Harald
Thomé (H.T.) ist Vorsitzender des Erwerbslosen- und
Sozialhilfevereins Tacheles aus Wuppertal und Referent für
Arbeitslosenrecht
1) Was
hat das Informationsfreiheitsgesetz ( IFG) mit den Jobcentern zu
tun?
H.T.:
Das IFG wurde am 1. Januar 2006 eingeführt und gewährt jeder
Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu
amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Da im Hartz
IV-Bereich eine Menge Verwaltungsanweisungen anfallen, sind
natürlich auch Jobcenter davon betroffen.
2) Können
Sie Beispiele nennen?
H.T.:
Der gesamte Bereich der Kosten der Unterkunft von Hartz
IV-Empfängern ist über solche Verwaltungsvorschriften geregelt,
aber auch das Bildungspaket, die Regelung bei Erstausstattungen
für Wohnraum. Seit 1. Januar 2011 fallen auch kommunale
Behördenanweisungen unter das Bundes- IFG. Die Jobcenter müssen
nun auch die auch die kommunalen Dienstanweisungen jedem
Interessierten zugänglich machen.
4) Wie
sieht es in der Praxis aus ?
H.T.:
Ich habe im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und
Baden-Württemberg Anträge gestellt und beantragt, dass diese
Verwaltungsanweisungen und Richtlinien zu den Unterkunftskosten,
zum Bildungs- und Teilhabepaket, aber auch zur Erstausstattung
von Wohnraum und Bedarfen bei Schwangerschaft und Geburt an ihn
herauszugeben. Nach einem Monat, dem spätesten Termin nach dem
solche Information von amtswegen herauszugeben sind, wurden in
Bayern die Unterlagen lediglich in 11, in Baden-Württemberg in
17 Fällen vollständig herausgegeben. Mehr als zwei Drittel der
Jobcenter haben in beiden Bundesländern nicht geantwortet. Die
übrigen schickten unvollständige Unterlagen. Ein
Jobcenterleiter hat mir sogar mit einer Anzeige bei der
örtlichen Anwaltskammer wegen Verstoß gegen das
Rechtsdienstleistungsgesetz gedroht.
4) Wie
wollen Sie weiter vorgehen?
H.T.:
Ich habe die Angelegenheit zunächst öffentlich gemacht. Nach
dem 1. August werde ich mich an den Bundesbeauftragten für
Informationsfreiheit werden. Sollten die Behörden auch nach
drei Monaten die Unterlagen nicht veröffentlichen, werde ich
entsprechende Untätigkeitsklagen einleiten.
5) Hatten
Sie schon erfolgreich geklagt?
H.T.:
Der Verein Tacheles hat 2006 in Sachen IFG gegen die
Bundesagentur für Arbeit geklagt und sie dazu gezwungen, ihre
internen Weisungen zum Arbeitslosengeld im Internet zu
veröffentlichen. Auch die Informationen, die ich jetzt von den
bayerischen baden-württembergischen Jobcentern angefordert habe,
sollen veröffentlicht werden. Es ist schlimm genug, dass dies
aus der Erwerbslosenbewegung heraus gefordert werden muss, die
Behörden wären nach dem IFG von sich aus zur Veröffentlichung
verpflichtet.
6) Welche
Vorteile haben die Betroffenen davon?
H.T.:
Die Betroffenen können so prüfen, ob die jeweilige behördliche
Entscheidung rechtsmäßig ist, ob das Amt Ermessen ausgeübt hat
oder können bei der Formulierung von Anträgen auf die
wesentlichen, für die Entscheidung erheblichen Umstände
hinweisen. Sie können aber auch prüfen, ob das Amt organisiert
durch Weisung gegen geltendes Recht verstößt, letzteres ist ein
Phänomen welches bei Hartz IV nicht selten vorkommt.
Editorische
Hinweise
Das Interview erhielten wir von Peter Nowak.