einer materialistischen Kritik gesellschaftlicher Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und in diesem Kontext ein zentraler Punkt menschlicher Emanzipation. Statt die Unterdrückung der Frau im Verhältnis zu anderen Formen von Unterdrückung zu bewerten, einzuordnen in irgendwelche zweifelhaften Raster, sollte man sich lieber mit handfester Kritik an ihren spezifischen Formen beschäftigen! 

Ob ich mit diesen Ausführungengrößteundgrundlegende Differenzenhervorrufe, oder hier und daoffene Türeneinrenne, das ist mir ziemlich schnuppe. AlsAußenseiterdarf ich die Freiheit genießen, einen ganzenDiskursfürabseitigzu halten. Niemand muss darauf eingehen. Wenn er oder sie das aber tut, dann bitte mit Argumenten und nicht ausschließlich in der Form  schlagwortartiger Bewertung und Einsortierung! 

V. Abschließendes großes Unbehagen

Die Schöneberger sind offensichtlich ganz eingespannt in theoretische Diskurse und fokussiert auf Themen, die gerade das verhindern, was sie gern möchten: eineneue antikapitalistische Organisationdie zu gemeinsamer politischer Aktion fähig ist. Statt eine Diskussion zu führen über ein konkretes praktisches Programm, wie es für gemeinsame Praxis nötig wäre, die den Parteibildungsprozess der LohnarbeiterInnen unterstützt, werden ständig Widersprüche bewertet, um einerseits irgendwelche Kompromissformeln zu finden oder andererseits  „grundlegendeundgrößtetheoretische Differenzen festzustellen, die eine solch produktive programmatische Diskussion noch gar nicht zulassen. Das war eigentlich auch nicht anders zu erwarten.  

Ich fühle mich also erneut in meiner Skepsis gegenüber einer aktuell anzugehenden „neuen antikapitalistischen Organisation“ bestätigt. Dazu fehlt einfach eine über längere Zeit entwickelte gemeinsame Praxis verschiedener Gruppen und Strömungen in realen Massenbewegungen, die nach einem gemeinsamen praktischen Programm verlangen würde. Das Unbehagen von in theoretischer Vielfalt und Beliebigkeit vor sich hinwerkelnder Grüppchen reicht nicht als Grundlage für die Bildung einer politisch relevanten „neuen antikapitalistischen Organisation“! 

Immerhin gäbe die Initiative der Schöneberger die Gelegenheit, einige der grundlegenden theoretischen Differenzen mit programmatischer Relevanz in einer vernünftigen, sachlichen Weise zu diskutieren; wenigstens eine neue, verbindliche Dikussionskultur zu schaffen, an der es so sehr mangelt!! Dazu fehlt aber scheinbar die Einsicht und Bereitschaft.

Stattdessen orientieren sie ausgerechnet jetztauf eine größere Konferenz aller ernsthaft Interessierten im Spätherbst“, die u.a. „eine programmatische Sortierung des Gemeinsamen und des Trennenden der bis dahin geführten Debatteleisten soll.

Wir haben Mitte August und eine gründliche Diskussion programmatisch relevanter Fragen hat bis jetzt kaum stattgefunden und schon soll in 2-3 Monaten wieder sortiert werden, programmatisch versteht sich. Die Initiative ist bis jetzt sehr schwach in Diskussion und Klärung programmatisch relevanter Fragen, aber sie ist zweifellos stark in der Sortierung. Bin also sehr gespannt auf die geplanteHeerschauund was die neuerliche Sortierung ergibt und verbleibe als „unernst“ Interessierter. 

Ich nehme den Schönebergern eines ab, dass sie - ähnlich wie ich - unter diesem elenden Sektenwesen und der Zersplitterung leiden und Änderung, Vereinigung, politische Wirksamkeit wünschen.

Was ich ihnen vor allem vorzuwerfe ist, dass sie dieses Sektenwesen eben mit den Methoden und dem Rüstzeug dieses Sektenwesen überwinden wollen. Falls daraus auf dem eingeschlagenen Weg was „neues“ entsteht, kann es sich nur um eine neue, größere Sekte handeln, die gleichfalls den Parteibildungsprozess in der Klasse der LohnarbeiterInnen keinen Millimeter voranbringen könnte. 

Robert Schlosser
August
2011
 

Anhang 

Kapitel 1 - Über die Kompetenz der obersten Machtorgane der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

Artikel 1. Der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Gestalt ihrer obersten Organe obliegt:
a) die Vertretung der Union im internationalen Verkehr, die Unterhaltung aller diplomatischen Beziehungen, der Abschluß von politischen und sonstigen Verträgen mit anderen Staaten;
b) die Änderung der Staatsgrenzen der Union sowie die Regelung von Fragen, die die Änderung von Grenzen zwischen den Unionsrepubliken betreffen;
der Abschluß von Verträgen über die Aufnahme neuer Republiken in die Union;
c) Kriegserklärung und Friedensschluß;
d) die Aufnahme ausländischer und innerer Anleihen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und die Genehmigung ausländischer und innerer Anleihen der Unionsrepubliken; e) die Ratifizierung internationaler Verträge;
f) die Leitung des Außenhandels und die Festlegung des Systems der Versorgung und des Binnenhandels;
g) die Aufstellung der Grundsätze und des allgemeinen Planes für die gesamte Volkswirtschaft der Union, die Bestimmung der Industriezweige und einzelnen h) Industriebetriebe, die Unionsbedeutung haben, der Abschluß von Konzessionsverträgen sowohl für die Union als auch im Namen der Unionsrepubliken;
i) das Transportwesen sowie das Post- und Telegrafenwesen;
j) die Organisation und die Leitung der Streitkräfte der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken; k) die Bestätigung des einheitlichen Staatshaushalts der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, zu dem die Haushalte der Unionsrepubliken gehören; die Festsetzung der Unionssteuern und -einnahmen sowie der Zuweisungen aus ihren und der Zuschläge zu ihnen, aus denen die Haushalte der Unionsrepubliken gebildet werden;
l) die Genehmigung von zusätzlichen Steuern und Abgaben zur Bildung der Haushalte der Unionsrepubliken;
m) die Festlegung des einheitlichen Währungs- und Kreditsystems;
n) die Festlegung der allgemeinen Grundsätze der Bodenbewirtschaftung und -nutzung sowie der Nutzung der Bodenschätze, der Wälder und der Gewässer auf dem gesamten Territorium der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken;
o) die Unionsgesetzgebung über die Umsiedlung zwischen den Republiken und die Bildung des Umsiedlungsfonds;
p) die Festlegung der Grundlagen des Gerichtsaufbaus und des Gerichtsverfahrens sowie der Zivil- und Strafgesetzgebung der Union;
q) die Festlegung der grundlegenden Arbeitsgesetze;
r) die Festlegung der allgemeinen Grundsätze auf dem Gebiet des Volksbildungswesens;
s) die Festlegung von Maßnahmen zum Schutz der Volksgesundheit;
t) die Festlegung des Maß- und Gewichtssystems;
u) die Organisierung der Unionsstatistik;
v) die grundlegende Gesetzgebung auf dem Gebiet der Unionsstaatsbürgerschaft bezüglich der Rechte von Ausländern;
w) das Recht der Amnestie für das ganze Gebiet der Union;
x) die Aufhebung von Beschlüssen der Sowjetkongresse und der Zentralexekutivkomitees der Unionsrepubliken, die diese Verfassung verletzen;
y) die Entscheidung von Streitfragen zwischen Unionsrepubliken.

Durch Gesetz vom 17. März 1931 erhielt der Artikel 1 lit. f) und k) folgende Fassung:
f) die Leitung des Außenhandels und die Festlegung des Systems des Binnenhandels;
...
k) die Bestätigung des einheitlichen Staatshaushalts der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, zu dem die Haushalte der Unionsrepubliken gehören; die Festsetzung der Unionssteuern und -einnahmen sowie der Zuweisungen aus ihren und der Zuschläge zu ihnen, aus denen die Haushalte der Unionsrepubliken gebildet werden; die Ermächtigung zu Steuerzuschlägen und Gebühren zur Finanzierung der Unionsrepubliken;"

Durch Gesetz vom 5. Februar 1935 erhielt der Artikel 1 lit i) folgende Fassung:
i) die Leitung des Verkehrswesens sowie des Post- und Fernmeldewesens;"

Quelle: http://www.verfassungen.net/su/udssr23-index.htm

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir von dem Autor für diese Ausgabe..