dance
– 2083 >> ins Internet gestellt. In der Brandschrift sprüht der
junge Mann Gift & Galle gegen „Multikulturalismus", Moslems,
Marxismus und behauptet etwa rundheraus, der Islam sei „eine
Genozid-Ideologie". Er spricht sich darin ferner dafür aus,
terroristische Mittel einzusetzen, „um die Massen zu erwecken",
„aufwachen zu lassen". Breivik, der behauptet, seine
Manifestschrift innerhalb von neun Jahren verfasst zu haben und
dieselbe auf Englisch mit „Andrew Berwick, Kommandant der nach
Recht strebenden Ritter" unterzeichnete, legt darin einige
seiner „Kampf"ziele dar. So schreibt er: „Bevor wir unseren
Kreuzzug beginnen, müssen wir unsere Pflicht tun, indem wir den
kulturellen Marxismus dezimieren." Unter den von ihm so
genannten „kulturellen Marxismus" rechnet Berwick auch die
norwegische Arbeiterpartei – eine (aus bürgerlicher Sicht
vollkommen harmlose) sozialdemokratische Regierungspartei -, und
sein Manifest enthält eine direkte Anspielung auf eine Attacke
gegen deren Jugendorganisation, welche nun zum Opfer des
Mordangriffs auf der Insel Utoeya wurde. Brisant ist übrigens
noch, dass laut Informationen der finnischen Zeitung ,Helsingin
Sanomat’ das Manifest am Freitag Nachmittag durch ein führendes
Mitglied der Partei „Wahre Finnen" (Perussuomalaiset, PS), einer
rechtsextremen Partei mit starken christlichen Einflüssen in
Finnland, per E-Mail versandt wurde.
Da waren aber viele
enttäuscht, die sich sofort beeilt hatten, die Attentate
islamistischen Urherbern in die Schuhe zu schieben. Und, einmal
mehr, eine vermeintliche geradlinige Verbindung von „Moslems"
(und moslemischen Einwanderern) über „Islamisten" bis hin zu „islamistischen
Terroristen" zu ziehen: Alle schuldig! So hatte der
moslemfeindliche und neokonservative Blog „Extrême centre" noch
am Samstag, den 23. Juli 11 – als die Identität des Attentäters
längst festzustehen schien – mit folgender Schlagzeile getitelt:
„Islamische Schlächterei in Norwegen."
Folglich bedeutet es für
diverse rassistische Milieus, für hauptberufliche Moslemhasser,
Anhänger des „Kampfs der Kulturen" gegen den Islam (darunter
solche, die tatsächlich oder vorgeblich Israels Politik und
Militäraktionen unterstützen; und wiederum andere, die gegen
Israel überhaupt eintreten), für Neofaschisten und
neokonservative ,War on terror’-Anhänger eine Herausforderung,
sich den neuen Nachrichten über die Urheberschaft des
Massenmords in Norwegen zu stellen. Gehörte Breivik doch zu
ihrem Spektrum. Er war von 1997 bis 2006 Mitglied der
Jugendorganisation der groben, „rechtspopulistischen" bis
rechtsextremen norwegischen „Fortschrittspartei"(FrP), und von
2004 bis 06 zusätzlich auch der Partei selbst – worüber ihre
Chefin Siv Jensen nun nachträglich ihr „Bedauern" ausdrückte. Im
Jahr 2009 warf Breivik dann in einer Nachricht im Internet
allerdings seiner früheren Partei vor, die FrP wolle nunmehr
„die multikulturellen Erwartungen und das selbstmörderische
Ideal des Humanismus erfüllen", laufe also dadurch ihren Gegnern
hinterher.
Dabei zählte der Attentäter
nicht zu der (relativ kleinen) Fraktion der europäischen
extremen Rechten, die beispielweise offen Adolf Hitler verehrt.
Vielmehr zählte er zu dem Teil des rechten Spektrums, das
besonders gegen „den" Islam hetzt, (vordergründig oder auch
inbrünstig) Israel unterstützt und sich auf „westliche Werte"
beruft. Kurz, zu der Strömung, die ihre Ideologie nicht aus dem
Nationalsozialismus schöpft, sondern eher an die fanatischen
Teile der ,Tea Party’ in den USA, die Siedlerbewegung in Israel
und ähnliche Phänomene anknüpft – und u.a. durch Geert Wilders
in den Niederlanden oder die Moslemhasser- und
Sozialdarwinisten-Webseite ,Politically Incorrect’ (PI) in de
Deutschland repräsentiert wird. (PI rief im Jahr 2009 indirekt,
aber überdeutlich zur Wahl der rechtsextremen deutschen Partei
,Die Republikaner’ auf, vgl. dazu http://www.pi-news.net/2009/05/europawahl-optionen-fuer-islamkritische-waehler/
) Beide Strömungen ko-existieren nebeneinander in der,
heterogenen, extremen Rechten Europas. Breivik selbst
bezeichnete sich u.a. als „für Israel", „antieuropäisch", „gegen
die UN" und „für Freihandel"; Nazismus, Kommunismus und Muslime
seien als Negativphänomene und Feinde alle auf eine Stufe zu
stellen.
Am Freitag wurde (durch eine
unbekannte Quelle) auch eine Zusammenstellung von früher durch
Breivik im Internet publizierten Texten und Mitteilungen im Netz
veröffentlicht, darunter auf der – derzeit nicht zugänglichen –
Webseite „Document.no", bei der er in den Jahren 2009/10 als
Mitglied eingeschrieben war. Dort schrien er unter anderem: „Die
Leute müssen wissen, was die herrlichen multikulturelle Lehren
Europa angetan haben: die systematische Zerstörung der
europäischen Christenheit, der Traditionen, der Kultur, der
nationalen Identität und der Souveränität. Diese politischen
Mechanismen konnten nur zur Islamisierung Europas führen." Dafür
wiederum seien „der 68er Geist" sowie der, laut Breivik
anscheinend allgegenwärtige, „Marxismus" – den er bei
Sowjetkommunisten ebenso wie bei kreuzbiederen Sozialdemokraten
verortet – verantwortlich. Breivik, der den historischen
Nationalsozialismus ebenfalls ablehnt, schreibt dazu ferner:
„Wenn Westeuropa und die USA nach dem Zweiten Weltkrieg alle
Marxisten ins Gefängnis gesteckt und die marxistische Ideologie
als genau so hassenswert wie den Nazismus betrachtet hätten,
wären wir nicht an dem Punkt angelangt, wo wir sind". Die
Polizei beschreibt Breivik, nach ihren Ermittlungen über dessen
geistiges Umfeld, als „christlichen Fundamentalisten". Er selbst
schrieb jedenfalls über sich, er sei „Protestant" – wozu er sich
im Alter von 15 Jahren „aktiv entschieden" habe -, doch „seine
Kirche" sei ebenfalls durch das Multikultitum zersetzt: „Heute
ist der Protestantismus ein grober Witz. Man sieht Gläubige in
Jeanshosen, die für die Palästinenser demonstrieren, und die
Kirchen wirken mehr und mehr wie kleine Einkaufszentren. (...)
Das Einzige, was die protestantische Kirche retten könnte, wäre
eine Rückkehr zu ihren traditionellen Werten."
Das klingt nun natürlich
PI-Rassisten und anderen Rechten wie aus der Seele gesprochen.
Entsprechend grob ist die Herausforderung für sie, nun mit den
Ergebnissen irgendwie umzugehen. Die deutschsprachige Webseite ,Politically
Incorret’ berichtete denn auch am Samstag, den 23. Juli 11 unter
dem Titel << Fall Anders B., eine konservative Katastrophe >>
über den Fall. In ihrer inhaltlichen Bewertung halten die
PI-Macher, die irgendwo im Feld zwischen dem rechten CDU- und
FDP-Flügel und rechtsextremen Parteien wie den ,Republikanern’
angesiedelt sind, sich derzeit noch zurück. So heibt es dort am
Samstag: „Dieser Beitrag soll darum auch eine sachliche Analyse
und kein Reinwaschen von Eigenverantwortung sein. All die
Zerstörungswut ist nach gegenwärtigen Erkenntnissen das Werk
eines einzigen Mannes, eines konservativen Norwegers, der auf
der der größten islamkritischen Website Norwegens document.no
als Kommentator bekannt war. PI hat versucht, mehr über diesen
Mann herauszufinden." Und weiter: „Was er schreibt sind
großenteils Dinge, die auch in diesem Forum stehen könnten. (…)
Ob Breivik an einer psychischen Krankheit leidet, die seither
(Anm. : seit seinem letzten Blog-Eintrag von Ende Oktober 2010)
schlimmer geworden ist, entzieht sich unserer Kenntnis."
Die Webseite fügt ferner,
aufrichtig kleinlaut, noch hinzu: „Dennoch ist es wichtig zu
bemerken, dass die ,Bösen’ nicht immer nur andere sind. Wir
dürfen uns vor lauter Auf-andere-mit-dem Finger-Zeigen nicht
unserer Eigenverantwortung entziehen. Wir stehen in der
Verantwortung für unser Handeln und Denken. Und in dieser
schweren Stunde ist es unsere Pflicht, die Schuld nicht zuerst
bei anderen zu suchen, sondern den Angehörigen unser Beilied
auszusprechen."
Am Sonntag früh, den 24. Juli
11, liest man bei PI neu, es geht um die Entdeckung des
1.500seitigen Manifests des Attentäters Breivik: „Der
1500-seitige Text liegt uns vor, konnte aber heute morgen noch
nicht gelesen werden. Auch Henryk M. Broder sei erwähnt.
Außerdem enthalte der Text Anleitungen zum Bombenbau, weshalb
hier keine weiteren Verweise folgen. Wie gesagt, 100-prozentig
sicher, ob der Text vom Attentäter stammt, ist die Presse noch
nicht."
Am Beispiel Frankreich
In Frankreich - einem Land
das nicht nur eine der derzeit stärksten rechtsextremen Parteien
in Westeuropa aufweist, sondern durch Breivik explizit auch als
eines der Hauptziele seiner „Kreuzzügler" bezeichnet wurde
(wegen der angeblichen hohen Zahl moslemischer Einwanderer) –
kamen innerhalb kürzester Zeit heftige Reaktionen aus dem
Spektrum der extremen Rechten. Im Unterschied zu PI ist dieses
allerdings nicht in die Defensive gegangen, sondern hetzt auch
weiterhin aktiv gegen seine Gegner, das Massaker von Oslo sogar
zum Vorwurf gegen diese wendend.
Der frühere Vizepräsident des
französischen Front National (FN), Bruno Gollnisch – er unterlag
im Januar 2011 als Kandidat für den Parteivorsitz gegen die
bisherige „Cheftochter" Marine Le Pen – sandte am frühen Samstag
Abend gegen 20.30 Uhr ein Kommuniqué über seine Webseite aus. Es
stand unter der Überschrift „Auf ein neues Carpentras zu?"
Dadurch spielt er auf die Schändung des jüdischen Friedhofs im
südfranzösischen Carpentras an, die in der Nacht des 08. Mai
1990 begangen wurde. Die antisemitische Tat war zuerst mit der
extremen Rechten in Verbindung gebracht worden, doch die Täter
konnten lange Zeit nicht ermittelt werden. Deswegen hatte die
extreme Rechte sich damals zum Opfer eines angeblichen
„Staatskomplotts" (der damalige Staatspräsident François
Mitterrand hatte die Rechtsextremen damals offen kritisiert, und
die französische Nationalversammlung nahm am 02. Juli 1990 ein
neues Gesetz zur Strafandrohung gegen Auschwitzleugnertum an)
stilisiert. Im November 1995 fuhr der Front National sogar mit
einem durch ihn angemieteten Sonderzug, dem „Zug der Wahrheit",
nach Carpentras, um dort für sein „Recht" auf politische und
moralische Rehabilitierung" zu demonstrieren. Ende Juli 1996
konnten die vier Täter jedoch festgenommen werden. Es handelte
sich um Rechtsextreme. Einer von ihnen, ein früherer
Neonazi-Skinhead (und zeitweiliges Mitglied des FN), war
zwischenzeitlich zum Buddhismus und zur Gewaltlosigkeit
konvertiert, hatte Reue empfunden und bei der Polizei
ausgepackt. Auch wenn die Täter nicht direkt mit dem FN in
Verbindung standen, sondern mit der inzwischen aufgelösten
Neonazi-Splitterpartei PFNE, so kamen sie doch aus seiner Ecke.
Beim Front National wird allerdings bis heute bruchlos
behauptet, es habe sich bei der Affäre um eine politische
Verschwörung gegen die eigene Partei gehandelt, und deshalb
benutzt Gollnisch auch den Ausdruck „Carpentras" als Synonym für
„Komplott gegen uns".
In seinem Kommuniqué schreibt
Bruno Gollnisch dazu: „Wie es vorauszusehen war, beginnt das
Töten in Norwegen einigen ausgewiesenen Verformern der Wahrheit
Elemente dafür zu liefern, um eine ,extreme Rechte’ anzuklagen,
welche eher ins Reich der Mythologie denn der Realität gehört."
Das Hauptargument zieht Gollnisch daraus, dass Anders Behring
Breivik gar kein christlicher Fundamentalist gewesen sein könne,
sondern – Freimaurer. Denn seine Facebook-Seite weise unter der
Rubrik „Beschäftigung/Aktivitäten" keinen Eintrag bezüglich
einer religiösen Betätigung aus. Hingegen habe die rechtsextreme
Publikation ‚Nouvelles de France’ – argumentiert Gollnisch
weiter - „unter der Feder von Eric Martin" herausgefunden, dass
Breivik zu der Freimaurer-Loge ,John Piliers’ gehöre. Auf deren
Webseite, so Gollnisch, werde „tatsächlich ein Anders Behring
als Mitglied aufgeführt". Nämlicher Eric Martin konnte
seinerseits einen Text auf mehrere rechtsextreme Webseiten
setzen, welcher auf die Fragestellung endet: „Warum sollte die
Feindseligkeit von Anders Behring Breivik gegen den Islam
grundsätzlich die Tatsache eines Christen darstellen – und nicht
die eines Freimaurers?"
Der Hinweis auf eine –
angebliche oder tatsächliche, durch uns derzeit nicht zu
überprüfende – Zugehörigkeit Breiviks zu einer
Freimaurergruppierung soll in den Reihen der französischen
extremen Rechten zu einem sofortigen Aha-Effekt führen. Der
Ausdruck „Freimaurer" gilt dort als Synonym für
„verschwörerische Geheimgesellschaft", „finstere Machenschaften"
– und gleichzeitig für „Anti-Christentum". Die
verschwörungstheoretische Konnotation des Begriffs „Freimaurertum"
rührt daher, dass deren Gesellschaften – die ursprünglich
Organisationsformen der Facharbeiter des Mittelalters, nämlich
der Erbauer der gothischen Kathedralen, gewesen waren – im
Vorfeld der Französischen Revolution dem damaligen
revolutionären Bürgertum als Dach für seine Treffen und
Aktivitäten dienten. Deswegen haftet ihm aus Sicht der extremen
Rechten, die lange Zeit den historischen Bruch von „1789"
mehrheitlich scharf ablehnte, immer etwas „Subversives" an.
Dabei dienen Freimaurerverbände heutzutage (es gibt sie noch, in
stärkerem Ausmab als in Deutschland, wo sie durch den
Nationalsozialismus weitgehend zerstört wurden) zum Teil
bürgerlichen Eliten als Rahmen für Treffen auberhalb des Lichts
der Öffentlichkeit, zum Teil sind sie aber auch schlichtweg
unpolitisch. Völlig anders ist die Situation wiederum in
Skandinavien: Anders als in Frankreich – aufgrund der dortigen
Geschichte, unter der Monarchie vor 1789 – waren die dortigen
„Logen" der Freimaurer nie als kirchenfeindlich oder gar gegen
das Christentum begriffen worden. Und während das französische
Freimaurertum historisch von ihren Mitgliedern eine
Verpflichtung auf die Aufklärungsphilosophie (die vor 1789 in
Gegnerschaft zur katholischen Kirche und ihrer Macht stand)
forderte, waren die skandinavischen Logen immer „deistisch". Das
bedeutet, sie verlangten das Bekenntnis zu einem Gott, dessen
konkretes Aussehen jedoch offen gelassen wird. Insofern könnte
Breivik theoretisch selbst dann dortiger Freimaurer gewesen sein
– sofern es überhaupt zutrifft, und sich nicht um eine pure
Namensähnlichkeit handelt -, wenn er zutiefst christlich
orientiert war, und umgekehrt.
Das Motiv „Der Täter kann
nicht christlich-fundamentalisch gewesen sein, denn er war
Freimaurer" stellte auch die Ausrichtung eines Grobteils der
sonstigen rechten Reaktionen dar. Und zwar strömungsübergreifend:
Einige Freunde der israelischen Rechten beriefen sich ebenso auf
dieses Argument, wie der wegen Holocaust-Leugnung oder
jedenfalls –Relativierung (Ende 2004) aus dem Hochschuldienst
entfernte frühere Juraprofessor Bruno Gollnisch es tat. Dieselbe
Quelle, also Eric Martin, wird etwa auch durch den
rechtskatholischen und extrem pro-israelischen Autor Michel
Garroté zitiert. Dessen Artikel (unter der Überschrift
„Attentate von Oslo: Der ,christliche Fundamentalist’ ist nicht
fundamental christlich") wurde sowohl auf der neokonservativen,
pro-israelischen und moslemfeindlichen Webseite DRZZ.info als
auch bei der rassistischen und FN-Nahen Seite ,La Valise ou le
cercueil’ (vgl. unten) publiziert. Michel Garroté verortet
seinen eigenen politischen Standpunkt selbst „zwischen dem
rechten Flügel der (konservativen Regierungspartei) UMP und dem
Front National", wie er in einem Artikel vom 07. Januar 2011
unter der Überschrift „Islam und Abkommen UMP/Front National"
eigenhändig dargelegt hatte. Er zählt ferner zu den führenden
Aktivisten einer „Christlich-jüdischen Allianz für Israel".
Eine andere Schiene fuhr die
rechtsextreme Internet-Presse, was die Frage des Hasses Breiviks
auf „den Multikulturalismus" betrifft. In dieser Frage
rechtfertigen diverse rechtsextreme Publikationen seine Motive
geradezu – und stellen den Attentäter als Opfer hin, da ihm
aufgrund der derzeitigen Situation einfach hätten „die
Sicherungen durchbrennen" können oder müssen.
Auf der rechtsextremen
Webseite ,La valise ou le cercueil’ („Den Koffer oder den Sorg",
eine Anspielung auf einen historischen Ausspruch, der die
Mentalität der europäischen Siedler in Algerien zu Ende des
algerischen Unabhängigkeitskriegs 1962 auf den Punkt brachte) -
stehen etwa mehrere Beiträge, in denen solcheart argumentiert
wird. ,La valise ou le cercueil’ steht, besonders seit der
Übernahme des Parteivorsitzes durch Marine Le Pen, auch dem FN
und seiner Führung nahe. Es handelt sich um eine Publikation,
die im Milieu der französischen Berufsvertriebenen aus
Nordafrika (welche sich dort infolge der Entkolonialisierung aus
dem Staub machten) angesiedelt ist und sich oft auch positiv auf
die israelische Rechte bezieht.
Am Sonntag, den 24. Juli 11
wurde dort einige Minuten vor 9 Uhr ein Beitrag unter der
Überschrift „Anders Behring Breivik: Wohin der
Multikulturalismus führt" ins Netz gestellt. Darin heibt es u.a.
wörtlich: „Junge Leute, die alle Vorzüge haben, lassen unter dem
Druck der Propaganda und der ,métissage’ (Anm.: durch deutsche
Wörterbücher als ,Rassenmischung’ übersetzt, der Begriff hat im
Französischen aber keinen derart scharfen Klang) eine Sicherung
durchbrennen. Ein Vorzeichen dafür, dass Nationalisten sich
jetzt auch wie muslimische Terroristen verhalten können, die
alle Techniken des Angriffs auf die westlichen Völker nutzen."
Der Massenmord von Oslo wird also quasi wie ein
Vergeltungsschlag dargestellt, auch wenn noch präzisiert wird,
der Täter sei sozusagen durchgeknallt.
Noch unverkennbarer klingt
die Drohung heraus, wenn ein paar Minuten später dieselbe
Webseite einen neuen Artikel unter der Überschrift: „Oslo, hier
ist das Ergebnis des Multikulturalismus. Andere werden folgen"
publiziert. Der Rest des Artikels ist im Übrigen kein
redaktioneller Beitrag, sondern die Übernahme eines Beitrag aus
dem bürgerlichen Wochenmagazin ,L’Express’, das sachlich
referiert, welche Einstellungen der Attentäter hegte und welche
Äuberungen er von sich gab.
Aus der neokonservativen, die
israelische Rechte unterstützende und einen „Schock der Kulturen
(gegen den Islam)" predigenden Ecke kommen ebenfalls aktuelle
Stellungnahmen. So aus der Feder des fanatischen Unterstützers
der israelischen Rechten sowie der US-amerikanischen Bewegung
Tea Party, Guy Millière. Dieser thatcheristische Ideologe, der
beharrlich vom bevor stehenden Untergang Europas („wegen
Sozialismus und Islamismus") faselt und mit Schaum vor dem Mund
eine „Befreiung" der – grundsätzlich überlegenen – USA vom
sozialistischen Joch der Administration des angeblichen
verkappten Muslims „Barack Hussein Obama" fordert, nahm am
Sonntag, den 24. Juli 11 zum Massaker von Oslo Stellung. Unter
der ironisch aufzufassenden Überschrift „Die Terroristen sind
alle grob, blond und blauäugig" wettert Guy Millière, der auch
ein geradezu Weihrauch ausströmendes Buch über George W. Bush
verfasst hat: „Es trifft sich, dass der Terrorist Christ war und
Freimaurer ist. Zwar weib alle Welt, dass er (der Attentäter)
Christ war, und alle Welt glaubt zu wissen, dass er es immer
noch sei. Aber niemand kennt seine Zugehörigkeit zur
Freimaurerei, da kein Journalist es für nötig hielt, sie zu
erwähnen." Er sei vielmehr vorschnell als zur extremen Rechten
gehörig „gebrandmarkt" worden. Stattdessen hätten die
Journalisten sich lieber über seine „geistige Gesundheit"
befragen müssen, und (vorrangig) darauf hinweisen, dass „islamistische
Attentatsdrohungen die jüngste Vergangenheit Norwegens geprägt
haben". Denn, merke, Drohungen sind wichtiger als ein realer
Massenmord, wenn sie nur von der richtigen Seite kommen...
Guy Meillière schreibt ferner
dazu: „Es sieht so aus, als ob es für die Journalistenzunft ein
unerhörtes Glück sei, einen Terroristen ,von extrem rechts’ zu
finden, christlich – selbst wenn er es gar nicht mehr ist - ,
grob, blond, mit blauen Augen. Ein Glücksfall, der es ihnen
erlaubt zu kriminalisieren, was sie verteufeln und verabscheuen,
und im selben Atemzug das von Kritik zu verschonen, was sie im
Namen der ,politisch korrekten’ Schwachsinnigkeiten
leidenschaftlich lieben. Im Namen des Kampfes gegen Xenophobie
(= Fremdenfeindlichkeit) praktizieren diese Leute eine zügellose
Xenophilie (= Fremdenfreundlichkeit), die sie gegenüber allem,
was einem Europäer ähnelt - dessen Essenz der Grobe, Blonde und
Blauäugige darstellen solle – feindselig werden lässt. Im Namen
des Kampfes gegen Rassismus praktizieren diese Leute eine Form
des umgekehrten Rassismus: Sie mögen die Europäer grundlegend
nicht, besonders wenn sie grob, blond und blauäugig sind."
Auf der oben zitierten,
rassistischen Webseite ,La valise ou le cerceuil’ äuberte sich
am Sonntag, den 24. Juli 11 auch der französisch-israelische
Autor Jean-Patrick Grumberg. Besagter Monsieur Grumberg ist
ferner Vorstandsmitglied der Französisch-israelischen
Handelskammer, in Frankreich aktiver Wirtschaftslobbyist (er
setzte sich 2009 an vorderster Front für die – damals erfolgte –
gesetzliche Erleichterung von Sonntagsarbeit ein) und handelte
von 1976 bis 2006 als Unternehmer mit Hifi-Geräten. Sein Artikel
auf der zitierten Webseite erschien unter der Überschrift:
„Attentate von Norwegen – Die Medien erledigen ihre Abrechnungen
– Zum Kotzen".
Jean-Patrick Grumberg
schreibt auf der FN-nahen Webseite, die von ihm behauptete
Sichtweise der wichtigsten bürgerlichen Medien angreifend: „Der
Verdächtigte ist laut ,Le Monde’ ,konservativ’ und ,christlich’,
sieh an. Für ,Libération’ ist er ,christlicher Fundamentalist’.
Michel Garroté hat herausgefunden, dass er in Wirklichkeit
Freimaurer ist, aber das macht keinen guten Schuldigen aus ihm.
Es dient nicht der Ideologie der Journalisten. Der Freimaurer
verschwindet also, sie haben dekretiert, dass er ,christlicher
Fundamentalist’ zu sein hat."
Und der Verfasser fährt fort:
„Der Geruch von Blut hat die Vampire jegliche Mabstäbe verlieren
lassen: Sie haben den idealen Verdächtigen gefunden. Es wird
also in allen Medien auf die Titelseite gehoben. Lasst uns den
weiben Christen lynchen! Alle in diesen
globalisierungsfeindlichen und dritte-welt-freundlichen
Zeitungsredaktionen sind so voller Verachtung gegenüber sich
selbst, den Weiben, der Religion ihrer katholischen Eltern, dass
sie sich auf die Identität des Verdächtigen gestürzt haben. Er
ist nicht einmal Muslim!, die Gelegenheit ist gar zu schön..."
In Wirklichkeit sei der Attentat „mutmablich geistig umnachtet",
aber dies dürften die Journalisten nicht schreiben, „weil es
seine Verantwortung mindern würde, und weil der weibe Kriminelle
notwendig schuldig ist."
Die moslemfeindliche, und in
zunehmendem Ausmab eindeutig rechtsextreme, Internetpublikation
und Aktivistenplattform ,Riposte Laïque’ (ungefähr: Gegenwehr
der Laizisten) durfte da natürlich nicht nachstehen. Auf ihrer
Webseite schreibt Gérard Brazon, ein rechter „Dissident" der
französischen konservativen Regierungspartei UMP – Brazon ist
Kommunalparlamentarier der UMP in einem Pariser Vorort, aber
bezieht sich auch regelmäbig positiv etwa auf Inhalte von Marine
Le Pen – am 24. Juli 11 zum Thema. Unter dem Titel
„Medienmanipulationen und politische Vereinnahmung des
norwegischen Dramas" führt Brazon u.a. aus: „Es ist vielleicht
nur die Tat eines Geisteskranken. Er ist grob, Norweger aus
Abstammung, sagen die Medien, christlicher Fundamentalist und –
sicherlich rechtsextrem! Bingo für unsere Gutmenschen. Sie haben
den richtigen Kranken gefunden. Sie zögern nicht eine Sekunde:
Es geht um ,den Anstieg der extremen Rechten in den Ländern
Nordeuropas’. Oh Schrecken und Verdammung."
Der Autor fügt an anderer
Stelle hinzu, nachdem er - ellenlang über islamistische Gewalt
dissertierend - vom Thema abschweifte: „Als Auswirkung, seien
wir darauf vorbereitet, dass wir Debatten beiwohnen werden, wo
man uns die immergleichen Zusammenhänge herstellen wird (...).
Wir werden die gleichen ,Antirassisten’ und ,Intellektuellen von
Menschenrechts-Vereinschaften’ über ,Faschisten’ reden hören.
(...) Es gilt einen herrlichen Knochen abzunagen. Ein Weiber von
Abstammung, sogar Norweger, der vor einigen Jahren Mitglied der
,Fortschrittspartei’ war, der Partei der norwegischen nationalen
Rechten. Sie werden diesen Knochen bis auf das Mark abnagen, bis
einen die Politik anwidert."